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ID0606303100

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    Deutscher Bundestag 63. Sitzung Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970 Inhalt: Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 3471 A Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer (SPD, FDP) (Drucksache VI/ 1013) ; Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Druckache VI/1030), Mündlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache VI/1029) — Zweite und dritte Beratung — in Verbindung mit Mündlicher Bericht des Finanzausschusses über die von der Bundesregierung beschlossene Zweite Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen (Drucksachen VI/1013, VI/1031); Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Drucksache VI/1032) und mit Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. konjunkturpolitische Dämpfungsmaßnahmen (Drucksachen W1025 [neu], VI/1033) Krammig (CDU/CSU) 3471 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 3474 A Frau Funcke (FDP) 3476 A Hermsdorf (Cuxhaven) (SPD) . . 3478 B 3498 A Strauß (CDU/CSU) 3481 A Kirst (FDP) 3488 C Dr. Apel (SPD) 3491 C Dr. Schiller, Bundesminister . . 3494 A Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 3496 A Nächste Sitzung 3498 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 3499 A Anlage 2 Änderungsantrag Umdruck 73 der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer (Drucksachen VI/1013, VI/1029) 3499 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970 3471 63. Sitzung Bonn, den 11. Juli 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.36 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Abelein 11.7. Dr. Achenbach * 11.7. Adams * 11.7. Dr. Aigner * 11.7. von Alten-Nordheim 11,7. Dr. Artzinger * 11.7. Baier 11.7. Dr. Barzel 11.7. Dr. Becher (Pullach) 11.7. Behrendt * 11.7. Benda 11.7. Dr. Burgbacher * 11.7. Dr. Czaja 11.7. Dr. Dittrich * 11.7. Dichgans * 11.7. Dröscher * 11.7. Faller * 11.7. Fellermaier * 11.7. Flämig * 11.7. Dr. Furler * 11. 7. Gewandt 11.7. Gerlach (Emsland) * 11.7. Dr. Gradl 11.7. Haage (München) * 11. . Dr. Hein * 11.7. Frau Dr. Henze 11.7. Dr. Hupka 11.7. Dr. Jahn (Braunschweig) * 11.7. Dr. Jäger 11.7. Klinker * 11.7. Katzer 11.7. Dr. Kley 11.7. Dr. Koch * 11.7. Frau Krappe 11.7. Kriedemann * 11.7. Dr. Freiherr von Kühlmann-Stumm 11.7. Lange * 11.7. Lautenschlager * 11.7. Kiep 117. Lemmer 11.7. Lenze (Attendorn) 11.7. Liehr 11.7. Dr. Lohmar 11.7. D. Löhr * 11.7. Lücker (München) * 11.7. Dr. Martin 11.7. Meister ' 11.7. Memmel ' 11.7. Müller (Aachen-Land) * 11.7. Ollesch 11.7. Frau Dr. Orth * 11.7. Picard 11.7. Pieroth 11.7. Porzner 11.7. Richarts ' 11.7. Riedel (Frankfurt) * 11.7. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Schmidt (Braunschweig) 11.7. Schmidt (Würgendorf) 11.7. Schneider (Königswinter) 11.7. Schröder (Wilhelminenhof) 11.7. Schulhoff 11.7. Schwabe * 11.7. Dr. Schwörer * 11.7. Seefeld * 11.7. Springorum * 11.7. Dr. Starke (Franken) * 11.7. Frau Dr. Walz 11.7. Dr. Freiherr von Weizsäcker 11.7. Werner * 11.7. Dr. Wörner 11.7. Wolfram * 11.7. Wohlrabe 11.7. Anlage 2 Umdruck 73 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer - Drucksachen VI/1017, VI/ 1029 -. Der Bundestag wolle beschließen: 1. Das Gesetz erhält die Bezeichnung „Gesetz über die Erhebung eines rückzahlbaren verzinslichen Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer". 2. In § i Abs. 2 wird in Satz 1 hinter dem Wort „rückzahlbaren" das Wort „verzinslichen" eingefügt. 3. In § 1 wird folgender Absatz 5 a eingefügt: „(5 a) Der Konjunkturzuschlag ist bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung und spätestens mit der Rückzahlung zu verzinsen. § 5 des Steuersäumnisgesetzes gilt entsprechend. Das Nähere bestimmt der Bundesminister der Finanzen durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf." 4. In § 3 Abs. 1 erhält Satz 2 folgende Fassung: „Die Freigabe gilt auch ohne Erlaß einer Rechtsverordnung spätestens als am 30. Juni 1972 erfolgt." Bonn, den 10. Juli 1970 Stücklen, Dr. Stoltenberg und Fraktion BT 1768 - 7.70 Für die Teilnahme an einer Sitzung des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf meine Ausführungen zur dritten Lesung mit einer ganz einfachen Frage einleiten: Warum eigentlich die dramatische Aufführung einer Sondersitzung des Bundestages?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was hat sich, seit das Parlament in Urlaub gegangen ist, an der Konjunktursituation geändert? Konnte man nicht rechtzeitig das Richtige tun, und muß man hier in dieser Weise verfahren, um eines zu beweisen, verehrter Herr Bundeskanzler: daß dieser Staat noch nie so schlecht regiert worden ist wie in den letzten acht Monaten?

