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ID0615601200

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    Deutscher Bundestag 156. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung und Absetzung der Punkte 5, 9 und 10 von der Tagesordnung 8981 A Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung an den Haushaltsausschuß 8981 B Wahl des Abg. Kater als ordentliches Mitglied sowie der Abg. Sieglerschmidt und Bartsch als stellvertretende Mitglieder des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt 8981 C Wahl des Abg. Dr. Schulz (Berlin) als stellvertretendes Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates 8981 D Amtliche Mitteilungen 8981 D Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. mittelständische Wirtschaft (Drucksachen VI/2075, VI/2284) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Abg. von Bockelberg, Gewandt, Lampersbach, Dr. Burgbacher, Schulhoff, Leicht und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache VI/2620) — Erste Beratung — Gewandt (CDU/CSU) 8982 C Koenig (SPD) 8986 D Kienbaum (FDP) 8992 C Engelsberger (CDU/CSU) 8997 D Wurbs (FDP) 9001 A Wüster (SPD) 9004 D Lampersbach (CDU/CSU) 9007 B Grüner (FDP) 9009 D Scheu (SPD) 9012 A von Bockelberg (CDU/CSU) 9015 B Offergeld (FDP) 9016 B Frau Funcke (FDP) 9017 A Dr. Frerichs (CDU/CSU) 9018 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Reichsknappschaftsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache VI/2900) — Erste Beratung — 9019 A Fragestunde (Drucksachen VI/2914, VI/2890) Frage des Abg Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) : Anzahl der sich in den Kriegsgebieten von Pakistan und Indien befindlichen Bürger der Bundesrepublik Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär 9019 B, C, D Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) . 9019 C, D II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 Frage des Abg. Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) : Maßnahmen zur Evakuierung der Deutschen aus den Kriegsgebieten von Pakistan und Indien Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär 9019 D, 9020 C, D, 9021 B Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) . 9020 C, D van Delden (CDU/CSU) 9021 A Fragen des Abg. von Thadden (CDU/CSU) : Arbeit der Rechtspfleger Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär 9021 C, 9022 A von Thadden (CDU/CSU) 9021 D, 9022 A Fragen des Abg. Hussing (CDU/CSU) : Höhe der Anwerbungspauschale nach § 21 des Arbeitsförderungsgesetzes Dr. Ehrenberg, Staatssekretär 9022 B, D, 9023 A Hussing (CDU/CSU) 9022 D, 9023 A Fragen des Abg. Bredl (SPD) : Sozialversicherungsrechtliche Bewertung von Schonzeiten im Anschluß an Kurmaßnahmen Dr. Ehrenberg, Staatssekretär 9023 B Fragen des Abg. Varelmann (CDU/CSU) : Entlohnung von Frauenarbeit Dr. Ehrenberg, Staatssekretär 9023 D, 9024 B, C, D, 9025 A, B Varelmann (CDU/CSU) 9024 B, C, D Dr. Nölling (SPD) 9025 A Dr. Sperling (SPD) 9025 B Frage des Abg. Härzschel (CDU/CSU) : Gewährung einer zusätzlichen Leistung an Kriegsopfer nach Rückzahlung des Krankenkassenbeitrages an die Rentner Dr. Ehrenberg, Staatssekretär 9025 B, C, D, 9026 A, B Härzschel (CDU/CSU) 9025 C, D Dr. Nölling (SPD) 9026 A Pieroth (CDU/CSU) 9026 B Frage des Abg. Pieroth (CDU/CSU) : Anerkennung der Berufsqualifikation der Aussiedler aus Polen Dr. Ehrenberg, Staatssekretär 9026 C, D, 9027 A Pieroth (CDU/CSU) 9026 D Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 9027 A Frage des Abg. Schmidt (Würgendorf) (SPD) : Einrichtung eines Sonderausschusses für Territorialheere im Rahmen der Nordatlantischen Versammlung Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 9027 B Schmidt (Würgendorf) (SPD) 9027 B Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) : Maßnahmen gegen Soldaten wegen Teilnahme in Uniform am Parteitag der DKP Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 9027 C, D, 9028 A, B, C Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 9027 D Dr. Sperling (SPD) 9028 A Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 9028 B Dr. Weber (Köln) (SPD) 9028 B Fragen des Abg. Geisenhofer (CDU/CSU) : Verlegung der auf dem Fliegerhorst Uetersen stationierten Ausbildungsschule für Piloten der Luftwaffe Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . 9028 D, 9029 A, B, C, 9030 A Geisenhofer (CDU/CSU) 9029 A Dr. Gleissner (CDU/CSU) 9029 B Dr. Sperling (SPD) 9029 C Dr. Probst (CDU/CSU) 9029 C Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) 9029 D Fragen des Abg. Dr. Weber (Köln) (SPD) : Auswahl der Lehrer für griechische Kinder in der Bundesrepublik Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9030 B, D, 9031 A, B Dr. Weber (Köln) (SPD) . 9030 D, 9031 A Dr. Sperling (SPD) 9031 A Frage des Abg. Dr. Gleissner (CDU/CSU) : Festsetzung der Grenze der Belastbarkeit durch Strahlenwirkung Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär 9031 B, D, 9032 A Dr. Gleissner (CDU/CSU) . 9031 D, 9032 A Nächste Sitzung 9032 A Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten 9033 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 III Anlage 2 Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 3. Dezember 1971 betr. das Gesetz zur Durchführung des langfristigen Wohnungsbauprogramms (Wohnungsbauänderungsgesetz 1971 — Wo- BauÄndG 1971) 9033 C Anlage 3 Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 3. Dezember 1971 betr. das Gesetz über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" 9034 A Anlage 4 Antrag Umdruck 244 zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. mittelständische Wirtschaft (Drucksachen VI/2075, VI/2284) 9034 C Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Lenzer (CDU/CSU) betr. Wartezeiten bei Rentenanträgen wegen Anerkennung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und Zahl der Anträge auf Gewährung solcher Renten 9034 D Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Enders (SPD) betr. Dauer der Entscheidung über Anträge auf Kriegsdienstverweigerung 9035 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Hauser (Bad Godesberg) (CDU/CSU) betr. Ablegung der zweiten Staatsprüfung durch Bundeswehrstipendiaten der Fachrichtung Geodäsie 9035 C Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Offergeld (SPD) betr. die von den Finanzämtern anzuwendenden Rahmensätze der Mittelpreise von Kantinenmahlzeiten 9036 A Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Wende (SPD) betr. Vereinbarung über das von der Rundfunkanstalt für die Übertragung des Europa- Pokal-Fußballspiels zu zahlende Sendehonorar 9036 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 8981 156. Sitzung Bonn, den 8. Dezember 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Adams * 10. 12. Amrehn 10. 12. Bals * 8. 12. Dr. Barzel 8. 12. Dr. Beermann 15. 1. 1972 Behrendt * 10. 12. Blank 18. 12. Blumenfeld ** 9. 12. Dr. Burgbacher 11. 12. Dasch 18. 12. Dr. Dittrich * 8. 12. Draeger *** 13. 12. Dr. Enders *** 8. 12. Faller * 12. 12. Fritsch ** 8. 12. Dr. Furler 10. 12. Gerlach (Emsland) * 8. 12. Dr. Giulini 10. 12. Dr. Gleissner 9. 12. Freiherr von und zu Guttenberg 18. 12. Haase (Kellinghusen) 10. 12. Hansen 10. 12. Frau Herklotz ** 8. 12. Dr. Hermesdorf (Schleiden) ** 10. 12. Horten 9. 12. Frau Jacobi (Marl) 18. 12. Kahn-Ackermann ** 10. 12. Dr. h. c. Kiesinger 8. 12. Dr. Kreile 8. 12. Kriedemann * 10. 12. Freiherr von Kühlmann-Stumm 8. 12. Dr. Dr. h c. Löhr * 17. 12. Looft 17. 12. Dr. Lenz (Bergstraße) 8. 12. Lücker (München) * 10. 12. Majonica 8. 12. Müller (Aachen-Land) * 10. 12. Ott 10. 12. Pöhler ** 9. 12. Rinderspacher ** 8. 12. Dr. h. c. Schmücker ** 8. 12. Schoettle 17. 12. Schwabe * 8. 12. Spilker 8. 12. Wehner 10. 12. Wiefel 10. 12. Baron von Wrangel 10. 12. Dr. Zimmermann 8. 12. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates *** Für die Teilnahme an Sitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Bonn, 3. Dezember 1971 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Der Bundesrat hat in seiner 374. Sitzung am 3. Dezember 1971 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 11. November 1971 verabschiedeten Gesetz zur Durchführung des langfristigen Wohnungsbauprogramms (Wohnungsbauänderungsgesetz 1971 - WoBauÄndG 1971) gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat hat ferner die aus der Anlage ersichtlichen Entschließungen gefaßt. Heiz Kühn An den Herrn Präsidenten ides Deutschen Bundestages Bonn Vorstehende Abschrift wird auf Ihr Schreiben vom 12. November 1971 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Heinz Kühn Entschließungen zum Gesetz zur Durchführung des langfristigen Wohnungsbauprogramms (Wohnungsbauänderungsgesetz 1971 - WoBauÄndG 1971) 1. Die Bundesregierung wird gebeten, im Zusammenhang mit der in Aussicht gestellten weiteren Novellierung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und des Wohnungsbindungsgesetzes 1965 zu prüfen, inwieweit die bestehenden Regelungen für die vorzeitige Rückzahlung der für die Eigentumsbildung gewährten öffentlichen Mittel zur Erleichterung der Mobilität der Eigentümer und zur Verhinderung von Mißbräuchen umgestaltet werden können. 2. Der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen wird aufgefordert, von der ihm in § 18 a Abs. 3 des Wohnungsbindungsgesetzes 1965 erteilten Ermächtigung, weitere Förderungsjahrgänge in die Zinsanhebung einzubeziehen, Gebrauch zu machen. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Verordnung sind gegeben. Die daraus aufkommenden Mittel werden dringend zur Fortführung des sozialen Wohnungsbaues benötigt. Die Mieten von Wohnungen der neu einzubeziehenden Förderungsjahrgänge werden trotz der Zinsanhebung noch 9034 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 erheblich unter den Mieten für Wohnungen der Förderungsjahrgänge seit 1969 liegen. Damit werden die durch Artikel I Nr. 12 und Artikel III § 1 Nrn. 1 und 2 Wohnungsbauänderungsgesetz 1971 verfolgten Ziele nicht beeinträchtigt. Anlage 3 Der Präsident des Bundesrates Bonn, den 3. Dezember 1971 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Der Bundesrat hat in seiner 374. Sitzung am 3. Dezember 1971 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 4. November 1971 verabschiedeten Gesetz über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" gemäß Artikel 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat hat außerdem die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefaßt. Heinz Kühn Bonn, den 3. Dezember 1971 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Vorstehende Abschrift wird auf Ihr Schreiben vom 6. November 1971 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Heinz Kühn Anlage Entschließung zum Gesetz über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" Der Bundesrat hält eine Beteiligung der Länder an den Aufgaben der Stiftung, insbesondere an der institutionellen Förderung (Teil III), im Hinblick auf die Planungsfunktion der Länder und ihre bisherige erhebliche unmittelbare und mittelbare finanzielle Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der in Teil III genannten Art für erforderlich. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, dafür Sorge zu tragen, daß die Länder in angemessenem Umfang und geeigneter Weise bei der Genehmigung der Richtlinien für die Verwendung der Mittel (§ 7 Abs. 7) und insbesondere des Vergabeplanes (§ 27) beteiligt werden. Anlage 4 Umdruck 244 Antrag der Abgeordneten Junghans, Koenig, Graaff, Kater, Mertes, Scheu, Wüster, Wurbs und der Fraktion der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. mittelständische Wirtschaft Drucksache VI/2075, VI/2284 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechend § 6 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 des Stabilitätsgesetzes ein ,den Eventualhaushalt für das Haushaltsjahr 1972 ergänzendes ERP-Investitionsprogramm bis zu 1 Milliarde DM vorzubereiten. Im Rahmen dieses ERP-Investitionsprogramms sollen — entsprechend ,der Zielsetzung des Strukturprogramms der Bundesregierung für kleine und mittlere Unternehmen (Drucksache VI/ 1666) vornehmlich kleine und mittlere Unternehmen bei ihren Investitionen zur grundlegenden Rationalisierung, Umstrukturierung und Innovation, außerdem wirtschaftsschwache Regionen sowie gemeindliche Infrastrukturinvestitionen gefördert werden. Bonn, den 7. Dezember 1971 Junghans Koenig Kater Scheu Wüster Wehner und Fraktion Graaff Mertes Wurbs Mischnick und Fraktion Anlage 5 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Ehrenberg vom 8. Dezember 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Jenser (CDU/CSU) (Drucksache VI/2890 Fragen A 67 und 68) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß Arbeitnehmer, die einen Rentenantrag wegen Anerkennung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit stellen, häufig lange Wartezeiten hinnehmen müssen, bis ihre Anträge rechtskräftig entschieden sind, und was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen? Wieviel Anträge auf Gewährung von Renten aus den genannten Gründen wurden in den letzten Jahren bei den Landesversicherungsanstalten gestellt, wieviel abgelehnt und in wieviel Fällen wurde der Rechtsweg vor den Sozialgerichten beschritten? Der Bundesregierung ist bekannt, daß Versicherte, die einen Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit stellen, in Einzelfällen längere Wartezeiten bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihre Anträge hinnehmen müssen. Sie ist jedoch bemüht, durch Maßnahmen sowohl im organisatorisch-verwaltungsmäßigen als auch im gesetzgeberischen Bereich diese Wartezeiten soweit wie möglich abzukürzen. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 9035 Soweit die Verzögerung der Rentenzahlung auf die zeitraubende Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgrund der Versicherungsunterlagen zurückzuführen ist, beabsichtigt unser Haus, dem durch die Einführung eines integrierten Datenerfassungssystems in der Sozialversicherung und durch eine bestmögliche Ausnutzung von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen zu begegnen. Die Vorarbeiten auf diesem Gebiet sind schon weit fortgeschritten. Darüber hinaus strebt die Bundesregierung eine Abkürzung solcher Wartezeiten durch eine Beschleunigung der Sozialgerichtsverfahren an. Dieses Ziel verfolgt der Gesetzentwurf zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, der dem Hohen Hause bereits vorliegt. Verhältnismäßig enge Grenzen ist hingegen einer Abhilfe der im medizinischen Bereich begründeten Schwierigkeiten gesetzt. Wenn zur Beurteilung der Erwerbsfähigkeit eines Versicherten mehrere ärztliche Gutachten erforderlich sind, werden sich Wartezeiten wohl auch in Zukunft nicht vermeiden lassen können. Das liegt z. B. daran, daß — wie Sie wissen — besonders für Spezialfragen geeignete ärztliche Gutachter nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehen, zusätzliche schwer zu gewinnen und die vorhandenen überlastet sind. Gerade auch um diese Schwierigkeit wenigstens für die letzten Jahrgänge vor Erreichen der Altersgrenze zu beseitigen, hat die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung die Einführung einer flexiblen Altersgrenze vorgeschlagen. Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich bemerken: Derartige Zahlen sind uns nur für die Gesamtheit aller Rentenanträge, also insbesondere einschließlich derjenigen auf Altersruhegeld, bekannt, nicht jedoch getrennt nach den einzelnen Rentenarten. Sie lassen sich erst auf Grund einer Umfrage bei den Rentenversicherungsträgern feststellen. Daher kann ich Ihnen die gewünschten Angaben heute noch nicht machen. Ich bin jedoch gern bereit, dies schriftlich nachzuholen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 8. Dezember 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Enders (SPD) (Drucksache VI/2890 Fragen A 73 und 74) : Trifft es zu, daß Prüfungsausschüsse bei Kreiswehrersatzämtern teilweise zehn Monate und länger benötigen, um über Anträge auf Kriegsdienstverweigerung entscheiden zu können? Welche Maßnahmen sind vorgesehen, damit Kriegsdienstverweigerer noch vor der Einberufung zur Bundeswehr die Entscheidung über ihren Antrag auf Kriegsdienstverweigerung erhalten? Es trifft zu, daß Prüfungsausschüsse bei den Kreiswehrersatzämtern zum Teil längere Zeit benötigen, um über Anträge auf Kriegsdienstverweigerung entscheiden zu können. Die Bundesregierung ist jedoch bemüht, seit dem Ansteigen der Anträge auf Kriegsdienstverweigerung die Zahl der Prüfungsgremien entsprechend dem vermehrten Arbeitsanfall zu erhöhen. Trotzdem läßt sich aber nicht erreichen, daß alle Antragsteller noch vor der Einberufung zur Bundeswehr beschieden werden können, schon deshalb nicht, weil viele Anträge erst kurz vor dem Einberufungstermin gestellt werden. Dieser Situation wird aber dadurch Rechnung getragen, daß das Kreiswehrersatzamt die Einberufung bis zur Entscheidung des Prüfungsausschusses aussetzen kann, wenn der Kriegsdienstverweigerungsantrag begründet erscheint. Die rechtliche Handhabe hierzu bietet § 20 Abs. 6 der Musterungsverordnung. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 8. Dezember 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Hauser (Bad Godesberg) (CDU/CSU) (Drucksache VI/2890 Fragen A 76 und 77) : Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, daß den Stipendiaten der Bundeswehr der Fachrichtung Humanmedizin die Medizinalassistentenzeit auf die Gesamtverpflichtungszeit angerechnet wird, und daß sie erst nach der Approbation zum Dienst in den Streitkräften einberufen werden, während die Stipendiaten der Fachrichtung Geodäsie unmittelbar nach der Diplomhauptprüfung den Dienst antreten müssen und damit die Möglichkeit verlieren, die zweite Staatsprüfung abzulegen? Ist die Bundesregierung bereit, den Bundeswehrstipendiaten der Fachrichtung Geodäsie die Möglichkeit der Ablegung der zweiten Staatsprüfung nach der Diplomhauptprüfung einzuräumen und im übrigen die Offiziere ins militärgeographischen Dienst hinsichtlich der Besoldungsgruppe und der Zulage den Sanitätsoffizieren gleichzustellen? Die Stipendiaten der Fachrichtung Geodäsie werden nicht schlechter behandelt als alle anderen Stipendiaten der Bundeswehr auch, und wir kennen davon insgesamt 22 Fachrichtungen. Um nur einige zu nennen: Maschinenbau, Elektrotechnik, Physik, Pilotologie, Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft usw. Alle Absolventen dieser Fachrichtungen werden nur bis zum ersten Staatsexamen gefördert und müssen den Dienst in der Truppe antreten. Sie werden dann nach A 11 besoldet. Die bis dahin erworbenen Kenntnisse reichen auch für die Erfordernisse im Dienst in der Truppe aus. Bei den Ärzten ist das allerdings anders. Nach dem Staatsexamen muß der Mediziner erst ein Jahr Medizinalassistentenzeit durchlaufen, bevor er als Arzt tätig werden darf. Diese Tatsache begründet auch die Einstellungsbesoldung nach A 13 und die Anrechnung der Medizinalassistentenzeit auf die Gesamtverpflichtung. Die den Ärzten gezahlte Erschwerniszulage hat einmal den Sinn, Bewerbern einen gewissen Anreiz zu bieten, um den bestehenden erheblichen und auch kritischen Mangel an Ärzten zu beheben, zum anderen um den infolge gerade dieses Mangels dauernd überlasteten Ärzten der Bundeswehr einen gewissen finanziellen Ausgleich zu geben. Es wird jedoch zur Zeit geprüft, wie die Laufbahnvorschriften für die Offiziere mit wissenschaftlicher Vorbildung insgesamt verbessert werden können. 9036 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 2. Dezember 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Offergeld (SPD) (Drucksache VI/2861 Fragen A 28 und 29) : Von welchen Mittelpreisen des Verbrauchsorts sind die Finanzämter der Landeshauptstädte im ersten Halbjahr 1971 bei Anwendung des Abschnitts 15 Abs. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien ausgegangen? Ist die Bundesregierung — unabhängig von der Überprüfung des Problems im Rahmen der Steuerreform — bereit, den Bundesländern im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu empfehlen, den Finanzämtern alljährlich für die wichtigsten Städte die Rahmensätze der Mittelpreise von Kantinenmahlzeiten mitzuteilen? Kantinenmahlzeiten, die vom Arbeitgeber unentgeltlich oder verbilligt verabreicht werden, stellen steuerpflichtige Sachbezüge dar. Sie sind für die Berechnung der Lohnsteuer mit dem ortsüblichen Mittelpreis, d. h. mit dem Betrag zu bewerten, den der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsort aufwenden müßte, wenn er sich die Mahlzeit in üblicher Form, z. B. in einer Gaststätte auf eigene Kosten verschaffen würde. Die Feststellung des Mittelpreises ist nicht Sache der Finanzverwaltung, sondern Sache des Arbeitgebers, der bei der Wertbemessung sowohl die Art und Güte der Mahlzeit, als auch die örtlichen Preisverhältnisse berücksichtigen muß. Dabei wird es aber nicht beanstandet, wenn das einzelne Unternehmen den Wert nicht täglich ermittelt, sondern einen betrieblichen Durchschnittspreis ansetzt. Von dem hiernach ermittelten Betrag bleiben 1,50 DM je Arbeitnehmer und Arbeitstag steuerfrei, der Mehrbetrag gehört zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Einheitliche Mittelpreise für bestimmte Verbrauchsorte, z. B. für die Landeshauptstädte gibt es hiernach nicht; die Mittelpreise sind vielmehr von Betrieb zu Betrieb verschieden. Die Bundesregierung hätte auch Bedenken, den Finanzministern der Länder die Festsetzung von einheitlichen Mittelpreisen zu empfehlen. Durch eine solche Maßnahme würden tatsächliche wertmäßige Unterschiede, die sich innerhalb der einzelnen Betriebe unvermeidbar ergeben, steuerlich nicht berücksichtigt. Für die Festsetzung von einheitlichen Mittelpreisen besteht auch kein praktisches Bedürfnis. Um den Arbeitgebern die Wertermittlung zu ersparen, ist bereits im Jahre 1970 aus Vereinfachungsgründen zugelassen worden, daß für eine Kantinenmahlzeit an Stelle des ortsüblichen Mittelpreises der amtliche Sachbezugswert, der für die Gewährung freier Kost bei einer Aufnahme des Arbeitnehmers in die Haus- und Verpflegungsgemeinschaft maßgebend ist, angesetzt werden darf. Da diese amtlichen Sachbezugswerte besonders niedrig sind, darf nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs von ihnen der eben erwähnte Freibetrag von 1,50 DM zur Vermeidung ungerechtfertigter Steuervorteile nicht mehr abgezogen werden. Hiernach hat der Arbeitgeber ein Wahlrecht, ob er die von ihm gewährten Mahlzeiten mit dem selbst zu ermittelnden ortsüblichen Mittelpreis unter Berücksichtigung des Freibetrags von 1,50 DM oder mit dem amtlichen Sachbezug ohne Kürzung um die 1,50 DM bewerten will. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 2. Dezember 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Wende (SPD) (Drucksache VI/2861 Frage B 25) : Hält es die Bundesregierung für rechtlich zulässig, daß eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ein Europa-Pokal-Fußballspiel nur unter der Bedingung zu übertragen bereit ist, daß die Umsatzsteuer für das Sendehonorar von einem der beiden an dem zu übertragenden Spiel beteiligten Vereine getragen wird, und was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zu tun, um ein derartiges Verhalten künftig auszuschließen? Beim Abschluß der Vereinbarung über das von der Rundfunkanstalt für die Übertragung des Europa- Pokal-Fußballspiels zu zahlende Sendehonorar mußten sich die Beteiligten darüber einigen, ob in dem Honarar die Umsatzsteuer bereits enthalten ist (sog. Bruttohonorar) oder ob es sich hierbei um einen Nettobetrag zuzüglich Umsatzsteuer handelt. In dieser Frage scheint zwischen der Rundfunkanstalt und dem veranstaltenden Verein eine Einigung nicht erzielt worden zu sein. Während der Verein in seinen Vorstellungen offensichtlich von einem Nettohonorar ausging, zu dem ihm die Rundfunkanstalt noch den darauf entfallenden Umsatzsteuerbetrag zu zahlen hat, war die Rundfunkanstalt offenbar der Meinung, daß das Sendehonorar die Umsatzsteuer bereits einschließt. Beide Arten der Honorarvereinbarung sind zulässig. Eine andere Frage ist, wie die Angelegenheit beurteilt werden muß, wenn sich hinterher zwischen den Beteiligten Meinungsverschiedenheiten darüber ergeben, ob der vereinbarte Betrag als ein Nettooder Bruttohonorar anzusehen ist. Hierzu vermag ich nicht Stellung zu nehmen, da es sich bei diesem Problem ausschließlich um eine Frage der Vertragsauslegung handelt, für deren Entscheidung ggf. die Zivilgerichte zuständig sind. Ergänzend möchte ich noch bemerken, daß nach der föderativen Struktur der Bundesrepublik Deutschland für die in Frage kommenden Rundfunk- bzw. Fernsehanstalten die Länder zuständig sind. Diese haben den Landesrundfunkanstalten und dem Zweiten Deutschen Fernsehen durch Gesetz bzw. Staatsvertrag weitestgehende Selbstverwaltungsbefugnisse eingeräumt und sich nur eine beschränkte Rechtsaufsicht vorbehalten. Die Bundesregierung sieht sich daher auf Grund dieser Zuständigkeitsregelung nicht in der Lage, in der aufgeworfenen Frage unmittelbar tätig zu werden.
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    Rede von Peter-Michael Koenig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich bin Ihnen für diese Frage sehr dankbar, weil ich nämlich glaube, daß es bei dieser Betrachtungsweise gleichzeitig darum geht, klarzustellen, daß wir nicht zu einem weiteren Trugschluß kommen dürfen, der immer wieder gemacht-wird, daß nämlich selbständige Tätigkeit auch durchaus selbständig sein muß. Wir wissen, daß große Bereiche der selbständigen mittelständischen Wirtschaft, kleine und mittlere Unternehmer, in großer wirtschaftlicher Abhängigkeit von großen Nachfragern und großen Anbietern sind. Auf der anderen Seite wissen wir auch, daß es im Angestelltenbereich Positionen gibt, in denen sehr viel selbständiger entschieden werden kann, als das viele, ich möchte sagen, als das die Mehrheit der Selbständigen tun kann. Darum geht es uns nicht, das ist für uns eben kein ideologisches Problem, sondern ein rein ökonomisches Problem. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir uns in diesem Hause darauf einigen könnten, bei dieser Problematik in Zukunft immer vom selbständigen Mittelstand zu sprechen.
    Nun, Herr Kollege Gewandt, Sie haben in einigen Reden draußen im Lande immer so von den utopischen Vorstellungen unserer Fraktion zur Politik für den selbständigen Mittelstand gesprochen. Deswegen jetzt einige grundsätzliche Überlegungen hierzu: In 25 Friedensjahren hat unsere Wirtschaft einen langen Weg zurückgelegt, nämlich den Weg von einer regional abgeschlossenen zu einer europäischen Wirtschaft, die in die Weltwirtschaft integriert ist. Sie muß den richtigen Weg in den offenen Weltwirtschaftsmarkt finden. Diese Politik hat auch oder vielleicht gerade für kleine und mittlere Unternehmer neue Daten gesetzt:
    Erstens. Regional abgeschirmte Märkte sind weithin verschwunden. An ihre Stelle traten Märkte mit intensiven Konkurrenzbeziehungen. In vielen Fällen bildeten sich Kontinental- und Weltmärkte heraus. Kleinere und mittlere Unternehmen sehen sich auf ihren traditionellen Märkten verstärkter Konkurrenz ausgesetzt, häufig Konkurrenz von Großunternehmen.

