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    Deutscher Bundestag 81. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Schulhoff 4515 A Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 4515 A Amtliche Mitteilungen 4515 B Fragestunde (Drucksachen VI/1480, VI/1490) Frage des Abg. Fellermaier (SPD) : Preiserhöhungen der Kraftfahrzeugindustrie Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 4516 C, D, 4517 A Fellermaier (SPD) 4516 C, D Niegel (CDU/CSU) 4516 D Dasch (CDU/CSU) 4517 A Frage des Abg. Fellermaier (SPD) : Untersuchung des Bundeskartellamts über das Marktverhalten und die Kostenentwicklung der Kraftfahrzeugindustrie Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 4517 A, B, C, D Fellermaier (SPD) 4517 B, C Mertes (FDP) 4517 C Dr. Apel (SPD) 4517 D Frage des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Novelle zur Behebung schwerwiegender Mängel des Bodenrechts Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 4518 A, B, C, D Niegel (CDU/CSU) 4518B, C Baier (CDU/CSU) . . . . . 4518 C Fragen des Abg. Dr. Gatzen (CDU/CSU) : Beschlagnahme des Vermögens von Flüchtlingen der DDR Herold, Parlamentarischer Staatssekretär 4518 D, 4519 B, C, D, 4520A, B Dr. Gatzen (CDU/CSU) 4519 B, 4520 A, B Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . . 4519 C Frage des Abg. Gallus (FDP) : Prüfungszeitraum bei landwirtschaftlichen Zugmaschinen mit Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h Leber, Bundesminister . . . . . 4520 C Frage des Abg. Cramer (SPD) : Abschaffung der Bahnsteigkarte auf allen Bahnhöfen Leber, Bundesminister 4520 D, 4521 A Cramer (SPD) . . . . . 4520 D, 4521 A II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 Frage des Abg. Baier (CDU/CSU) : Einschränkung der Investitionen der Bundesbahn infolge steigender Personalkosten Leber, Bundesminister . . . . 4521 A, B Baier (CDU/CSU) 4521 B Fragen der Abg. Lenzer und Dr, Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) : Angebliche Äußerungen des Bundesministers Leber betr. Auftragsvergabe an Firmen, die der CSU Wahlspenden gegeben haben Leber, Bundesminister 4521 C, D, 4522 B, C, D, 4523 A, B, C, D, 4524 A, B, C, D Lenzer (CDU/CSU) . . . . . . 4522 B, C Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . . 4522 D Lemmrich (CDU/CSU) . . . . . 4523 A, B Stücklen (CDU/CSU) 4523 C Dasch (CDU/CSU) . . . . . . 4523 C Baier (CDU/CSU) . . . . . . 4523 D Niegel (CDU/CSU) 4524 A Höcherl (CDU/CSU) 4524 A Dr. Häfele (CDU/CSU) 4524 B Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 4524 C, D Frage des Abg. Lenzer (CDU/CSU) : Verpflichtung der öffentlichen Straßenbaulastträger zur Errichtung von Wildschutzzäunen Leber, Bundesminister . . . 4525 A, B Lenzer (CDU/CSU) 4525 B Frage der Abg. Frau Funcke (FDP) : Zugänglichmachung der Postämter für Körperbehinderte Leber, Bundesminister 4525 C Frau Funcke (FDP) 4525 C von Hassel, Präsident 4525 D Frage des Abg. Dichgans (CDU/CSU) : Belastung der Telefonbenutzer mit Gebühren Leber, Bundesminister 4525 D, 4526 A, B Dichgans (CDU/CSU) 4526 A, B Dr. Apel (SPD) 4526 B Fragen des Abg. Bauer (Würzburg) (SPD) : Haftung für Schäden infolge fehlerhafter Produkte, insbesondere im Bereich der Arzneimittelherstellung Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 4526 C, 4527 A Bauer (Würzburg) (SPD) . 4526 D, 4527 A Frage des Abg. Dr. Rinderspacher (SPD) : Abschaffung der grünen Versicherungskarte Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär 4527 B, C, D Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 4527 C, D Frage der Abg. Frau Huber (SPD) : Kapitalisierung der Renten von politisch Verfolgten Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 4527 D, 4528 B Frau Huber (SPD) . . . . . . . 4528 B Fragen des Abg. Krall (FDP) : Verkürzung der Fristen bei der Bewilligung von Familienheimdarlehen Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . 4528 B, C, D Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . . 4528 D Cramer (SPD) . . . . . . . . . 4528 D Frage des Abg. Krammig (CDU/CSU) : Verlängerung der Frist für die Abgabe des Wohnungsbau-Prämienantrages Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär 4529 A, B Krammig (CDU/CSU) 4529 B Fragen des Abg. Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) : Erhebung von Umsatzsteuer bei der Einreise ausländischer Jugendgruppen mit Omnibussen im Rahmen internationaler Jugendbegegnungen Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 4529 C, 4530 A Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 4530 A Sammelübersicht 12 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Bundestages zu Petitionen (Drucksache VI/1401) Fritsch (SPD) . . . . . . . . . 4530 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 III Begrüßung einer Delegation des Kongresses der Republik Chile . . . . . . . 4550 C Beratung des Verkehrsberichts 1970 (Drucksache VI/1350) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Eisenbahnkreuzungsgesetz) (Drucksache VI/1140) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 (Drucksache VI/ 1180) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs (Drucksache VI/1433) —Erste Beratung — und mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Drucksache VI/1360) Leber, Bundesminister 4513 C, 4543 A, 4575 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . 4543 A, 4592 B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 4544 C Dr. Apel (SPD) . . . . . . . . 4549 A Ollesch (SPD) . . . . . 4555 B, 4578 D Dr. Jobst (CDU/CSU) 4559 B Seibert (SPD) . . . . . . . . 4561 D Graaff (FDP) 4564 A Schmitt (Lockweiler) (CDU/CSU) . 4565 C Seefeld (SPD) . . . . . . . . 4568 D Lemmrich (CDU/CSU) 4571 B Wende (SPD) . . . . . . . . 4576 C Vehar (CDU/CSU) . . . . . . 4581 D Matthes (SPD) . . . . 4583 D Schulte (Schwäbisch Gmünd) (CDU/CSU) . . . . . . . . . 4585 A Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) 4586 C Wendt (SPD) 4588 D Schmidt (Niederselters) (SPD) . . 4589 D Engelsberger (CDU/CSU) . . . 4592 B Fellermaier (SPD) 4593 A Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 4595 B Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Drucksache VI/388) ; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache VI/ 1431) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) 4596 C, 4602 A Dichgans (CDU/CSU) . . . . . . 4598 B Kleinert (FDP) . . . . . . . . 4606 B Jahn, Bundesminister . . . . . . 4607 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 27. August 1963 zur Änderung des Abkommens vom 7. August 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Pakistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen sowie zu dem Ergänzungsabkommen vom 24. Januar 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Pakistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen (Drucksache VI/1238); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache VI/ 1453) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — 4608 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Revisionsprotokoll vom 23. März 1970 zu dem am 26. November 1964 in Bonn unterzeichneten Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung (Drucksache VI/1239); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache VI/1452) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — . . . 4609 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. November 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über die gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen (Drucksache VI/1240); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache VI/ 1435) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — . . . 4609 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Dezember 1969 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Großherzogtums Luxemburg über den Verzicht auf die in Artikel 14 Abs. 2 EWG-Verordnung Nr. 36/63 vorgesehene Erstattung von Aufwendungen für Sachleistungen, welche bei Krankheit an Rentenberechtigte, IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 die ehemalige Grenzgänger oder Hinterbliebene eines Grenzgängers sind, sowie deren Familienangehörige gewährt wurden (Drucksache VI/1001); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Drucksache VI/1443) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — 4609 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. September 1969 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs der Niederlande über den Verzicht auf die in Artikel 14 Abs. 2 EWG-Verordnung Nr. 36/63 vorgesehene Erstattung von Aufwendungen für Sachleistungen, welche bei Krankheit an Rentenberechtigte, die ehemalige Grenzgänger oder Hinterbliebene eines Grenzgängers sind, sowie deren Familienangehörige gewährt wurden (Drucksache VI/1242) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Drucksache VI/1442) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — 4609 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. Oktober 1969 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Spanischen Staates über die Erstattung der Aufwendungen für Sachleistungen der spanischen Träger, welche an die Familienangehörigen der Versicherten deutscher Krankenkassen und die Bezieher deutscher Renten, die im Hoheitsgebiet des Spanischen Staates wohnen, gewährt werden (Drucksache VI/1168); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Drucksache VI/1451) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — 4609 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 122 der Internationalen Arbeitsorganisation von 9. Juli 1964 über die Beschäftigungspolitik (Drucksache VI/ 1243) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Drucksache VI/1450) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — 4609 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (Drucksache VI/715) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Drucksache VI/1449) — Überweisung an den Haushaltsausschuß — 4609 D Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit über den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur sechsten Änderung der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für konservierende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen (Drucksachen VI/ 1083, VI/1464) . . . . 4610 A Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Frage der Erweiterung der Befugnisse des Europäischen Parlaments, insbesondere auf haushaltsrechtlichem Gebiet (Drucksachen VI/33, VI/ 1415) . . . . . . . . . . 4610 B Antrag betr. Erziehungsberatungsstellen (Abg. Dr. Martin, Picard, Dr. Götz und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache VI/1341) Dr. Martin (CDU/CSU) 4610 B, 4612 B Frau Schlei (SPD) . . . . . . . 4611 A Frau Strobel, Bundesminister . . 4612 D Nächste Sitzung 4613 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 4615 A Anlage 2 Zusätzliche schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) betr. Ausdehnung der Befugnisse des Wehrbeauftragten . 4615 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Zusatzfrage des Abg. Biehle (CDU/CSU) zu der Mündlichen Frage des Abg. Stahlberg (CDU/ CSU) betr. Äußerungen des Diplomsoziologen Zoll 4616 B Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Alber (CDU/CSU) betr Besteuerung von Unternehmen im Besitz von Ostblockstaaten 4616 C Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Breidbach (CDU/CSU) betr. Verwertung der vom Institut für Sozialforschung bei einer Schulbuchstudie gewonnenen Erkenntnisse bezüglich der Entwicklungsländer 4617 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 V Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Pohlmann (CDU/CSU) betr. Steuerfreiheit des Samstags- und Sonntagsarbeitslohns des Gaststättenpersonals 4617 D Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Picard (CDU/CSU) betr. Erhöhung des Entgelts für die Heizung von Dienstwohnungen . . . . . . . 4618 A Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Wuwer (SPD) betr. Förderung des Baues geräuscharmer Kraftfahrzeuge durch Änderung der Besteuerung 4618 B Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Werner (CDU/CSU) betr. Kosten des Erwerbs einer Fahrerlaubnis 4618 C Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Kempfler (CDU/CSU) betr. zusätzliche Bundesmittel für den Straßenbau anläßlich der Olympischen Spiele 4618 D Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Rasner (CDU/CSU) betr. Standort eines künftigen deutsch-dänischen Gemeinschaftsbahnhofs . . . . 4619 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 4515 81. Sitzung Bonn, den 2. Dezember 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 75. Sitzung, Seite 4234 A: Nach der letzten Zeile ist einzufügen: Die Drucksache VI/1334 soll an den Innenausschuß federführend, an den Rechtsausschuß sowie an den Haushaltsausschuß mitberatend überwiesen werden. — Widerspruch? — Es ist so beschlossen. 80. Sitzung, Seite 4507 B, vierte Zeile von unten, statt „Umsatzsteigerung": „Umsatzbesteuerung" 80. Sitzung, Seite 4507 C, Zeile 15: nach dem Wort erhebliche ist einzufügen: „Abgrenzungs- und Nachweisschwierigkeiten, z. B. bei der" Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach. * 4. 12. Adams * 4. 12. Dr. Aigner * 4. 12. Alber 4. 12. Dr. Artzinger * 4. 12. Behrendt * 4. 12. Breidbach 4. 12. Dr. Burgbacher * 4. 12. Dr. Dittrich * 4. 12. Dröscher * 4. 12. Eckerland 4. 12. Faller * 4. 12. Flämig * 4. 12. Dr. Furler * 4. 12. Gerlach (Emsland) * 4. 12. Dr. Götz 31. 12. Haage (München) * 4. 12. Heyen 31. 12. Dr. Jahn (Braunschweig) * 4. 12. Dr. Jaeger 31. 12. Dr. Jungmann 31. 1. 1971 Dr. Koch * 4. 12. Kriedemann * 4. 12. Lange * 4. 12. Lautenschlager * 4. 12. Dr. Löhr * 4. 12. Lücker (München) * 4. 12. Meister * 4. 12. Memmel * 4. 12. Müller (Aachen-Land) * 4. 12. Frau Dr. Orth * 4. 12. Richarts * 4. 12. Riedel (Frankfurt) * 4. 12. Dr. Schellenberg 4. 12. Schneider (Königswinter) 3. 12. Dr. Schulz (Berlin) 4. 12. Schwabe * 4. 12. Dr. Schwörer * 4. 12. Seefeld * 4. 12. Springorum * 4. 12. Dr. Starke (Franken) * 4. 12. Werner * 4. 12. Wolfram * . 4. 12. Anlage 2 Zusätzliche Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 11. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmidt-Vockenhausen (SPD) **) : Die in meinem Schreiben vom 22. April 1970 angekündigte Prüfung der Angelegenheit ist inzwischen abgeschlossen worden. Ich darf Ihnen namens der Bundesregierung nunmehr folgendes antworten: * Für die Teilnahme an einer Sitzung des Europäischen Parlaments **) Siehe 46. Sitzung Seite 2374 A Anlagen zum Stenographischen Bericht I. Das Grundgesetz sieht nicht vor, daß die Zuständigkeit des Wehrbeauftragten auf Wehrpflichtige ausgedehnt werden kann, die im BGS oder bei den Bereitschaftspolizeien der Länder Polizeivollzugsdienst leisten. 1. Bereits die in Artikel 45 b des Grundgesetzes verwendete Bezeichnung als Wehrbeauftragter läßt die verfassungsrechtliche Beschränkung seiner Befugnisse auf den Bereich der Streitkräfte erkennen. 2. Auch die Entstehungsgeschichte des Artikels 45 b GG spricht für eine solche Beschränkung. 3. Der Bundesgrenzschutz ist innerstaatlich nicht Teil der Streitkräfte. Auch § 2 b des BGS-Gesetzes hat hieran nichts geändert. Das folgt insbesondere aus dessen Absatz 1 Satz 3, wonach der BGS auch nach Beginn eines bewaffneten Konflikts dem Bundesminister des Innern unterstellt bleibt und nicht - wie die Streitkräfte - unter die Befehls- und Kommandogewalt des Bundeskanzlers tritt (Artikel 115b GG). 4. die dargestellte Rechtslage ist für Polizeivollzugsbeamte und für Dienstleistende im BGS gleich. 5. Bei Wehrpflichtigen, die Dienst in den Länderpolizeien leisten, kommt hinzu, daß der Bund nicht berechtigt ist, über einen Beauftragten des Bundestages auf die Polizeien der Länder einzuwirken (Artikel 30 GG). II. Die Bundesregierung hält es auch nicht für zweckmäßig, eine Ausdehnung der Befugnisse des Wehrbeauftragten durch Änderung des Grundgesetzes anzustreben. 