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Oh-Rufe bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf zur Debatte von gestern noch einige Anmerkungen machen. Sie haben gestern bestritten, Herr Bundeskanzler, daß man vor den Landtagswahlen vom 14. Juni Steuersenkungen versprochen habe. Sie haben eine beabsichtigte Frage des Kollegen Stücklen nicht zugelassen. Was war denn in der Regierungserklärung zu lesen? Was ist denn in den darauf folgenden Monaten laufend versprochen worden? Was ist denn im Finanzausschuß am 6. Juni passiert? Da hat der Kollege Pohle den Antrag gestellt, dieses Gesetz über die Verdoppelung des Arbeitnehmerfreibetrages und den stufenweisen Abbau der Ergänzungsabgabe wegen seiner konjunkturpolitischen Unmöglichkeit zurückzustellen und im Herbst noch einmal darüber nachzudenken. Da sind wir doch mit 17 : 16 Stimmen niedergestimmt worden.

    (Abg. Rasner: Der Wahlen wegen! — Zuruf des Abg. Leicht. — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Mit 17 : 16 Stimmen niedergestimmt worden. Aber das waren eben acht Tage vor den Wahlen vom 14. Juni. Am 19. Juni ist dieser Gesetzentwurf doch infolge des Antrags der Bundesregierung auf die Tagesordnung gesetzt worden. Und am 19. Juni hat der dafür an sich — so darf ich sagen — nur in Mini-Kompetenz zuständige Bundeswirtschaftsminister den Antrag gestellt, diesen Gesetzentwurf aus genau den gleichen Gründen, die Pohle im Finanzausschuß genannt hat, abzusetzen und die Beratung bis zum Herbst zu verschieben.

    (Abg. Rawe: Wie ein armer Sünder!)

    Wie können Sie, Herr Bundeskanzler, Glaubwürdigkeit beanspruchen, wenn Sie sagen: Wir haben doch
    vor den Wahlen nie Steuersenkungen versprochen!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir sind doch auch in diesem Wahlkampf gewesen. Wir haben doch auch die Zwischenrufe gehört. Wir haben doch auch Diskussionen bestritten, und wir haben uns vorwerfen lassen müssen, daß die Regierung dem Arbeitnehmer das berechtigte Geschenk — soziale Symmetrie — des Arbeitnehmerfreibetrags geben wolle und die böse CDU/CSU ihm das offensichtlich nicht gönne. Wochenlang ist man damit durchs Land gezogen, und wochenlang haben wir uns das anhören müssen. Kaum waren die Wahlen vorbei, haben Sie etwas getan, was für Ihr Pflichtbewußtsein spricht, nämlich ganz groben Unfug unterlassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ein weiteres, Herr Bundeskanzler. Sie haben gestern davon gesprochen, daß es in der Nationalökonomie keine naturwissenschaftlichen Gesetze gebe. Die Erkenntnis ist richtig. Herr Kollege Schiller hat zwar mehrere Male ein Kolloquium — wie hieß es damals? — privatissime et gratis angeboten. Ich darf ihm heute Nachhilfeunterricht „publicissime et gratis" erteilen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben doch nie mit der blinden Besessenheit von Promille-Gläubigen immer tierumgerechnet mit Zahl, Komma, erste Stelle hinter dem Komma, zweite Stelle auch noch sehr zuverlässig, erst mit der dritten Stelle beginnt die Kraft der Prognostik schwächer zu werden. Es hat doch nie etwas gestimmt, es war doch immer alles falsch, was gesagt worden ist. Man hat 1967 zu optimistisch geschätzt, 1968, 1969, 1970 zu pessimistisch geschätzt. Aber in einem waren wir uns immer sicherer als die Bundesregierung, nämlich im Trend. Noch in der alten Koalition hat man geglaubt, die Konjunktur sei ein schwaches Kind, das gehegt und gepflegt, gehätschelt und gepäppelt werden müßte,

