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ID0607020300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 70. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1970 Inhalt: Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 3855 A Fragestunde (Drucksachen VI/ 1218, VI/1233) Fragen des Abg. Kiep: Pressemeldungen betr. Wiedergutmachungszahlungen an osteuropäische Staaten in Milliardenhöhe Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 3855 B, C, 3856 A Kiep (CDU/CSU) . . . . 3855 D, 3856 A Fragen des Abg. von Eckardt: Wiedergutmachungsforderungen von Ostblockregierungen — Unterrichtung der zuständigen Ausschüsse des Bundestages Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär 3856 A, B, C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 3856 B Frage des Abg. Freiherr von Fircks: Aussagen des Bundeskanzlers hinsichtlich der Bedeutung des deutsch-sowjetischen Gewaltverzichtsvertrages Frau Dr. Focke, Parlamentarischer Staatssekretär 3856 C, D Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . 3856 D Frage des Abg. Niegel: Staatsangehörigkeit der Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretäre Frau Dr. Focke, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 3856 D, 3857 A, B Niegel (CDU/CSU) . . . . . . . 3857 A Dasch (CDU/CSU) . . . . . . . 3857 B Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Anzeigenserie des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Ahlers, Staatssekretär 3857 C, 3858 A, B, C, D, 3859 A, B, C, D, 3860 A, B Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 3857 D, 3858 A Kiep (CDU/CSU) . . . . . . . 3858 C Dr. Häfele (CDU/CSU) 3858 D Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . 3859 A Niegel (CDU/CSU) . . . . . . 3859 B Dr. Geßner (SPD) . . . . . . 3859 C Rasner (CDU/CSU) . . . . . . 3859 D Dasch (CDU/CSU) . . . . . . 3859 D Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) . 3860 A Dr. Rutschke (FDP) . . . . . . 3860 B II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode 70. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1970 Fragen des Abg. Walkhoff: Veröffentlichungen in der Zeitschrift „German International" — Darstellung betr. die Ostpolitik der Bundesregierung Ahlers, Staatssekretär . . . . 3860 C, D, 3861 A, B,C,D Walkhoff (SPD) . . . . 3860 D, 3861 B Vogel (CDU/CSU) 3861 B, C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) 3861 D Frage des Abg. Dr. Geßner: Pressemeldung betr. die Beschaffung des Waffensystems F-104 G Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 3862 A, B Dr. Geßner (SPD) 3862 A Cramer (SPD) . . . . . . . . 3862 B Fragen der Abg. Frau Huber: Versorgung der Bundeswehreinheiten mit Frischobst Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 3862 C., D, 3863 A Frau Huber (SPD) . . . . . . . 3863 A Frage des Abg. Niegel: Meldungen über Pläne der Bundesregierung betr. eine Verkürzung des Grundwehrdienstes Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . . 3863 B, D, 3864 A Niegel (CDU/CSU) 3863 B, C Dr. Klepsch (CDU CSU) . . . . 3863 D Fragen des Abg. Rawe: Zunahme der Lärmbelästigung durch militärische Strahlflugzeuge Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 3864 A, B, C, D Rawe (CDU/CSU) . . . . . . 3864 B, C Niegel (CDU/CSU) . . . . . . . 3864 C Fragen des Abg. Vogel: Überprüfung der Tieffluggebiete — Unterrichtung des Verteidigungsausschusses Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . 3864 D, 3865 A, B, C, D Rawe (CDU/CSU) . . . . . . . 3865 B Niegel (CDU/CSU) . . . . . . . 3865 C Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) . 3865 C, D Frage des Abg. Berding: Einhaltung der Vorschriften über Mindestflughöhen durch Besatzungen von Flugzeugen befreundeter Staaten Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 3866 A Berding (CDU CSU) 3866 A Frage des Abg. Berding: Heraufsetzung der Mindestflughöhen für Strahlflugzeuge Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 3866 A Fragen des Abg. Varelmann: Zahlung der ungekürzten Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . 3866 B, C, D, 3867 A, B Varelmann (CDU/CSU) 3866 D, 3867 A, B Frage des Abg. Dr. Häfele: Vorschlag betr. ein zyklisch gestuftes Arbeitslosengeld Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär ........ 3867 C Fragen des Abg. Dr. Kempfler: Versorgungsansprüche der Hinterbliebenen von Wehrmachtangehörigen bei deren Freitod Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 3867 D, 3868 A, B Dr. Kempfler (CDU CSU) . . . . . 3868 A Fragen des Abg. Geisenhofer: Ambulante Behandlung durch Fachärzte in Krankenhäusern als Mindestleistung der gesetzlichen Krankenversicherung Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 3868 C, D Geisenhofer (CDU/CSU) . . . . . 3868 D Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Mißbilligung der Äußerungen des Bundesministers der Finanzen Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Alex Möller (Drucksache VI/1193) Baron von Wrangel (CDU/CSU) . . 3869 A Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . . 3870 D Frau Funcke (FDP) . . . . . . . 3873 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 3874 A, 3875 D Brandt, Bundeskanzler 3874 C Wehner (SPD) . . . . . . . 3875 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1970 III Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1971 (Haushaltsgesetz 1971) (Drucksachen VI/ 1100, Ergänzung zu VI/1100) — Fortsetzung der ersten Beratung — in Verbindung mit Finanzplan des Bundes 1970 bis 1974 (Drucksache VI/1101) — Fortsetzung der Beratung — und mit Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. notwendige haushaltspolitische Maßnahmen (Drucksache VI/1154 [neu]) — Fortsetzung der Beratung —Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 3876 C Seidel (SPD) . . . . . . . . . 