1. Eine Ausdehnung der Befugnisse des Wehrbeauftragten auf den in der Frage bezeichneten Personenkreis ist zu dessen Schutz nicht erforderlich. Die vorhandenen Beschwerdemöglichkeiten reichen nach den gewonnenen Erfahrungen aus. Ich darf insoweit auf meine vorläufige Antwort unter Punkt 2 verweisen. Als Beamte haben diese Wehrpflichtigen jederzeit das Recht, sich mit Anträgen und Beschwerden bis an die oberste Dienstbehörde zu wenden (§§ 60 BRRG, 171 Abs. 1 und 2, 98 Abs. 1 Nr. 4 BBG). Sie können, soweit sie Bundesbeamte sind, darüber hinaus Eingaben an den Bundespersonalausschuß richten (§ 171 Abs. 3 BBG) ; ein vergleichbares Recht steht Wehrpflichtigen, die Wehrdienst leisten, nicht zu. Die Anrufung der obersten Dienstbehörde ist bei Polizeivollzugsbeamten sogar - anders als nach § 20 der Wehrbeschwerdeordnung bei Soldaten - nicht von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig. Dienstleistende im BGS haben insoweit die gleichen Rechte wie die Polizeivollzugsbeam- 4616 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 ten im BGS (§ 21 der Verordnung über die Laufbahnen, das Vorgesetztenverhältnis und das Gelöbnis der Dienstleistenden im BGS vom 20. Juni 1969 — BGBl. S. 640 —) ; das entspricht einem grundsätzlichen Wunsch des Innenausschusses des Bundestages, der möglichst gleichartige Regelungen für die Dienstleistenden und die Polizeivollzugsbeamten im BGS angestrebt hat. 2. Die Angehörigen des BGS und der Bereitschaftspolizeien der Länder sind Beamte und haben, auch soweit sie im wehrpflichtigen Alter stehen, die gleichen Rechte und Pflichten wie andere Polizeibeamte. Es wäre nicht richtig, sie nur deshalb durch Einräumung einer besonderen Beschwerdemöglichkeit anders zu behandeln, weil sie, stünden sie nicht im Vollzugsdienst der Polizei, Wehrdienst leisten müßten. Für die Dienstleistenden im BGS gilt das gleiche. Die Einführung eines zusätzlichen oder besonderen Beschwerdeweges für sie würde die notwendige und auch vom Innenausschuß des Bundestages mit Recht angestrebte Gleichbehandlung aller BGS-Angehörigen ohne Not beeinträchtigen. Es müßte sich auf das Zusammenleben im BGS störend auswirken, wenn nur ein kleiner Teil der Bediensteten ein Beschwerderecht an den Wehrbeauftragten hätte. 3. Würde der Wehrbeauftragte auch für Angehörige des BGS oder der Bereitschaftspolizeien der Länder tätig, so könnte das dahin mißverstanden werden, daß beide der Bundeswehr ähnliche Einrichtungen seien. Ich darf insoweit auf meine Darlegungen unter Punkt 5 der vorläufigen Antwort verweisen. Dieses politische Bedenken muß m. E. sehr ernst genommen werden. Die Bundesregierung sieht hiernach keinen Anlaß, durch eine Änderung der gegenwärtigen Rechtslage die Ausdehnung der Befugnisse des Wehrbeauftragten auch auf den in Ihrer Frage bezeichneten Personenkreis anzustreben. Der Wehrbeauftragte des Bundestages teilt die vorstehend dargelegte Auffassung. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 27. November 1970 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Biehle (CDU/CSU) zu der Mündlichen Frage des Abgeordneten Stahlberg (CDU/CSU) *) Wie ich Ihnen in der Antwort auf Ihre Zusatzfrage am 13. November 1970 zusagte, habe ich überprüfen lassen, ob der Diplomsoziologe Ralf Zoll die von Ihnen angeführten Äußerungen getan hat. Herr Zoll, der Stellvertreter des Leiters des Wissenschaftlichen Instituts für Erziehung und Bildung in den Streitkräften, Professor Ellwein, hat diese Äußerungen nicht getan. Anderslautende Behauptungen entsprechen nicht den Tatsachen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 13. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Alber (CDU/CSU) (Drucksache VI/1386 Fragen A 28 und 29) : Wie werden in der Bundesrepublik Deutschland Unternehmen besteuert, die sich im Besitz von Ostblockländern befinden? Trifft es zu, daß solche Unternehmen das gleiche Steuerprivileg genießen wie die öffentliche Hand und somit gegenüber der deutschen privaten Wirtschaft im Vorteil sind, und zwar deshalb, weil die Vermögensteuer für Aktionäre wegfällt und überdies bei Ausschüttungen der gespaltene Körperschaftsteuersatz in Betracht kommt, also 15 % plus 25 % Kapitalertragsteuer, was zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann, da die normale Belastung im Inland wesentlich höher liegt? Als Unternehmen im Sinne Ihrer Anfrage sind, wie ich aus der Frage 2 schließe, nur inländische Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften u. a.) angesprochen. So wie ich Ihre Frage verstehe, interessiert es Sie, ob inländische Kapitalgesellschaften, deren Anteile sich in der Hand von Ostblockstaaten befinden, unter Einbeziehung der deutschen Besteuerung der Anteilseigner steuerlich weniger belastet sind als inländische Kapitalgesellschaften in privater Hand und diese Unternehmen von Ostblockstaaten somit hinsichtlich ihrer steuerlichen Gesamtbelastung den inländischen Kapitalgesellschaften der öffentlichen Hand (z. B. des Bundes, der Länder oder Gemeinden) gleichgestellt sind. Grundsätzlich ist dazu zu sagen, daß es für die Besteuerung einer inländischen Kapitalgesellschaft gleichgültig ist, wer ihre Gesellschafter sind. Es kommt also nicht darauf an, ob die Gesellschafteranteile von privater Hand oder von öffentlicher Hand gehalten werden und ob die Anteilseigner unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind. Kapitalgesellschaften im Besitz von Ostblockstaaten, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Geltungsbereich des Körperschaftsteuergesetzes haben, sind danach mit ihren sämtlichen Einkünften unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig und mit ihrem gesamten Vermögen unbeschränkt vermögensteuerpflichtig. Die Körperschaftsteuer beträgt 51 v. H. des Einkommens für den nicht ausgeschütteten Gewinn und 15 v. H. des Einkommens für den ausgeschütteten Gewinn. Von dem ausgeschütteten Gewinn wird außerdem der Steuerabzug vom Kapitalertrag in Höhe von 25 v. H. erhoben. Auch bezüglich der Besteuerung des Ostblockstaates als Anteilseigner gelten keine Besonderheiten, sie vollzieht sich nach den Vorschriften, die allgemein für beschränkt Steuerpflichtige gelten. Es ist allerdings zuzugeben, daß sich hieraus dennoch gewisse Vorteile ergeben können, wenn man die Gesamtsteuerbelastung, d. h. die Belastung der Kapitalgesellschaft und ihrer Gesellschafter, mit der vergleicht, die dann eintritt, wenn die Anteilseigner unbeschränkt steuerpflichtig sind. *) Siehe 80. Sitzung Seite 4481 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 4617 Die Ursache dafür liegt darin, daß für den Bereich der Einkommensbesteuerung die Körperschaftsteuer beschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner auf die ihm zugeflossenen Dividenden mit der Kapitalertragsteuer von 25 v. H. abgegolten ist, was zu einer Gesamtsteuerbelastung des Einkommens der Beteiligungsgesellschaft von rd. 42 v. H. führt, während beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner die Dividenden der vollen Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer unterworfen werden. Ist der Anteilseigner unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, tritt eine höhere Einkommensbelastung jedoch nur dann ein, wenn die Einkommensteuer auf die Dividenden 25 v. H. übersteigt. Für den Fall, daß der Anteilseigner z. B. eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ist, ist das Schachtelprivileg zu beachten, das bewirkt, daß die Steuerbelastung des von der Beteiligungsgesellschaft erwirtschafteten Einkommens, solange dieses im Schachtelbereich bleibt, bei 51 v. H. fixiert wird. Was die Vermögensteuer betrifft, so beruht die Besserstellung des beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners darauf, daß die Anteile an der Beteiligungsgesellschaft im Inland steuerlich nicht erfaßt werden. Bei inländischen Unternehmen, deren Anteile sich im Eigentum von beschränkt Steuerpflichtigen befinden, kommt es somit — z. B. falls in dem Staat, in dem der Anteilseigner seinen Wohnsitz hat, keine Vermögensteuer erhoben wird nicht zu der sonst nach dem deutschen Vermögensteuerrecht gegebenen sog. Doppelbelastung des in Kapitalgesellschaften investierten Vermögens. Die unter Berücksichtigung der Besteuerung der Anteilseigner geringere steuerliche Gesamtbelastung von inländischen Unternehmen, deren Anteilseigner beschränkt Steuerpflichtige sind, ist ein allgemeines Problem und betrifft — das ist nochmals zu betonen — nicht nur Unternehmen von Ostblockstaaten. Dieses Problem zu lösen ist nicht leicht. Es muß wohl abgewartet werden, ob es gelingen wird, im Rahmen der geplanten Steuerreform eine brauchbare Lösung zu finden. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Frau Freyh vom 2. Dezember 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Breidbach (CDU/CSU) Drucksache VI/ 1480 Frage A 4) : Welche Möglichkeiten sieht der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Erkenntnisse der vom Institut für Sozialforschung in Frankfurt vorgenommenen Inhaltsanalyse bundesdeutscher Geographie-, Sozialkunde- und Geschichtsbücher in der Praxis zu verwerten, insbesondere unter der Berücksichtigung der Notwendigkeit, hier schon in den ersten Schuljahren Informationen zu vermitteln? Die vom Frankfurter Institut für Sozialforschung im Auftrag des BMZ angefertigte Schulbuchstudie ist Teil eines umfassenden Programms zur Analyse der bestehenden Situation auf dem Gebiet des Unterrichts über die Dritte Welt und die Entwicklungspolitik. Dazu gehören: Untersuchungen der geltenden Lehrpläne, der Zulassungsbedingungen für Lehrmittel und der Lehrerfortbildungsprogramme sowie eine Analyse der Schulfunkprogramme hinsichtlich der Berücksichtigung bzw. Darstellung des Themas Dritte Welt. Zweck dieses Programms ist es, die Mängel unseres gegenwärtigen Unterrichts über die Entwicklungsländer bewußt zu machen und dem BMZ sowie den für das Erziehungswesen verantwortlichen Stellen Anregungen für ihre pädagogische Arbeit zu geben. In dieser Absicht fand am 30. November 1970 im BMZ ein Gespräch mit Fachleuten aus dem pädagogischen Bereich sowie Schulbuchverlegern und -autoren statt. Dabei wurde übereinstimmend festgestellt, daß die vorliegende Studie der Ausgangspunkt für die weitere Diskussion sein soll. Es soll eine engere Zusammenarbeit zwischen Schulbuchverlegern, Autoren und Pädagogen sowie dem BMZ angestrebt werden. Es ist außerdem beabsichtigt, Anfang 1971 eine zusammenfassende Darstellung der Untersuchungsergebnisse in Taschenbuchform zu publizieren, um sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Da der Rückstand unseres Bildungswesens auf dem Gebiet des Unterrichts über die Dritte Welt schon seit langem offensichtlich war, hat das BMZ schon vor Abschluß der vorstehend genannten Analyse ein breitgefächertes Programm von praktischen Maßnahmen in die Wege geleitet: 1. Entwicklung curricularer Unterrichtsmodelle sowie darauf bezogener Unterrichtsmaterialien (z. B. Planspiel, Lehrgrafiken, audio-visuelle Hilfsmittel, Textbücher). 2. Gezielte Zusammenarbeit mit Multiplikatoren (Schulbuchautoren, Lehrern, Schulfunk- und Schulfernsehanstalten). Der Schwerpunkt des Unterrichtsprogramms zum Thema Dritte Welt liegt augenblicklich noch in den Oberklassen der Haupt- und Oberschulen. Diese Thematik stellt jedoch keine in sich geschlossene Unterrichtseinheit dar. Vielmehr sollte die gesamte Erziehung auf das Ziel gerichtet sein, weltoffene Staatsbürger heranzubilden, die die Probleme der Unterprivilegierung in den Entwicklungsländern erkennen und entsprechend zu handeln lernen. Deshalb muß bereits in den ersten Schuljahren in geeigneter Weise in die Probleme der Entwicklungsländer eingeführt werden. Das BMZ ist bereit, derartige Inititativen anzuregen und zu unterstützen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 2. Dezember 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Pohlmann (CDU/CSU) (Drucksache VI/ 1480 Frage A 25) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, als kurzfristige Maßnahme den Samstags- und Sonntagsarbeitslohn der betroffenen Personenkreise im Kellner- und Servierberuf als steuerfrei zu erklären? 4618 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 Die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit, den Samstags- und Sonntagsarbeitslohn des Gaststättenpersonals für steuerfrei zu erklären. Eine Steuerfreiheit könnte nur durch eine von diesem Hohen Haus zu beschließende Änderung des Einkommensteuergesetzes erreicht werden. Gegen eine solche Gesetzesänderung müßten aber erhebliche Bedenken erhoben werden. Es gibt keinen vertretbaren Grund, die Arbeitnehmer des Gaststättengewerbes steuerlich besser zu stellen, als Angehörige anderer Berufsgruppen, die ebenfalls regelmäßig an Wochenenden arbeiten müssen. Auch der Mangel an Arbeitskräften, unter dem im übrigen nicht nur das Gaststättengewerbe leidet, kann keinen Anlaß für eine gesetzliche Regelung bieten, die den Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung verletzen würde und damit verfassungsmäßig bedenklich wäre. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 30. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Picard (CDU/CSU) (Drucksache VI/ 1480 Fragen A 27 und 28) : Trifft es zu, daß nach den Dienstwohnungsvorschriften des Bundesministers der Finanzen vom 16. Februar 1970 das Entgelt für die Heizung und Warmwasserversorgung sich erheblich erhöht und in nicht seltenen Fällen mehr als verdoppelt hat, so daß unter Umständen sogar die festgesetzte Wohnungsvergütung noch nicht einmal diese Kosten abdeckt? Womit begründet die Bundesregierung diese außerordentlich starke Anhebung des Heizungsentgelts? Die Dienstwohnungsvorschriften des Bundesministers der Finanzen vom 16. Februar 1970 sehen vor, daß der Dienstwohnungsinhaber bei Anschluß seiner Wohnung an eine dienstliche Sammelheizung ein Heizungsentgelt zu entrichten hat. Die Berechnung des Entgeltes kann bei teuren Koksheizungen zu gewissen Härten führen. Der Bundesminister der Finanzen hat deshalb in diesen Tagen rückwirkend mit Beginn der Heizperiode 1970/71 eine Regelung zur Vermeidung solcher Härten getroffen. Das betreffende Rundschreiben wird den Bundesverwaltungen in wenigen Tagen zugehen. Die Härteregelung besteht darin, daß eine gewisse Obergrenze für ,die Heizkostenbelastung festgesetzt ist. Sie läßt sich rechtfertigen im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse, die bei den Dienstwohnungen mit Anschluß an dienstlichen Sammelheizungen vorliegen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 1. Dezember 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wuwer (SPD) (Drucksache VI/ 1480 Frage A 29) : Ist die Bundesregierung bereit, durch finanziellen Anreiz, evtl. durch Änderung der Besteuerung, auf den Bau lärmschwächerer Kraftfahrzeuge hinzuwirken? Die Bundesregierung wird bei den Vorbereitungsarbeiten zur Neugestaltung der Kraftfahrzeugbesteuerung bemüht sein, eine Besteuerungsform zu finden, mit der die Bestrebungen, die umweltstörenden Einflüsse des Kraftfahrzeugverkehrs und damit auch den Straßenlärm einzudämmen, unterstützt werden. Über die mögliche Ausgestaltung der künftigen Kraftfahrzeugbesteuerung kann jedoch zur Zeit noch nichts mitgeteilt werden, weil — wie die Bundesregierung schon mehrfach erklärt hat — den Vorschlägen der unabhängigen Steuerreformkommission nicht vorgegriffen werden soll. Wenn sich darüber hinaus Möglichkeiten zeigen, den Bau geräuscharmer Kraftfahrzeugmotoren zu fördern, wird die Bundesregierung selbstverständlich überprüfen, ob sich derartige Maßnahmen durchführen lassen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Bundesministers Leber vom 2. Dezember 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Werner (CDU/CSU) (Drucksache VI/1480 Frage A 95) : Hält die Bundesregierung es für richtig, daß Bewerber um einen Führerschein im Durchschnitt etwa 600 DM für Fahrschulkosten und -gebühren zur Erlangung einer Fahrerlaubnis ausgeben müssen? Kosten von DM 600,— für den Erwerb einer Fahrerlaubnis können je nach Lage des Einzelfalles gerechtfertigt sein. Sie hängen von der Begabung des Fahrschülers und seinem Alter und von den Anforderungen der Fahrerlaubnisprüfung ab. Die Fahrerlaubnisprüfung mußte im Jahre 1969 verschärft werden. Wegen der steigenden Unfallzahlen im Straßenverkehr ist es nicht möglich, sie zu mildern. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Leber vom 2. Dezember 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Kempfler (CDU/CSU) (Drucksache VI/1480 Frage A 96) : Hält die Bundesregierung ihre Zusicherung aufrecht, daß die durch die Vorbereitung der Olympischen Spiele erforderlichen Aufwendungen für die Straßen in Bayern dem Land Bayern zusätzlich zur Verfügung gestellt werden? Die Zusicherung des Bundes aus dem Jahre 1968, den Mehrbedarf für die Maßnahmen an Bundesfernstraßen aus Anlaß der Olympischen Sommerspiele 1972 im Vorfeld von München in Höhe von rd. 150 Millionen DM zusätzlich bereitzustellen, ist durch die bisherigen Sonderzuweisungen in Höhe Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 4619 von 145 Millionen DM bis auf einen geringen Restbetrag erfüllt worden. Inzwischen haben sich die Gesamtkosten erheblich erhöht. Auch in den nächsten beiden Haushaltsjahren wird sich der Bund bemühen, einen Teil der Kostenerhöhungen durch zusätzliche Mittelzuweisungen abzudecken, soweit es die Haushaltssituation zuläßt. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Bundesministers Leber vom 2. Dezember 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Rasner (CDU/CSU) (Drucksache VI/1480 Fragen A 97 und 98) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß der dänische Zoll westlich von Padborg ein 4 bis 5 ha großes Grundstück gekauft hat, auf dem ein gemeinsames dänisch-deutsches Zollbehandlungsgebiet für den dänisch-deutschen Verkehr (Lastkraftwagen und Eisenbahn) entstehen soll, und daß ferner in Padborg mit dem Bau einer Klein-Container-Verkehrsanlage (5-Fuß-Container für Teilpartien) zu rechnen ist, und sieht die Bundesregierung in diesen Maßnahmen nicht schon faktisch eine dänische Vorentscheidung in der Standortfrage eines künftigen deutschdänischen Gemeinschaftsbahnhofes? Hat die Bundesregierung inzwischen ihrerseits vorbereitende Maßnahmen getroffen, um die Chancen des Standortes Flensburg-Weiche für einen deutsch-dänischen Gemeinschaftsbahnhof zu wahren, und führt sie über dieses Thema Verhandlungen mit dem Königreich Dänemark? Der Bundesregierung ist bekannt, daß die dänische Zollverwaltung auf dänischem Hoheitsgebiet westlich von Padborg ein etwa 4 bis 5 ha großes Grundstück erworben hat, auf dem eine Umschlaganlage für Lkw-Sammelladungsgut und -Stückgut errichtet wird. Gleichzeitig werden gemeinsame Einrichtungen für die deutsche und die dänische Zollabfertigung geschaffen, die ebenfalls lediglich für den Straßenverkehr vorgesehen sind. Es finden darüber zur Zeit Verhandlungen zwischen der deutschen und der dänischen Zollverwaltung statt. Die dort geplanten Zollabfertigungsanlagen sollen die bisherigen Anlagen an den Straßengrenzübergangen bei Kupfermühle, Harrislee und (sonst notwendig) Ellung ersetzen. Die neue Anlage erhält einen Autobahnanschluß, dagegen keinen Gleisanschluß. Die Bundesregierung sieht daher in diesen Maßnahmen keine Vorentscheidung in der Standortfrage eines künftigen deutsch-dänischen Gemeinschaftsbahnhofs. Über den Bau einer KleinContainer-Verkehrsanlage in diesem Zusammenhang ist der Bundesregierung nichts bekannt. Sie wird dieser Frage nachgehen. Zur Einrichtung eines deutsch-dänischen Gemeinschaftsbahnhofs am deutsch-dänischen Eisenbahngrenzübergang Flensburg/Padborg hatte die Bundesregierung bereits auf eine entsprechende Anfrage von Ihnen, Kollege Rasner, in der Fragestunde am 22. bis 24. April 1970 dahin Stellung genommen, daß z. Z. keine Verhandlungen zwischen den zuständigen Ministern beider Länder und den beiden Eisenbahnverwaltungen darüber stattfinden und daß daran vorerst auch nicht gedacht ist. In gleichem Sinne hatte sich der Vorstand der Deutschen Bundesbahn unter dem 15. Juni und 5. August d. J. in entsprechendem Schreiben an Sie geäußert. Seitdem hat sich in der Sachlage nichts geändert.