    (Abg. Dr. h. c. Kiesinger: Nicht alle haben es geglaubt!)

    in Wirklichkeit war es schon ein ganz kräftiger Bengel, der das Kinderbett allmählich zerschlagen hat.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Ich könnte darüber noch einige Aussagen machen,

    (erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    aber besser nicht mehr, weil ich ja nicht politische Archäologie treiben will.
    Natürlich gibt es hier keine naturwissenschaftlichen Gesetze, Herr Bundeskanzler. Aber es gibt Gesetze der wirtschaftlichen Vernunft, die von dieser Bundesregierung gröblich mißachtet worden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat uns gestern den Ernst der konjunkturellen Lage deutlich zu machen versucht. Sicher war das sehr interessant. Er hat den anhaltenden Nachfrageüberhang in der Wirtschaft, die Lohnkostensteigerungen, die von der Bundesbank als gefährliche Lohnexplosion bezeichnet worden sind, erwähnt. Er hat auch die bekannten Zahlen über die alarmierende Preisentwicklung ohne Beispiel in den letzten 20 Jahren angeführt. Haben denn wir nicht seit Monaten darauf hingewiesen?
    3482 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970
    Strauß
    Ich möchte es einmal sehr deutlich sagen. Die Frage, ob diese Maßnahmen richtig oder falsch sind, stellt sich deshalb nicht, weil es im wirtschaftlichen Ablauf einen Zeitpunkt gibt, bei dem jede Maßnahme richtig und falsch zugleich ist, weil sie nicht mehr greift, weil sie das Unheil nicht mehr zu ändern vermag. Wir haben einen — wenn Sie mir den Vergleich erlauben — aerodynamischen Zustand erreicht, in dem die Wirtschaft ins Trudeln geraten ist und die Betätigung der Ruder nicht mehr den Erfolg herbeiführt, der bei rechtzeitigem Eingreifen todsicher gewesen wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben damals bei der Regierung keinen rechten Eindruck erweckt, als wir verlangten, zu handeln, und unsere Mithilfe — siehe die Reden des Kollegen Barzel — anboten, so frühzeitig anboten, daß es noch rechtzeitig gewesen wäre. Leider ist das nicht geschehen. Jetzt ist das Parlament in Urlaub gegangen. Nach 14 Tagen kommt die große Erleuchtung. Herr Kollege Schiller, ich möchte es humorvoll sagen — ich habe das letzte Mal die berühmte Geschichte von Ludwig Thoma zitiert —: Offensichtlich ist jetzt der Dienstmann mit der göttlichen Erleuchtung bei der Bundesregierung angekommen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Bei Ihnen kam er nie an!)


Rede von Dr. Friedrich Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte nur einmal einen Punkt herausgreifen. Be- reits im Nachtrag zum Jahreswirtschaftsbericht, der im Mai, also vor zwei Monaten, von der Bundesregierung unter Berücksichtigung eines Sondergutachtens des Sachverständigenrates beschlossen worden ist, werden für die Preisentwicklung des privaten Verbrauchs für das gesamte Jahr 1970 Preissteigerungen von rund 4 % vorausgesagt. Herr Bundeskanzler, das war doch etwa zum gleichen Zeitpunkt, wo Sie die Rede in Hannover gehalten haben. In dieser Rede in Hannover haben Sie erklärt: Wenn 4 % erreicht werden, dann wird es allerdings ernst werden.

(Abg. Unertl: 4 Promille Whisky?)

