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ID0615301900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 153. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1971 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Hallstein und Schulhoff . . . 8777 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 8777 B Benutzung der Abstimmungsanlage . . . 8777 D Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 8777 D Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Arbeitsprogramm der Bundesregierung zu den inneren Reformen in der 6. Legislaturperiode (Drucksachen VI /2604, VI /2709) Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 8779 C Hermsdorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 8783 B Kirst (FDP) 8788 A Seidel (SPD) . . . . . . . . 8792 C Arendt, Bundesminister 8794 C Breidbach (CDU/CSU) 8800 B Dr. Nölling (SPD). . . . . . 8808 A Vogt (CDU/CSU). . . . . . 8815 C Dr. Farthmann (SPD) . . . . . 8821 C Fragestunde (Drucksache VI /2861) Fragen des Abg. Wohlrabe (CDU/CSU) : Fluglinienverkehr alliierter Gesellschaften von und nach Berlin Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . 8822 D, 8823 A, B, C, D, 8824 A, B, C Wohlrabe (CDU/CSU) . . . 8823 A, B, C Brück (Holz) (SPD) . . . . . . . 8823 D von Thadden (CDU/CSU) . . . . 8823 D Heyen (SPD) 8824 A Müller (Berlin) (CDU/CSU) . . . 8824 B Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . 8824 B Fragen des Abg. Dr. Evers (CDU/CSU) : Benutzung der Intercity-Züge mit Zeitkarten Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . 8824 C, D, 8825 A, B Dr. Evers (CDU/CSU) . 8824 D, 8825 A, B Dr. Schmid, Vizepräsident . . . . 8825 C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1971 Frage des Abg. Lemmrich (CDU /CSU): Äußerung des Bundesverkehrsministers über die Finanzsituation der Bundesbahn Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 8825 C, D, 8826 A, B, C, D Lemmrich (CDU/CSU) . . . . . . 8825 D Dr. Jobst (CDU/CSU) 8826 B Dr Riedl (München) (CDU/CSU) 8826 C Hansen (SPD) . . . . . . . . 8826 D Fragen des Abg. Dr. Apel (SPD) : Teilnahme aller Autofahrer an einem Erste-Hilfe-Kursus bzw. einem Kursus über Sofortmaßnahmen am Unfallort Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . 8826 D, 8827 A, C, D, 8828 A, B Dr. Apel (SPD) . . 8827 A, B, D, 8828 A Dr. Schmid, Vizepräsident . . . . 8828 B Frage des Abg. Becker (Nienberge) (SPD) : Erfahrungen der Bundesbahn in bezug auf das Intercity-Netz Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 8828 B, C, D, 8829 A, B, C Becker (Nienberge) (SPD). . 8828 C, D Lemmrich (CDU/CSU) . . . . . 8829 A Wende (SPD) 8829 A Brück (Köln) (CDU/CSU) 8829 B Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 8829 C Frage des Abg. Wende (SPD) : Maßnahmen gegen das Laufenlassen der Kraftfahrzeugmotoren im Leerlauf Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . 8829 D, 8830 A, B, C Wende (SPD) . . . . . 8829 D, 8830 A Dr. Apel (SPD) . . .. 8830 B Schirmer (SPD) 8830 B Frage des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU): Unzureichende Versorgung neuer Betriebe im ostbayerischen Zonenrandgebiet mit Fernmeldeeinrichtungen Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . 8830 C, D, 8831 A, B Dr. Jobst (CDU/CSU) . . 8830 D, 8831 A Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . . 8831 B Fragen des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Pressemeldung über die Reise des SED- Propagandachefs Norden zum DKP-Parteitag mit einem Sonderwagen der Deutschen Reichsbahn Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . 8831 C, D, 8832 A, B, C Niegel (CDU/CSU) . 8831 C, D, 8832 B, C Lemmrich (CDU/CSU) 8832 A Frau Kalinke (CDU/CSU) . . 8832 B Frage des Abg. Spillecke (SPD): Pressemeldung über die Herstellung von Betriebszeitungen der DKP in der Druckerei der Universität Bochum Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 8832 D, 8833 A Spillecke (SPD) 8833 A Fragen des Abg. Schirmer (SPD) : Ausbildung von Sportpädagogen im Fernstudium Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär 8833 B, C, D Schirmer (SPD) 8833 C, D Fragen des Abg. Dr. Probst (CDU/CSU) : Mittel für die Gutachten über Methoden der Prioritätenbestimmung auf dem Gebiet der Forschungspolitik — Folgerungen der Bundesregierung aus diesen Gutachten für die praktische Gestaltung der Forschungspolitik Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär . 8833 D, 8834 A, B, C, D Dr. Probst (CDU/CSU) . . . . 8834 A, C, D Fragen des Abg. Dr. Hubrig (CDU/CSU) : Einrichtung eines Ausschusses zur Koordinierung der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit innerhalb der EWG — Erschwerung der europäischen Zusammenarbeit durch diesen Ausschuß Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär . . 8834 D, 8835 A, B, C Dr. Hubrig (CDU/CSU) 8835 B Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 8835 B Hansen (SPD) . . . . . . . . . 8835 C Frage des Abg. Hansen (SPD) : Brief des stellvertretenden griechischen Ministerpräsidenten Pattakos betr. griechische Schulen in Westdeutschland Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 8835 D, 8836 A, B Hansen (SPD) . . . . 8835 D, 8836 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1971 III Frage des Abg. Hansen (SPD) : Rundschreiben des Erziehungsattachés Emanouilidis betr. Mitglieder der Klassenpflegschaften Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär 8836 B, C, D Hansen (SPD) 8836 C Hussing (CDU/CSU) . . 8836 D Nächste Sitzung 8837 A Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 8839 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1971 8777 153. Sitzung Bonn, den 1. Dezember 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigungen Es ist zu lesen: 150. Sitzung, Seite 8638, Zeile 17, statt „250": „249". 150. Sitzung, Seite 8674: Bei den Ja-Stimmen der SPD ist zwischen den Abgeordneten Dr. Haack und Haase (Kellinghusen) der Abgeordnete Haar (Stuttgart) einzutragen. 150. Sitzung, Seite 8677, Anlage 1 (Liste der beurlaubten Abgeordneten) : Zwischen den Abgeordneten Dr. Beermann und Dasch ist der Abgeordnete „Behrendt*" und zwischen den Abgeordneten Lükker (München) und Dr. Prassler der Abgeordnete „Müller" (Aachen-Land) *" einzutragen. Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Ahrens *** 3. 12. Dr. Aigner * 3. 12. Alber *** 3. 12. Amrehn ** 3. 12. Bals *** 3. 12. Bartsch. 3. 12. Dr. Barzel 3. 12. Bauer (Würzburg) *** 3. 12. Dr. Beermann 15.1. 1972 Behrendt * 10. 12. Blank 18. 12. Blumenfeld *** 3. 12. Dr. Burgbacher 3. 12. Dasch 18. 12. Frau Dr. Diemer-Nicolaus *** 2. 12. Dr. Dittrich * 3. 12. Draeger *** 13. 12. Dr. Enders *** 3. 12. Dr. Erhard 3. 12. Erpenbeck 1. 12. Faller * 12. 12. Fritsch *** 3. 12. Dr. Furler 10. 12. Dr. Giulini 3. 12. Freiherr von und zu Guttenberg 18. 12. Dr. Hallstein 3. 12. Dr. Heck 1. 12. Helms 4. 12. Frau Herklotz 4. 12. Dr. Hermesdorf (Sehleiden) *** 3. 12. Hösl *** 3. 12. Frau Jacobi (Marl) 18. 12. Dr. Jahn (Braunschweig) * 2. 12. Jung *** 3. 12. Kahn-Ackermann *** 3. 12. Dr. Kempfler *** 3. 12. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Frau Klee *** 3. 12. Dr. Klepsch *** 3. 12. Kriedemann * 3. 12. Lemmrich *** 3. 12. Lenze (Attendorn) *** 3. 12. Liedtke 3. 12. Looft 17. 12. Lücker (München) * 3. 12. Memmel * 3. 12. Müller (Aachen-Land) * 10. 12. Dr. Müller (München) ** 3. 12. Frau Dr. Orth ' 1. 12. Ott 3. 12. Peters (Norden) 3. 12. Pöhler *** 3. 12. Richarts * 3. 12. Richter '** 3. 12. Dr. Rinderspacher *** 3. 12. Rollmann 6. 12. Schmidt (Würgendorf) *** 3. 12. Dr. h. c. Schmücker *** 3. 12. Schneider (Königswinter) 3. 12. Schoettle 17. 12. Dr. Schulz (Berlin) 1.12. Schwabe * 3. 12. Sieglerschmidt *** 1.12. Dr. Slotta 3. 12. Stein (Honrath) 1.12. Frau Dr. Walz *** 3. 12. Dr. Warnke 3. 12. Weber (Heidelberg) 3. 12. Wehner 10. 12. Wiefel 3. 12. Baron von Wrangel 4. 12. Zander 3. 12. *Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments *** Für die Teilnahme an Sitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Max Seidel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema „Politik der inneren Refomen" ist wahrscheinlich der CDU/CSU sehr unbequem; unbequem deswegen, weil man das nicht totschweigen kann, aber gern zerreden möchte. Nun, Herr Müller-Hermann, das ist Ihnen weder in der Vergangenheit noch heute gelungen. Ich war überrascht über die Sanftheit Ihrer Kritik, die Sie heute hier angebracht haben.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Sachlichkeit!)