3881 D Kirst (FDP) . . . . . . . . . 3884 D Dr. Heck (CDU/CSU) 3888 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister 3889 D Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses über den Antrag des Abg. Dr. Lenz (Berg- Straße) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Enquete-Kommission Verfassungsreform und über den Antrag der Fraktionen der SPD, FDP betr. Enquete-Kommission zur Reform der bundesstaatlichen Struktur (Drucksachen VI/653, VI/739, VI/1211) Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . . 3893 C Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . . 3894 C Dorn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 3895 D Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Baukostenentwicklung und ihre Auswirkung auf den sozialen Wohnungsbau (Drucksachen VI/1189, VI/1216) Erpenbeck (CDU/CSU) . . . . . . 3896 D Dr. Lauritzen, Bundesminister . . 3904 C Henke (SPD) 3912 D Wurbs (FDP) 3916 C Mick (CDU/CSU) . . . . . . 3919 B Frau Meermann (SPD) . . . . . 3924 B Nächste Sitzung 3928 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 3929 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Strohmayr betr. Erwägungen im Rentenbericht zur Zahlung von Witwerrente 3929 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Oktober 1970 3855 70. Sitzung Bonn, den 8. Oktober 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach * 9. 10. Adams * 9. 10. Dr. Aigner * 9. 10. Amrehn ** 9. 10. Dr. Artzinger * 9. 10. Behrendt * 9. 10. Dr. Burgbacher * 9. 10. Corterier ** 9. 10. Dichgans ** 9. 10. Frau Dr. Diemer-Nicolaus ** 9. 10. Dr. Dittrich * 9. 10. Dröscher * 9. 10. Faller * 9. 10. Fellermaier * 9. 10. Flämig * 9. 10. Fritsch *** 9. 10. Dr. Furler * 9. 10. Frau Geisendörfer 9. 10. Gerlach (Emsland) * 9. 10. Dr. Gradl ** 9. 10. Haage (München) * 9. 10. Haar (Stuttgart) 9. 10. Dr. Hallstein 16. 10. Dr. Hein * 9. 10. Frau Herklotz *** 9. 10. Dr. Hermesdorf (Sehleiden) *** 9. 10. Heyen 18. 12. Dr. Jahn (Braunschweig) * 9. 10. Dr. Jungmann 16. 10. Klinker * 9. 10. Dr. Koch * 9. 10. Kriedemann * 9. 10. Lange * 9. 10. Lautenschlager * 9. 10. Dr. Löhr * 9. 10. Logemann 9. 10. Lücker (München) * 9. 10. Majonica 9. 10. Matthöfer ** 9. 10. Frau Meermann ** 9. 10. Dr. Meinecke (Hamburg) ** 9. 10. Meister * 9. 10. Memmel * 9. 10. Müller (Aachen-Land) * 9. 10. Frau Dr. Orth * 9. 10. Pöhler *** 9. 10. * Für die Teilnahme an einer Sitzung des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an der Jahrestagung der Interparlamentarischen Union *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Preiß 8. 10. Raffert ** 9. 10. Ravens 9. 10. Richarts * 9. 10. Dr. Schulz (Berlin) *** 9. 10. Schwabe * 9. 10. Dr. Schwörer * 9. 10. Seefeld * 9. 10. Sieglerschmidt *** 9. 10. Dr. Slotta 15. 10. Springorum * 9. 10. Dr. Starke (Franken) * 9. 10. Dr. Tamblé 30. 10. Werner * 9. 10. Wienand *** 9. 10. Wilhelm 30. 10. Frau Dr. Wolf ** 9. 10. Wolfram * 9. 10. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 7. Oktober 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Strohmayr (Drucksache VI/1218 Fragen A 39 und 40) : Läßt sich die Erwägung im Rentenbericht, deft die Zahlung von Witwerrente wegen nicht unerheblicher Mehraufwendungen nicht verantwortet werden kann (Drucksache VI/1126, S. 34, Nr. 4 Doppelbuchstabe cc, letzter Absatz), mit dem Gleichberechtigungsgesetz, das auf Artikel 3 GG fußt, vereinbaren? Ist der Bundesregierung bekannt, daß der überwiegende Teil der berufstätigen Ehefrauen zum gemeinsamen Unterhalt der Familie beitragen muß, die aber oft jahrzehntelang gezahlten Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Familie bei Ableben der berufstätigen Freu vor Erreichen der Altersgrenze verlorengehen? Die Bundesregierung hat die in Ihren Fragen enthaltene Anregung ebenso wie viele andere Vorschläge und Forderungen zur Weiterentwicklung des Rentenversicherungsrechts in den von Ihnen zitierten Bericht aufgenommen, um eine umfassende Grundlage für die parlamentarischen Beratungen zu geben. Sie hat dabei allgemein zu den Einzelpunkten nicht abschließend Stellung genommen, sondern Lösungsmöglichkeiten angedeutet und auf die vielfältigen, insbesondere auch die finanziellen Auswirkungen aufmerksam gemacht, die sich bei einer Verwirklichung der Anregungen ergeben würden und die bei den Beratungen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung über den Bericht sicherlich eine Rolle spielen werden. Sie haben gewiß Verständnis dafür, daß ich diesen Beratungen nicht durch eine Stellungnahme zu einzelnen Punkten vorgreifen möchte.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Althammer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Genau diesen Punkt wollte ich ansprechen. Da wurde von Teppichbeschaffungen gesprochen, die sich hinterher als völlig unhaltbar herausgestellt haben. Das waren die Vorgänge damals.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Dinge gehen ja weiter. Ich habe hier vor mir eine Äußerung des Herrn Bundesfinanzministers vom Samstag, dem 5. Oktober, liegen. Ich darf aus dieser Mitteilung des „Heidelberger Tagblattes" zitieren. Das zeigt dann die Form, wie dieser Bundesfinanzminister offenbar mit der Opposition umzugehen willens ist. Es heißt dort:
    Diese politischen Hilfsschüler, — sagte er zur Opposition —wenn man die geistig so ausrüstet, dann sollen sie auch mal eine Klassenarbeit schreiben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

