Rede von
Peter-Michael
Koenig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich bin Ihnen für diese Frage sehr dankbar, weil ich nämlich glaube, daß es bei dieser Betrachtungsweise gleichzeitig darum geht, klarzustellen, daß wir nicht zu einem weiteren Trugschluß kommen dürfen, der immer wieder gemacht-wird, daß nämlich selbständige Tätigkeit auch durchaus selbständig sein muß. Wir wissen, daß große Bereiche der selbständigen mittelständischen Wirtschaft, kleine und mittlere Unternehmer, in großer wirtschaftlicher Abhängigkeit von großen Nachfragern und großen Anbietern sind. Auf der anderen Seite wissen wir auch, daß es im Angestelltenbereich Positionen gibt, in denen sehr viel selbständiger entschieden werden kann, als das viele, ich möchte sagen, als das die Mehrheit der Selbständigen tun kann. Darum geht es uns nicht, das ist für uns eben kein ideologisches Problem, sondern ein rein ökonomisches Problem. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir uns in diesem Hause darauf einigen könnten, bei dieser Problematik in Zukunft immer vom selbständigen Mittelstand zu sprechen.
Nun, Herr Kollege Gewandt, Sie haben in einigen Reden draußen im Lande immer so von den utopischen Vorstellungen unserer Fraktion zur Politik für den selbständigen Mittelstand gesprochen. Deswegen jetzt einige grundsätzliche Überlegungen hierzu: In 25 Friedensjahren hat unsere Wirtschaft einen langen Weg zurückgelegt, nämlich den Weg von einer regional abgeschlossenen zu einer europäischen Wirtschaft, die in die Weltwirtschaft integriert ist. Sie muß den richtigen Weg in den offenen Weltwirtschaftsmarkt finden. Diese Politik hat auch oder vielleicht gerade für kleine und mittlere Unternehmer neue Daten gesetzt:
Erstens. Regional abgeschirmte Märkte sind weithin verschwunden. An ihre Stelle traten Märkte mit intensiven Konkurrenzbeziehungen. In vielen Fällen bildeten sich Kontinental- und Weltmärkte heraus. Kleinere und mittlere Unternehmen sehen sich auf ihren traditionellen Märkten verstärkter Konkurrenz ausgesetzt, häufig Konkurrenz von Großunternehmen.
Wenn sie nicht stagnieren wollen, müssen sie deshalb oft neue Märkte erschließen und werden somit in die Expansion hineingedrängt, in eine Expansion, die teuer ist und in der optimale Betriebsgrößen zunächst aufgegeben werden müssen.
Zweitens. Im Zuge der Internationalisierung der Märkte hat sich die Palette des Marktangebots ständig erweitert. Die Ansprüche des Marktes sind gestiegen. Das Angebot in Produktions- und Dienstleistungsbereichen ist differenzierter geworden. Der Diversifikationsprozeß schreitet somit fort. Das bedeutet: Handelsunternehmen müssen ihr Sortiment erweitern. Kleine Industrieunternehmen haben diesen Diversifikationsprozeß zu verkraften, was mit einer gewissen Erweiterung der Produktgruppe und daher mit einer Expansion verbunden ist, oder aber sie müssen sich spezialisieren. In allen diesen Fällen stellt sich die Aufgabe der strukturellen Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung.
Hinzu kommt noch, daß sich die Marktverhältnisse schnell wandeln. Der Wettbewerb hat sich im Zuge der Integration der Märkte in vielen Fällen intensiviert. Im Handel setzen sich neue Vertriebsformen durch. In der Industrie wird der Wettbewerb zu einem großen Teil heute technologisch ausgetragen. Produkte und Produktionsverfahren können dabei schnell veralten.
Die Märkte entwickeln sich somit erstens in ihrer räumlichen Dimension, zweitens in ihrer sachlichen Dimension und drittens in ihrer zeitlichen Dimension dynamisch. Diese dynamische, langfristige Entwick-
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lung stellt gerade an kleine und mittlere Unternehmen hohe Anforderungen.