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    Rede von Georg Leber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor Ihnen liegen vier verkehrspolitisch bedeutsame Drucksachen: der in der Regierungserklärung angekündigte Verkehrsbericht für das Jahr 1970, der Gesetzentwurf über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985, die Novelle zum Eisenbahnkreuzungsgesetz und der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs. Ich werde meine Ausführungen auf alle vier Vorlagen erstrecken.
    Der Verkehrsbericht 1970, den ich 'dem Hohen Hause heute vorzulegen die Ehre habe, versucht eine Antwort auf drei Fragen zu geben: Wo stehen wir im Verkehr am Anfang der 70er Jahre? Welches werden aus der Sicht der Bundesregierung die Hauptprobleme des Verkehrs in den kommenden Jahren sein? Welche Möglichkeiten zeichnen sich zu ihrer Lösung ab?
    Vor fast genau drei Jahren, am 8. November 1967, wurde das Verkehrspolitische Programm für die Jahre 1968 bis 1972 beschlossen. Eine spätere Würdigung dieses Kapitels wird vielleicht einmal unter der Überschrift stehen können: „Leere Waggons, leere Kassen und viel Mutlosigkeit".
    Das Verkehrspolitische Programm befindet sich nunmehr in seiner zweiten Halbzeit. Wir können mit Befriedigung feststellen, daß der Weg, den wir damals, 1967, begonnen haben, erfolgreich war.
    Unsere Eisenbahn hat keine leeren Waggons mehr; ihr fehlen Waggons, so stark hat ihr Verkehr zugenommen. Ihre Einnahmen sind erheblich gestiegen, und sie hat ein neues Selbstbewußtsein gewonnen. Sie arbeitet rationeller, sie ist moderner geworden, sie hat ihre Organisation konzentriert. Sie ist in den Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern eingetreten. Sie hat in den Bereichen, in denen es sinnvoll erschien, z. B. im kombinierten Verkehr und im Kleingutverkehr, auch die Kooperation mit anderen Verkehrszweigen gesucht und sie gemeinsam mit ihnen verwirklicht.
    Im Straßengüterverkehr wurde die Kapazitätsregelung flexibler gestaltet, die Verkehrsbedienung
    4532 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970
    Bundesminister Leber
    in der Fläche erleichtert und das Tarifbildungsverfahren im Nahverkehr neu geregelt.
    Die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen dem Straßengüterverkehr und der Bundesbahn haben sich in erfreulichem Maße entwickelt und verstärkt.
    In der Binnenschiffahrt sind durch die getroffenen Maßnahmen die Märkte bereits jetzt fühlbar stabilisiert und damit gleichzeitig auch bessere Voraussetzungen für eine Modernisierung der Binnenschiffsflotte geschaffen worden. Die Schifferbetriebsverbände wurden durch die Möglichkeit zur Akquisition in den Stand gesetzt, sich als selbständige Anbieter auf den Markt zu begeben. Binnenschifffahrt und verladende Wirtschaft haben wiederholt ihre Befriedigung über die getroffenen Maßnahmen zum Ausdruck gebracht.
    Die deutsche Handelsflotte wurde modernisiert.
    Einige sehr gravierende Wettbewerbsnachteile im Hinterlandverkehr der deutschen Seehäfen gegenüber dem Hinterlandverkehr der Seehäfen in unseren westlichen Nachbarländern konnten beseitigt werden.
    Die Deutsche Lufthansa hat ihr Streckennetz um wirtschaftlich sehr bedeutsame Fluglinien erweitern können. Wichtige Infrastrukturmaßnahmen für den Luftverkehr wurden mit wesentlicher finanzieller Unterstützung des Bundes vorangetrieben oder fertiggestellt. Die Flugsicherungsdienste wurden in personeller und technischer Hinsicht verbessert.
    Das Investitionsprogramm zur Förderung des kombinierten Verkehrs und des Gleisanschlußverkehrs hat bereits einen beachtlichen Beitrag zur Straßenentlastung geleistet.
    Im Straßenbau wird von 1967 bis 1970 ein Programm mit einem Finanzvolumen von rund 18 Milliarden DM durchgeführt, ein Bauaufwand, der etwa dem der vorangegangenen 8 Jahre entspricht.
    Mit dem Mehraufkommen aus der Mineralölsteuererhöhung vom 1. Januar 1967 wurden zahlreiche Vorhaben im kommunalen Straßenbau und im öffentlichen Personennahverkehr gefördert. Zahlreiche Einzelmaßnahmen zielten darauf ab, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, den Verkehr flüssiger ablaufen zu lassen und die vom Kraftfahrzeug ausgehenden Umweltbelästigungen zu beschränken.
    Von vielen Seiten ist damals die Ansicht geäußert worden, das Verkehrspolitische Programm der Bundesregierung werde die gemeinsame Verkehrspolitik der Europäischen Gemeinschaften bremsen. Dies ist nicht der Fall gewesen. Wir haben nicht gebremst, sondern wir haben angeregt und in Bewegung gebracht, und wir haben die Weiche in eine Richtung stellen helfen, die unseren Vorstellungen entspricht. Das hat seinen Eindruck im Ausland nicht verfehlt.
    Einige gesonderte Worte möchte ich in diesem Zusammenhang zur Straßengüterverkehrsteuer sagen. Die Frage, ob sie am Jahresende auslaufen oder verlängert werden sollte, hat in jüngster Zeit zu Diskussionen geführt. Ich möchte hier feststellen:
    Diese Steuer hatte insgesamt den gewünschten Erfolg, den wir mit ihr erreichen wollten. Der Werkfernverkehr hat sich im ganzen nicht wesentlich ausgeweitet, in einigen Bereichen ist er sogar leicht zurückgegangen. Ich räume hier gern ein, daß wir alle die Absicht hatten, die Steuer zum 1. Januar 1971 durch eine wegekostenorientierte Straßenbenutzungsabgabe abzulösen. Diese Abgabe soll sich in ein Konzept der Europäischen Gemeinschaften über eine harmonisierte Lkw-Besteuerung einfügen.
    Die Europäischen Gemeinschaften müssen erst über diese Hürde kommen; sie sind noch nicht soweit. Entgegen unseren Erwartungen konnte die europäische Verkehrspolitik diese Schritte bisher nicht tun. Die erforderlichen Vorarbeiten sind ohne Verschulden der Bundesregierung nicht in dem notwendigen Maße vorangekommen. Solange noch die Chance zu einer gemeinschaftlichen Lösung besteht, kann ich in dieser Frage nicht zu einem verkehrspolitischen Alleingang raten. Dies würde die Verhandlungsposition der Bundesregierung in Brüssel beeinträchtigen.
    Es gibt kein Gebiet der Verkehrspolitik, das so umstritten und so sehr dem Versuch der Quadratur des Kreises ähnlich ist, auf das so viel Tinte und Papier verwandt wurde und in dem so viele kritische Fragen an die Verkehrsminister in allen Ländern gestellt werden, wie gerade die Wegekostenfrage. Ich kenne in der ganzen Welt keine Lösung, weder hier noch irgendwo in einem ánderen Land, die man ohne ernsthafte Einwände mit dem Stempel „genügend geeignet" auszeichnen könnte. Das zuzugeben, ist auch in der Bundesrepublik Deutschland keine Schande. Andererseits kann ein ersatzloses Fortfallen der eingeführten Straßengüterverkehrsteuern verkehrspolitisch nicht hingenommen werden.
    In Abwägung dieser Gründe hat die Bundesregierung beschlossen, dem Hohen Hause einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Geltungsdauer der Straßengüterverkehrsteuer um ein Jahr verlängert. Dies war auch möglich, weil sich der Spielraum, der von den Europäischen Gemeinschaften her gegeben war, über die Erwartungen, die wir 1968 haben konnten, um ein Jahr vergrößert hat.
    Meine Damen und Herren, der Verkehrsbericht 1970 soll kein zweites Verkehrspolitisches Programm sein. Das Verkehrspolitische Programm läuft bis 1972. Der Verkehrsbericht 1970 hat eine andere Funktion. Die Bundesregierung hat versucht, in ihm eine Art Gewinn- und Verlustrechnung des Verkehrswesens aufzustellen und darzulegen, wo und mit welchen Mitteln der „Gewinn" vergrößert und der „Verlust" gemindert werden kann. Wir haben uns darauf konzentriert, zu zeigen, was ist und was in der Zukunft werden sollte. Schwerpunktmäßig wurde dargestellt, welche zusätzlichen und über das verkehrspolitische Sofortprogramm hinausgehenden Probleme auf uns zukommen und welche Aufgaben uns diese Probleme stellen.
    Eine vergleichende Darstellung des Verkehrs im geteilten Deutschland bleibt einem Bericht zur Lage der Nation vorbehalten, in dem auch die Verkehrsverhältnisse angesprochen werden sollen. In ihm
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 4533
    Bundesminister Leber
    wird auch die besondere Aufgabe, die uns das Zonenrandgebiet stellt, im besonderen zu behandeln sein.
    Ich komme nun zu den besonderen Aufgaben, die ich auch weiterhin im Gesamtrahmen der Aufgaben als Schwerpunkt der Verkehrspolitik der Bundesregierung ansehe. Ich möchte sie noch einmal nennen: der Straßenbau, die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Verdichtungsräumen, die Eisenbahnen und die Verkehrssicherheit.
    Die Bundesregierung hat in ihrem verkehrspolitischen Programm einen Ausbauplan für die Bundesfernstraßen angekündigt. Er liegt dem Hohen Hause als Bedarfsplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 vor. Wir haben uns erlaubt, den Damen und Herren des Hohen Hauses eine mit reichlichem Kartenmaterial versehene Broschüre zu übersenden, in der der Gang der Untersuchungen, die wir angestellt haben, im einzelnen dargestellt ist. Sie erkennen aus diesen Unterlagen, wie sich die Planung aus Strukturdaten Schritt für Schritt entwickelt hat. Mit dieser Art des Vorgehens ist der Übergang von der pragmatischen zur systematischen Planung vollzogen. Wir haben es aufgegeben, bei der Straßenbauplanung so zu verfahren, wie früher — auch noch zu meiner Zeit — verfahren wurde, daß man nämlich ein politisches Tauziehen um die Frage veranstaltete: Wo soll man Straßenzüge bauen oder nicht? Wo genießen sie Prioritäten oder nicht? Wir peilen nicht nach altgewohnter Methode über den Daumen: „Hier wäre eigentlich eine Straße nötig", sondern wir sind zu einer systematischen Planung gekommen. Wir haben in diesem Bedarfsplan darzustellen versucht, wie das Netz der Bundesfernstraßen aussehen muß, wenn es den in 15 oder 20 Jahren zu erwartenden Verkehrsverhältnissen in unserem Lande genügen soll. Wir haben dabei möglichst alle Gesichtspunkte, die auf den Verkehr Einfluß haben, berücksichtigt. Einwohner- und Beschäftigtenzahlen, Wirtschaftstätigkeit, Bruttoinlandsprodukt, Kraftfahrzeugbestand und Kraftfahrzeugdichte, um nur einige der wichtigsten Grunddaten zu nennen, wurden in ihrer regional unterschiedlichen Entwicklung vorausgeschätzt oder ermittelt. Aus diesen Daten haben wir mit Hilfe mathematischer Modelle das künftige Verkehrsaufkommen und die Straßenbelastung errechnet. Dabei wurde neben dem Werktagsverkehr auch der Wochenendverkehr in die Betrachtung einbezogen. Besonders dem wachsenden Freizeitverkehr muß man für die Zukunft einen höheren, einen ihm angemessen hohen Stellenwert beimessen.
    In einem weiteren Schritt wurde dann für alle Strecken des Bundesfernstraßennetzes die künftig benötigte Zahl der Fahrspuren festgelegt. Die Festlegung der Reihenfolge, in der der Bedarf befriedigt werden soll, orientiert sich an der verkehrlichen Auslastung der Straßen, an dem Erschließungs- und Verbindungseffekt, den die Straße für eine Region hat, an ihrem Ausbauzustand und an der KostenNutzen-Vergleichsrechnung. Auf diese Weise wurde ermittelt, wo, wie und in welcher Reihenfolge das Bundesfernstraßennetz ausgebaut werden muß.
    Nach der Verwirklichung des Bedarfsplans werden 85 % der Bevölkerung unseres Landes dort, wo sie dann wohnen werden, maximal 10 km bis zur nächsten Autobahn zurückzulegen haben.
    Der Bedarfsplan selber trifft keine Aussagen über die Finanzierung. Wie er verwirklicht werden müßte, ergibt sich aus vielen feststehenden Sachverhalten, die er enthält. Wie schnell er tatsächlich verwirklicht wird, hängt von den Entscheidungen der dazu berufenen Organe ab. Wie die Finanzierung des Bedarfsplans sichergestellt wird, hängt vor allen Dingen von den Entscheidungen des Deutschen Bundestages ab. Der Bedarfsplan stellt die Grundlage für diese Entscheidungen dar. Insofern ist er ein Anhaltspunkt dafür, wie hoch die finanziellen Mittel bemessen sein müssen, um ihn zu verwirklichen.
    Der gesamte Finanzbedarf für den Ausbau der Bundesfernstraßen beträgt auf der Grundlage des Baupreisstandes von 1968/69 rund 125 Milliarden DM. Für den gleichen Zeitraum erwarten wir aus der 50%igen Zweckbindung der Mineralölsteuer nach vorsichtiger Schätzung ein Aufkommen von mindestens 93 Milliarden DM. Hiervon stehen rund 72 Milliarden DM für Investitionen in neue Straßen zur Verfügung.
    Stellt man im Ablauf der Jahre die genannten, auf das Jahr 1985 bezogenen Zahlen einander gegenüber, dann ergibt sich das Bild einer Schere, die sich in den nächsten 10 Jahren gewaltig weiter öffnen wird. Der Verkehr wächst bis zum Jahre 1980 mit großer Sicherheit auf einen Sättigungsgrad zu: Das sind 20 Millionen Personenkraftwagen. Die Bedrängnis auf unseren Straßen wird sich bei dieser Ausgangslage trotz Straßenbaues also noch erheblich verschärfen. Konkret gesprochen: Erst nach diesem Zeitraum, also ab 1995, wird sich diese Schere allmählich wieder schließen. Noch konkreter gesprochen: Erst auf das Jahr 1995 berechnet kann, wenn man von den jetzigen finanziellen Ansätzen ausgeht, der wachsende Straßenbedarf mit den derzeitig gesicherten Finanzmitteln als befriedigt angesehen werden.
    Der schneller als der Straßenraum wachsende Verkehr läßt der jetzt lebenden und der nach uns kommenden Generation keine Hoffnung auf Besserung; denn vor uns liegen keine „sieben fetten Jahre". Vor uns liegen, wenn sich nichts ändert, mehr als 17, vielleicht 27 magere Jahre. Es gibt auch nirgendwo Kornkammern, die der Finanzminister im Verborgenen gefüllt hätte und aus denen wir für den Straßenbau zusätzliche Mittel nehmen könnten.
    Ich weiß, meine Damen und Herren, wie schwierig dieses Thema ist. Ich will hier ohne jeden Anflug von Rhetorik und in aller Nüchternheit auf diese Zusammenhänge hinweisen, weil ich weiß, wie bedeutsam sie für unser Land und für unsere Zukunft sind. Ich weiß also, wie schwierig das Thema ist, aber ich halte es für falsch, vor den Schwierigkeiten zu kapitulieren. Jeder Versuch einer Lösung setzt voraus, daß zuerst die ins Wanken geratene Stabilität wiedergewonnen wird.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    4534 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970
    Bundesminister Leber
    Das erste, was wir versuchen müssen, ist, einen Weg zu finden, die aus allen Fugen geratenen Baupreise wieder zu beruhigen und sie nach Möglichkeit zurückzuentwickeln.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr wahr! — Stabilitätspolitik!)