    Ich werde zu dieser „geistigen Ausrüstung" noch einige Bemerkungen zu machen haben. Ich möchte hier mit aller Deutlichkeit sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sozialdemokraten sollten sich wirklich einmal mit der Stilform, die der Bundesfinanzminister eingeführt hat, intern gründlich beschäftigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie brauchen ja nur das Presseecho auf die jüngsten Vorgänge zu würdigen, dann werden Sie sehen, daß ein blindwütiges Umsichschlagen jedenfalls in der Öffentlichkeit kein Vertrauen zu den finanzpolitischen Ungereimtheiten dieser Regierung schaffen kann.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Aber das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht unser Bier, das werden Sie in Ihren eigenen Reihen zu klären haben.
    Der Kollege Schäfer hat heute vormittag auch einige Dinge aus der Zeit angesprochen, als die SPD noch in der Opposition war. Dazu gehörte auch die Frage, wie sich die Opposition hinsichtlich des Problems von Ausgaben und Stabilität verhalten soll und verhalten muß. Ich habe diesen Punkt durchaus auch in meinen Ausführungen vorgesehen und werde gleich darauf zu sprechen kommen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ja interessant, daß bereits in der Debatte über die Regierungserklärung im Oktober vergangenen Jahres der Kollege Barzel als Sprecher der Opposition ganz eindeutig vor diesen unkontrollierten Ausgabebeschlüssen und den Ankündigungen, die damals in der Regierungserklärung enthalten waren, gewarnt hat. Ich meine, damit ist bereits der Tenor der Einstellung der Opposition in der Frage Stabilität und Staatshaushalt dargestellt worden. Es ist weiter interessant, auch zu diesem Punkte einmal zu sehen, wie die Regierungspartei SPD diese Dinge heute sieht. Der Kollege Möller hat bei der gleichen Veranstaltung am letzten Samstag in Neckarzimmern nach der „Rhein-Neckar-Zeitung" folgendes gesagt:
    Der Minister erklärte aber kategorisch: Wenn man die Regierungserklärung vom 28. 10. 1969 noch einmal ausarbeiten müßte, dann würde man darin kein Komma ändern.
    Gleichzeitig liegt uns eine Äußerung des Herrn Bundeskanzlers vor, die im neuesten „stern" zu lesen ist. Dort sagt der Herr Bundeskanzler:
    Wenn ich die Regierungserklärung neu zu schreiben hätte für den Oktober 1969 — ich halte sie nicht für falsch —, dann würde ich sie zum Teil anders machen.
    Nun muß man doch fragen, was denn eigentlich gelten soll. Soll kein Jota geändert werden, oder ist man doch inzwischen zu der Einsicht gekommen, daß manches aus der damaligen Sicht ganz offensichtlich falsch gewesen ist. Jedenfalls kann ich mir vorstellen, daß es z. B. die Arbeitnehmer mit großem Interesse hören, wenn der Herr Minister Möller hier erklärt, er würde heute kein Komma an dieser Regierungserklärung ändern, nachdem diese gleichen Arbeitnehmer und Lohnsteuerzahler doch inzwischen erfahren haben, daß die zum 1. Januar und dann wiederum zum 1. Juli 1970 angekündigte Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrages gestrichen worden ist, dafür aber zum Ausgleich eine 10%ige Lohnsteuervorauszahlung beschlossen worden ist.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, die CDU/CSU hat dann bei den Beratungen des Haushalts 1970 in Fortsetzung ihrer Bemühungen um eine Stabilisierung der Verhältnisse im Lande konkrete Vorschläge gemacht. Sie hat zum Haushalt 1970 über die bereits einvernehmlich erzielte Einsparung von rund 2 Milliarden DM hinaus noch einmal weitere 2 Milliarden DM zur Disposition und zur Kürzung gestellt. Diese Anträge wurden, wie Sie alle wissen, von der Koalition abgelehnt.