— Wenn 4 % Preissteigerungen erreicht werden, dann wird es ernst werden. Damit es eben nicht ernst zu werden braucht, muß man doch, wenn man schon weiß, daß es 4 % werden, rechtzeitig etwas tun, damit es nicht 4 % werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nicht nur in der Außenpolitik, auch in der Innenpolitik gibt es doch keine faktenersetzende Kraft des Phraseologischen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Si tacuisses!)

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Mit magischen Beschwörungsformeln ist doch hier nichts auszurichten.
    Bis zum April betrug die durchschnittliche Steigerungsrate gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum etwa 3,5 %. Man kann aus diesem Regierungsdokument also entnehmen, daß für die restlichen Monate des Jahres eine durchschnittliche Preissteigerung von 4,3 bis 4,4 % erfolgen müsse. Die gestern von Herrn Schiller genannte Steigerungsrate der Lebenshaltungskosten von 3,8 % kann demzufolge doch für die Regierung keine Überraschung sein. Dieser Jahresvergleich ist übrigens falsch. Er bezieht nämlich die Monate ein, in denen wir noch eine relativ hohe Preisstabilität hatten. Wenn man die Entwicklung der letzten acht Monate zugrunde legt, den Zeitraum dieser Regierung, die einer inflatorischen Mentalität in der öffentlichen Finanzwirtschaft und in der privaten Wirtschaft Tür und Tor geöffnet hat,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und wenn man die Kurve, die sich hier ergibt, auf die nächsten vier Monate vorausprojiziert, dann ergibt sich der echte Jahresdurchschnitt. Der liegt über 4 °/o bei den Lebenshaltungskosten und bei den privaten Verbraucherpreisen, und er liegt erheblich über 7 °/o bei den industriellen Erzeugerpreisen. Von den Baupreisen wollen wir aus Gründen der christlichen Nächstenliebe in diesem Zusammenhang schon beinahe nicht mehr reden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es drängt sich mir wirklich auf: Was hat man im Jahre 1966 gegenüber der Regierung Erhard ausgeführt! Man hat gesagt, 3,7 % Preissteigerung seien unerträglich. Damals betrug die Steigerung der industriellen Erzeugerpreise 1,7 %. Industrielle Erzeugerpreise pflegen eine Leitfunktion auszuüben, und wenn ihre Steigerungsrate heute bei 7 % liegt, dann beweist das, daß die privaten Verbraucherpreise, deren Steigerungsrate um 4 % herum liegt, noch weiter steigen müssen und weiter steigen werden, weil sie nachgezogen werden. Dabei sind in diesem Jahr das kann man im Bundesbankbericht nachlesen und auch in der Rede, die Herr Klasen vor einigen Tagen in Bad Berneck gehalten hat — die Lebensmittelpreise eher geeignet, den Durchschnitt nach unten zu drücken, während damals wegen der abnorm schlechten Witterung im Jahre 1966 die Lebensmittelpreise den Durchschnitt der Verbraucherpreise nach oben gedrückt haben. Darum war es auch im Jahre 1967 dann möglich, in einer sehr jähen Wende — und Sie werden die Wende auch noch erleben, Sie werden erleben, daß die Periode der falschen Alternativen zu Ende geht — sehr schnell wieder Preisstabilität herbeizuführen.
    Im Lande draußen wird damit operiert — Sie,
    Herr Bundeskanzler, operieren leider auch damit —, als ob es das Problem gäbe „Wachstum oder Stabilität". Ich hoffe, daß dieses Wort: Wachstum oder Stabilität von jemandem, der ernst genommen werden will, überhaupt nicht mehr in den Mund genommen wird, weil es Unsinn ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich habe an dieser Stelle nicht selten erklärt, daß ohne ein ausreichendes Wachstum, zu dem wir uns ja aus einer ganzen Reihe von Gründen sozusagen automatisch bekannt haben, die Stabilität nicht aufrechterhalten werden kann, daß aber ohne ein ausreichendes Maß an Stabilität — in Ihrer Größenordnung, Herr Kollege Schiller, 1 % im Jahr; 1 %
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970 3483
    Strauß
    war Ihre magische Rate, das wird der Traum Ihres Lebens und Alters sein —