    (Abg. Vogel: Das hört sich an wie eine Einführung in die Volkswirtschaft!)

    Wenn sie nicht stagnieren wollen, müssen sie deshalb oft neue Märkte erschließen und werden somit in die Expansion hineingedrängt, in eine Expansion, die teuer ist und in der optimale Betriebsgrößen zunächst aufgegeben werden müssen.
    Zweitens. Im Zuge der Internationalisierung der Märkte hat sich die Palette des Marktangebots ständig erweitert. Die Ansprüche des Marktes sind gestiegen. Das Angebot in Produktions- und Dienstleistungsbereichen ist differenzierter geworden. Der Diversifikationsprozeß schreitet somit fort. Das bedeutet: Handelsunternehmen müssen ihr Sortiment erweitern. Kleine Industrieunternehmen haben diesen Diversifikationsprozeß zu verkraften, was mit einer gewissen Erweiterung der Produktgruppe und daher mit einer Expansion verbunden ist, oder aber sie müssen sich spezialisieren. In allen diesen Fällen stellt sich die Aufgabe der strukturellen Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung.
    Hinzu kommt noch, daß sich die Marktverhältnisse schnell wandeln. Der Wettbewerb hat sich im Zuge der Integration der Märkte in vielen Fällen intensiviert. Im Handel setzen sich neue Vertriebsformen durch. In der Industrie wird der Wettbewerb zu einem großen Teil heute technologisch ausgetragen. Produkte und Produktionsverfahren können dabei schnell veralten.
    Die Märkte entwickeln sich somit erstens in ihrer räumlichen Dimension, zweitens in ihrer sachlichen Dimension und drittens in ihrer zeitlichen Dimension dynamisch. Diese dynamische, langfristige Entwick-
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 8989
    Koenig
    lung stellt gerade an kleine und mittlere Unternehmen hohe Anforderungen.
    Meine Damen und Herren, wer diese objektiven ökonomischen Probleme des selbständigen Mittelstandes ideologisch umfunktionieren will, ist böswillig, oder er versteht von der Sache nichts.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Wer will das denn?)