    So habe ich Sie noch nicht erlebt. Allerdings darf ich Ihnen zugeben, daß Sie den Versuch machten, hier den Gegensatz zwischen der sozial-liberalen Koalition und der Opposition in bezug auf die gesellschaftliche Problematik herauszuarbeiten. Der Kollege Hermsdorf hat Ihnen schon einige Antworten darauf gegeben. Überhaupt paßt diese Politik der inneren Reformen nicht in das Konzept der CDU/CSU. Und warum paßt sie nicht in Ihr Konzept? Weil die CDU/CSU als Opposition gegenüber dem Regierungsprogramm der Bundesregierung hier keine umfassende Alternative darstellen kann.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Daher bestreiten Sie unentwegt und wider besseres Wissen die bisher verwirklichten Reformen in Form der verabschiedeten Gesetze. Wo Sie das nicht können, wo Sie also anerkennen müssen, mindern Sie durch unsachliche Kritik den sozialen und gesellschaftspolitischen Wert der Reformbestrebungen und der Reformmaßnahmen, die die Bundesregierung und die Koalition getroffen haben.
    Aber, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU, dieses anhaltende Manöver der Opposition ist viel zu durchsichtig, als daß die Mehrzahl der Bürger noch darauf hereinfallen könnte. Das- schafft auch nicht jener Teil des großen Blätterwaldes, der mit dieser Opposition politisch ein Herz und
    Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1971 8793
    Seidel
    eine Seele ist, ganz gleich, was diese Opposition auch immer anstellen mag.