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    auch Wachstum auf die Dauer nicht erzielt werden kann. Es gibt nämlich, Herr Bundeskanzler, auch nicht die Alternative: Rezession oder Inflation. Man kann durch eine inflationäre Praxis, die ihrerseits wieder eine inflationäre Mentalität erzeugt, die ihrerseits wieder die inflationäre Praxis begünstigt, eines erreichen, was wir in gewissen Ländern heute erleben, nämlich Rezession und Inflation über eine ganze Wegestrecke gleichzeitig nebeneinander.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist doch nicht wahr, wie man immer wieder versucht hat der Öffentlichkeit weiszumachen — und einmal kommt ja das Ende aller schöner Worte —, daß wir mit einer Politik der Konjunkturdämpfung, mit der Mahnung, etwas zu tun, dem Arbeitnehmer zu Leibe rücken und ihm die Vollbeschäftigung zerschlagen wollten. Was hier gesagt worden ist, daß drei Ziele von den vier des Magischen Vierecks erreicht seien, ist schlechterdings falsch. Wir haben nämlich keine Vollbeschäftigung; wir haben eine übertriebene Situation, die gnauso schädlich ist wie das Gegenteil dieser Situation.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben auch keine Preisstabilität. Das behauptet ja sowieso niemand mehr. Wir haben auch kein außenwirtschaftliches Gleichgewicht; denn wir haben doch in diesem Jahr nach den letzten uns zur Verfügung stehenden Zahlen denselben Exportüberschuß wie im Jahre vorher: in den ersten vier Monaten im vorigen Jahr 4,1 Milliarden DM, in diesem Jahr 4,1 Milliarden DM.
    Was wir haben, ist dies: Von ,den vier Beinen halten drei überhaupt nicht und das vierte mit dem Wachstum wackelt, weil nämlich der Unterschied zwischen dem realen Zuwachs des Sozialprodukts und dem nominalen Zuwachs zu groß ist, weil hier eine Geldentwertung eingesetzt hat, die in der Geschichte der Bundesrepublik ihresgleichen sucht und die bei uns bisher unbekannt gewesen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Woher kommt es denn, daß die Sparrate zurückgeht? Doch nicht deshalb, weil die Leute, die unbestreitbar mehr einnehmen als im letzten Jahr, alles für das Leben ausgeben müßten. Das behaupten wir nicht. Herr Bundeskanzler, Ihre etwas rührend einfache Argumentation, die uns früher von Ihnen um die Ohren gehauen worden wäre, hieß: was wollen Sie denn, den Leuten geht es doch gut, sie haben doch keinen Grund, sich zu beklagen! Wir behaupten gar nicht, daß die Leute Grund hätten, sich zu beklagen. Im Augenblick lebt es sich relativ gut. Aber die Entwertung oder praktisch Enteignung, geradezu Konfiskation hat den Sparer und den Bausparer in einer Weise getroffen, wie es in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig ist und hoffentlich einmalig bleibt.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Warum wird denn bei einer Erhöhung der Einkommen, der Selbständigen sowohl als vor allem auch der Unselbständigen, um 14 bis 15 °/o und einer Kaufkraftvermehrung von rund 40 bis 45 Milliarden DM erheblich weniger gespart als im letzten Jahr? Darauf gibt es nur eine einzige Antwort, und die kann man nicht mit Zahlen und Prognosen und Statistiken und Gesetzen naturwissenschaftlicher oder nichtnaturwissenschaftlicher Art aus der Welt schaffen. Hier ist nämlich das Ende aller Zahlengläubigkeit, wenn ein Vertrauensschwund eingetreten ist; und der Vertrauensschwund ist eingetreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Etwas läßt sich nämlich nicht quantifizieren, und das ist der Begriff Vertrauen in der Wirtschaft. Der Begriff Vertrauen in der Wirtschaft hängt auch zusammen mit Vertrauen in die Solidität der Regierung.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Hier ist dieses Vertrauen, auch in den Reihen Ihrer eigenen Wähler, im Laufe der letzten Monate zunehmend geschwunden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man glaubt, daß wir jetzt auch den Weg des leichten Geldes gehen, den Weg der inflationären Mentalität, den Weg der inflationären Praxis.
    Wenn wir uns schon einmal — leider — zu einer Sondersitzung hier zusammenfinden müssen — die doch wir nicht verschuldet und herbeigeführt haben —, dann muß man doch eines sagen: Herr Bundeskanzler, Sie können auf die Dauer nicht der Öffentlichkeit das moderne Deutschland der ganz großen Reformen plus Geldwertstabilität in einem versprechen. Sie werden beides nicht mehr erreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat gestern zum Ausdruck gebracht, daß diese Entwicklung — Preisauftrieb usw. — nicht weiter nur mit Nichtstun beantwortet werden darf. Genau der Meinung, Herr Kollege Schiller, waren wir auch, waren wir immer und sind wir auch heute noch. Nur sind wir heute der Meinung: zu spät und in dieser Form nicht ausreichend. Zu spät und in der Form nicht ausreichend, weil man nämlich das heiße Eisen nicht anfaßt. Herr Kollege Hermsdorf, ich habe Sie ganz genau verstanden! Das Problem ist ja auch nicht neu, daß derjenige, der zum Sparen auffordert, dann sagen soll, wo gespart werden muß. Wenn wir dann sagen, wo, gehen Sie hinaus und sagen: „Wir sparen nicht, und deshalb ersparen wir euch alle diese Opfer und Leiden und Verzichte, die euch diese Partei, die jetzt in der Opposition ist, sonst zugemutet hätte."