    Dazu gehören ausreichender Wettbewerb, Rationalisierung und das Sichhinwenden zu neuen Fertigungsmethoden auch im Verkehrsbau. Sie müssen uns davor bewahren, daß die vorhandenen öffentlichen Mittel von Preissteigerungen verzehrt werden oder daß zusätzliche Mittel nicht zur Finanzierung zusätzlicher Aufgaben, sondern nur zur Finanzierung gestiegener Preise bei einem geringeren Maß von Aufgaben verwendet werden müssen. Nur von einer solchen Basis der Stabilität aus lassen sich die weiteren Fragen klären.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Sehr gut!)

    Das, was dann zu beantworten ist, sind entscheidende Fragen, vor denen unser Volk steht. Unser Volk muß sich in aller Offenheit über den Weg klarwerden, den es in dieser Sache gehen will.

    (Abg. Lemmrich: Aber zuerst einmal muß das die Regierung! — Abg. Dr. Apel: Ja, es ist ja gut!)

    Ich sehe drei Möglichkeiten, für die man sich entscheiden kann.
    Erstens. Wir können so weiterbauen wie bisher. Wenn wir das tun, müssen wie der Tatsache ins Auge sehen, daß wir die im Bedarfsplan ausgewiesenen Bauziele bis 1985 nur zum Teil erreichen. Der Verkehr wächst schneller, als wir bauen, und wir fahren uns auf unseren Fernstraßen dann genauso fest, wie wir heute in unseren Städten schon festgefahren sind. Ich kann hier nur ohne jede Übertreibung sagen: Wehe der Regierung, die dann regiert, wenn ein vollmotorisiertes Volk auf seinen Fernstraßen so festgefahren ist, wie wir heute in unseren Großstädten schon festgefahren sind!
    Zweitens. Wir können versuchen, den Status quo zwischen Verkehr und Straßenraum, den wir heute haben, zu erhalten und schneller zu bauen als bisher, so schnell zu bauen, wie der Verkehr wächst. Wenn das geschieht, würde der Verkehr zwar nicht flüssiger, als er gegenwärtig ist, aber er würde auch nicht schlechter, als er gegenwärtig ist, und wir würden vor der Gefahr bewahrt, daß wir uns auf unseren Fernstraßen festfahren. Damit wäre viel gewonnen.
    Um das zu erreichen, müßten mehr Mittel als bisher für den Straßenbau zur Verfügung gestellt werden. Das könnte dadurch erreicht werden, daß die 50%ige Zweckbindung der Mineralölsteuer für den Fernstraßenbau erhöht würde.

    (Abg. Lemmrich: Das hat der Herr Bundeskanzler schon 1961 verlangt!)

    — Aber nicht getan!