    (Abg. Stücklen: Da meinen Sie aber nicht den „stern" oder den „Spiegel"?!)

    Die Opposition will die Unzahl von Kleinen und Großen Anfragen gewiß in den Rahmen einer sinnvollen und zweckmäßigen Kontrolle der Regierung durch das Parlament einordnen; so weit, so gut. Nur müßte die Opposition auch den Sachinhalt der Antworten zur Kenntnis nehmen und nicht ständig die gleiche Platte laufen lassen, alles sei ungenau, widersprüchlich und unverbindlich in den Antworten geblieben. Diese ständige gleiche Platte der Opposition ist kein Beweis Ihres Einfallsreichtums, das ist ohne Zweifel eine sehr magere Angelegenheit.
    Wenn die Opposition es auch hundertmal nicht wahrhaben will, diese sozial-liberale Regierung hat das sachlich verzahnte, zeitlich geplante und finanziell abgesicherte Arbeitsprogramm.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo?)

    Das haben die Haushalte von 1970 und 1971 bewiesen, das beweist der Haushaltsentwurf 1972 und die Finanzplanung 1971/75. Bei möglichen Schwierigkeiten sind wir Manns genug, darauf flexibel zu reagieren. Nur unsere Zielvorstellungen gehen uns dabei nicht verloren.
    Ich verstehe die innere Verfassung der Opposition. Da gibt es die überaus erfolgreiche Halbzeitbilanz der Koalition.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    Bei manchen Teilerfolgen, meine Damen und Herren von der Opposition, haben Sie sogar mitgestimmt. Sie konnten sich bei manchem nicht vorbeimogeln, sondern Sie stimmten dem zu.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, ich frage Sie, und Sie werden sich ja selber fragen: Was haben Sie denn selber in dieser abgelaufenen Halbzeit als Oppositionspolitik in den Händen, das Sie befriedigen könnte?

    (Abg. Vogel: Mehr als jede Opposition!)