    Der selbständige Mittelstand ist nicht der Zopfträger unserer Wirtschaft. Die gerade in dieser wirtschaftlich angespannten Zeit zu beobachtende vergleichsweise größere Stabilität in der Entwicklung in der Bundesrepublik gegenüber anderen Staaten des Westens ist nicht zuletzt daraus zu erklären, daß wir über eine ausgewogenere Wirtschaftsstruktur in unserem Land verfügen. Wenn wir auch die größeren Unternehmenseinheiten in ihrer Bedeutung durchaus richtig würdigen, müssen wir doch darauf hinweisen, daß die großen Fortschritte vor allem durch diese ausgewogene Struktur unserer Wirtschaft zu erklären sind. Hieraus erklären sich auch die in der Analyse des Strukturprogramms beobachtete größere Preisbeweglichkeit, die schnellere Anpassung an technische Veränderungen und die größere Beweglichkeit auf den Außen- und Binnenmärkten sowie schließlich die größere Mobilität der Arbeitskräfte. Die goldenen Zeiten der 20er Jahre sind längst vorbei, meine Damen und Herren, und ob sie überhaupt jemals golden waren, mag dahingestellt sein.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ich möchte darauf hinweisen, daß der wirtschaftliche Wachstumsprozeß sich heute mit doppelter Geschwindigkeit im Vergleich zu früher vollzieht.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ich wäre Ihnen dankbar gewesen, meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie auch einige grundsätzliche Überlegungen hier angestellt hätten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir schon 1955 getan!)

    Den selbständigen Mittelstand gilt es also in seiner Risikobereitschaft zu unterstützen. Die Marktwirtschaft unserer Prägung lebt vom Wettbewerb, und dieser Wettbewerb ist ohne selbständigen Mittelstand nicht denkbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Wettbewerb ist deshalb kein Selbstzweck, sondern dient letztlich dem Konsumenten, dem Verbraucher. Somit dient der selbständige Mittelstand den Interessen des Verbrauchers.

    (Sehr gut bei der CDU/CSU.)

    Dies, meine Damen und Herren, ist — da gebe ich Ihnen recht — ein politisches Bekenntnis.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Möge es sich ausbreiten bei Ihren Kollegen! — Logisch, schlüssig und sehr alt!)

    Ökonomisch ist jetzt die Frage zu stellen, welche Chancen kleine und mittlere Unternehmen in unserer Zeit und in Zukunft der Großwirtschaft gegenüber haben. Nur wenn sie eine Chance haben, können wir es politisch verantworten, diesen kleinen und mittleren Unternehmen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigen, um sich dem Strukturwandel anzupassen. Da, Herr Kollege Gewandt, gehen wir einig; denn Sie haben auch darauf hingewiesen, daß diese Chancen in unserer Wirtschaft für den selbständigen Mittelstand durchaus bestehen.
    Nun ein kurzes Wort zu den anstehenden Fragen der Steuerreform. Ich möchte sie unter folgenden Aspekt stellen. Erstens. Wenn wir ehrlich das Prinzip der Leistungsfähigkeit innerhalb der Vorstellungen zur Steuerreform durchkonstruieren wollen, so bedeutet das, daß derjenige, der einen hohen Gewinn erzielt, im Gegensatz zu demjenigen, der einen niedrigen Gewinn erzielt, mehr Steuern zahlen muß. Nun ist auf dem Sonderparteitag meiner Partei ein Spitzensteuersatz von 60 % gefordert worden, der aber nur — und das möchte ich betonen — auf 0,3 % der Steuerpflichtigen zu beziehen ist. Was uns hier beschäftigen sollte, sind die Entlastungen in den unteren Bereichen im Hinblick auf die Eckdaten der Bundesregierung, die hier genannt worden sind. Ich weise z. B. darauf hin, daß der Gewerbesteuerfreibetrag durch Anhebung der Freigrenze auf 12 000 DM 300 000 weitere Selbständige freistellt.

    (Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Lampersbach: Sie haben doch 24 000 DM gefordert)

    Das kostet 550 Millionen DM. — Herr Kollege Lampersbach, das ist ein erster Schritt, da gebe ich Ihnen recht. Aber darf ich Sie einmal darauf hinweisen, daß Ihre Fraktion seit dem Jahre 1961 überhaupt nichts in dieser Frage erreicht hat!

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Gewandt: Denken Sie mal an die Finanzverfassungsreform von Herrn Strauß, die Sie abgelehnt haben!)

    Außerdem kostet die Abschaffung der Kleinbetriebsregelung den Fiskus ebenfalls 80 Millionen DM. Das muß man im Zusammenhang mit dem ansteigenden Tarif auf der anderen Seite sehen.
    Ich darf außerdem darauf hinweisen, daß auch die Ergänzungsabgabe im Zuge des Ansteigens des Tarifs wegfallen wird.

    (Lachen und ironische Zurufe von der CDU/ CSU. — Zurufe: Ist ja toll! — Wird eingebaut!)

    Die Investitionssteuer ist von 8 % im Jahre 1961 bereits auf 4 % gesunken und wird im Jahre 1972 auslaufen.
    Es ist ganz nützlich, dabei einmal zu betrachten, wie denn die Gewinnzone der Selbständigen aussieht und welche Bereiche nach den Eckwerten der Bundesregierung entlastet werden; denn das gilt es doch einmal festzustellen. Bedauerlicherweise ist es so, daß die Einkommensteuerstatistik in dieser Beziehung bekanntlich der Zeit etwas nachhinkt und daß die Umsatzsteuerstatistik aktuellere Werte er-
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    Koenig
    gibt. Aber aus den Umsätzen können Sie ja auch die Gewinne ablesen.

    (Abg. Schulhoff: Wieso kann man aus den Umsätzen die Gewinne ablesen?)

    — Herr Kollege Schulhoff, ich sage das deswegen etwas grob, weil die Umsätze so gering sind, wie ich Ihnen jetzt aufzeigen werde, daß die Gewinne, ganz egal, in welcher prozentualen Höhe sie liegen sollten, so gering sein dürften, daß sie in jedem Fall unter die Entlastungen dieser Eckwerte fallen werden. Von 400 000 Einzelhandelsgeschäften in der Bundesrepublik haben nämlich 200 000 Einzelhandelsgeschäfte einen Umsatz von weniger als 100 000 DM im Jahr. Im Hotel- und Gaststättengewerbe mit rund 200 000 Unternehmungen haben 95 % aller Betriebe Jahresumsätze unter 250 000 DM. Wir fühlen uns als sozialdemokratische Fraktion für diese niedrig verdienenden Selbständigen in besonderem Maße verantwortlich; sie sind der zahlenmäßig weitaus größte Teil der Selbständigen in unserem Lande.
    Wenn Sie es jetzt im Zusammenhang sehen wollen: die Entlastung wird praktisch in drei Stufen anzusetzen sein. Erstens geht es um den Freibetrag der Gewerbesteuer, der jetzt auf 12 000 DM angehoben werden soll, zweitens um die Vermögensbildung im Betrieb analog der Vermögensbildung bei Arbeitnehmern in den Grenzen 24 000 DM für Ledige, 48 000 DM für Verheiratete, drittens um die Werte bei der Einkommensteuer mit bis zu 50 000 DM für Ledige und bis zu 100 000 DM für Verheiratete.
    Nun ein Wort zu dem, was die Bundesregierung zur Produktionssteigerung zu tun gedenkt. Wir wissen, daß die kleinen und mittleren Unternehmen vor allen Dingen auf zwei Gebieten gefordert sind, und zwar erstens auf dem Gebiet der Finanzierung und zweitens auf dem Gebiet der Unternehmensführung. Zum ersten ist festzustellen, daß angesichts der permanenten Investitionsanforderungen die Finanzierungsdecke kleinerer und mittlerer Unternehmen, insgesamt gesehen, dünn ist. Dies ist bekanntlich ein spezifisch europäisches Problem. Wir wissen, daß sich in den Vereinigten Staaten dieses Problem nicht so stellt, weil man dort von ganz anderen Voraussetzungen, ganz anderen Beleihungsgrundsätzen ausgeht als bei uns. Auch wir müßten fordern, daß sich die deutsche Kreditwirtschaft mehr an eine Beurteilung der Umsatz-und Ertragsentwicklungen anschließt und die Steigerungsraten in diesem Bereich mehr berücksichtigt, als das bisher geschehen ist. Die Hilfestellungen der öffentlichen Hand können nämlich diese Lücke nur zum Teil schließen. Mein Kollege Wüster wird auf die Anstrengungen dieser von Sozialdemokraten und Freien Demokraten getragenen Bundesregierung sowohl im Hinblick auf neue Initiativen als auch im Hinblick auf die Bereitstellung von Finanzmitteln eingehen. Wir benötigen in der Bundesrepublik neben den öffentlichen Mitteln auch eine neue, risikofreundliche Finanzierungsstrategie der Kreditinstitute für selbständige mittelständische Unternehmungen.
    Mit den Prinzipien, die den Förderungsmaßnahmen zugrunde liegen, welche das Strukturprogramm der Bundesregierung zur Produktivitätssteigerung vorsieht, folgt dieses Strukturprogramm auch Überlegungen, die auf seiten unseres Koalitionspartners, der FDP, immer wieder betont worden sind, nämlich die Forschung, Entwicklung und Innovation zu verstärken, die Information zu vergrößern, die Beratung auszubauen und Kooperation und Berufsbildung zu Schwerpunkten zu machen.
    Zur Berufsbildung darf ich erwähnen, daß der Wirtschaftsausschuß, Herr Kollege Gewandt, am 5. November dieses Jahres, also im letzten Monat, beschlossen hat, daß die berufliche Bildung zu einem Kernpunkt der Strukturpolitik gemacht werden muß.
    Allerdings, meine Damen und Herren, ist es etwas schwierig, wenn man da mit verschiedenen Zungen redet. Ich erinnere mich sehr genau, daß Kollege Lampersbach in Bremen erklärt hat, diese Hektik der Bundesregierung in bezug auf ihre Bildungsreform sei eigentlich schwer verständlich und sogar gefährlich, während Sie, Herr Kollege Gewandt, mit Recht darauf hinweisen, daß wir noch sehr viel mehr tun und sehr viel schneller handeln müssen, als das in den letzten 20 Jahren geschehen ist.