    (Abg. Leicht: Hätte sie man zugestimmt!)

    Die CDU/CSU hat darüber hinaus einen konkreten Antrag gestellt, nach § 6 des Stabilitätsgesetzes dem Bundesfinanzminister die Ermächtigung zu geben, die Ausgaben, insbesondere im Bau- und Investitionsbereich, konjunkturgerecht zu steuern.

    (Abg. Leicht: Damit er nur 4 % erreicht!)

    Der Herr Bundesfinanzminister selbst hat von sich aus und mit ihm die Koalition diese Ermächtigung abgelehnt. Er hat zur Begründung vorgetragen, daß bei dein Vollzug des Haushalts 1970 in der ersten Jahreshälfte nicht mehr als 4 % Steigerungen gegenüber 1969 zu verzeichnen sein werden. Er mußte hinterher selbst einräumen, daß es nicht 4 %, son-



    Dr. Althammer
    dern über 10 % waren, die die Steigerung ausmachte.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das ist typisch! — Unseriös!)

    Die CDU/CSU hat, als die Diskussion um die Gestaltung des Haushalts 1971 geführt wurde, sofort ihrerseits einen konkreten konstruktiven Vorschlag gemacht. Ich habe diesen Vorschlag bereits vor der Sommerpause von dieser Stelle aus vorgetragen. Der Vorschlag geht dahin, angesichts der vorhandenen konjunkturpolitischen Daten — diese Daten wurden ja gestern noch einmal erörtert —einen Kern- und einen Eventualhaushalt für 1971 vorzusehen. Ich möchte mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß die Zurückstellung gewisser Ausgaben in einem Eventualhaushalt nicht deren Streichung bedeutet, sondern lediglich eine zeitliche Flexibilität für den Zeitpunkt der Ausgaben ermöglichen soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Regierung und die Koalitonsparteien haben bereits zu Beginn der Sommerpause diese unsere Vorschläge wiederum abgelehnt. Dabei waren die Begründungen und anderen Äußerungen dazu sehr interessant. Einerseits wurde von der Regierung gesagt, man könne eine Aufspaltung in einen Kern- und einen Eventualhaushalt deshalb nicht vornehmen, weil diese exorbitante und konjunkturwidrige Steigerungsrate von 12,6 % — über die Prozentzahl wird bekanntlich gestritten — zur Verwirklichung der Reformen unabdingbar notwendig sei. Gleichzeitig konnte man von dieser Regierung hören, daß man sich, wenn sich im Januar 1971 die Konjunkturdaten nicht verändert hätten, vorbehalte, haushaltspolitische Maßnahmen noch vor der Verabschiedung des Bundeshaushalts 1971 zu ergreifen.
    Nun muß sich der Beobachter der Szene doch fragen: Wenn im Juli 1970 Reformen angeblich zeitlich absolut unaufschiebbar sind, sollen sie dann etwa im Januar 1971 aufschiebbar sein?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Hier liegt also doch ganz eindeutig ein Widerspruch in der Argumentation, und hier zeigt sich meines Erachtens deutlich, daß man nur versucht hat, gewisse Beruhigungspillen zu geben angesichts des verheerenden Echos in der Öffentlichkeit, die es mit Recht beanstandet hat, daß in der gleichen Woche zwar dem privaten Verbraucher Opfer zugemutet worden sind — durch eine 10prozentige Steuervorauszahlung —,

    (Abg. Baier: Sehr wahr!)

    aber der Staat, also der Bund, sich bei der Ausgabensteigerung in seiner Etatgestaltung keinerlei Hemmungen auferlegen wollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Breidbach: Die sogenannte Arbeiterregierung!)

    Ich möchte zu diesen berühmten „unaufschiebbaren Reformen" noch ein Wort sagen. Einerseits wird immer behauptet, diese Reformen seien in der Vergangenheit vernachlässigt worden, man habe Versäumnisse nachzuholen. Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, genauso wie Herr Kollege Schäfer habe auch ich frühere Protokolle nachgelesen. Ich bitte um Nachsicht, wenn ich dabei auf eine Rede gestoßen bin, die ich selber am 21. Oktober 1964 zu dieser Frage der Reformen und der Prioritäten gehalten habe.

    (Abg. Hermsdorf [Cuxhaven]: So ein Zufall!)

    — Herr Kollege Hermsdorf, es ist interessant, daß der erste Redner damals, Herr Kollege Conring, festgestellt hat, daß 1964 der Etat für das nächste Jahr -- 1965 — zum erstenmal schon vor der Sommerpause im Bundesrat eingebracht und, wie Sie sehen, dem Bundestag im Oktober vorgelegt werden konnte. Sie sehen, so einmalig ist der Vorgang aus des Jahre 1970 auch nicht. Aber das nur am Rande.
    Damals wurde dargestellt, welche immensen Leistungen in den Jahren seit 1948 erbracht werden mußten. Allein die Kriegsfolgelasten haben bis zum Jahre 1964 die Summe von 264 Milliarden DM ausgemacht. Wenn heute von Ihrer Seite so gern von den angeblichen Versäumnissen gesprochen wird, dann sollte man doch hier und da berücksichtigen, in welcher Ausgangsposition die Bundesrepublik Deutschland z. B. im Vergleich zu anderen Ländern — wie Schweden oder die USA, die so gerne zum Vergleich herangezogen werden — stand.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn wir insbesondere unserer jungen Generation einmal die Bilder dieser berühmten Stunde Null vorlegen würden, würde vielleicht auch heute die Aufbauleistung einer ganzen Generation unseres Volkes wieder deutlicher werden, als sie ist, wenn Sie immer nur von Versäumnissen sprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben unmittelbar im Anschluß an die Bewältigung der Kriegsfolgelasten, die ja heute immer noch getragen werden müssen — das wissen Sie auch —, in der Bundesrepublik eine Sozialordnung aufgebaut, die nach der Erklärung einer internationalen Organisation in Genf an der Spitze der gesamten Sozialpolitik in der Welt steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben darüber hinaus die schwierigen Probleme des deutschen Verteidigungsbeitrages, die Probleme des Wohnungsbaus und insbesondere des Straßenbaus zu bewältigen gehabt. Und wenn heute mit den Mehrjahresprogrammen so schöne Zusatzraten im Straßenbau verkündet werden, dann möchte ich daran erinnern, daß die Basis all dieser Zuwachsraten das Straßenverkehrsfinanzierungsgesetz mit seiner Dynamisierung der jährlichen Zuwachsleistungen ist, das ebenfalls in diesen Jahren beschlossen worden ist.
    Herr Kollege Hermsdorf, ich habe schon damals im Jahre 1964 als nächste Priorität Wissenschaft und. Forschung in den Vordergrund gestellt. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wissen genau so gut wie die Fachleute in diesem Bereich, daß die stolzen Zuwachsraten im Bereich von Wissenschaft und Forschung natürlich sehr viel von ihrem Glanz verlieren, wenn Sie das bedenken, was gestern schon Herr Kollege Höcherl ausgeführt hat, daß nämlich



    Dr. Althammer
    der Bund lediglich 5 % der Leistungen auf diesem Gebiet aufzubringen hat.