Meine Damen und Herren, wer diese objektiven ökonomischen Probleme des selbständigen Mittelstandes ideologisch umfunktionieren will, ist böswillig, oder er versteht von der Sache nichts.
Der selbständige Mittelstand ist nicht der Zopfträger unserer Wirtschaft. Die gerade in dieser wirtschaftlich angespannten Zeit zu beobachtende vergleichsweise größere Stabilität in der Entwicklung in der Bundesrepublik gegenüber anderen Staaten des Westens ist nicht zuletzt daraus zu erklären, daß wir über eine ausgewogenere Wirtschaftsstruktur in unserem Land verfügen. Wenn wir auch die größeren Unternehmenseinheiten in ihrer Bedeutung durchaus richtig würdigen, müssen wir doch darauf hinweisen, daß die großen Fortschritte vor allem durch diese ausgewogene Struktur unserer Wirtschaft zu erklären sind. Hieraus erklären sich auch die in der Analyse des Strukturprogramms beobachtete größere Preisbeweglichkeit, die schnellere Anpassung an technische Veränderungen und die größere Beweglichkeit auf den Außen- und Binnenmärkten sowie schließlich die größere Mobilität der Arbeitskräfte. Die goldenen Zeiten der 20er Jahre sind längst vorbei, meine Damen und Herren, und ob sie überhaupt jemals golden waren, mag dahingestellt sein.
Ich möchte darauf hinweisen, daß der wirtschaftliche Wachstumsprozeß sich heute mit doppelter Geschwindigkeit im Vergleich zu früher vollzieht.
— Ich wäre Ihnen dankbar gewesen, meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie auch einige grundsätzliche Überlegungen hier angestellt hätten.
Den selbständigen Mittelstand gilt es also in seiner Risikobereitschaft zu unterstützen. Die Marktwirtschaft unserer Prägung lebt vom Wettbewerb, und dieser Wettbewerb ist ohne selbständigen Mittelstand nicht denkbar.
Der Wettbewerb ist deshalb kein Selbstzweck, sondern dient letztlich dem Konsumenten, dem Verbraucher. Somit dient der selbständige Mittelstand den Interessen des Verbrauchers.
Dies, meine Damen und Herren, ist — da gebe ich Ihnen recht — ein politisches Bekenntnis.
Ökonomisch ist jetzt die Frage zu stellen, welche Chancen kleine und mittlere Unternehmen in unserer Zeit und in Zukunft der Großwirtschaft gegenüber haben. Nur wenn sie eine Chance haben, können wir es politisch verantworten, diesen kleinen und mittleren Unternehmen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigen, um sich dem Strukturwandel anzupassen. Da, Herr Kollege Gewandt, gehen wir einig; denn Sie haben auch darauf hingewiesen, daß diese Chancen in unserer Wirtschaft für den selbständigen Mittelstand durchaus bestehen.
Nun ein kurzes Wort zu den anstehenden Fragen der Steuerreform. Ich möchte sie unter folgenden Aspekt stellen. Erstens. Wenn wir ehrlich das Prinzip der Leistungsfähigkeit innerhalb der Vorstellungen zur Steuerreform durchkonstruieren wollen, so bedeutet das, daß derjenige, der einen hohen Gewinn erzielt, im Gegensatz zu demjenigen, der einen niedrigen Gewinn erzielt, mehr Steuern zahlen muß. Nun ist auf dem Sonderparteitag meiner Partei ein Spitzensteuersatz von 60 % gefordert worden, der aber nur — und das möchte ich betonen — auf 0,3 % der Steuerpflichtigen zu beziehen ist. Was uns hier beschäftigen sollte, sind die Entlastungen in den unteren Bereichen im Hinblick auf die Eckdaten der Bundesregierung, die hier genannt worden sind. Ich weise z. B. darauf hin, daß der Gewerbesteuerfreibetrag durch Anhebung der Freigrenze auf 12 000 DM 300 000 weitere Selbständige freistellt.