    (Abg. Lampersbach: Sie haben das nicht gelesen, Herr Kollege Koenig!)

    Es wäre gut, wenn man da die politische Aussage nach draußen parteipolitisch etwas koordinierte.
    Das Strukturprogramm der Bundesregierung sieht erstens Erleichterungen bei der Aufnahme von Beteiligungskapital vor, zinsgünstige Kredite für strukturpolitisch gezielte Schwerpunktmaßnahmen und Kreditbürgschaft. Es sieht zweitens Maßnahmen zur Leistungssteigerung vor, wie ich sie gerade vorgetragen habe, drittens Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Bildung und schließlich viertens eine Überprüfung der Geseztgebung.
    Wir wissen ja, daß die Gesetzgebung insofern sehr leicht zu Ungerechtigkeiten führen kann, weil kleine und mittlere Unternehmen meistens nicht in der Lage sind, den ganzen Radius der Steuergesetzgebung so auszuschöpfen, wie das Großunternehmen mit ihren geteilten Stäben des Managements tun können. Das sind Fragen der Steuergesetzgebung, die überprüft werden müssen, Fragen des Wettbewerbsrechts, der Sozialgesetzgebung und der Vermögensbildung.
    Zur Frage der Unternehmensführung ist folgendes zu sagen. Der schnelle Wandel der wirtschaftlichen Verhältnisse erfordert auch eine bewegliche und mutige Unternehmensführung. Kollege Scheu von meiner Fraktion wird sich dieser Problematik gleich noch besonders annehmen. Wenn es stimmt, daß heute manche selbständigen Unternehmen bei Großunternehmen Schlange stehen, um sich anzulehnen oder aber um zu verkaufen, dann dürfte dies nicht nur eine Frage mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten sein, sondern auch eine Frage der Führung selbst sein. Es ist die ökonomische Großwetterlage, die den selbständigen Unternehmer heute in die Bewährungsprobe stellt. In dieser Situation benötigen wir eine Gegenstrategie, und zwar erstens eine aktive Selbständigenpolitik und zweitens eine
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 8991
    Koenig
    optimistische Wirtschaftsphilosophie. Mit Pessimismus und mit Schwarzmalerei dienen Sie niemandem,

    (Abg. Gewandt: Aber mit Tatsachen!)

    am wenigstens denjenigen, meine Damen und Herren von der Opposition, denen zu helfen Sie vorgeben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das Strukturprogramm der Bundesregierung ist das erste geschlossene Programm, das von einer Bundesregierung überhaupt vorgelegt wurde. Es steht nicht nur auf dem Papier, wie Sie zu Anfang in einem Zwischenruf glaubten ausdrücken zu müssen, sondern es wird auch bereits realisiert. Wir werden von unserer Seite aus Schritt für Schritt und Jahr für Jahr dafür sorgen, daß es weiter verwirklicht wird.

    (Abg. Lampersbach: Bis nichts mehr übrigbleibt!)

    Unsere Wirtschaftsphilosophie — damit komme ich zu II — gründet sich auf das marktwirtschaftliche Bekenntnis des Godesberger Programms. Trotz aller Verteufelungen auch in diesem Bereich: Sozialdemokraten pflegen sich an ihre programmatischen Beschlüsse zu halten.

    (Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    Haben Sie denn auf die Gretchenfrage eine Antwort: Können Sie mir einen liberaleren Wirtschaftsminister als Professor Karl Schiller in der westlichen Welt nennen?

    (Abg. Seiters: Deshalb wird er ja auch angegriffen! — Abg. Lampersbach: Er ist so liberal, daß er gar nicht da ist!)

    Sie können sich ja einmal darum bemühen, einen zu finden. Meine Damen und Herren, unsere Wirtschaftspolitik hat die geringsten dirigistischen Charakteristiken. Wir haben weder ein Preisdiktat wie in Amerika noch Importsteuern wie in anderen Ländern noch irgendwelche dirigistischen Einflußnahmen auf die Devisenbewirtschaftung wie z. B. in Frankreich.

    (Abg. Lampersbach: Immer feste auf die USA, immer feste druff!)

    Ich brauche Ihnen das ja hier nicht alles im einzelnen aufzuzählen.
    Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie tun Ihr Möglichstes, um durch Verdächtigungen der SPD wirtschaftliche Unsicherheit zu erzeugen, um auf dem Wege der ideologischen Verunsicherung der selbständigen Unternehmer Unsicherheitsmomente zu schaffen.

    (Abg. Lampersbach: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben, Herr Koenig?)

    Das tut niemandem gut, auch nicht Ihnen.
    Nun zu einem Beispiel, das die ganze Wirksamkeit der Mittelstandsvereinigung und der Mittelstandspolitik der Opposition zeigt. Ich wage heute hier die Behauptung, daß in diesem Bundestag die Kartellnovelle gegen die Stimmen der CDU und der CSU verabschiedet werden wird.

    (Abg. Lampersbach: Ach nee!) Wann haben denn in der CDU und CSU jemals die Interessen der Großindustrie nicht den Ausschlag gegeben? Die Wettbewerbsnovelle der Bundesregierung sieht drei Regelungen von zentraler Bedeutung vor: erstens eine Fusionskontrolle für Zusammenschlüsse, an denen Großunternehmen beteiligt sind, zweitens eine wirksamere Gestaltung der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen und drittens gesetzliche Kooperationserleichterung für kleine und mittlere Unternehmen mit dem Ziel, durch Zusammenarbeit die Leistungsfähigkeit zu steigern und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Ich weiß, daß auch Herr Kollege Gewandt genau diese Forderungen auf Ihrem Mittelstandstag in Bremen erhoben hat. Ich weiß, daß Herr Kollege Dr. Frerichs als Vorsitzender Ihres Arbeitskreises „Wettbewerbspolitik" ebenfalls ein sehr brauchbares Modell in dieser Richtung entwickelt hat.


    (Abg. Gewandt: Das sollte Sie doch froh stimmen!)

    Auf der anderen Seite muß ich natürlich auch darauf hinweisen, daß Herr Kollege Lampersbach in Bremen ausführte, die Entwürfe der Bundesregierung seien wirklichkeitsfremd. Auch das, Herr Kollege Lampersbach, paßt nicht in den Zusammenhang hinein.

    (Abg. Lampersbach: Sie haben die falsche Zeile erwischt!)

    — Nein, das habe ich nicht. Ich habe das sogar
    schriftlich bei mir; ich kann es Ihnen gleich zeigen. Einen Entwurf Ihrer Fraktion gibt es allerdings nicht!
    Die Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen stellt einen Gegenzug gegen die Vermachtung der Märkte dar, einen Beitrag zur Sicherung der Marktwirtschaft, und eröffnet für kleine und mittlere Unternehmen eine zusätzliche Chance zur Behauptung ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit.
    Meine Damen und Herren, ein Wort zur Sozialpolitik. Ich erinnere daran, daß diese Bundesregierung — das wurde bereits in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers angedeutet — die Rentenversicherung auch für Selbständige öffnen will. Viele soziale Probleme in diesem Bereich werden damit gelöst, soziale Friktionen werden vermieden, gerade für diejenigen Selbständigen — und das ist der größte Teil —, die um ihre Alterssicherung wirklich Sorge haben müssen. Bedauerlich ist nur, daß die CDU/CSU im Jahre 1956 den Selbständigen diese Möglichkeit genommen hat und wir erst jetzt im Jahre 1971 diese Problematik wieder anreißen konnten. In der nächsten Woche werden wir Gelegenheit haben, über die Rentenreform und die Öffnung der Rentenversicherung für die Selbständigen zu diskutieren. Aus diesem Grunde möchte ich mir heute weitere Ausführungen dazu ersparen und nur diese Möglichkeit im Grundsatz erwähnt haben, damit sie nicht bei dem Gesamtkonzept unter den Tisch fällt. Ich habe mich gewundert, daß Herr Kollege Gewandt nicht auch darauf zu sprechen gekommen ist.
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    Koenig
    Die kleinen und mittleren Unternehmen haben sich in der fünften Wachstumsperiode der Nachkriegszeit zufriedenstellend entwickelt, und sie werden in der sechsten Wachstumsperiode unter der Politik von Professor Karl Schiller gut fahren. Vor Beginn der Wachstumsperiode, deren Endphase wir jetzt durchlaufen, erlebten wir die Rezession. Die Rezession der Jahre 1966/67, von Schmücker als Mittel der Konjunkturpolitik herbeigeführt, traf die selbständigen Unternehmer, die zumeist nur eine dünne Kapitaldecke haben, besonders hart. In den Wachstumsjahren 1968, 1969 und 1970 haben dagegen die kleinen und mittleren Unternehmer an der wirtschaftlichen Entwicklung, auch an der Gewinnentwicklung, voll teilgenommen.
    Konjunkturpolitisch gesehen sprang diese neue Regierung im Oktober 1969 auf einen Wagen, der sich bereits in rasender konjunktureller Fahrt befand. Daß sie nun diesen Wagen nicht zu Bruch fuhr, sondern ihn langsam auffing und jetzt mehr und mehr unter Kontrolle bringt, ist das Verdienst dieser sozial-liberalen Regierung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Schulhoff: Eine kühne Behauptung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Gestatten Sie mir ein Beispiel. Wenn wir — wovon ich anfangs sprach — uns nicht mehr in einem Binnenmarkt tummeln und wenn sich der selbständige Mittelstand damit abfinden muß, daß sich der Markt europäisiert, internationalisiert, zu einem offenen Weltmarkt wird, müssen wir auch in unserer Strategie zu neuen Überlegungen kommen. Es nützt nichts, daß die Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft dieses, ich möchte einmal sagen, Weltmeer mit kleinen Binnenbooten befahren, die mit einem Hilfsmotor — aus Subventionen; das kann man natürlich in der Steuergesetzgebung tun — betrieben werden, sondern wir helfen Ihnen nur, wenn wir ihre Boote verstärken, wenn wir sie dazu bringen, andere Schiffsplanken einzusetzen, größere Segel zu setzen, d. h. ihre Produktivität zu steigern.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Genau auf diese Zielsetzung müssen alle Maßnahmen, die die Bundesregierung in dieser Situation im Rahmen ihres Strukturprogramms trifft, ausgerichtet sein.
    Bitte betrachten Sie diese Entwicklung doch auch als positiv. Seit 1958, seit Bestehen der Europäischen Gemeinschaft, hat sich der Binnenhandel dieser Gemeinschaft um das Fünffache gesteigert. Nur so ist doch unser Wirtschaftswachstum — global gesehen — zu erklären, und jeder ist Nutznießer dieser Entwicklung.
    Meine Damen und Herren, die sozialdemokratische Fraktion sagt ja zur Politik dieser Regierung im Interesse des selbständigen Mittelstandes. Diese Bundesregierung unter Bundeskanzler Willy Brandt und unter Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller ist der beste Garant des selbständigen Mittelstandes. Aber das, meine Damen und Herren von der Opposition, paßt Ihnen natürlich nicht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Kienbaum. Für ihn hat die Fraktion der FDP eine Redezeit von 40 Minuten beantragt.

(Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Schulhoff: Na, wenn er was Gescheites sagt!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerhard Kienbaum


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich bedauere die einleitende Feststellung treffen zu müssen, daß die Große Anfrage der CDU/CSU am Kern der Probleme des selbständigen Mittelstandes vorbeigeht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Stücklen: Die Antwort!)

    Nun haben Sie doch Geduld.

    (Abg. Dr. Jobst: Die Antwort geht am Kern der Probleme vorbei! — Zuruf von der CDU/CSU: Er hat ja 40 Minuten Zeit!)

    Die Große Anfrage hat diesen Kern deshalb nicht getroffen, weil sie sich, wie mir scheint, zunächst mit einem Teilbereich beschäftigt, mit Belastungen, die gegenüber einer zurückliegenden Periode, und zwar für alle Unternehmen und nicht nur für die mittelständischen, sichtbar geworden sind, und weil sie sich allzusehr mit der Frage beschäftigt, ob die Veränderungssätze dieser Belastungen 2,3 oder 4,6 oder auch 5,7 % ausmachen. Insbesondere in einer hochindustrialisierten Wirtschaft — sicher aber auch in einer in der Entwicklung sich befindenden Wirtschaft — ist das Entscheidende, was von Unternehmern, gleichgültig ob sie groß oder klein sind, erwartet wird, daß sie einen Beitrag zum Fortschritt leisten durch ihre Fähigkeit, neue Kombinationen in einer sich stets verändernden Wirtschaftslandschaft zu entwickeln, und zwar zunächst einmal unabhängig davon, wie die äußeren Randbedingungen der Binnenwirtschaft oder der Außenwirtschaft aussehen.
    Das Problem für die kleinen und mittleren Selbständigen ist ihre Befähigung zur Bewältigung der Flut von Veränderungen, die ständig über uns hereinbrechen.

    (Abg. Lampersbach: Richtig!)

    Das sind Veränderungen, die nur zu einem sehr bescheidenden Teil durch die politischen Maßnahmen, insbesondere die Maßnahmen in Bonn und in jüngster Zeit auch die Entscheidungen in Brüssel, beeinflußt werden, und die nur zum Teil konjunkturelle und nur zu einem sehr geringen Teil sozialpolitische Belange betreffen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Na, na!)

    Das Problem lautet, sich passiv auf diese Veränderungen durch Anpassung einstellen zu können, es lautet allerdings auch, die Befähigung zu besitzen oder zu entfalten, aktiv selbst solche Veränderungen einzuleiten.

    (Abg. Lampersbach: Einverstanden!)

    Nur in diesem Zusammenhang können die von der CDU/CSU vorgebrachten Fragestellungen als Teilkomplex eingeordnet werden. Die Folgerung daraus aber ist, daß Lösungen dieses Kernproblems nicht
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 8993
    Kienbaum
    — das sollten wir in den vergangenen 25 Jahren gelernt haben - über ein noch so fein gesponnenes Netz von Schutzmaßnahmen für eben diesen Mittelstand möglich sind, sondern daß die Lösungschance ausschließlich in dem Bemühen um die Förderung der Befähigung dieser immer noch über 2 Millionen selbständigen, Risiko in ihre Berufstätigkeit einbringenden, kleinen und mittelgroßen Unternehmer liegt.
    Von wem reden wir? Es ist meines Erachtens notwendig, das einmal kurz in diese Debatte einzublenden. Wir reden z. B. beim Handwerk vom dienstleistenden Friseur, der ganz geringe Möglichkeiten zur Produktivitätssteigerung besitzt, wir reden zu gleicher Zeit aber auch von solchen Handwerkern, bei denen der Einsatz von Kapital über technische Anlagen durchaus eine Steigerung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit zur Folge hat. Das gilt insbesondere in den Handwerksbereichen, die produktiv zum Hoch- und Tiefbau beitragen. Wir reden auch vom Handel, ob er sich mit Feinkostgüterangebot oder mit der Innenausstattung von Wohnungen und Gebäuden, mit dem Haushaltsund Eisenwarenverkauf beschäftigt; an die modische Bekleidung will ich im Augenblich gar nicht erinnern. Dazu gehören auch die Händler für arbeitserleichternde Geräte für die Hausfrau, z. B. die Elektrogerätehändler. Bei allen handelt es sich um unterschiedliche Aufgabenstellungen mit ständig sich verändernden Randbedingungen und mit einem wachsenden Bedürfnis, sich auf die Nachfrage der jeweiligen Zielgruppen einzustellen.
    Daneben reden wir, wenn wir vom Mittelstand der selbständig Tätigen sprechen, auch von den kleineren Betrieben der Industrie, z. B. von den Industriebetrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern. Dabei denke ich an den Bauunternehmer in meiner Heimat, der wegen der Klimalage, wegen der geologischen Situation nicht in gleicher Weise das ganze Jahr über arbeiten kann und mit anderen Belastungen zu rechnen, sich aber in der Kombination seines Leistungsangebots dieser Situation zu stellen hat und der nur dann, wenn er fähig ist, sie zu bewältigen, unabhängig von den Belastungen, Berechtigung hat, seine selbständige Unternehmenstätigkeit aufrechtzuerhalten. Ich denke an den Spezialisten für die Produktion chirurgischer Instrumente, z. B. in Tuttlingen, mit 95 % Exportanteil und an seine Probleme, die sich durch Veränderungen auf dem Weltmarkt ergeben, z. B. durch die 10%ge Importbelastung, verkündet durch den amerikanischen Präsidenten am 15. August dieses Jahres, mit denen er sich herumschlagen muß. Ihm und seinen drei oder vier Mitarbeiter umfassenden Betrieb steht grundsätzlich aus der Globaltätigkeit politischer Akteure, zu denen wir ja rechnen, überhaupt keine Lösung ins Haus.

    (Abg. Schulhoff: Wie wollen Sie dem helfen? Nur durch eine neue Regierung?)

    — Ich würde dann vorschlagen, daß Herr Schulhoff in dieser Regierung das Amt für Hilfe für diese Unternehmen übernimmt.

    (Abg. Lampersbach: Sehr guter Vorschlag!)

    Ich denke an den Entwicklungsbetrieb für Elektronik, der neue Applikationen und Lösungen für den Einsatz dieser neuen Technologie ermöglicht. Ich denke an den Gastronomen im Harz, der ein anderes Leistungspaket anbieten muß, damit er im Bereich der Naherholung eine entsprechende Nachfrage erreicht. Ich denke aber auch an das Druckunternehmen in Friesland, das plötzlich vor der Situation steht, mit einer veränderten Technologie, mit einem bislang überhaupt nicht dagewesenen Investitionsrisiko fertig werden zu müssen, damit dem Änderungsimpuls in seinem Wirtschaftszweig entsprochen werden kann.
    Ich glaube, ich habe mit diesen Beipielen genügend deutlich gemacht, wie differenziert die Problematik und damit die Einzelaufgabenstellung für ein Unternehmen mit drei oder fünf, mit fünfzig, hundert oder gar fünfhundert Mitarbeitern ist.
    Es lohnt sich doch wohl die Frage, was denn das gemeinsame Kennzeichen für alle diese Selbständigen ist. Gibt es überhaupt bei der Differenzierung und bei der Zunahme der Differenzierung ein solches gemeinsames Kennzeichen? Ich meine, man kann diese Frage mit Ja beantworten. Das Kennzeichen, das ich in über zwei Jahrzehnte währender Beschäftigung mit diesem Thema — ich will nicht sagen entdeckt — festgestellt habe, ist, daß die Inhaber dieser Unternehmen fast alle einseitig als Experten und Fachleute eines bestimmten Tätigkeitsbereichs ausgebildet sind. Das gilt für die Handwerker wie für die Handelsunternehmer, aber auch für die Industriellen. Fast jeder dieser Selbständigen, von denen wir heute sprechen, hat seine Berufsausbildung auf dieses Fach, auf die Facherfahrungen und Fachkenntnisse angelegt und hat diese Kenntnisse in seiner selbständigen Tätigkeit weiterhin als die vorrangige Aufgabe angesehen. Er arbeitet in der Regel selber in diesem Unternehmen und wiederum in seinem Fach. In der Regel ist er aber nicht darauf vorbereitet — und das ist das Kernstück aller Probleme mittelständischer Selbstständigkeit —, z. B. Verwaltungsaufgaben, für seine Aufgabenstellung zugeschnitten, zu erledigen oder zu gestalten. Er hat selten etwas von aggressivem Marketing gehört und erst recht keine praktischen Erfahrungen damit gesammelt. Er kann einfach aus zeitlichen Gründen die Vielfalt der Beschaffungsmärkte und ihre Ausweitung in der Regel nicht beobachten, ganz zu schweigen von den hier dauernd angeführten und schon immer in den Programmen der Mittelstandsförderung enthaltenen Finanzierungsproblemen. Er ist in der Regel gar nicht in der Lage, die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten, die schon heute geboten werden, miteinander zu vergleichen und abzuwägen, was für ihn richtig ist. Steuerauswirkungen im voraus zu berücksichtigen ist fast ausgeschlossen, schon deshalb, weil unsere Steuergesetzgebung viel zu kompliziert ist.