    (Abg. Lemmrich: Das ist eben der Unterschied zwischen Reden und Taten! — Abg. Dr. Apel: Nur nicht die Nerven verlieren, Herr Lemmrich! — Abg. Lemmrich: Unsere Nerven sind besser als die Ihren, Herr Dr. Apel! Seien Sie ohne Sorge!)

    — Sie haben „1961" gesagt! — Das würde bedeuten, daß auf anderen Gebieten Abstriche gemacht und daß neue Prioritäten im Bundeshaushalt gesetzt werden müßten. Ich will Ihnen offen sagen, daß ich einen solchen Weg unter den überschaubaren Bedingungen nicht für gangbar halte. Hier geht es um sogenannte Prioritäten. Würde ich eine solche Priorität für den Straßenbau aus dem Bundeshaushalt heraus erwarten, käme ich mir vor wie der bekannte Joseph aus dem Alten Testament, den sein Vater besonders liebte, weshalb ihm dieser Vater ein besonders buntes Gewand kaufte. Seine Brüder haben ihn aber, weil sie vernachlässigt wurden, in eine Zisterne geworfen und später nach Ägypten verkauft. Den Weg möchte ich nicht antreten.

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien und Lachen bei der CDU/CSU.)

    — Sie sind doch bibelkundig genug und wissen, wie das war!
    Es gibt einen dritten Weg, meine Damen und Herren. Er besteht darin, daß wir den Mut aufbringen, offen miteinander zu reden, daß wir vor unser Volk treten, ihm die Lage und die Entwicklung darstellen und die Kraftfahrer fragen, ob sie bereit sind, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, wenn sie genügend Straßen und Autobahnen wollen. Ich habe hier heute keine Vorlage, die in eine solche Richtung zielt, einzubringen. Ich habe weder den Auftrag noch die Vollmacht, einen Vorschlag zu machen. Ich habe nur eine von drei möglichen Perspektiven aufzuzeigen. Ich habe aber das Recht — und davon mache ich als Mitglied dieses Hohen Hauses Gebrauch —, meine persönliche Meinung zu diesem Thema zu sagen.

    (Abg. Lemmrich: Aber als Bundesminister reicht das nicht ganz!)

    — Ich sage es auch als Bundesminister, als Person, ohne Auftrag.
    Wir brauchen Klarheit, und ich möchte die Diskussion über dieses Thema auslösen, damit wir Klarheit gewinnen. Deshalb sage ich, ich würde mich persönlich für den dritten Weg entscheiden, weil ich ihn für den solidesten und für den besten halte. Wir müssen alle miteinander darüber nachdenken, ob wir nicht ein wenig umdenken müssen.
    Wir stehen in unserem Lande vor großen Entscheidungen, die für unsere Zukunft, für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und für den Lebensstandard der kommenden Generationen von hohem und höchstem Rang sind. Dazu zählt ganz bestimmt der Ausbau unserer Verkehrswege in einer in spätestens zehn Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit vollmotorisierten Gesellschaft in diesem Lande. Weil wir diese Entwicklung zuverlässig voraussehen können, müssen wir alle miteinander nachdenken, ob wir nicht umdenken müssen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Denkpause einlegen!)

    Wir müssen darüber nachdenken, ob wir unsere Ideale und unser Heil weiter in so hohem Maße im optimalen Konsum und im optimalen Wachstum des Verbrauchs von Konsumgegenständen sehen wol-
    Deutscher Bundestag - 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 4535
    Bundesminister Leber
    len. Wir sind dabei, das Mehrkonsumieren als unser höchstes gesellschaftliches Seelenheil zu betrachten. Wir haben gar nicht gemerkt, daß wir in vielen Bereichen unter dem Einfluß von Milliarden, die jährlich für Werbung ausgegeben werden, längst die Bedarfsdeckungswirtschaft hinter uns gelassen haben und zur Bedarfsweckungswirtschaft übergegangen sind. Wir müssen darüber nachdenken, und zwar mit vollem Ernst, ob es nicht nötig und besser und richtiger wäre, vom jährlich wachsenden Sozialprodukt etwas mehr für öffentliche Investitionen, z. B. für ausreichende und gute Straßen, freizumachen, so viel frei zu machen, wie nötig ist, um einen freien, flüssigen und sicheren Verkehr zu erhalten.
    Ich will es auf eine einfache Formel bringen, die vereinfacht und darum vielleicht nicht ganz so präzise ist, wie es wissenschaftlicher Gründlichkeit entsprechen würde. Nehmen wir an, die Entwicklung ginge so weiter und unser Sozialprodukt würde sich in jedem Jahr um 5 bis 6 % vermehren. Wenn das so wäre, könnten wir jedes Jahr um 5 bis 6 % mehr konsumieren, vom Nagellack an den Fingern der Damen im Lande über Fernsehapparate bis zu Ferienreisen. Wenn wir das wollen und wenn wir uns so verhalten, bleiben die großen Aufgaben ungelöst. Wir werden eines Tages der Reden über Reformen, die nicht erfolgen, alle miteinander überdrüssig werden. Wir müssen als Volk offen miteinander reden und uns fragen und fragen lassen, ob es nicht besser ist, jedes Jahr nur 3 bis 4 % für mehr Konsum — für mehr Nagellack und all die tausend Konsumgegenstände, die das Leben angenehmer machen — auszugeben und die 2 % des Sozialprodukts, die dann frei werden, dazu zu verwenden, die großen Aufgaben in Angriff zu nehmen und zu lösen, die uns den Weg in eine gute und gesicherte Zukunft frei machen.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Sagen Sie das auch für die Bundesregierung?)

    Das wären beim gegenwärtigen Stand des Sozialprodukts etwa 13 Milliarden DM jährlich. Damit könnte man unser Land im Innern von der Bildung bis zum Verkehrsnetz zu einem der modernsten und der wettbewerbsfähigsten in der Welt machen.
    Ich werfe diese Frage hier für den Teil der Aufgaben, die den Verkehr und seine Entwicklung angehen, auf. Ich habe das Vertrauen, daß die Mehrheit unserer Autofahrer sich so wie eine solide Familie verhalten wird, wenn wir sie fragen, ob sie bereit sind, darüber nachzudenken, ob es nicht nötig ist, daß wir miteinander für den Ausbau des Verkehrsnetzes das aufbringen, was notwendig ist, damit sie möglichst bald sicher und flüssig fahren können.
    Ich werde in dieser Ansicht durch eine kürzlich in der Presse erwähnte Meinungsumfrage über die Bereitschaft der Autofahrer, mehr für den Treibstoff zu zahlen, bestärkt. Ich beziehe mich hier nur auf die Umfrage, die angestellt worden ist, und zitiere: Voraussetzung ist, daß das Mehraufkommen ausschließlich bis zur letzten Mark zur Verbesserung der Straßen- und Verkehrsverhältnisse verwendet
    wird, daß es nicht zur Auffüllung der allgemeinen Finanzmasse gebraucht oder mißbraucht wird. Wie die Presse berichtet, ist das Ergebnis überraschend gewesen. 80 % eines repräsentativen Querschnitts der Autofahrer haben zu einem solchen Weg ja gesagt.

    (Abg. Mursch [Soltau-Harburg] : Das war noch vor der Haftpflichterhöhung!)

    Ich weiß, daß es da eine Lesart gibt, die mit diesem Thema zusammenhängt, mit der ich mich auseinandersetzen muß, weil sie falsch ist. Es gibt Leute, die dem Kraftfahrer einreden, solange er über die Mineralölsteuer den allgemeinen Haushalt finanziere und seine Steuern zweckentfremdet verwandt würden, dürfe er sich nicht bitten lassen, mehr zu zahlen. Wer so argumentiert, kennt die Zahlen nicht oder verdreht die Tatsachen.
    Richtig ist folgendes: Bund und Länder nahmen 1969 aus der Kraftfahrzeug- und der Mineralölsteuer, soweit sie vom Kraftverkehr getragen werden, 12,398 Milliarden DM ein. Die Gesamtausgaben für den Straßenbau, die Straßenunterhaltung und die Regelung des Verkehrs betrugen 1969 13,867 Milliarden DM. Die Ausgaben für den Fahrweg des Kraftfahrers lagen also 1969 um 1,5 Milliarden DM höher, als die Einnahmen bei allen öffentlichen Händen betrugen.
    Es kommt ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Wer mit dem Auto nach Italien fährt, wird spätestens am Brenner beim Einkauf von Benzingutscheinen spüren, daß trotz Touristenermäßigung der Liter Benzin mit 66,9 Pf Mineralölsteuern belastet ist gegenüber 35 Pf bei uns. In Belgien ist die Belastung des Benzins 10 %, in Frankreich rund 20 % höher als bei uns. Luxemburg liegt leicht über, die Niederlande liegen leicht unter unserem Satz. Die niederländische Regierung hat allerdings zum 1. Januar 1971 eine Anhebung vorgeschlagen. Dies ist die Situation bei unseren Partnern in den Europäischen Gemeinschaften.
    Auch dies rechtfertigt in meinen Augen die Frage an unser Volk und an unsere Autofahrer, ob es, wenn wir mehr Straßen brauchen und sie auf anderem Weg nicht gebaut bekommen, nicht richtig und besser ist, etwas mehr für die Straßeninfrastruktur und den Bau genügend guter Straßen zu zahlen.
    Hinzu kommt etwas Weiteres: die Produktivität besserer Straßen. Wenn nicht genügend Straßen vorhanden sind — und es werden immer weniger vorhanden sein, wenn nichts geschieht —, wird viel Kraftstoff im Stehen oder im Schleichen in die Luft geblasen. Nicht fließend fahren können ist die teuerste Art zu fahren. Am fließenden Verkehr teilzunehmen ist die billigste Art zu fahren. Also ist der Aufwand für genügend Straßen mit fließendem Verkehr auch die Voraussetzung für die höchste Produktivität des Verkehrs.
    Ich habe, meine Damen und Herren, hier die_ drei Möglichkeiten, die wir nutzen können, hypothetisch aufgezeigt, drei Wege, die wir für die künftige Lösung der Aufgaben zum Ausbau des Straßennetzes gehen können. Ich habe hinzugefügt: Ich bin für die Lösung Nr. 3.
    4536 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970
    Bundesminister Leber
    Damit keine Unklarheit entsteht: Ich halte es weder für richtig noch für möglich, eine solche Vermehrung der Mittel schon im Jahre 1971 vorzunehmen. Da wir in einem Trend von 15 Jahren denken, reicht auch ein etwas späterer Zeitpunkt noch aus.
    Ich wäre dankbar, die Ansicht des Hohen Hauses zum Grundsatz erfahren zu können, d. h. zu diesen drei Wegen, die denkbar sind. Ich werde hier im Hause interessiert zuhören und auch interessiert beobachten, wie sich die deutsche öffentliche Meinung dazu verhält. Weil mich diese Aussprache über den Grundsatz interessiert, habe ich heute hier weder Größenordnungen noch Zahlen genannt. Je nachdem, wie das Ergebnis dieser Diskussion aussieht, werde ich der Bundesregierung meine Vorschläge für eine Vorlage an den Deutschen Bundestag unterbreiten. Ich weiß, meine Damen und Herren, dies ist eine ungewöhnliche, vielleicht auch eine unbequeme Art, zu prozedieren. Ich halte sie aber nicht für schlecht.

    (Abg. Lemmrich: Für Sie sehr bequem, Herr Minister, weil sie Sie der Entscheidung enthebt!)

    — Das enthebt mich keiner Entscheidung. Wenn Sie an der demokratischen Meinungsbildung beteiligt sein wollen — und das nehme ich doch an —, dann müssen Sie doch eigentlich dankbar sein, daß die Bundesregierung dieses Thema zur Debatte stellt und den Bundestag nicht mit einer Gesetzesvorlage, die in der Koalition abgestimmt ist, vor vollendete Tatsachen stellt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich beziehe ja die Opposition in die Debatte ein. Jetzt können Sie Ihre Meinung sagen und kriegen Angst davor.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Lemmrich: Das haben Sie sonst nie getan!)

    — Jetzt tue ich es aber, und jetzt kriegen Sie Angst vor Ihren eigenen Möglichkeiten.

    (Abg. Lemmrich: Wenn es unpopulär wird, dann denken Sie an uns! Wenn es populär ist, machen Sie es allein!)



Rede von Kai-Uwe von Hassel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat allein der Herr Bundesminister zu seiner Einbringungsrede. Sie können sich nachher äußern. Der Bundesminister hat allein das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Georg Leber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das denke ich auch. Ich werde ja zuhören. Das habe ich ausdrücklich gesagt. Aber es scheint nicht bequem zu sein, dem zuzuhören, was ich hier sage.
    Meine Damen und Herren, ich wiederhole: ich halte das für eine ungewöhnliche und auch für eine unbequeme Art, zu prozedieren. Aber hier muß die Gelegenheit geschaffen werden, daß man sich über dieses Thema ausspricht. Diese Gelegenheit will ich herbeiführen. Ich halte das auch nicht für einen schlechten demokratischen Stil. Ich habe dargestellt, wie die Entwicklung verlaufen wird, wenn wir uns
    so, so oder so entscheiden. Wer sich für die Lösung 1 entscheidet — und ich bitte darum, daß der Deutsche Bundestag und der einzelne Abgeordnete jetzt nach meiner Rede in der Debatte sagt, ob er für die Lösung 1, 2 oder 3 ist; das möchte ich gerne hören —,

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Vielleicht gibt es auch noch die Lösung 4!)

    wer sich für die Lösung 1 entscheidet, darf sich nicht beklagen, wenn wir in wenigen Jahren im Chaos eines wachsenden Verkehrs zu erstarren beginnen. Bei der Entscheidung für die Lösung 2 brauchen wir mehr Mittel und erreichen trotzdem für diese Generation keine Ordnung, die befriedigend ist. Wer sich für die Lösung 2 entscheidet, muß aber auch sagen, was er im Rahmen des Bundeshaushalts vernachlässigen und zurückgestellt haben will.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen das sagen!)