Das kostet 550 Millionen DM. — Herr Kollege Lampersbach, das ist ein erster Schritt, da gebe ich Ihnen recht. Aber darf ich Sie einmal darauf hinweisen, daß Ihre Fraktion seit dem Jahre 1961 überhaupt nichts in dieser Frage erreicht hat!
Außerdem kostet die Abschaffung der Kleinbetriebsregelung den Fiskus ebenfalls 80 Millionen DM. Das muß man im Zusammenhang mit dem ansteigenden Tarif auf der anderen Seite sehen.
Ich darf außerdem darauf hinweisen, daß auch die Ergänzungsabgabe im Zuge des Ansteigens des Tarifs wegfallen wird.
Die Investitionssteuer ist von 8 % im Jahre 1961 bereits auf 4 % gesunken und wird im Jahre 1972 auslaufen.
Es ist ganz nützlich, dabei einmal zu betrachten, wie denn die Gewinnzone der Selbständigen aussieht und welche Bereiche nach den Eckwerten der Bundesregierung entlastet werden; denn das gilt es doch einmal festzustellen. Bedauerlicherweise ist es so, daß die Einkommensteuerstatistik in dieser Beziehung bekanntlich der Zeit etwas nachhinkt und daß die Umsatzsteuerstatistik aktuellere Werte er-
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gibt. Aber aus den Umsätzen können Sie ja auch die Gewinne ablesen.
— Herr Kollege Schulhoff, ich sage das deswegen etwas grob, weil die Umsätze so gering sind, wie ich Ihnen jetzt aufzeigen werde, daß die Gewinne, ganz egal, in welcher prozentualen Höhe sie liegen sollten, so gering sein dürften, daß sie in jedem Fall unter die Entlastungen dieser Eckwerte fallen werden. Von 400 000 Einzelhandelsgeschäften in der Bundesrepublik haben nämlich 200 000 Einzelhandelsgeschäfte einen Umsatz von weniger als 100 000 DM im Jahr. Im Hotel- und Gaststättengewerbe mit rund 200 000 Unternehmungen haben 95 % aller Betriebe Jahresumsätze unter 250 000 DM. Wir fühlen uns als sozialdemokratische Fraktion für diese niedrig verdienenden Selbständigen in besonderem Maße verantwortlich; sie sind der zahlenmäßig weitaus größte Teil der Selbständigen in unserem Lande.
Wenn Sie es jetzt im Zusammenhang sehen wollen: die Entlastung wird praktisch in drei Stufen anzusetzen sein. Erstens geht es um den Freibetrag der Gewerbesteuer, der jetzt auf 12 000 DM angehoben werden soll, zweitens um die Vermögensbildung im Betrieb analog der Vermögensbildung bei Arbeitnehmern in den Grenzen 24 000 DM für Ledige, 48 000 DM für Verheiratete, drittens um die Werte bei der Einkommensteuer mit bis zu 50 000 DM für Ledige und bis zu 100 000 DM für Verheiratete.
Nun ein Wort zu dem, was die Bundesregierung zur Produktionssteigerung zu tun gedenkt. Wir wissen, daß die kleinen und mittleren Unternehmen vor allen Dingen auf zwei Gebieten gefordert sind, und zwar erstens auf dem Gebiet der Finanzierung und zweitens auf dem Gebiet der Unternehmensführung. Zum ersten ist festzustellen, daß angesichts der permanenten Investitionsanforderungen die Finanzierungsdecke kleinerer und mittlerer Unternehmen, insgesamt gesehen, dünn ist. Dies ist bekanntlich ein spezifisch europäisches Problem. Wir wissen, daß sich in den Vereinigten Staaten dieses Problem nicht so stellt, weil man dort von ganz anderen Voraussetzungen, ganz anderen Beleihungsgrundsätzen ausgeht als bei uns. Auch wir müßten fordern, daß sich die deutsche Kreditwirtschaft mehr an eine Beurteilung der Umsatz-und Ertragsentwicklungen anschließt und die Steigerungsraten in diesem Bereich mehr berücksichtigt, als das bisher geschehen ist. Die Hilfestellungen der öffentlichen Hand können nämlich diese Lücke nur zum Teil schließen. Mein Kollege Wüster wird auf die Anstrengungen dieser von Sozialdemokraten und Freien Demokraten getragenen Bundesregierung sowohl im Hinblick auf neue Initiativen als auch im Hinblick auf die Bereitstellung von Finanzmitteln eingehen. Wir benötigen in der Bundesrepublik neben den öffentlichen Mitteln auch eine neue, risikofreundliche Finanzierungsstrategie der Kreditinstitute für selbständige mittelständische Unternehmungen.