    (Abg. Schulhoff: Die Berater sind zu teuer!)

    — Ja, da müssen Sie mal in Ihrer Kammer nachfragen.

    (Heiterkeit.)

    Das Problem, Veränderungen des Marktes, in dem
    noch mehr Unwägbarkeiten enthalten sind, voraus-
    8994 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971
    Kienbaum
    schauend zu begegnen, erscheint vielfach unlösbar, und neue Organisationsformen etwa selbst einzuführen, übersteigt seine eigenen zeitlichen Einsatz- und die Verwertung seiner Ausbildungsmöglichkeiten.
    Wie ist, wenn diese Betrachtung, die natürlich noch vertieft und verbreitert werden könnte, und meine Bewertungen richtig sind, die Chance für eine Problembewältigung zu bewerten? Wie sind die Grenzen für eine solche Problembewältigung anzusetzen? Es ist zunächst notwendig, festzustellen — und darüber geben auch eine Reihe von Untersuchungen, die das Ministerium in der jüngsten Zeit in Auftrag gegeben hat und deren erste Ergebnisse vorliegen, bereits Auskunft —, in welchem Umfang diese Flut von Anforderungen denn eigentlich bewältigt wird. Das Urteil ist leider nicht sehr ermutigend. Es wird von den verschiedensten Betrachtungsstandorten aus einhellig festgestellt, daß die Anforderungen von der Mehrzahl der über 2 Millionen Selbständigen derzeit nicht bewältigt werden. Welche Anforderungen speziell nicht? Anforderungen, die in einer modernen und differenzierten Leistungsgesellschaft einfach zum Tagesgeschäft dazugehören. Da wird erwähnt der Mangel an Erfolgsplanung, der Mangel an Bereitschaft zur Veränderung des eigenen Leistungsprogramms im Anpassungswege, das zeitweilige völlige Fehlen von Finanzpositionen, das Fehlen von Marketing, Unterlassen von Verwaltungsstraffung, ganz zu schweigen von Konkurrenzbeobachtung. Überall leuchtet durch die Bestandsaufnahme durch: Information und Erkenntnisse fehlen, erst recht aber deren Nutzung.
    Wo liegen also nach einer solchen Analyse, deren Richtigkeit bis heute von keiner Seite angezweifelt wird, die Chancen zur Problembewältigung? Offensichtlich doch wohl zunächst einmal im Schließen von Lücken der Information, des Wissens, der Erkenntnisse, und zwar nicht auf dem ursprünglichen Fachgebiet, sondern in den Bereichen, in denen sich der Unternehmer zusätzlich zu seiner Fachausbildung befähigen und ausbilden muß. Das Schließen von Lücken kann aber nicht bei Wissen und Erkenntnissen enden, sondern muß die Befähigung einschließen, solche Erkenntnisse auch umzusetzen und damit flexible Anpassung an Veränderungen im Markt zu ermöglichen.
    Bei Umstellungen gilt es, Chancen zu nutzen. Auch hier bedarf der kleine und mittlere Selbständige der Unterstützung. Er ist nicht in der Lage, im Falle einer Stadtsanierung die Aufgabe etwa nur durch eigene Leistung, durch Einsatz eigenen Vermögens zu bewältigen, genauso wenig wie bei der Eröffnung einer unternehmerischen selbständigen Aktivität in einer neuen Siedlung. Deshalb ist das Gewähren von Starthilfen wie in der Vergangenheit sicher weiterhin erforderlich, jedoch mit einer veränderten Zielsetzung.
    Chancen, die in der CDU/CSU-Anfrage überhaupt nicht angesprochen wurden, liegen, so will mir scheinen, in der unternehmerischen Nutzung von Arbeitsteilung und Kooperation sowie in ihrer bewußten Förderung, über deren Ausgestaltung allerdings noch zu sprechen sein wird. Chancen liegen schließlich in der Steigerung des Angebots an neuen Lösungen, die der kleine und mittlere Selbständige in der Regel nicht selbst von Grund auf entwickeln kann, sondern wo das Nebenprodukt der Forschung, der staatlich geförderten Entwicklung für ihn nutzbar gemacht werden kann, d. h. zugriffsbereit, dokumentiert und abrufbar gehalten werden müßte. Gemeint ist also eine Steigerung des Angebots in der Technologie, in neuer Organisation und in anderen Bündelungen von Leistungspaketen. Ich darf hier als Beispiel erwähnen, daß es einfach notwendig ist, solche Nebenergebnisse aus den vielfachen Forschungs-und Entwicklungsförderungen des Staates aufzuspüren, zu sammeln, zu dokumentieren, aber auch das Ergebnis im Markt zu präsentieren und dafür zu werben.
    Ich will das letzte Paket der Chancen nicht unerwähnt lassen: die Vermehrung der praxisbezogenen — ich wiederhole: der praxisbezogenen — Aus- und Weiterbildung. Ich spreche hier ausdrücklich nicht die berufliche Grundausbildung an; dazu wird ein Kollege speziell Stellung nehmen.

    (Abg. Stücklen: Wer?)

    Die Darstellung von Chancen ließe sich beliebig ausbauen. Ich verzichte darauf, will aber statt dessen die Frage stellen: Welchen Beitrag kann zur Nutzung dieser Chancen die Politik, insbesondere die Wirtschaftspolitik in Bonn, bieten? Welchen Beitrag kann sie bei der Analyse und welchen bei der Therapie bieten? Die von der Bundesregierung vorgelegten Papiere, insbesondere das Papier, das die Grundsätze und Richtlinien umreißt, schaffen mit wiederkehrender Ergänzung und Überarbeitung — das ist in dem Papier ausdrücklich als Methode dargelegt worden — Transparenz sowohl für die Situation wie für den in der Kette der Jahre sichtbar werdenden Trend. Es sollte die Möglichkeit geschaffen und genutzt werden, so wie es die Untersuchungen ungeschminkt zum Ausdruck bringen, auch die Schwächen in Situation und Trend der kleinen und mittleren Selbständigen aufzudecken. Damit wird niemand beleidigt; es gibt dabei kein Tabu zu zerstören. Die wiederholte Überarbeitung allerdings, meine Damen und Herren, ist das entscheidende systematische Element. Eine einmalige Momentaufnahme reicht nicht aus. Sie bietet den Politikern auch nicht die ausreichende Möglichkeit, eingeleitete Maßnahmen in Richtung und Stärke zu verändern und zu berichtigen.
    Lassen Sie mich ein Drittes feststellen. Zur Analyse gehört auch die regelmäßige Veröffentlichung in einer Sprache, die es ermöglicht, daß die betroffenen kleinen und mittleren Selbständigen das, was in Untersuchungen und Bewertungen ausgesagt wird, verstehen sowie ihre Ansatzpunkte und Möglichkeiten erkennen können.
    Der Beitrag der Politik zur Therapie kann nur — das wird wohl auch hier im Hause von keiner Seite bestritten — in einer Hilfe zur Selbsthilfe bestehen. Deshalb war das Festlegen von Grundsätzen und Richtlinien notwendig, nachdem bis zu diesem Zeitpunkt eine Fülle von Einzelmaßnahmen unkoordiniert nebeneinander entwickelt worden sind und nachdem dadurch ein Zugehen auf das Ziel einer
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 8995
    Kienbaum
    Kontrolle der Ergebnisse und der Erfolge bislang nicht möglich war.
    Der Beitrag der Politik zur Therapie muß sich natürlich auch in Aktionen niederschlagen. Lassen Sie mich hier die Frage aufwerfen, ob beispielsweise der Bund in der Lage sein kann und jemals in der Lage sein wird, das ganze Volumen der hier dargestellten Aufgaben durch eigene Maßnahmen zu bewältigen oder auch nur die geldliche Unterstützung in ausreichendem Umfange zu bieten. Ich halte das für ausgeschlossen und sehe deshalb die Aufgabe der Politik, insbesondere die des Bundes, darin, Beispielprojekte zu fordern, an diesen Beispielprojekten durch eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit die Möglichkeiten positiver Ergebnisse herauszustellen und mit dieser Öffentlichkeitsarbeit auch die zwei Millionen, die als Selbständige Verantwortung und Risiko tragen, aber auch ihre Mitarbeiter und möglicherweise sogar die Teile der Bevölkerung, die zu diesen zwei Millionen in einer engeren Beziehung stehen, davon zu überzeugen, daß vielfältige Chancen da sind. Und ich darf Ihnen aus meiner Beurteilung und Kenntnis sagen: diese Chancen sind gewachsen. Sie sind insbesondere gewachsen, seit wir das Mehrwertsteuersystem an die Stelle der Allphasen-Umsatzsteuer gesetzt haben. Seitdem gibt es die Chance einer Renaissance für die Selbständigen in kleinen und mittleren Unternehmensgrößen.

    (Beifall auf allen Seiten.)

    Ich darf nicht verschweigen, meine Damen und Herren, daß zu den Aktionen — von der Politik her gesehen — natürlich auch die Motivation der zwei Millionen Selbständigen und ihrer Mitarbeiter gehört. Es darf nicht unwidersprochen bleiben, wenn in unserer gesellschaftspolitischen Diskussion die Leistungsbereitschaft und die Leistungsgesellschaft als Grundprinzipien unseres Zusammenlebens in Frage gestellt werden.

    (Erneuter Beifall.)

    Daß muß auch in diesem Plenum zum Ausdruck gebracht werden, damit Gruppen, die außerhalb des Parlaments Widerstand gegen diese Grundlagen der Ausgestaltung unserer Gesellschaft leisten, ja diese Gesellschaft unterminieren wollen, deutlich wissen: hier gibt es ein Parlament, daß diese Grundfesten nicht erschüttern läßt.