    (Zuruf von der CDU/CSU: Alter Trick! — Zurufe von der SPD.)

    Wir sagen nur, daß im Vollzug des Haushalts 1969, in der Gestaltung des Haushalts 1970 und in der Ankündigung des Haushalts 1971 inflatorische Impulse stecken.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    3484 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970
    Strauß
    In Zeiten einer starken privatwirtschaftlichen Konjunktur muß eben eine Regierung ganz kleine Brötchen backen, darf sie nicht mit großen Versprechen und Ankündigungen für die Öffentlichkeit reden. Da liegt für Sie, Herr Bundeskanzler, der Hund begraben; genau da: daß Sie Dinge versprechen, die zusammen nicht eingehalten werden können. Das ist jetzt eingetreten, und darum sind wir hier. Wenn ich spreche, dann doch nicht, um Sie zu ärgern oder um mich zu langweilen, sondern deshalb, weil wir kein Verständnis haben für eine Politik, die Monate hindurch die Fakten ignoriert, mit schönen Beschwichtigungsformeln die Wirklichkeit ändern will, um dann dramatisch eine Sondersitzung einzuberufen, in der man — ut aliquid fieri videatur — so tut, als ob man jetzt erst Grund hätte, etwas tun zu müssen; und das ist eben falsch.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Schiller, noch .am 3. Juni 1970 haben Sie — ich kann Ihnen ja wirklich nicht, gerade wegen Ihrer Bereitschaft, mir unentgeltlich Unterricht zu erteilen, mangelnde volkswirtschaftliche Kenntnisse zugute halten — doch wider besseres Wissen die von Ihnen selbst gestellte Frage beantwortet: „Reichen die Maßnahmen der Bundesregierung und der Bundesbank für die Stabilisierung des Preisniveaus aus?" So am 3. Juni; so ist die Frage von einem Mitglied, und zwar dem in diesem Falle kompetenten Mitglied, der Bundesregierung gestellt worden. Die Antwort hieß: „Ja, sie reichen aus." Am 3. Juni! Heute haben wir den 11. Juli. Was ist i in den sechs Wochen an grundlegenden Änderungen eingetreten, daß die Antwort von damals heute nicht mehr stimmt?

    (Zurufe von der CDU/CSU: Landtagswahlen!)

    — Ich höre soeben, daß am 14. Juni Landtagswahlen stattgefunden haben.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Das ist allerdings eine Erklärung, die — — nun ja. Herr Kollege Schiller hat am 3. Juni 1970 noch erklärt, daß es nicht zu verantworten wäre, die schärfsten Waffen der Konjunkturdämpfung — das sind die heute von derselben Regierung beantragten Steuermaßnahmen — einzusetzen; es wäre nicht zu verantworten. Warum ist es denn heute zu verantworten? Was ist in der Zwischenzeit eingetreten, daß das, was damals unverantwortlich war, heute im pflichtbewußten Handeln für die Stabilität der Währung höchste Pflicht der Regierung ist?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Wahl ist vorbei!)