Mit den Prinzipien, die den Förderungsmaßnahmen zugrunde liegen, welche das Strukturprogramm der Bundesregierung zur Produktivitätssteigerung vorsieht, folgt dieses Strukturprogramm auch Überlegungen, die auf seiten unseres Koalitionspartners, der FDP, immer wieder betont worden sind, nämlich die Forschung, Entwicklung und Innovation zu verstärken, die Information zu vergrößern, die Beratung auszubauen und Kooperation und Berufsbildung zu Schwerpunkten zu machen.
Zur Berufsbildung darf ich erwähnen, daß der Wirtschaftsausschuß, Herr Kollege Gewandt, am 5. November dieses Jahres, also im letzten Monat, beschlossen hat, daß die berufliche Bildung zu einem Kernpunkt der Strukturpolitik gemacht werden muß.
Allerdings, meine Damen und Herren, ist es etwas schwierig, wenn man da mit verschiedenen Zungen redet. Ich erinnere mich sehr genau, daß Kollege Lampersbach in Bremen erklärt hat, diese Hektik der Bundesregierung in bezug auf ihre Bildungsreform sei eigentlich schwer verständlich und sogar gefährlich, während Sie, Herr Kollege Gewandt, mit Recht darauf hinweisen, daß wir noch sehr viel mehr tun und sehr viel schneller handeln müssen, als das in den letzten 20 Jahren geschehen ist.
Es wäre gut, wenn man da die politische Aussage nach draußen parteipolitisch etwas koordinierte.
Das Strukturprogramm der Bundesregierung sieht erstens Erleichterungen bei der Aufnahme von Beteiligungskapital vor, zinsgünstige Kredite für strukturpolitisch gezielte Schwerpunktmaßnahmen und Kreditbürgschaft. Es sieht zweitens Maßnahmen zur Leistungssteigerung vor, wie ich sie gerade vorgetragen habe, drittens Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Bildung und schließlich viertens eine Überprüfung der Geseztgebung.
Wir wissen ja, daß die Gesetzgebung insofern sehr leicht zu Ungerechtigkeiten führen kann, weil kleine und mittlere Unternehmen meistens nicht in der Lage sind, den ganzen Radius der Steuergesetzgebung so auszuschöpfen, wie das Großunternehmen mit ihren geteilten Stäben des Managements tun können. Das sind Fragen der Steuergesetzgebung, die überprüft werden müssen, Fragen des Wettbewerbsrechts, der Sozialgesetzgebung und der Vermögensbildung.
Zur Frage der Unternehmensführung ist folgendes zu sagen. Der schnelle Wandel der wirtschaftlichen Verhältnisse erfordert auch eine bewegliche und mutige Unternehmensführung. Kollege Scheu von meiner Fraktion wird sich dieser Problematik gleich noch besonders annehmen. Wenn es stimmt, daß heute manche selbständigen Unternehmen bei Großunternehmen Schlange stehen, um sich anzulehnen oder aber um zu verkaufen, dann dürfte dies nicht nur eine Frage mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten sein, sondern auch eine Frage der Führung selbst sein. Es ist die ökonomische Großwetterlage, die den selbständigen Unternehmer heute in die Bewährungsprobe stellt. In dieser Situation benötigen wir eine Gegenstrategie, und zwar erstens eine aktive Selbständigenpolitik und zweitens eine
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optimistische Wirtschaftsphilosophie. Mit Pessimismus und mit Schwarzmalerei dienen Sie niemandem,
am wenigstens denjenigen, meine Damen und Herren von der Opposition, denen zu helfen Sie vorgeben.