    Eines ist der Opposition völlig mißlungen, nämlich diese Regierung in ihrer Arbeit entscheidend aufzuhalten oder zu verunsichern. Die letzten zwei Jahre sollten Ihnen Belehrung genug sein, daß die bisherige Taktik und Strategie dafür nicht ausreicht, auch dann nicht, wenn Sie glaubten, einige Länder in Ihr Spiel einspannen zu können.
    Diese sozial-liberale Regierung und Koalition — das haben von Ihnen noch nicht alle begriffen — arbeitet loyal und fair zusammen. Diese Einsicht muß Ihnen schwerfallen, weil jegliche Koalitionen, die Sie einmal in der Vergangenheit führten, stets unter Spannungen lebten und entweder in die Brüche gingen oder fast arbeitsunfähig wurden. Die sozial-liberale Koalition ist dagegen aus anderem Holz geschnitzt, und da reichen ihre plumpen und stumpfen Waffen nicht aus, um dieses Holz umzuformen.
    Sache der Regierung und der Regierungsparteien wird es sein, weiter Zug um Zug das Regierungsprogramm vom Oktober 1969 zu verwirklichen. Was darunter unter anderem zu verstehen ist, hat die Bundesregierung auf Ihre Frage IV beantwortet. Damit Sie es sich nochmals einprägen können, heißt es im Finanzplan des Bundes 1971/75 auf Seite 4 unter II, Ausgabenseite:
    Der Finanzplan spiegelt die Zielsetzung der Bundesregierung wider, durch eine maßvolle Ausgabensteigerung einen sichtbaren Beitrag zur Stabilität zu leisten, ohne dabei die Anstrengungen zum Ausbau der gesellschaftlichen Infrastruktur einzuschränken. Dieser Bereich ist daher von Eingriffen weitgehend ausgenommen worden. Vielmehr ist den bisher von der Bundesregierung gesetzten Aufgabenschwerpunkten auch in diesem Finanzplan ein besonderer Rang eingeräumt worden, um die mit den Finanzplänen 1969 bis 1973 und 1970 bis 1975 eingeleiteten Reformvorhaben kontinuierlich fortzusetzen.
    Meine Damen und Herren, so viel zu allgemeinen Bemerkungen Ihrer Großen Anfrage. Aber lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zu einem speziellen Thema machen. Herr Kollege Hermsdorf hat schon auf eine gewisse Art von „Bauernfängerei" Ihrer Oppositionspolitik hingewiesen. Ich möchte jetzt hier ein besonderes Beispiel dafür geben. Die CDU/CSU behauptet ständig, das Reformprogramm der Bundesregierung überstrapaziere den Bundesetat und gefährde die Solidität der öffentlichen Haushalte.
    Eine Analyse der CDU/CSU-Gesetzentwürfe, soweit sie für die Einnahmen- und Ausgabenseite finanzwirksam sind, führt jedoch zu dem Ergebnis, daß die Opposition finanziell sehr viel weitergehende Belastungen für den Bundeshaushalt und insbesondere auch für die Einnahmenseite der Haushalte der Länder und Gemeinden für vertretbar hält. Allein die 24 Gesetzentwürfe der Opposition aus der 6. Wahlperiode, die per 1. Oktober 1971 noch „lebten", also im Gesetzgebungsverfahren nicht abgelehnt oder anderweitig erledigt wurden, führen zu erheblichen Mehrbelastungen des öffentlichen Gesamthaushalts, ohne daß die CDU/CSU Deckungsmöglichkeiten aufzeigt.

    (Abg. Vogel: Können Sie das einmal im einzelnen ausführen?)