    Das kann doch wirklich kein Mensch mehr verstehen. Ich bemühe mich, auch eine falsche Politik zu verstehen, weil auch eine falsche Politik eine bestimmte ratio hat. Aber überhaupt keine Politik kann man nicht verstehen, weil sie eben keine ratio mehr hat. Da hört es eben auf.

    (Beifall der CDU/CSU.)

    Kollege Schiller hat damals noch den Eindruck zu erwecken versucht, daß Steuererhöhungen nicht in
    Betracht gezogen würden, sondern — ich zitiere wörtlich — „auch die letzte Phase der konjunkturellen Anspannung mit marktwirtschaftlichen Mitteln überwunden" werde.

    (Abg. Dr. Apel: Aber die ist doch marktwirtschaftlich! Hören Sie mal!)

    — Ja, er hat doch damals, hieber Kollege Apel, genau das Nein ausgesprochen. Wenn die Opposition sich heute so verhalten würde, wie Ihr eigener Wirtschaftsminister vor wenigen Wochen dringend empfohlen hat, dann müßten wir nein sagen zu diesen Maßnahmen, die „nicht verantwortbar" sind. Das ist doch der Sinn meiner Ausführungen: daß diese Maßnahmen am 3. Juni als „nicht zu verantworten" bezeichnet worden sind. Natürlich werden wir nicht nein sagen, obwahl das Nein zur Methode — zur Methode hier — in aller Deutlichkeit ausgesprochen wird.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Herr Bundesbankpräsident hat vor wenigen Tagen in einer öffentlich gehaltenen Rede folgendes erklärt:
    Nun stellt sich die Frage: besteht eine Chance — und wir von der Notenbank glauben, das fordern zu müssen —, eine sichere Chance, daß diese Preisentwicklung sich nicht fortsetzt? Diese sichere Chance sehen wir nicht.
    Das hat er erklärt. Unter dem Eindruck nachträglicher Erkenntnisse greift man jetzt sehr spät — zu spät -- zu Mitteln, die ihrerseits fragwürdig sind. Ich sage Ihnen auch, warum sie fragwürdig sind. Ich habe immer die Auffassung vertreten, daß — lassen wir mal die Frage „Aufwertung ja oder nein" beiseite — —(Zuruf des Abg. Dr. Rutschke.)

    — Oh nein, ich bin gern bereit, darauf einzugehen, Herr Kollege Rutschke; das würden Sie nicht durchstehen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    Aber lassen wir die Frage einmal beiseite. Über eines gibt es doch keinen Zweifel: daß bei einer überhitzten Binnenkonjunktur eine Aufwertung nur dann den gewünschten Effekt bringt, wenn sie von Maßnahmen begleitet wird, die sowohl die Auslandsnachfrage wie die Inlandsnachfrage auf das Güterangebot reduzieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.) Das ist eben leider nicht geschehen.