    (Abg. Raffert: Das verändern wir ja gerade!)

    — Wir werden uns, Herr Kollege Raffert, in der nächsten Woche über einen Punkt zu unterhalten haben, in dem sich allerdings — das ist meine Überzeugung — der Unterschied zwischen der Reformpolitik der CDU/CSU und der Reformpolitik der SPD ganz deutlich zeigt.

    (Abg. Dr. Schmid gar keine Reformpolitik!)

    Sie haben eine Bildungsplanung bis zum Jahre 1980 vorgelegt, für die die Fachleute das steht auch in dem Bildungsbericht — einen Voranschlag zwischen 80 und 100 Milliarden DM machen. Dabei wird heute bereits festgestellt, daß diese Voranschläge angesichts der Preissteigerungsraten auf den verschiedensten Sektoren bei den Investitionen, angesichts der Steigerungsraten bei den Gehältern weit überholt sind, so daß wir nicht mit 100 Milliarden DM, sondern, wenn alle diese Dinge finanziert werden sollen, mit 150 Milliarden DM zu rechnen haben.

    (Abg. Raffert: Heute reden wir erst einmal über das nächste Jahr!)

    Wenn die Bundesregierung schon eine solche Sache vorlegt, stellen wir natürlich die Frage: Was sagt sie dann eigentlich zu den Möglichkeiten der Finanzierung?

    (Abg. Leicht: Genau! Darüber ist nichts gesagt!)

    Sie sagt, sie müsse erst einmal überlegen, wie das finanziert werden solle.

    (Abg. Dr. Schäfer gut, wenn man überlegt!)

    Hier zeigt sich in aller Deutlichkeit eine Gefahr: Es werden jetzt große Gemälde von Reformwerken an die Wand geworfen, von denen heute kein Mensch weiß, wie sie überhaupt nur im Ansatz finanziert werden sollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das gilt nicht nur für diesen Bereich. Ich könnte Ihnen genau so gut andere Beispiele geben: Umweltschutz, Krankenhausfinanzierung u. a. Sehen Sie, meine Damen und Herren, die CDU/CSU hat es sich in all den Jahren, in denen sie die Regierungsverantwortung getragen hat, versagt, Reformprogramme auf der Basis einer inflationistischen Entwicklung zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Genau diesen Punkt sprechen wir an, wenn wir jetzt fordern, daß zuerst die Stabilität wieder erreicht wird, und feststellen, daß erst von einer stabilen Basis aus dann die wichtigen Reformprogramme angegangen werden können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, was hätte es für einen Sinn, sich über schöne Neubauten an einem Hause zu unterhalten, wenn dieses Haus in Brand geraten ist? Hier, meine ich, muß zuerst gelöscht werden, hier muß die Stabilität wieder erreicht werden, und dann kann man sich über weitere Reformen unterhalten.
    Es ist auch gestern schon an verschiedenen Beispielen deutlich gemacht worden, daß wir heute in einer Situation sind, wo die stolzen Steigerungsraten, die Sie für den Haushalt 1971 hier vortragen, durch die auf gewissen Gebieten trabenden, manchmal sogar galoppierenden Preissteigerungen aufgefressen werden, ja, daß die Steigerungsraten in bestimmten Bereichen sogar unter dem liegen, was an Kosteninflation festzustellen ist, so daß Sie nicht mehr, sondern weniger mit diesem Geld bauen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die CDU/CSU hat versucht, aus dieser Situation die konstruktive Schlußfolgerung zu ziehen, durch die Aufteilung in einen Kernhaushalt und einen Eventualhaushalt erst einmal Stabilität wiederzugewinnen und dann die dringend erforderlichen Reformmaßnahmen, die niemand hier bestreiten wird, anzugehen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es war interessant, die Reaktion darauf zu hören. Erst einmal hat der Kollege Schäfer heute von dieser Stelle das wiederholt, was der Herr Bundeskanzler schon einmal hier erklärt hat, nämlich daß wir uns durch unsere Erklärung, man möge diesen Bundeshaushalt jetzt nicht behandeln, sondern der Regierung zurückgeben, weigern würden, den Haushalt 1971 überhaupt anzugehen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Schäfer [Tübingen].)

    Das ist absolut unrichtig. Wir wollten vielmehr mit aller Deutlichkeit klarmachen, daß die Regierung die Aufgabe hat, einen konjunkturgerechten Haushalt vorzulegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Leicht: Wie der § 5 des Stabilitätsgesetzes es vorschreibt!)

    Man wundert sich eigentlich, daß von Ihnen dieser unser konstruktiver Vorschlag heute mit leichter Hand vom Tisch gewischt wird. Wir wissen, daß dieser Vorschlag innerhalb des Kabinetts eine sehr bedeutsame Rolle gespielt hat. In der Mappe des Bundesfinanzministers, so nehme ich an, waren genaue, ausgearbeitete Vorschläge, die etwa dahin gingen, entweder durch gezielte Herausnahmen aus dem Etat 1971 einen Eventualhaushalt zu bilden oder, wie man gehört hat, auch durch eine globale Reduzierung aller verfügbaren Beträge eine solche Aufspaltung zu erreichen.

    (Abg. Leicht: Immerhin 5 Milliarden!)