    Die Oppositionsanträge würden für den Bund im Jahre 1972 z. B. Mehrausgaben von rund 2,1 Milliarden DM mit sich bringen. Diesen Anträgen stehen ähnliche oder parallele Regierungsvorhaben in einer Größenordnung von 345 Millionen DM gegenüber, die in der Finanzplanung des Bundes bereits berücksichtigt sind. Bringt man diesen Betrag in Anrechnung, so verbleibt auf der Ausgabenseite immer noch eine Mehrbelastung von 1 730 Millionen DM netto für 1972 auf Grund der Oppositionsanträge. Über die Finanzierung ist die Opposition noch jegliche Rechenschaft schuldig geblieben. Hinzu kommen Einnahmeverschlechterungen in Höhe von 1 130 Millionen DM für den Bund im Jahre
    8794 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1971
    Seidel
    1972. Meine Damen und Herren, das heißt, bei der Verwirklichung der Gesetzentwürfe der Opposition betrüge das Defizit für den Bund im Jahre 1972 rund 2 860 Millionen DM.
    Ähnlich hemmungslos geht die CDU /CDU-Bundestagsfraktion auch mit den Finanzen der Länder und Gemeinden um. Auf Grund der genannten Oppositionsgesetzentwürfe entstünden für diese Gebietskörperschaften im Jahre 1972 Einnahmeminderungen in einer Größenordnung von 1,2 Milliarden DM. Das heißt, gegenüber der von der Bundesregierung beabsichtigten Verbesserung der Finanzen von Ländern und Gemeinden im Jahre 1972 — den Gemeinden sollen rund 1 Milliarde DM aus der Mineralölsteuer sowie den Ländern rund 250 Millionen DM aus der Erhöhung der Lkw-Steuer zufließen; außerdem soll ihr Anteil an der gemeinschaftlichen Mehrwertsteuer erhöht werden — würde es, folgte man den Vorstellungen der Opposition, zu einer Verschlechterung der Finanzlage von Ländern und Gemeinden kommen. Diese Verschlechterung würde annähernd denselben Betrag ausmachen, der von uns als Verbesserung vorgesehen ist.
    Meine Damen und Herren, die CDU/CSU hat kürzlich zwei neue Parlamentarische Geschäftsführrer aus dem Haushaltsausschuß gewählt. Mein guter Rat ist, eine Zentralstelle bei Ihrer Fraktion einzurichten, um die Gesamtzahl der Anträge und Gesetzentwürfe auf ihren finanziellen Inhalt zu prüfen und eine Übersicht zu gewinnen, was bei Ihnen produziert wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Dieser Rat ist ganz uneigennützig und kostet nichts.

    (Abg. Franke [Osnabrück]:: Er war auch nicht viel wert!)

    Meine Damen und Herren, damit möchte ich es genug sein lassen. Ich möchte nur noch darauf hinweisen, daß die Regierung und die Koalition das verwirklichen werden, was in ihrem Programm vom Oktober 1969 dargestellt ist. Herr Müller-Hermann, Sie wiesen auf das von der Sozialdemokratischen Partei herausgegebene Büchlein „Wort gehalten" hin. Sie haben im Rückblick auf eine zwanzigjährige Regierungstätigkeit der CDU/CSU hier ein paar Probleme aufgezeigt und auf das verwiesen, was von Ihrer Seite erfüllt worden ist. Ich meine, 20 Jahre auf der einen Seite und zwei Jahre auf der anderen Seite — das ist, wie Sie selber zugeben müssen, rein zeitlich ein so großer Unterschied, daß Sie das nicht ins Verhältnis setzen können.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Deshalb sollten Sie auch den Mund nicht so vollnehmen!)

    Aber eines ist wichtig. Sie würden sich alle zehn Finger belecken, wenn Sie jemals innerhalb von zwei Jahren so viel verwirklicht hätten, wie diese Koalition hier in die Tat umgesetzt hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Müller-Hermann: Verwirtschaftet hat!)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Bundesminister Arendt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Schon wieder einer von der Regierung! — Da kommen wir auch wieder mal dran! — Abg. Seiters: 4 zu 1, und das nennt sich Aussprache!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Arendt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: 4 zu 1! Das nennt ihr mehr Demokratie!)

    — Sie wollen doch eine Antwort, und die werden Sie hören.
    Wieder einmal führen wir in diesem Hohen Hause eine Reformdebatte. Die Opposition wird augenscheinlich nicht müde, immer wieder die gleichen oder ähnliche Fragen zu wiederholen. Die Bundesregierung scheut diese Konfrontation nicht. Im Gegenteil!

    (Abg. Vogel: Was heißt hier „Konfrontation"? Wieder dieses böse Wort!)

    Wir können es nur begrüßen, daß uns die Opposition Gelegenheit gibt, erneut die Leistungen in den ersten beiden Jahren dieser Legislaturperiode darzustellen.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Gleichzeitig bietet diese Debatte einen willkommenen Anlaß, die Leitgedanken, die den inneren Reformen zugrunde liegen, in aller Öffentlichkeit zu erläutern und darzulegen.
    Als Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung will ich Ihnen zunächst das Konzept der Sozialplanung der Bundesregierung noch einmal vor Augen führen. Im zweiten Teil meiner Ausführungen möchte ich dann einen Überblick über die bisherigen Leistungen und Vorarbeiten geben.

    (Abg. Vogel: Wie lange dauert das denn?)

    Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik Deutschland verfügt über ein umfangreiches System von Einrichtungen, die der sozialen Sicherheit dienen.