    Warum hat man denn nicht vom Stabilitätsgesetz Gebrauch gemacht? Warum denn diese merkwürdige Form von Steuervorauszahlungen? Bei Steuervorauszahlungen wird erstens einmal der Steuerpflichtige den Antrag stellen können — und das wird geschehen —, die Vorauszahlungen entsprechend dem Rückgang seines Einkommens, gerade bei Selbständigen, herabzusetzen. Der Unselbständige kann ebenfalls, und mit Recht — und er wird es tun und tun müssen —, Anträge stellen. Warum denn nicht vom Stabilitätsgesetz Gebrauch machen? Sie sagen, damit wäre dann die Enteignung endgültig? Welche Lage muß eigentlich eintreten, damit der § 26 des
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Sonnabend, den 11. Juli 1970 3485
    Strauß
    Stabilitätsgesetzes anwendbar ist? Welche Steigerungsraten bei Preisen und Sozialprodukt müssen vorhanden sein, damit dieses Gesetz angewandt werden kann?
    Ich darf Ihnen sagen, Herr Kollege Schiller, wir haben es ja in kleinem Kreise mal vor langer Zeit besprochen: das Stabilitätsgesetz ist, da gebe ich Ihnen recht, in dieser Form schwer anwendbar. Und für eine Regierung, wie es diese ist, ist es überhaupt nicht anwendbar. Warum wenden Sie es denn nicht an, außer mit der degressiven Abschreibung über einige Monate hinweg? Dazu kann ich Ihnen einiges sagen. Und zwar deshalb: wann besteht denn die Notwendigkeit, Steuererhöhungen aus konjunkturpolitischen Gründen vorzunehmen? Es ist eine gesunde Mentalität des Staatsbürgers, daß er nicht unbedingt antizyklisch denkt; denn der Staatsbürger ist bereit, tiefer in seine Tasche zu greifen und dem Staate zu geben, was des Staates ist, wenn der Staat bei sparsamer öffentlicher Finanzwirtschaft Geld benötigt, um damit seine normalen Aufgaben zu erfüllen, individuelle Sozialleistungen zu gestatten und im übrigen die Gemeinschaftsinvestitionen zu finanzieren. Aber wann liegt denn die Notwendigkeit einer konjunkturpolitisch bedingten Steuererhöhung vor? Doch dann, wenn das Wachstum, nominell zumindest, ohnehin größer ist als geschätzt. Da 1 °/o nominales Wachstum eine Milliarde DM Steuereinnahmen ausmachen, ist es doch dem Staatsbürger fast nicht zuzumuten, wenn der Staat Milliarden mehr einnimmt, als er im Haushalt vorgesehen, in der Finanzplanung geschätzt hat, dann noch zuzätzlich Steuern zu bezahlen. Das ist doch die Problematik.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Warum haben Sie denn dann nicht eines gemacht, wofür ich hier eintrete? Überlegen Sie es; denn die Konjunkturzyklen werden bestimmt nicht durch das Gespann Möller-Schiller aus der Welt geschafft werden, sie werden weitergehen. Was wir wollen, ist nicht eine ansteigende gerade Linie, sondern möglichst geringe Ausschläge in der Amplitude und möglichst große Zeiträume in der Longitude der Zyklen bei aufsteigender Basislinie. Überlegen Sie es sich! Konjunkturpolitisch bedingte Steuererhöhungen müssen auf Grund gesetzlichen Zwangs dem Staatsbürger von einem bestimmten Zeitpunkt an in einem bestimmten Rhythmus zurückerstattet werden. Dann können Sie das Stabilitätsgesetz anwenden. So können Sie es nicht anwenden und müssen zu dieser komischen Methode der Steuervorauszahlungen greifen, deren Rückzahlung zufällig dann ein paar Wochen vor der nächsten Bundestagswahl liegt. Das ist die Problematik.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Darum haben wir hier 30. 6. 72 gesagt. Außerdem kann die Rückzahlung nur erfolgen, wenn die Konjunkturlage es gestattet. Hier haben wir nur einen festen Termin genommen, weil der Ihre zu penetrant wahlinfiziert ist. Normalerweise muß die Rückzahlung erfolgen, wenn eine Verstärkung der privaten Kaufkraft wegen Nachlassens der wirtschaftlichen Tätigkeit erwünscht ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, besteht auch im Lande draußen — und das erfinde doch ich nicht hier — der penetrante Verdacht, daß man in Verbindung mit der Steuerreform, auch mit der Änderung der Pläne zur Ergänzungsabgabe — die neuerdings sinnloserweise eine Bildungssteuer geworden ist —

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    eines Tages unter sehr überzeugenden Begründungen die Rückzahlung nicht mehr vornimmt.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Apel: Das ist eine ganz böse Unterstellung!)

    Sie haben doch selbst einen gewaltigen Finanzbedarf für die Durchführung Ihrer Versprechungen angemeldet. Wenn Sie gleichzeitig Steuersenkungen versprechen, womit wollen Sie denn das finanzieren? Die Rechnung geht doch nicht auf.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie geht nicht einmal auf trotz der gewaltigen Pläne, die Kreditaufnahme des Bundes von Jahr zu Jahr erheblich zu steigern. Das kommt doch auf uns zu. Wie wollen Sie das finanzieren? Dann gibt es natürlich einleuchtende Gründe, daß der Verkehrswegebau, daß das Bildungswesen, daß die Gesundheitsvorsorge — wir sagen zu allen dreien ja — einen solchen Finanzbedarf erfordern, daß diese Rückzahlungen selbstverständlich unter der Alternative stehen: Seid Ihr für Verkehrsbau oder für Rückzahlungen? Das ist genau das, was wir nicht wollen, weshalb wir es heute in aller Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Apel, Sie haben sich mit Recht, daß verstehe ich auch — —