    Die Entscheidung für die Lösung 3 führt meiner Auffassung nach zu einer befriedigenden Lösung, auch wenn sie unbequem ist. Davon, wie wir uns miteinander entscheiden werden, hängen das Gesicht unseres Landes, die Gestalt und die Kraft unseres Landes für das Ende dieses Jahrhunderts in einem sehr hohen Maße ab.
    In einem römischen Edikt aus dem Jahre 395 nach Christus heißt es über die Instandsetzung von Landstraßen und Brücken:
    Deshalb muß jeder ordentliche Bürger Straßen und Brücken bauen und sie unterhalten.
    Der römische Straßenbau, dessen großartige Leistungen wir noch heute bewundern, kann uns auch heute noch Vorbild sein.
    Meine Damen und Herren, ich habe bisher nur vom reinen Straßenbau gesprochen. Wie das Salz zur Suppe so gehört zum Straßenbau eine Vielzahl von Einrichtungen, die mit dem Straßenbau zusammengenommen erst den Wert unserer Straßeninfrastruktur ausmachen. Die Skala dieser Maßnahmen reicht von einer Ausrüstung der Straße mit Leit- und Schutzeinrichtungen über die Beleuchtung einzelner Straßenabschnitte und besonders gefährlicher Knotenpunkte bis hin zu den Möglichkeiten einer zentralen Steuerung des Verkehrsablaufs und zu Forschungsarbeiten im Zusammenhang mit der starken Straßenabnutzung durch Spikes-Reifen. Sie werden diese Fragen ausführlich im Verkehrsbericht behandelt finden.
    Ich möchte hier lediglich noch auf einen Punkt näher eingehen, der mir wegen seiner Bedeutung für den Verkehrsnutzer besonders am Herzen liegt. Es ist die Verbesserung des Service an unseren Autobahnen. Darüber werden viele Klagen geführt. Ich wollte hier mitteilen, welche Lösung wir uns vorstellen. Wir haben uns etwas einfallen lassen, was wir „Bundesautobahn-Dreipunkt-Service-System" nennen. Das heißt, an den Autobahnen sollen errichtet werden erstens alle 10 bis 15 km ein Kiosk und eine hygienisch einwandfreie Toilettenanlage.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Bravo! — Sehr wichtig!)

    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 4537
    Bundesminister Leber
    Wir können nicht über bessere Umweltbedingungen reden, wenn wir allmählich die Rastplätze neben unseren Autobahnen in übelriechende Plätze verwandeln.

    (Abg. Lemmrich: Sehr richtig!)

    Das war aber auch vor meiner Zeit schon so.

    (Starker Beifall bei der CDU/CSU. Zuruf von der CDU/CDU: Sie haben also doch Einfälle! — Abg. Dr. Müller-Hermann: Die Unterstützung der Opposition ist Ihnen sicher, Herr Minister!)

    Damit wird das „in den Wald gehen müssen" sein Ende finden. Die Umwelt der Autobahn wird nicht mehr verunreinigt werden.
    Zweitens. Alle 25 bis 30 km wird eine Tankstelle errichtet werden, gegebenenfalls mit einem Erfrischungsdienst.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Drittens. Alle 50 bis 60 km soll an landschaftlich schönen und verkehrstechnisch geeigneten Punkten eine Raststätte gebaut werden. Bisher errichtete Automatenbetriebe, die ich für schlecht halte, werden durch moderne Cafeteria-Betriebe mit sauberem Service ersetzt werden.

    (Abg. Lemmrich: Auch das steht schon im Verkehrsbericht!)

    Um aber auch dem Spitzenbedarf, etwa in den Ferienmonaten, gerecht zu werden, soll als ergänzende Maßnahme die Möglichkeit geschaffen werden, an besonderen Verkaufsstellen bei den Raststätten einfache Schnellgerichte zu mäßigen Preisen einnehmen zu können.
    Ich komme nun von den Autobahnen, von den Fernstraßen zu den Verdichtungsräumen. Die Verkehrsverhältnisse in diesen Verdichtungsräumen haben sich durch die sprunghafte Zunahme des Individualverkehrs in beinahe revolutionärer Weise verändert.
    Es gibt ein Buch, dessen Titel lautet: „Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung". Dieses Buch ist ein Bestseller geworden. Kein Verkehrspolitiker könnte ein solches Buch schreiben; er würde es vermutlich nicht einmal zu einem Schulaufsatz bringen. So wenig ist morgens um 7 oder abends um 5 in unseren Städten in Ordnung.
    Die Erfahrungen in Deutschland, in anderen europäischen Staaten und besonders in den USA zeigen, daß eine „autogerechte Stadt" eine Utopie ist. Es gibt sie nicht, und es wird sie nicht geben.
    Die Auswirkungen dieser Entwicklung, insbesondere die verschlechterten Umweltbedingungen, Verkehrsstauungen und Parkraumnot sind für viele Städter seit langem täglich spürbar. In Staaten mit hoher Besiedelungsdichte, wie z. B. in unserem Lande, sind nicht einmal räumliche Voraussetzungen für die Entwicklung von autogerechten Städten vorhanden, ganz abgesehen von den finanziellen Aufwendungen, die jedes Maß übersteigen würden, und auch abgesehen von der Gefahr einer Zerstörung historisch gewachsener Stadtbilder.
    Wir müssen uns aber auch vor der gegenteiligen Philosophie hüten. Es gibt das Auto, und es wird noch mehr Autos geben, und wir dürfen deshalb auch keine autofeindliche Gesinnung bei unseren Versuchen aufkommen lassen. Zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Städten müssen wir daher zwangsläufig beidem entsprechen: neben städtebaulichen Maßnahmen für den Individualverkehr müssen die öffentlichen Verkehrsmittel in bezug auf Schnelligkeit, Preis und Komfort weiterentwickelt werden. Sie müssen so attraktiv werden, daß sie weite Bevölkerungskreise dazu bewegen, auf die tägliche Benutzung eines Personenkraftwagens, insbesondere im Berufsverkehr, zu verzichten und statt dessen öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
    Ich weiß, dazu gehört noch mehr. Dazu gehört beispielsweise die Frage, ob ein Kraftfahrzeug nur ein Verkehrsmittel ist oder ob nicht der Besitz eines Personenkraftwagens auch so etwas wie ein Statussymbol in der Gesellschaft ist. Vielleicht kann nach einer gewissen Zeit derjenige, von dem seine Nachbarn wissen, daß er ein Auto, unter Umständen sogar ein schönes Auto hat, ohne sein Sozialprestige zu riskieren, wieder einmal mit einem öffentlichen Verkehrsmittel fahren. Ich hoffe, daß uns da die Entwicklung zu Hilfe kommt.
    Ich habe dem Hohen Hause bei der ersten Beratung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes am 23. September über den kommunalen Straßenbau und die Investitionsvorhaben des öffentlichen Personennahverkehrs berichtet. Ich habe berichtet, wie die zweckgebundenen Mineralölsteuermittel verwendet, für welche Aufgaben sie angelegt worden sind. Wir alle wissen, wie wohltuend diese Hilfe für die Gemeinden gewesen ist. Wir wissen aber auch ebenso deutlich, daß diese Finanzierungshilfen an die Adresse der Gemeinden nicht ausreichen. Die Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs fordern insbesondere eine Entlastung von der Mineralölsteuer. Diese Möglichkeit wird von der Bundesregierung erneut geprüft. Ich stelle mir vor, daß die Bereitschaft der Bundesregierung zu einer solchen Maßnahme desto größer sein könnte, je eher die Länder und Gemeinden zu erkennen geben, daß sie selber auch einen Beitrag zur Lösung des Problems zu leisten geneigt sind, z. B. durch eine Regelung der notwendigen Abgeltungsleistungen für diese Verkehre.

    (Abg. Lemmrich: Das gilt für die Länder! Die Kraftfahrzeugsteuer haben wir ja erlassen!)

    Außerdem bemühen sich die Unternehmen um einen Ausgleich für die Mehrbelastung, die ihnen aus der Einführung der Mehrwertsteuer erwachsen ist. Diese Frage stößt auf große steuersystematische Schwierigkeiten; auch sie wird jedoch in eine erneute Überprüfung des Gesamtkomplexes einbezogen werden.
    In diesem Zusammenhang muß ich darauf zu sprechen kommen, daß von verschiedenen Seiten die Ein. führung des sogenannten „Null-Tarifs" immer wie. der diskutiert und als eine Art Generalkur zur Hei. lung der Probleme des Stadtverkehrs gefordert
    4538 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970
    Bundesminister Leber
    wird. Ich halte mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Jusos!)

    — Sie dürfen nicht nur „Jusos" sagen; Sie haben die gleichen Probleme auch bei sich zu Haus. Aber Sie reden immer nur von den anderen.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Der Null-Tarif ist kein geeignetes Mittel — —

    (Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Meine Damen und Herren, ich halte doch nun wirklich hier einen Vortrag, der keine Spitzen gegen Sie enthält. Ich würde es doch für dem Ernst der Sache angemessen halten, wenn man nicht dauernd in dieser Weise Zwischenrufe machte; die sind völlig unsachlich.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Dadurch wird es doch etwas belebter! — Abg. Lemmrich: Nachdem wir das alles schon gelesen haben!)