    (Abg. Breidbach: Sehr gut! Ganz neu!)

    Das ist im eigenen Lande unbestritten, und wir können uns damit auch gegenüber dem Ausland sehen lassen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Abg. Katzer: Seit zwei Jahren!)

    Unbestritten ist aber auch, daß es eine Reihe von Lücken in diesem System gibt.

    (Abg. Katzer: Genau, seit zwei Jahren!)

    Das hat die Bestandsaufnahme im Sozialbericht 1970 ganz deutlich erwiesen.
    Wir haben von vornherein der Sozialpolitik den Rang eingeräumt, der ihr in der modernen Industrie- und Leistungsgesellschaft zukommt. Die Sozialpolitik ist heute das Kernstück einer umfassenden, vor-
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 153. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1971 8795
    Bundesminister Arendt
    ausschauenden und damit zukunftsorientierten Gesellschaftspolitik.

    (Abg. Katzer: Das haben wir schon einmal gehört!)

    Sie bildet damit zugleich ein Kernstück der von Bundeskanzler Willy Brandt in seiner Regierungserklärung vom 28. Otober 1969 angekündigten inneren Reformen.
    Die sozial-liberale Bundesregierung hat sich selbst das Ziel gesetzt, unseren sozialen Rechtsstaat so auszubauen, daß er eine echte Heimat für alle Bürger wird. Alle Bürger unseres Staates wollen in Sicherheit und Geborgenheit leben. Sie wollen am öffentlichen Leben teilnehmen. Sie wollen mitbestimmen, und sie wollen mitentscheiden.

    (Abg. Franke [Osnabrück]:: Die Rentner auch!)

    Unsere große Aufgabe ist es, diesen Wünschen gerecht zu werden. Denn über eines müssen wir uns im klaren sein: Die Demokratie lebt von der Mitverantwortung und der Mitbestimmung ihrer Bürger. Sie kann auf die Dauer nur bestehen, wenn möglichst viele bereit sind, Mitverantwortung zu übernehmen.

    (Abg. Vogel: Hält der eine schöne Rede!)

    Das aber erfordert, daß der einzelne nicht das Gefühl haben darf, ein unnützes oder verlorenes Rädchen in der Gesellschaft zu sein.
    Nicht zuletzt deshalb sucht die Bundesregierung den Dialog mit den Menschen und den sozialen Gruppen unserer Gesellschaft. Bei allen Vorhaben wird der Sachverstand der Beteiligten gehört und genutzt. Deshalb habe ich die Sozialpolitische Gesprächsrunde gebildet und für besonders wichtige Bereiche Sachverständigenkommissionen berufen. In all diesen Gremien wirken Vertreter von Theorie und Praxis zusammen, um bestmögliche Lösungen vorzubereiten.
    Ich möchte auch besonders hervorheben, daß alle sozialpolitschen Vorhaben sorgfältig auf ihre volkswirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen hin überprüft werden. In diesem Zusammenhang muß ich ein paar kritische Worte an meinen Vorgänger, den Herrn Kollegen Katzer, richten.
    Herr Kollege Katzer, Sie selbst haben während Ihrer Amtszeit den sogenannten Abstimmungskreis, der diese Überprüfung vornimmt, ins Leben gerufen. Ich bin Ihnen dafür sehr dankbar, auch heute noch. Aber Sie sollten doch wenigstens dann, wenn es um die Finanzen der Rentenversicherung geht, der Öffentlichkeit gegenüber so solide sein, wie Sie es als Minister sein mußten und waren. Mir ist es ein Rätsel — offengesagt —, wie Sie darauf kommen können, daß die Rentenversicherung bis 1985 200 Milliarden DM Überschüsse erzielen werde.

    (Abg. Katzer: Wir haben Ihre Zahlen hochgerechnet!)

    — Herr Katzer, weder Sie noch wir können doch ein Interesse daran haben, daß in der Öffentlichkeit, bei den Menschen draußen im Lande der Eindruck entsteht, als stünden 150, 180 oder gar 200 Milliarden DM in den Tresoren des Arbeitsministeriums oder der Bundesregierung und warteten auf Verteilung. Sie wissen doch, daß die 15-Jahres-Vorausschätzungen — so wichtig sie als Orientierungsmittel sind — zwangsläufig mit Annahmen arbeiten müssen, die sich von Jahr zu Jahr im Konjunkturverlauf ändern und dementsprechend angepaßt werden müssen.