    Es ist auch klargeworden, daß nur der Ressortegoismus im Kabinett verhindert hat, daß sich diese vernünftige Auffassung durchsetzen konnte.
    Ich möchte jetzt noch einen anderen Punkt ansprechen, weil er in der Debatte immer eine große Rolle gespielt hat. Da wird uns von der SPD immer gesagt: Ja, wenn diese CDU/CSU kürzen will, dann soll sie uns doch sagen, wo sie kürzen will. Es ist schade, daß der Herr Kollege Haehser jetzt nicht da ist; er ist einer der Hauptvertreter dieser Auf-



    Dr. Althammer
    fassung. Sehen Sie, meine Damen und Herren, so jedenfalls kann man eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen Regierungskoalition und Opposition in diesem Hause nicht handhaben,

    (Zuruf von der SPD: Wie denn?)

    daß man selber sagt: Wir wollen 12,6 % Steigerung, wir sind also nicht bereit, mit uns darüber reden zu lassen, konjunkturgerechter zu verfahren, daß man trotz dieser Äußerung aber die Opposition festnageln möchte auf Minderausgaben im Straßenbau, im Wohnungsbau, in der Wissenschaft und wo immer Sie wollen. Ein so vordergründiges, primitives parteitaktisches Spiel

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    zeigt doch, mit wie wenig Ernst Sie überhaupt an dieses Angebot der CDU/CSU herangehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wissen genau wie wir: Wenn man stabilisieren will, dann tut das weh, und wenn man so etwas erreichen will, dann kann man es nur, wenn man gemeinsam willens ist, diesen Weg zu gehen. Aber sich selber davon auszuschließen und zu glauben, man könne uns im Regen stehen lassen mit solchen Vorschlägen, — so primitiv und so parteitaktisch geht das nicht.
    Lassen Sie mich noch ein weiteres sagen. Das ist ja gestern beim Kollegen Junghans angeklungen und heute früh auch wieder beim Kollegen Schäfer. Kollege Schäfer hat dabei auch mich zitiert. Da wird also immer gesagt, die CDU/CSU verlangt auf der einen Seite Einsparungen, auf der anderen Seite stellt sie Anträge, bringt Gesetzentwürfe ein, die Millionen und Milliarden mehr kosten. Und dann fragt man uns: Wie soll das eigentlich miteinander vereinbar sein? — Wir wissen alle, daß das so die parteigängige Argumentation draußen in den Versammlungen ist.

    (Zuruf von der SPD: Das kommt alles in den Eventualhaushalt!)

    Aber bitte, beachten Sie doch eines: Wenn diese Regierung und diese Regierungsparteien sich durch nichts und durch keinerlei Beschwörungen davon abhalten lassen, nun diesen konjunkturwidrigen Weg zu gehen, und wenn auf der anderen Seite nach wie vor das Angebot der CDU/CSU steht, zu jedem Zeitpunkt über all diese Maßnahmen mit sich reden zu lassen, dann ist für Sie doch jetzt der Platz und die Zeit, auf dieses unser Angebot einzugehen. Aber zu glauben, Sie könnten draußen große Erfolgsbilanzen ankündigen, und die CDU/CSU würde es sich versagten, ein politisches Alternativprogramm dazu zu entwickeln, das, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann auch nicht der Weg sein, der hier zu gehen ist.
    Wir haben diese Dinge in konkreten Fällen präzisiert. Wir haben z. B. bei dem angesprochenen Punkt Kindergeldregelung ganz klar gesagt: wir suchen die Deckung in dem Bereich, in dem Sie damals
    Steuererleichterungen gewähren wollten. Wir haben in dieser Woche in der Fraktion beschlossen: Nachdem diese Deckungsmöglichkeit nicht vorhanden ist, werden wir jetzt in unseren Anträgen nur den Teil aufnehmen — in der zweiten und dritten Lesung —, für den wir hier auch Deckung vorsehen können. Die anderen Dinge müssen wir leider Gottes, weil Sie nicht bereit sind, auf diesem Gebiet einen Schritt weiterzugehen, zurückstellen. Genauso ist es auch in anderen Bereichen. Wir verhalten uns auch bei der politischen Programmatik verantwortungsvoll, und wir haben Ihnen dieses Angebot unterbreitet — und ich tue es weiterhin —, daß wir jederzeit bereit sind, gemeinsam mit Ihnen, wenn Sie Veranlassung dazu sehen, ein Stabilisierungsprogramm durchzuführen.

    (Abg. Leicht: Hätten Sie es beim Haushalt 1970 gemacht, wären wir heute weiter!)

    Meine Damen und Herren, wenn Sie dazu nicht bereit sind, werden Sie im nächsten Jahr ein bitteres Erwachen erleben. Sie brauchen ja nur einmal in die mittelfristige Finanzplanung hineinzusehen. Was finden Sie dort? Sie finden dort die Finanzierung all der Vorhaben für die nächsten vier Jahre mit einer Verschuldungsrate, die bei über 8 Milliarden DM im Jahre 1971 beginnt und bis 1974 auf über 16 Milliarden DM ansteigt.

    (Abg. Leicht: Dafür wird der Staatsbürger Eigentümer der Straßen!)

    Wenn man die Frage stellt, wie denn diese Schulden überhaupt auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden sollen, dann liest man dort, daß die Regierung erwarte, die Sparneigung der deutschen Bevölkerung werde sich fortsetzen und aus der steigenden Sparrate werde diese staatliche Schuldaufnahme ermöglicht werden können. Gleichzeitig steht dort, daß man das deutliche Anwachsen der Steuereinnahmen erwarte, z. B. im Bereich der Einkommen- und Lohnsteuer in diesen vier Jahren allein ein Anwachsen um über 50 %, nämlich um 51,4 %. Gleichzeitig ist dort festgehalten, man gehe davon aus, daß der private Verbrauch reduziert und der öffentliche Verbrauch ausgeweitet werde.
    Nun stelle ich Ihnen die Frage, meine sehr verehrten Damen und Herren: In welcher Verfassung muß eigentlich unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik sein, damit Sie solche Ziele realisieren können? Doch nicht so, wie es im Moment aussieht — das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut des Herrn Arndt in Berlin hat das jetzt wiederum festgehalten : mit einer erwarteten Steigerungsrate der Kaufpreise im nächsten Halbjahr von zwischen 4 und 5 %! Wenn Sie davon ausgehen, daß die Sparneigung unserer Bevölkerung, die jetzt erwiesenermaßen rückläufig ist, wieder zunehmen soll, dann müssen Sie dafür doch erst die Grundlage der Stabilität schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn Sie das nicht tun wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden Sie auch nicht die Möglichkeit haben, Ihre Programme zu realisieren, sondern dann wird sich das fortsetzen, was sich jetzt schon abzeichnet: daß Sie große Auswei-