Das Strukturprogramm der Bundesregierung ist das erste geschlossene Programm, das von einer Bundesregierung überhaupt vorgelegt wurde. Es steht nicht nur auf dem Papier, wie Sie zu Anfang in einem Zwischenruf glaubten ausdrücken zu müssen, sondern es wird auch bereits realisiert. Wir werden von unserer Seite aus Schritt für Schritt und Jahr für Jahr dafür sorgen, daß es weiter verwirklicht wird.
Unsere Wirtschaftsphilosophie — damit komme ich zu II — gründet sich auf das marktwirtschaftliche Bekenntnis des Godesberger Programms. Trotz aller Verteufelungen auch in diesem Bereich: Sozialdemokraten pflegen sich an ihre programmatischen Beschlüsse zu halten.
Haben Sie denn auf die Gretchenfrage eine Antwort: Können Sie mir einen liberaleren Wirtschaftsminister als Professor Karl Schiller in der westlichen Welt nennen?
Sie können sich ja einmal darum bemühen, einen zu finden. Meine Damen und Herren, unsere Wirtschaftspolitik hat die geringsten dirigistischen Charakteristiken. Wir haben weder ein Preisdiktat wie in Amerika noch Importsteuern wie in anderen Ländern noch irgendwelche dirigistischen Einflußnahmen auf die Devisenbewirtschaftung wie z. B. in Frankreich.
Ich brauche Ihnen das ja hier nicht alles im einzelnen aufzuzählen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie tun Ihr Möglichstes, um durch Verdächtigungen der SPD wirtschaftliche Unsicherheit zu erzeugen, um auf dem Wege der ideologischen Verunsicherung der selbständigen Unternehmer Unsicherheitsmomente zu schaffen.
Das tut niemandem gut, auch nicht Ihnen.
Nun zu einem Beispiel, das die ganze Wirksamkeit der Mittelstandsvereinigung und der Mittelstandspolitik der Opposition zeigt. Ich wage heute hier die Behauptung, daß in diesem Bundestag die Kartellnovelle gegen die Stimmen der CDU und der CSU verabschiedet werden wird.
Wann haben denn in der CDU und CSU jemals die Interessen der Großindustrie nicht den Ausschlag gegeben? Die Wettbewerbsnovelle der Bundesregierung sieht drei Regelungen von zentraler Bedeutung vor: erstens eine Fusionskontrolle für Zusammenschlüsse, an denen Großunternehmen beteiligt sind, zweitens eine wirksamere Gestaltung der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen und drittens gesetzliche Kooperationserleichterung für kleine und mittlere Unternehmen mit dem Ziel, durch Zusammenarbeit die Leistungsfähigkeit zu steigern und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Ich weiß, daß auch Herr Kollege Gewandt genau diese Forderungen auf Ihrem Mittelstandstag in Bremen erhoben hat. Ich weiß, daß Herr Kollege Dr. Frerichs als Vorsitzender Ihres Arbeitskreises „Wettbewerbspolitik" ebenfalls ein sehr brauchbares Modell in dieser Richtung entwickelt hat.
Auf der anderen Seite muß ich natürlich auch darauf hinweisen, daß Herr Kollege Lampersbach in Bremen ausführte, die Entwürfe der Bundesregierung seien wirklichkeitsfremd. Auch das, Herr Kollege Lampersbach, paßt nicht in den Zusammenhang hinein.
— Nein, das habe ich nicht. Ich habe das sogar
schriftlich bei mir; ich kann es Ihnen gleich zeigen. Einen Entwurf Ihrer Fraktion gibt es allerdings nicht!
Die Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen stellt einen Gegenzug gegen die Vermachtung der Märkte dar, einen Beitrag zur Sicherung der Marktwirtschaft, und eröffnet für kleine und mittlere Unternehmen eine zusätzliche Chance zur Behauptung ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit.