    Der Null-Tarif ist kein geeignetes Mittel, die Verkehrsprobleme der Städte zu lösen, auch wenn darüber gehaltene Reden Beifall bringen. Mit NullTarifen löst man die Verkehrsprobleme so wenig, wie man mit kaltem Wasser Tuberkulose oder Krebs heilen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Null-Tarif würde die öffentlichen Haushalte mit jährlich mindestens 3,5 Milliarden DM zusätzlich belasten, die von niemand aufgebracht werden können.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Verkehrsleistungen sind nicht zuerst karitative Leistungen. Die Bundesregierung ist vielmehr der Auffassung, daß von dem Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel ein angemessenes und tragbares Entgelt erhoben werden muß. Das kann bei steigendem Einkommen billigerweise auch erwartet werden. Außerdem ist es sehr zweifelhaft, ob ein Null-Tarif bei allmählich verrottenden öffentlichen Verkehrsmitteln tatsächlich in größerem Umfange Leute veranlassen würde, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, die fast nicht mehr so aussehen, daß man noch mit ihnen fahren kann.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Verbesserte Leistungsangebote im öffentlichen Personenverkehr, also größere Schnelligkeit, Pünktlichkeit, Komfort und Netzdichte, sind ein wirksamer Beitrag zur Lösung der Nahverkehrsprobleme. Wir wissen, meine Damen und Herren, das kostet Geld für neue Einrichtungen, die diesen Ansprüchen genügen sollen. Dieses Geld kann man nicht von den sowieso zu schmalen Mitteln nehmen, die dem Fernstraßenbau gegenwärtig zur Verfügung stehen.
    Für den Fall, daß eine Lösung möglich ist, wie ich sie mit meiner Lösung Nr. 3 hypothetisch aufgezeigt habe, ergibt sich auch die Möglichkeit, von diesen zusätzlichen Mitteln so viel abzuzweigen, wie an Hilfe für die Gemeinden zum Zwecke ihres Verkehrsbaues mindestens geboten ist.
    Im übrigen werde ich das Hohe Haus zu gegebener Zeit über den Inhalt eines Gesamtprogramms über gemeinsame Grundsätze des Bundes und der Länder zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der öffentlichen Personennahverkehrsbetriebe unterrichten, das auf Anregung der Länderverkehrsministerkonferenz in meinem Hause gegenwärtig erörtert wird.
    So viel möchte ich hier aber anmerken, damit keine Mißverständnisse entstehen: Wenn der Bund den Gemeinden hilft, Investitionen zu finanzieren, und wenn es schon nicht möglich ist, diese Investitionen über Tarife und Fahrpreise zu amortisieren, dann muß für den laufenden Betrieb dieser Verkehrsmittel ein möglichst hoher Kostendeckungsgrad angestrebt werden. Es wird keiner Bundesregierung möglich sein, kommunale Verkehrsträger zu subventionieren.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen davon gesprochen, daß der Verkehrsbericht 1970 darzulegen versucht, wie die Gewinne unseres Verkehrssystems vergrößert und wie seine Verluste gemindert werden können. Ein für uns alle beklemmender Negativposten ist die Sicherheit im Straßenverkehr. Die Toten und die Verletzten des Verkehrs — vom reinen Sachschaden ganz abgesehen — klagen die heutige Gesellschaft an. Im vergangenen Jahr hatten wir fast 17 000 Tote und fast eine halbe Million Verletzte zu beklagen. Dieses Jahr werden die Verluste leider noch höher sein.
    Ich hoffe dabei, daß diejenigen, die von 20 000 Toten in diesem Jahr sprechen, nicht recht behalten. Aber ich gebe zu: die Entwicklung ist besorgniserregend. Sie kann nur aufgehalten und zum Besseren gewendet werden, wenn wir den vielerlei Gründen hierfür weiterhin energisch nachspüren und gezielt gegen die Unfallursachen ankämpfen. Die Ursache für diese Misere sind wir in großem Umfange selbst, und zwar als Verkehrsteilnehmer, als Kraftfahrer, als Radfahrer, als Fußgänger, als Kind und als Greis. Die Gründe für dieses Fehlverhalten sind so zahlreich, wie die Menschen verschieden sind: Unkenntnis und Leichtsinn, Ungeduld und Egoismus, Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und vieles andere sind nur einige der Gründe, die man dafür aufzeigen müßte. Wenn wir uns als Kraftfahrer auf die Couch des Psychiaters legten, könnten wir sicher noch eine ganze Reihe weiterer Gründe erfahren, die wir so abstreiten.
    Wenn man aber weiß, daß der Mensch — hier sehr zu seinem Schaden — zuerst das Maß aller Dinge ist, so muß man bei ihm ansetzen.
    Wir leben in einer Welt, in der die Menschen sich mit dem Motor bewaffnet in der Gesellschaft begegnen. Das erfordert ein entsprechendes Verhalten in der motorisierten Gesellschaft. Für Individualismus ist in dieser motorisierten Gesellschaft kein Platz auf unseren Straßen. Der Straßenverkehr verlangt Einordnung in sein System und ein höheres Maß an Selbstbeherrschung und Selbstbeschränkung, als viele zu üben bereit sind.
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 4539
    Bundesminister Leber
    Wir würden jedoch unserer Verantwortung nicht gerecht werden, wollten wir uns darauf beschränken, nur auf die Bewußtseinsänderung der Verkehrsteilnehmer zu warten. Wir werden eingreifen müssen, wo wir Unsicherheit beseitigen und mehr Sicherheit schaffen oder sozialschädliches Verhalten verhindern können. Kurz: Wir müssen uns zu einer Abwehrgemeinschaft zusammenschließen mit einer Art Rundum-Verteidigung gegen jedwede Art von Unsicherheit auf unseren Straßen.
    Mit der neuen Straßenverkehrs-Ordnung ist es gelungen, das jahrelange Ringen um ein modernes Verkehrsrecht abzuschließen. Die Bundesrepublik Deutschland ist das erste Land in Europa, das diese neuen, international abgestimmten Verkehrsregeln beschlossen hat und sie in Kraft setzen wird. Damit haben wir jetzt ein für jedermann verständliches und lesbares Verkehrsverhaltensrecht, dessen Ziel es auch ist, Unfälle zu verhindern.
    Eine Aufklärungsaktion des von der Bundesregierung und von anderen Spendern, Automobilverbänden usw. finanzierten Deutschen Verkehrssicherheitsrats wird dafür sorgen, daß jeder Bundesbürger mit dem Inhalt der neuen Straßenverkehrs-Ordnung und den Änderungen gegenüber der seitherigen Regelung rechtzeitig und ausreichend vertraut gemacht wird.
    Ich kann nicht ausschließen, daß wir noch weitere Schritte zu bedenken haben. Ich kann z. B. keinen Zweifel haben an dem, was mir seit langer Zeit verantwortungsbewußte Mediziner, vor allem auch Augenärzte sagen. Sie sagen mir, daß es nicht wenige unter uns gibt, die schon als Fußgänger unsicher sind, weil sie wegen der schlechter gewordenen Sehkraft ihrer Augen kaum den Boden unter ihren Füßen sehen können. Sie fahren aber trotzdem mit dem Auto. Sie gefährden sich und ihre Mitbürger, weil sie oft zu eitel sind, eine Brille aufzusetzen, die sie längst vom Arzt verordnet bekommen haben. Wer eine Brille nötig hat und keine Brille trägt, der riskiert nicht nur sein Augenlicht, sondern sein und seiner Mitmenschen Leben.
    Ein anderes Kapitel. Im Jahre 1969 war bei jedem vierten Unfall mit Todesfolge Alkohol im Spiel. Das sind mehr als 4000 Tote durch Alkohol im Jahr. Diese Unfallursache hat in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr noch erheblich zugenommen. Im Februar 1970 gab es fast 50 % mehr tödliche Unfälle mit Alkohol als gerichtlich nachgewiesener Ursache als im Februar 1969.
    Die überwiegende Zahl in- und ausländischer Wissenschaftler sagt uns, daß man mit 0,8 Promille Alkohol im Blut nur noch ein Viertel der Fahrtüchtigkeit besitzt, über die man als Nüchterner verfügt. Wer mit soviel Alkohol fährt, fühlt sich mutig und hat Courage. Ich kenne fast alle Gegenargumente und alle Gegenkräfte. Sie beginnen mit Zweifeln an der exakten Bestimmbarkeit der Alkoholmengen und führen über den Vorwurf des Eingriffs in die Freiheitssphäre bis zu Anwälten, die deswegen, weil es dieses Delikt gibt, gerne Prozesse führen, oder zu Syndizis, die Schnapsbrenner und andere Alkoholerzeuger und Händler vertreten.
    Alles das gibt es aber nicht nur bei uns, das gibt es auch in anderen Ländern. Fast alle Länder um uns her in Europa haben heute einschneidende Gesetze gegen Alkohol am Steuer. Hier in unserem Lande ist es zweimal versucht worden. Die Bundesrepublik Deutschland ist eine einsame motorisierte Alkoholoase mit aus diesem Grunde größer werdenden Friedhöfen geworden. Dieses Massensterben von täglich 15 Menschen und mehr durch Alkohol kann niemand mehr verantworten, und das kann jemand, der politisch verantwortlich ist, nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren.
    Ich bin kein Freund davon, allzuviel und alles in Gesetzen zu regeln. Wir haben in mancher Beziehung zuviel Gesetze und müssen uns dagegen wehren, daß von der individuellen Freiheit immer noch mehr verstaatlicht wird. Ich habe es aber noch nicht aufgegeben, auf die Vernunft und die Einsicht der Menschen im Lande zu bauen, und wir wollen in den nächsten Monaten noch einen großen Versuch machen, in dieser Frage vielleicht ohne ein Gesetz auszukommen. Wir haben vor, in den nächsten Monaten eine große Kampagne gegen Alkohol am Steuer ins Leben zu rufen und alle verantwortlichen Kräfte im Lande, von den Automobilklubs bis zu den Priestern auf den Kanzeln zu bitten, in diesen Kampf einzugreifen, damit der Friede auf unseren Straßen besser wird. Ich hoffe, daß wir damit die Schwelle des Grauens senken werden. Wenn das nicht geschieht, wenn dieses von mir erhoffte Ergebnis nicht eintritt, bleibt kein anderer Weg, als im kommenden Jahr zu einem geeigneten Zeitpunkt dem Parlament einen Gesetzentwurf zur Beschlußfassung vorzulegen.
    Dazu kommt eine Reihe weiterer Aufgaben.
    Die ausländischen Erfahrungen mit Geschwindigkeitsbeschränkungen außerhalb geschlossener Ortschaften werden wir auf ihre unfallverhindernde Wirkung hin genau beobachten.
    Die begonnenen Arbeiten zur Verbesserung vor allem der Sicherheit des Fahrzeuginnern werden fortgeführt. Sicherheit im Kraftfahrzeug verkauft sich heute besser als Chrom und Lack. Diese Tatsache wird die Industrie, so hoffe ich, dazu bringen, sich nicht durch Vorschriften drängen zu lassen, sondern in Sachen Sicherheit dem Gesetzgeber vorauszueilen. Die Bereitschaft der deutschen Automobilindustrie, die technischen Anforderungen an ein experimentelles Sicherheitsfahrzeug zu erarbeiten, begrüße ich deshalb außerordentlich. Ich begrüße auch die Bereitschaft der Automobilindustrie, solche experimentellen Sicherheitsautos zu bauen. Ich bin froh, daß es möglich war, mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ein Abkommen über gemeinsames Vorgehen und eine enge Kooperation abzuschließen, um gemeinsam zu forschen und gewonnene Erfahrungen auszutauschen.
    Das Unfallrettungswesen muß verbessert werden. Mit den angestrebten Maßnahmen im Bereich der Unfallrettung erhöhen wir die Überlebenschance der Unfallopfer und mildern die Unfallfolgen. Als wichtigen Schritt haben wir auch die Verbesserung des Unfallmeldesystems durch Einführung einer gemeinsamen Notrufnummer 110 im ganzen Bundes-
    4540 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970
    Bundesminister Leber
    gebiet vorgesehen. Jeder Notruf soll zu einer ständig besetzten Notrufzentrale führen. Wir haben Versuche mit dem Einsatz von Hubschraubern begonnen, die besonders für die Rettung von Unfallverletzten entwickelt wurden.
    Die erst in jüngster Zeit wieder erhobenen Forderungen nach mehr Verkehrserziehung in Kindergärten und Schulen kann ich nur unterstreichen und unterstützen. Die Ausbildung der intellektuellen und musischen Fähigkeiten des jungen Menschen genügt heute nicht mehr. Er muß auch lernen, wie er die Gefahren des Straßenverkehrs bestehen kann. Wir müssen erreichen, daß die Zahlenkolonnen der Statistik über Schulwegunfälle, die mit Recht als die traurigste Statistik Deutschlands bezeichnet wird, auf ein Minimum reduziert werden.

    (Vorsitz : Vizepräsident Dr. SchmittVockenhausen)

    Meine Damen und Herren! Nach diesem Kapitel über den Straßenverkehr komme ich zu den Eisenbahnen. Erlauben Sie mir ein paar kurze Worte zur gegenwärtigen Situation!
    Die Eisenbahnen haben erhebliche Verkehrszuwächse zu verzeichnen. Im ersten Halbjahr 1970 beförderte die Deutsche Bundesbahn 10 % mehr Güter als im ersten Halbjahr 1969; die geleisteten Tariftonnenkilometer erhöhten sich im gleichen Zeitraum um 13 %. Auch die Leistungen im Personenverkehr sind gestiegen. Bemerkenswert ist hierbei vor allem die Zunahme im Fernverkehr.
    Von vielen Seiten war die Befürchtung geäußert worden, daß die Deutsche Bundesbahn bei dieser starken Zunahme ihres Güterverkehrs in diesem Jahr den Herbstverkehr nicht bewältigen könnte. Ich kann berichten, daß der Verkehr bisher gut gelaufen ist und daß der Wagenbedarf der Wirtschaft fast vollständig gedeckt worden ist. Durch die Bereitstellung neuer und die Anmietung fremder Güterwagen ist der Wagenpark rechtzeitig ausgeweitet worden. Für 1970 stehen über 7000 neue Waggons, die die Eisenbahn braucht, auf dem Anschaffungsprogramm. Sie sollen dazu beitragen, den zusätzlichen Verkehr zu bewältigen und damit auch Belastungen von der Straße fernzuhalten.
    Sehr sorgfältig ist auch der Verkehr für die Weihnachtszeit 1970 vorbereitet worden, der wegen der hohen Zahl ausländischer Arbeitnehmer voraussichtlich eine neue Rekordhöhe erreichen und eine starke Überbeanspruchung mit sich bringen wird. Die Bundesbahn rechnet damit, daß die Zahl der mit der Eisenbahn reisenden ausländischen Arbeitnehmer in diesem Jahr vor Weihnachten auf 560 000 ansteigen wird. Das ist viel mehr als im vergangenen Jahr. Verspätungen, überfüllte Züge und die damit verbundenen unerfreulichen Auswirkungen werden sich jedoch nur dann vermeiden lassen, wenn auch die Wirtschaft mitzieht und ihren Beschäftigten aus dem Ausland zum Teil möglichst schon vor dem 17. Dezember die Möglichkeit zur Reise in die Heimatländer gibt.
    Insgesamt ist es der Eisenbahn unbestreitbar gelungen, sowohl ihr Leistungsangebot als auch ihre
    innere Struktur durch Rationalisierung, Modernisierung und Konzentration erheblich zu verbessern und den Forderungen ihrer Kunden näherzukommen.
    Im Bewußtsein der Öffentlichkeit haben wir es heute mit einem Unternehmen zu tun, das sich mehr und mehr von obrigkeitlichem Denken befreit hat und das sich auf den Verkehrsmärkten als Wirtschaftsunternehmen einen festen Platz erobert. Die Bundesregierung wird diesen erfreulichen Trend, diese Bewegung, die in die Eisenbahn gekommen ist, nach Kräften weiter fördern. Das wiedergewonnene Vertrauen der Eisenbahner halte ich dabei für den größten Aktivposten auf dem Wege der Eisenbahnen in eine gute Zukunft. Wir sind allen Eisenbahnern - vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn bis zum Arbeiter im Oberbau — für die Leistungen, die sie in den letzten Jahren vollbracht haben, zu Dank verpflichtet.

    (Beifall.)