    Dr. Althammer
    tungen beschließen und mit herrlichen Geldausgaben arbeiten. Wenn man dann aber fragt, wie viele Straßen, wie viele Schulen, wie viele Universitäten damit gebaut worden sind, dann werden Sie feststellen müssen, daß trotz dieser riesigen Geldausweitungen nicht mehr, sondern weniger gebaut wird.
    Es gibt einen konkreten Weg, wie wir unserem Ziel der Stabilisierung näher kommen können. Ich möchte nur einen Aspekt hier aufzeigen. Es gibt Investitionsprogramme der deutschen Bundesregierung. Die alte Regierung hat durch Finanzminister Strauß das Investitionsprogramm des Bundes bis zum Jahre 1972 vorgelegt. In diesem Investitionsprogramm ist eine Alternativrechnung enthalten, wie die Investitionen in diesen Jahren laufen müssen, wenn man sich expansiv verhalten will, und wie sie gestaltet werden können, wenn man sich restriktiv verhalten will. Ich habe diese Ausführungen hier und darf nur eine Stelle mit Genehmigung des Herrn Präsidenten hier vortragen. Da heißt es:
    Insgesamt erscheint das Bild der technischen Möglichkeiten einer kontraktiven Politik recht günstig. Von den für 1969 vorgesehenen Ausgaben für Eigeninvestitionen ... könnten Aufträge im Gesamtwert von 11 Milliarden DM grundsätzlich aufgeschoben werden.
    So damals die Alternativrechnung für das Investitionsprogramm des Bundes bis 1972 von Finanzminister Strauß.
    Nehmen Sie nun zum Vergleich dazu bitte das neue Investitionsprogramm des Finanzministers Möller vom 18. September 1970. Auch daraus darf ich einige Zeilen zitieren:
    Der Wert des vorliegenden, erstmals gemäß § 50 Abs. 5 des Haushaltsgrundsätzegesetzes den gesetzgebenden Körperschaften vorzulegenden Programms liegt vor allem in den Informationen zur Struktur der Investitionsausgaben. Diese Informationen sind erforderlich, um sachgerechte Entscheidungen im Sinne einer eventuell erforderlichen konjunkturellen Stabilisierung treffen zu können.
    So steht es hier.
    Nun fragen Sie natürlich: Wo sind die Vorschläge, um solche Gestaltungen zur Stabilisierung treffen zu können? Sie finden an konkreten Vorschlägen keine einzige Zeile, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es ist doch sehr interessant, diesen Vergleich einmal anzustellen und zu sehen, wie die neue Regierung mit all ihren großen Ansprüchen, die sie in der Regierungserklärung angemeldet hat, sich nun konkret bei der Bedienung des Parlaments mit solchem Werkzeug verhält.
    Daraus ziehen wir eine ganz konkrete Schlußfolgerung, die sich an unseren Vorschlag anschließt, den wir nach wie vor aufrechterhalten, einen Kernhaushalt und einen Eventualhaushalt für 1971 zu schaffen. Diese Schlußfolgerung würde lauten, daß man sofort nach Überweisung des Bundeshaushalts 1971 an den Haushaltsausschuß und nach der
    Vorlage dieses Investitionsprogramms die Bundesregierung veranlaßt, die Alternativrechnung, die vorgesehen ist, nachzuholen, um uns damit das Material an die Hand zu geben, damit ein solcher Kernhaushalt und Eventualhaushalt realisiert werden kann. Das ist eine Verpflichtung, die nach § 50 des Haushaltsgrundsätzegesetzes der Bundesregierung obliegt. Wenn man das jetzt sofort in Angriff nimmt, dann hätten wir die Möglichkeit, wenigstens jetzt, nachdem es vom Juli dieses Jahres an bisher nicht geschehen ist, die Voraussetzungen für ein konjunkturgerechtes Verhalten zu schaffen.
    Wenn Sie das wiederum ablehnen und sagen: Bis zum Januar 1971 geschieht hier nichts, als daß wir Beschwörungsformeln vortragen, daß die Konjunktur ja schon Anzeichen zeige, daß sie zurückgehen werde usw., dann — das möchte ich Ihnen heute schon sagen — tragen Sie die Verantwortung dafür, daß weitere vier Monate keine Vorbereitungen getroffen werden, wirksame Stabilisierungsmaßnahmen beschließen zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich meine, es wäre nicht der richtige Weg, sich jetzt geruhsam aufs Ohr zu legen und zu warten, bis der Februar 1971 erreicht ist, um dann vielleicht sich eine Liste der Bundesregierung in den Ausschuß schieben zu lassen und das dann schnell zu beschließen. Die Arbeit müßte jetzt, heute und morgen, beginnen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht nur die Opposition wird Ihnen die Frage stellen, wie Sie auf diese unsere konkreten Vorschläge reagieren. Ich glaube, auch unser ganzes deutsches Volk wird aufmerksam verfolgen, wie Sie sich in diesen Monaten, in dieser Situation, verhalten, und es wird — genauso wie wir — sein Urteil davon abhängig machen, ob Sie wenigstens jetzt bereit sind, Ihren Beitrag zur Stabilität zu leisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Hermann Schmitt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seidel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Max Seidel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erste Lesung des Bundeshaushalts 1971 ist mit viel Zeitaufwand betrieben worden. Mit dieser Feststellung erhebe ich keine Kritik; denn ich setze voraus, daß alle Beteiligten am Ende den Eindruck gewonnen haben, daß dieser Zeitaufwand notwendig war, um die Standpunkte — hier Koalition, dort Opposition — deutlich gegeneinander abzuklären. Sollte das erreicht worden sein, wäre die aufgewandte Zeit nicht vertan. Eine solche Klärung der Standpunkte käme ja auch den Mitgliedern des Haushaltsausschusses zugute, die nun in die Einzelberatung des Etats eintreten müssen.
    Nach all dem Streit über die Grundkonzeption des Haushalts 1971 wird sich bei der Beratung und Entscheidung über die Einzelpositionen erweisen, wer was will. Über die Ergebnisse dieser Beratung wird das Hohe Haus in der zweiten und dritten Lesung