Meine Damen und Herren, ein Wort zur Sozialpolitik. Ich erinnere daran, daß diese Bundesregierung — das wurde bereits in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers angedeutet — die Rentenversicherung auch für Selbständige öffnen will. Viele soziale Probleme in diesem Bereich werden damit gelöst, soziale Friktionen werden vermieden, gerade für diejenigen Selbständigen — und das ist der größte Teil —, die um ihre Alterssicherung wirklich Sorge haben müssen. Bedauerlich ist nur, daß die CDU/CSU im Jahre 1956 den Selbständigen diese Möglichkeit genommen hat und wir erst jetzt im Jahre 1971 diese Problematik wieder anreißen konnten. In der nächsten Woche werden wir Gelegenheit haben, über die Rentenreform und die Öffnung der Rentenversicherung für die Selbständigen zu diskutieren. Aus diesem Grunde möchte ich mir heute weitere Ausführungen dazu ersparen und nur diese Möglichkeit im Grundsatz erwähnt haben, damit sie nicht bei dem Gesamtkonzept unter den Tisch fällt. Ich habe mich gewundert, daß Herr Kollege Gewandt nicht auch darauf zu sprechen gekommen ist.
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Die kleinen und mittleren Unternehmen haben sich in der fünften Wachstumsperiode der Nachkriegszeit zufriedenstellend entwickelt, und sie werden in der sechsten Wachstumsperiode unter der Politik von Professor Karl Schiller gut fahren. Vor Beginn der Wachstumsperiode, deren Endphase wir jetzt durchlaufen, erlebten wir die Rezession. Die Rezession der Jahre 1966/67, von Schmücker als Mittel der Konjunkturpolitik herbeigeführt, traf die selbständigen Unternehmer, die zumeist nur eine dünne Kapitaldecke haben, besonders hart. In den Wachstumsjahren 1968, 1969 und 1970 haben dagegen die kleinen und mittleren Unternehmer an der wirtschaftlichen Entwicklung, auch an der Gewinnentwicklung, voll teilgenommen.
Konjunkturpolitisch gesehen sprang diese neue Regierung im Oktober 1969 auf einen Wagen, der sich bereits in rasender konjunktureller Fahrt befand. Daß sie nun diesen Wagen nicht zu Bruch fuhr, sondern ihn langsam auffing und jetzt mehr und mehr unter Kontrolle bringt, ist das Verdienst dieser sozial-liberalen Regierung.
Gestatten Sie mir ein Beispiel. Wenn wir — wovon ich anfangs sprach — uns nicht mehr in einem Binnenmarkt tummeln und wenn sich der selbständige Mittelstand damit abfinden muß, daß sich der Markt europäisiert, internationalisiert, zu einem offenen Weltmarkt wird, müssen wir auch in unserer Strategie zu neuen Überlegungen kommen. Es nützt nichts, daß die Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft dieses, ich möchte einmal sagen, Weltmeer mit kleinen Binnenbooten befahren, die mit einem Hilfsmotor — aus Subventionen; das kann man natürlich in der Steuergesetzgebung tun — betrieben werden, sondern wir helfen Ihnen nur, wenn wir ihre Boote verstärken, wenn wir sie dazu bringen, andere Schiffsplanken einzusetzen, größere Segel zu setzen, d. h. ihre Produktivität zu steigern.
Genau auf diese Zielsetzung müssen alle Maßnahmen, die die Bundesregierung in dieser Situation im Rahmen ihres Strukturprogramms trifft, ausgerichtet sein.
Bitte betrachten Sie diese Entwicklung doch auch als positiv. Seit 1958, seit Bestehen der Europäischen Gemeinschaft, hat sich der Binnenhandel dieser Gemeinschaft um das Fünffache gesteigert. Nur so ist doch unser Wirtschaftswachstum — global gesehen — zu erklären, und jeder ist Nutznießer dieser Entwicklung.
Meine Damen und Herren, die sozialdemokratische Fraktion sagt ja zur Politik dieser Regierung im Interesse des selbständigen Mittelstandes. Diese Bundesregierung unter Bundeskanzler Willy Brandt und unter Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller ist der beste Garant des selbständigen Mittelstandes. Aber das, meine Damen und Herren von der Opposition, paßt Ihnen natürlich nicht.