    (Beifall.)

    Was aber heißt das in der Praxis? Das heißt auch, daß die Politik in Bonn die Motivation so verstehen muß, daß die Grenzen der erwarteten Belastungen definiert werden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Deshalb widersprechen die Freien Demokraten mit Nachdruck Überlegungen, die es unsinnig erscheinen lassen, noch eigene Leistungsbereitschaft und eigenes Engagement in wirtschaftlich selbständige Tätigkeit zu stecken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Und von diesen Äußerungen gibt es ja leider in der jüngsten Zeit mehr als genug.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Abg. Gewandt: Sie schauen immer in die falsche Richtung, Herr Kollege! — Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    — Herr Gewandt, Sie haben offenbar nicht genau bemerkt, daß ich als alter Handballspieler mit meinem Blick immer das ganze Spielfeld überstreiche.

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU.) Der Ball kann ja auch von dort kommen.


    (Heiterkeit in der Mitte. — Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie das auch Herrn Maihofer?)

    — Selbstverständlich! Der ist hier nur jetzt nicht betroffen.

    (Zuruf von der SPD: Nur nicht schielen dabei!)

    — Wenn einer ein Weitwinkelobjektiv hat, ist das nicht nötig.

    (Heiterkeit. — Abg. Lampersbach: Das war ein Hattrick von Herrn Scheu!)

    Darf ich nadi diesen Feststellungen über die Möglichkeiten eines Beitrags zur Politik zu den Folgerungen kommen. Bei der Erörterung von Situationen und Trendentwicklungen, gleichgültig, auf welchem Gebiet, darf, wie mir scheint, nie vergessen werden, die Klärung der Größenordnungen mit in das Gespräch einzuführen. Dazu ist es erforderlich, bei der Politik für kleine und mittlere Unternehmen, insbesondere bei der Strukturpolitik, von der Zahl der betroffenen selbständigen Unternehmen auszugehen. Über 2 Millionen Unternehmen gehören zu diesem Bereich. Das ist der weit überwiegende Teil der Unternehmen in der Bundesrepublik überhaupt. Damit kein falscher Eindruck entsteht oder kein leicht widerlegbares Gegenargument Gewicht gewinnt, will ich hinzufügen, wie es um die Zahl der betroffenen unselbständig Beschäftigten bestellt ist. Hier sind, da es sich nicht nur um die Industrie, sondern auch um Handel, Handwerk und zusätzlich um die Dienstleistungen handelt, weit mehr als zwei Drittel der unselbständig Beschäftigten in der Bundesrepublik betroffen, d. h. der entscheidende Wertschöpfungsfaktor, den unsere Volkswirtschaft besitzt.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Daher ist, wenn ich die Größenordnungen zu klären versuche, schon von der Zahl her gesehen das Schwergewicht der wirtschaftspolitischen Bemühungen eindeutig hier anzusetzen.
    Es gibt einen zweiten Grund dafür, warum das notwendig ist; ich meine das Tempo und das Ausmaß oder, anders ausgedrückt, den Umfang der Änderungen, die sich tagtäglich vollziehen. Tempo und Ausmaß der Änderungen sind, insbesondere nach dem letzten Krieg, von Jahr zu Jahr, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt gewachsen. Damit wächst auch der Anforderungspegel an jeden, der in einer solchen wirtschaftlichen Aktivität Verantwortung
    8996 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971
    Kienbaum
    trägt, vor allem an diejenigen, die sich mit eigenem Risiko, nämlich mit eigenem Geld, mit der eigenen Existenz, in diesem Geschäft engagiert haben.
    Wenn Sie mir in dieser Betrachtung zustimmen, werden Sie mir, wie ich hoffe, auch darin folgen, daß es angesichts dieser Fesstellungen zwingend erforderlich war, zugleich auch zu klären, wie die realen Erfolgsgrößen, d. h. die Erfolge und Ergebnisse der bisherigen politischen Bemühungen zur Förderung kleiner und mittlerer Selbständiger, aussehen.

    (Abg. Gewandt: Kosten-Nutzen-Analyse!)

    — Das haben Sie wunderbar formuliert. Aber ich lege Wert darauf, daß man das auch draußen versteht. Deshalb darf ich sagen: ich möchte klären, wie das, was in den letzten 20 Jahren an Mittelstandspolitik betrieben worden ist, aussieht. Ich selbst war in diesem Geschäft viereinhalb Jahre lang sozusagen mit dem Namen im Firmenschild, als Mittelstandsminister in Düsseldorf, tätig. Meine Feststellung: Die Erfolge sind weder qualitativ noch quantitativ ausreichend. Das muß klar gesehen werden. Dabei hat sicherlich der Umstand eine Rolle gespielt, daß die verschiedenen Teilmaßnahmen nicht aufeinander abgestimmt und integriert waren. Es hat allerdings auch eine Rolle gespielt, daß wir über die tatsächliche Situation nicht genug wußten. Aus diesem Grunde ist es zu begrüßen, daß nach zeitweilig starkem Drängen — dazu hat auch der Wirtschaftsausschuß einiges beigetragen — Untersuchungen zur Aufhellung der Tatbestände, zur Schaffung größerer Transparenz, durchgeführt worden sind.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Dennoch bleibt es bei der Feststellung, daß die Erfolge bisher eingesetzter Ressourcen — Geld und Menschen — qualitativ und quantitativ unzureichend sind. Daher sind neue Wege erforderlich. Ich begrüße es, daß mit den Vorlagen der Bundesregierung in jedem Fall die Möglichkeit besteht, von einer anderen Wissenplattform ausgehend, die für die Zukunft notwendige Schritte zu definieren.
    Noch einmal darf ich daher feststellen: die Kombination von Maßnahmen und deren Integration ist das, was für die Zukunft zwingend geboten ist. Einzelmaßnahmen, mögen sie lauten wie immer sie wollen, auf sozialpolitischem, auf steuerpolitischem, möglicherweise auf dem Gebiet der Investitionshilfe, reichen, wie die jetzt vorliegenden Untersuchungen eindeutig bewiesen haben, nicht aus.
    Lassen Sie mich deshalb noch ein wenig Zeit darauf verwenden, einen Vergleich zwischen Aufgaben und Maßnahmen zu ziehen. Die bisherige Aufgabenstellung ist durch die neuen Erkenntnisse berichtigt. Wir wissen, daß ein größeres Problemvolumen dahintersteckt und die bisherigen politischen Maßnahmen daher der Aufgabenstellung nicht ausgeglichen gegenüberstehen. Eine Verstärkung der Maßnahmen und — ich wiederhole es — eine Verbesserung der Motivation ist dringlich.
    Meine Damen und Herren, wenn das alles richtig ist, kommen wir allesamt in diesem Parlament und insbesondere jene Ausschüsse, die sich von der Aufgabe her mit diesem Problemkreis zu beschäftigen haben, nicht daran vorbei, uns darüber auseinanderzusetzen, welche Stelle diese Aufgabe im Vergleich zu anderen wichtigen Aufgaben, denen sich das Parlament gegenübersieht, in der Rangfolge erhält. Ich habe einige Fragen zur Änderung dieser Rangfolge. Sie sind nicht etwa demagogisch oder etwa mit dem Ziel gestellt, niemals eine Antwort zu bekommen. Ich habe die Frage, ob wir uns zusätzliche Mittel — die Größenordnungen sind im Vergleich zur Größe des Bundeshaushalts im Grunde ganz bescheiden — für entsprechende Maßnahmen z. B. dadurch beschaffen können, daß wir wirklich entschlossen an den Abbau von Subventionen auf den verschiedenen Gebieten gehen. Ich habe weiter die Frage zu stellen — es gibt nämlich noch andere Quellen , ob wir nicht auch mehr Mittel durch Verzicht auf die Vergütungsexplosion im öffentlichen Dienst oder durch einen Teilabstrich in diesem Bereich erhalten könnten,

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU.)

    Mir scheint, hier sind zwei bedeutende Reservequellen angesprochen, und wir sollten uns im Verlaufe der Haushaltsberatungen darüber unterhalten, ob uns nicht ein weniges weniger auf den beiden genannten Gebieten die Chance zur Ausschöpfung von bedeutenden Reserven zur Steigerung der Produktivität und Stärkung des Angebots schaffen könnte.
    Ich möchte zusammenfassen und stelle fest: Es kann in diesem Hause und draußen überhaupt niemanden geben, der die Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen überschätzen könnte. Ich habe soeben die Zahlen der Selbständigen und ihrer Mitarbeiter erwähnt. Ich bin oft genug an dieser Stelle mit dem Hinweis aufgetreten, daß gerade kleine und mittlere Unternehmen angesichts der vermehrten Möglichkeiten zur Arbeitsteilung durch die Mehrwertsteuer einen bedeutenden Beitrag zur Innovation und zum Fortschritt leisten. Daß die große Zahl der Beschäftigten den entscheidenden Beitrag zum volkswirtschaftlichen Ertrag leistet, daß in diesem Falle die Zahl der kleinen und mittleren Selbständigen immer wieder zum hohen Beschäftigungsstand unserer Volkswirtschaft entscheidend beitragen muß und daß sie schließlich vom Gewicht her auch den entscheidenden Beitrag zum Wachstum leistet, ist so klar bewiesen, wie mir scheint, daß eine detaillierende Begründung überflüssig ist. Damit aber ist wiederholt dargestellt, welches das Problem ist :die Befähigung zu steigern, und zwar durch ein sich gegenseitig ergänzendes und unterstützen-das Paket von Einzelmaßnahmen mittels politischer Willensbildung und politischer Aktionen.
    Ich habe die Chancen der Bewältigung an Beispielen aufzuzeigen versucht. Es verbleibt mir, nochmals darauf hinzuweisen, daß die Voraussetzung allerdings der Wettbewerb ist, die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs, die Schaffung von Wettbewerb dort, wo er nicht in ausreichendem Maße existieren sollte.
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 8997