    Seidel
    entscheiden. Ob das noch in diesem Jahr oder erst Anfang 1971 geschehen kann, ist zur Zeit noch ungewiß. Auf jeden Fall wird die Verabschiedung des Bundeshaushalts dank der zeitgerechten Vorlage des Haushaltsentwurfs früher erfolgen als in den vorhergegangenen Jahren.
    Meine Damen und Herren, wenn wir einmal von den Begleiterscheinungen der ersten Lesung absehen, so läßt sich der Gegensatz von Koalition und Opposition in der Beurteilung des Bundeshaushalts nach meiner Auffassung vereinfacht in zwei Fragen darstellen. Erstens: Kann mit dem Instrument „Bundeshaushalt" die Konjunktur entscheidend gesteuert werden? Zweitens: Ist die Ausweitung des Haushalts 1971 um 12 % gegenüber dem Haushalt 1970 gerechtfertigt?
    Ich versuche, auf diese zwei Fragen kurz zu antworten. Wie jedermann in diesem Hohen Hause weiß, sieht das „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" mehrere Maßnahmen zur Steuerung der Konjunktur vor. Diese Maßnahmen, Herr Dr. Althammer, beziehen sich nicht allein auf die Ausgabenseite, sondern zum Teil auch auf die Einnahmenseite der öffentlichen Haushalte. Es dürfte wohl jedem klar sein, daß eine radikale Ausgabenbeschränkung im Bundeshaushalt als Mittel zur Steuerung der Konjunktur sich von selbst verbietet, weil sie aller staatspolitischen Vernunft widerspräche. Eine solche Beschränkung hat gewiß niemand direkt gefordert, aber die intensiven Attacken gegen die Haushaltsführung 1970 und die haushaltspolitische Konzeption für 1971 erwecken bei vielen Bürgern den Eindruck, als ob die Höhe des Bundeshaushalts allein den Konjunkturablauf bestimmte. Dieser Eindruck, den Teile der Opposition erweckt haben, beinhaltet die Gefahrenquelle einer politischen Irreführung ersten Ranges.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wie sieht die Wirklichkeit aus, meine Damen und Herren? Von dem Haushaltsvolumen 1971 in Höhe von rund 100 Milliarden DM dürften wesentlich weniger als 10 Milliarden DM, zum gegenwärtigen Zeitpunkt möglicherweise kaum mehr als 7 Milliarden DM gesetzlich oder vertraglich nicht gebunden sein. Allein die Hälfte dieser formalrechtlich noch als beeinflußbar anzusehenden Ausgaben entfällt dabei auf den Bereich der militärischen und der zivilen Verteidigung. Außerdem sind wesentliche Beträge nur noch im Verkehrs- und Landwirtschaftshaushalt denkbar. Mit den Bereichen der Wirtschaftsförderung, des Städtebaus und Wohnungswesens, der Entwicklungshilfe und der wissenschaftlichen Forschung hätten wir dann praktisch die Haushalte erfaßt, die für die Aufstellung eines Eventualhaushalts, den die Opposition fordert, die 3 bis 4 Milliarden, also die überhaupt zu Buche schlagenden Beträge, erbringen könnten. Der zahlenmäßige Streitpunkt zwischen Regierung und Opposition liegt demnach bestenfalls bei 3 bis 4 Milliarden DM. In welchem Verhältnis bei konjunkturpolitischer Betrachtungsweise aber stehen diese Zahlen zu den 100 Milliarden DM im Bundeshaushalt und in welchem Verhältnis weiterhin zum Bruttosozialprodukt
    von der geschätzten Summe des Jahres 1971 mit 726 Milliarden DM?

    (Abg. Leicht: Haben Sie schon einmal was von Psychologie gehört? — Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein: Die Signalwirkung!)

    Wenn die Opposition sich so am Schema Kern- und Eventualhaushalt festbeißt, weil dies anscheinend ihr Patentrezept zur konjunkturpolitischen Haushaltsführung ist, so müßte sie doch das zur Kenntnis nehmen, was die Bundesregierung bei der Einbringung des Haushalts 1971 erklärt hat — ich zitiere —:
    Sollte sich die Beruhigung der Konjunktur verzögern, so wird das Kabinett dem Deutschen Bundestag die der Lage gemäßen Maßnahmen vorschlagen.
    Daraus sehen Sie doch, daß wir darüber mit uns reden lassen. Das ist doch hier klar und deutlich ausgedrückt worden.

    (Abg. Windelen: Warum denn nicht jetzt schon?)