    Die Maßnahmen des verkehrspolitischen Programms hatten zum Ziel, den negativen Trend der Deutschen Bundesbahn zu stoppen. Sie bilden gleichzeitig die Basis, von der aus die Unternehmenskonzeption für die Zukunft in Angriff genommen werden kann. Wir haben die Vorarbeiten für eine längerfristige Konzeption des Unternehmens eingeleitet. Sie werden verstehen, daß sich die Konzeption einer Eisenbahn der 80er Jahre schon im Interesse der davon betroffenen Bediensteten und der bestehenden internationalen Verflechtungen nicht von heute auf morgen verwirklichen läßt.
    Nach dem bisherigen Ergebnis der Arbeiten zeichnen sich folgende drei Problemkreise ab, die sorgfältig untersucht werden müssen.
    Erstens. Die Deutsche Bundesbahn unterhält im Gegensatz zu ihren Konkurrenten ihren Fahrweg selbst. Bei Überlegungen zur Wegekostenfrage, aber auch bei den Arbeiten an einem integrierten Bundesverkehrswegeprogramm wird zu prüfen sein, inwieweit der Fahrweg auch weiterhin ein integrierter Bestandteil des Unternehmens sein soll.
    Zweitens. Der Güterverkehr der Deutschen Bundesbahn ist — wie bei den anderen Verkehrsträgern — nicht von den Problemen der übrigen Wirtschaft zu lösen. Es bietet sich daher an, diesen Zweig des Verkehrs entsprechend der marktwirtschaftlichen Ordnung unserer Wirtschaft nach kaufmännischen Grundsätzen zu gestalten.
    Drittens. Insbesondere auch im Personennahverkehr erfüllt die Eisenbahn Aufgaben der Daseinsvorsorge. Dies bedingt, daß hier nicht allein kaufmännische Gesichtspunkte maßgebend sein können, sondern daß der Staat seine Unterstützung geben muß.
    Auf der Grundlage dieser Überlegungen werden konkrete Maßnahmen einzuleiten sein. Die dazu notwendigen Vorschläge werden vorgelegt, sobald sie abschließend erarbeitet worden sind.
    Als einen Schritt auf dem Wege zur Gesundung der Deutschen Bundesbahn sieht die Regierungserklärung vor, daß das Unternehmen von einem
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 4541
    Bundesminister Leber
    Teil der Verschuldung, die ihm vor allen Dingen nach dem zweiten Weltkrieg aufgelastet worden ist, befreit werden soll. Es handelt sich hierbei um eine einmalige Operation, die zur Klärung des Eigentümerverhältnisses zwischen dem Bund und seinem Sondervermögen beitragen soll.
    Nach eingehenden Untersuchungen ist es verkehrspolitisch und betriebswirtschaftlich vertretbar, den Kapitaldienst für Schulden der Bundesbahn in Höhe von 10,5 Milliarden DM auf den Bund als Eigentümer zu übernehmen. Als erste Maßnahme sollte der entsprechende Zinsendienst von jährlich etwa 700 Millionen DM vom Bund übernommen werden. Dies ist ein Buchungsvorgang, der nicht zu einer haushaltsmäßigen Mehrbelastung führt.
    Das, was hinter uns liegt, sind einige Jahre erfolgreicher Eisenbahnpolitik. Der Erfolg besteht darrin, daß die Bahn seit 1968 wieder voll ausgelastet ist. Das war in den Jahren 1963 bis 1965 bei ebenfalls hoher Konjunktur nicht der Fall. Dies ist auch heute in anderen Ländern mit hoher Konjunktur nicht der Fall. Die Tatsache, daß die Bundesbahn in anderen Ländern, die auch eine hohe Konjunktur haben, Waggons leihen kann, weil sie dort nicht gebraucht werden, ist ein Beweis dafür, daß sie einen Weg gegangen ist, den bisher keine Eisenbahn in einem so industrialisierten Land, wie es die Bundesrepublik ist, gegangen ist. Das ist auch der wichtigste Beweis für den Erfolg unserer Eisenbahnpolitik.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wir sind dabei, mit alten Mängeln fertig zu werden. Wir sehen aber in dem Maße, in dem wir mit alten Problemen fertig werden, neue vor uns stehen. Ich will hier auch ganz offen und redlich und unter Verzicht auf alle Rhetorik sagen, welche Probleme ich auf uns zukommen sehe. Wir werden die Eisenbahn nicht in die Nähe der Eigenwirtschaftlichkeit bringen — niemand wird sie dahin bringen —, wenn die künftigen Probleme, die sich hier neu stellen, nicht mit bedacht werden. Ein Unternehmen kann in bezug auf die Hergabe seiner vollen Leistungen noch so erfolgreich geführt werden, es wird nicht allein deshalb, weil es sich unternehmerisch erfolgreich verhält, seine Eigenwirtschaftlichkeit gewinnen können. Das wird aus zwei Gründen nicht möglich sein, und hier unterscheidet sich die Eisenbahn nicht mit einer Nuance von irgendeinem anderen Unternehmen der Wirtschaft:
    Kein Unternehmen kann auf einen grünen Zweig kommen, das bei steigenden Kosten, denen es nicht ausweichen kann, davon abgehalten wird, seine Preise entsprechend den gestiegenen Kosten anzupassen. Bei schwacher Konjunktur wird das verweigert, weil man die Konjunktur beleben will, bei hoher Konjunktur wird es verweigert, weil man sie dämpfen will, und bei normaler Konjunktur wird es verweigert, weil es aus politischen Gründen nicht richtig ist.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Die Argumentation ist schwach!)

    — Die kennen Sie doch aus jahrlangem Miterleben,
    Herr Kollege Müller-Hermann. Sie haben doch mitgeholfen, die Eisenbahn in diese Sackgasse zu bringen, aus der wir sie wieder herausführen mußten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ihr Hauptanteil dabei ist größer als der irgendeines anderen in diesem Hause, auch größer als der meines Vorgängers, Herrn Seebohm.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn dieses Kapital einmal aufgemacht wird, kommen Sie gar nicht gut davon. Ich kann Sie nur warnen, mich mit Zwischenrufen zu animieren, Ihnen Ihr Schuldkonto aufzumachen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wer ein marktgerechtes Preisverhalten nicht will und ebenso aus politischen oder konjunkturpolitischen Gründen selbstkostengerechtes Verhalten der Eisenbahn will, der muß sich darauf einrichten, daß er mit kranken und finanziell ausgezehrten Großunternehmen leben und jährlich von Staats wegen wachsende Milliarden für den Ausgleich ihrer Rechnungen auf den Tisch legen muß.
    Zu dem, was ich Unfreiheit zu einer halbwegs markt- und unternehmensgerechten Preispolitik nenne, die jeden Unternehmer in der Welt davon abhalten würde, ein solches Unternehmen auch nur eine Stunde zu betreiben, kommt aber in der Gegenwart noch etwas hinzu, das besonders jetzt wieder aktuelle Bedeutung hat, gerade heute. Das sind die ungewöhnlich steigenden Personalkosten, die kein Unternehmen dieser Art verkraften kann, die ihm jede gesunde eigenwirtschaftliche Basis unter den Füßen wegziehen müssen, besonders wenn es auf der Preisseite angebunden ist.
    Ich rede hier offen darüber, nicht weil ich jemand schelten will, sondern weil ich nicht hinnnehmen kann, daß unsere im übrigen hocherfolgreiche Eisenbahnpolitik, die sich von jedem anderen Land abhebt, ins falsche Licht gebracht und als erfolglos verdächtigt wird, weil sie mit diesen ungewöhnlich wachsenden Personalkosten aus eigener Kraft nicht fertig wird und nie fertig werden kann. Das kann auch keine Verkehrspolitik erreichen.
    Damit es keine Mißverständnisse gibt, möchte ich Ihnen das in Zahlen darstellen. Wenn man die Ausgleichszahlungen des Bundes, die das Bild nur verschleiern, wegläßt, dann hatte die Deutsche Bundesbahn in den konjunkturell guten Jahren 1963 bis 1965 eine Verminderung ihrer Erträge um 80 Millionen DM zu verzeichnen. Das Defizit stieg gewaltig. In den Jahren 1968 bis 1970, die auch Jahre guter Konjunktur sind, haben sich die Erträge der Eisenbahn um 1921 Millionen DM erhöht. Das ist unser Erfolg. Die Personalkosten zu Lasten der Deutschen Bundesbahn sind aber in diesen drei Jahren um 1808 Millionen DM gestiegen.
    Niemand wird dem Personal der Eisenbahn verweigern wollen, angemessen an den allgemeinen Lohn- und Gehaltsverbesserungen beteiligt zu sein. Aber ich muß hier die Frage stellen, wieviel mehr wir im allgemeinen und in Auswirkung dessen, was allgemein geschieht, auch in solchen öffentlichen Unternehmen aus eigener Kraft dieser Unternehmen verkraften können.
    4542 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970
    Bundesminister Leber
    Dazu kommt, daß der Personalkostenanteil bei der Bundesbahn höher liegt als in manchem Unternehmen der Wirtschaft, das die Lohnerhöhungen sofort in die Preise weitergibt. Das haben wir in den letzten Monaten verschiedentlich gehört. Dieser Lohnkostenanteil beträgt bei der Eisenbahn 70 %. Bei linearen Lohn- und Gehaltssteigerungen bedeutet gegenwärtig jeweils 1 % einen jährlichen Mehraufwand von 96 Millionen DM. 1 % gleich 96 Millionen DM!
    Ich habe in der Regierung der Großen Koalition im August 1969 davor gewarnt, als ein paar Tage vor den Wahlen 1969 eine Gehaltsaufbesserung von dreimal 100 DM für die letzten drei Monate des Jahres 1969 beschlossen wurde, weil damit die Margen für die Erhöhungen des Jahres 1970 festgelegt wurden, ohne daß gleichzeitig ein Tarifvertrag abgeschlossen wurde, der die Bedingungen für das ganze Jahr geregelt hätte. Das, was fast zwangsläufig kommen mußte, kam dann 1970 mit Gesetzen und Tarifverträgen in der Größenordnung von alles in allem rund 10 % über unsere öffentlichen Unternehmen. Der Opposition hat das damals noch nicht genügt. Sie hat mehr als die 10 % gefordert, die die Bundesregierung in Anbetracht der allgemeinen Entwicklung vorgeschlagen hatte. Die Opposition hat damals einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Forderung erhob, eine Erhöhung um 12 % statt um 10 % vorzunehmen.
    Meine Damen und Herren, ich denke nicht daran, hier Kritik zu üben. Ich erlaube mir aber die Frage, ob diejenigen, die jetzt die Regierung kritisieren und zitieren, damals nicht von vornherein gewußt haben, wieviel das kostet, was sie vorgeschlagen und für noch zu wenig gehalten haben.
    Ich sage das auch noch aus einem anderen Grund. Die Debatten über die Besoldung im öffentlichen Dienst sind angelaufen. Ich habe auch die Äußerungen, die es dazu von Damen und Herren des Hohen Hauses schon gibt, gehört. Ich erlaube mir, Ihnen vorzurechnen, wie die Lage ist, damit Sie wissen, woran wir sind.
    Erstens. Die Deutsche Bundesbahn geht mit einem haushaltsmäßig nicht gedeckten Verlust von 700 Millionen DM in das Jahr 1971. Dieser ungedeckte Verlust ergibt sich zu 85 %, das sind gut 600 Millionen DM, aus gesetzlich oder tariflich bereits im Jahre 1970 festgelegten Mehrleistungen, die erst am 1. Januar 1971 in Kraft treten.
    Zweitens. Wegen der unterschiedlichen Struktur von öffentlicher Verwaltung und Bundesbahn kostet jede Erhöhung der Bezüge bei Bahn und Post etwa 20 % mehr als im öffentlichen Dienst des Bundes.
    Drittens. Das bedeutet, daß eine Erhöhung von 8 % im öffentlichen Dienst mit rund 10 % bei der Eisenbahn durchschlägt. Es gibt aber Leute — ich habe entsprechende Stimmen auch aus diesem Hohen Hause gehört —, die der Auffassung sind, diese 8 % reichten nicht aus, man müsse mit 10 % im öffentlichen Dienst rechnen. Das wären bei der Eisenbahn 12 bis 12 1/2 %, d. h. wenn das hier beschlossen würde, hätte es die Eisenbahn 1971 mit
    einem haushaltsmäßig nicht gedeckten Aufwand von rund 1,7 Milliarden DM zu tun. Bis jetzt hat die Bahn ihre Kosten ziemlich gedeckt, aber das, was neu auf sie zukommt, kann sie nicht mehr durch Mehrverkehr verkraften, weil es keine leeren Kapazitäten mehr gibt.
    Unter solchen Prämissen lassen sich die Tarife und Frachtsätze eines derartigen Unternehmens nicht halten. Darüber wird diskutiert, und ich lese auch, was die Zeitungen darüber schreiben. Ich habe auch gesehen, daß beispielsweise die „BildZeitung" — wie in vielen Fällen — das alles schon mit kritisch erhobenem Finger vorausgesagt hat. Die „Bild-Zeitung" hat sogar schon vorausgesagt, welche Frachten und Tarife erhöht werden. Das weiß nicht einmal ich genau.
    Das war zum Teil unscharf. Da ich weiß, daß die „Bild-Zeitung", zu deren regelmäßigen Lesern auch ich gehöre

    (Abg. Lemmrich: Das merkt man manchmal!)

    — irgendwoher muß man seine Bildung ja nehmen —,

    (Heiterkeit)

    einen Sinn für plastische und bildhafte Darstellung hat, erlaube ich mir einen kleinen Vergleich. Die „Bild-Zeitung" nannte sich einmal „Zehn-PfennigBild", d. h. sie kostete damals in Wirklichkeit nicht mehr als 10 Pf. Das war noch im Jahre 1965 der Fall. Die „Bild-Zeitung" hat ihren Preis bis zum Sommer dieses Jahres auf 20 Pf, d. h. um 100 %, erhöht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie ist auch umfangreicher geworden!)

    In der Zeit, in der die „Bild-Zeitung" um 100 % teurer wurde, sind die Tarife im Personenverkehr der Deutschen Bundesbahn um 6 1/4 %, im Gepäckverkehr um 10 % und beim Expreßgut um 22 % gestiegen.
    Wenn sich die Deutsche Bundesbahn auch so marktkonform verhalten könnte wie ein Wirtschafts- oder Verlagsunternehmen, hätte sie sicher kein Defizit, sondern würde Gewinne abwerfen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Wenn die „Bild-Zeitung" mit ihrer Preispolitik politisch so angebunden wäre, wie Bahn und Post angebunden sind, wäre sie trotz der unbestreitbar hohen Qualität ihrer Redakteure wahrscheinlich auch defizitär;

    (Abg. Lemmrich: Angebunden sind sie doch bei Ihnen! Tun Sie doch nicht so!)

    denn es stehen fast immer irgendwo Wahlen vor der Tür, und man könnte eine so weit verbreitete Zeitung deshalb doch nicht teurer machen, auch wenn ihre Kosten gestiegen wären.

    (Erneute Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Meine Damen und Herren, dieses Geschäft haben
    Sie doch 17 Jahre lang so betrieben! Deshalb ist es
    nicht leicht, das alles in wenigen Jahren zu ändern.
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1970 4543
    Bundesminister Leber
    Wir sind jetzt dabei; Sie müssen nur etwas Geduld haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Lemmrich: Wenn Sie ein bißchen mehr Ahnung hätten — die haben Sie leider nicht —, würden Sie nicht so deppert daherreden! — Abg. Dr. Apel: Haben Sie das gehört, Herr Präsident? Das war eine klare Beleidigung! — Abg. Dr. Müller-Hermann: Der Minister beleidigt dauernd! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und Gegenrufe von der SPD.)