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ID0605518900

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    Deutscher Bundestag 55. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1970 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . 2819 A Amtliche Mitteilungen 2819 A Fragestunde (Drucksachen VI/869, VI/881) Fragen der Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern), Reddemann und Breidbach: Pressemeldung betr. Einziehung des Eigentums der DDR-Flüchtlinge Herold, Parlamentarischer Staatssekretär . 2819 C, 2820 A, B, C, D, 2821 A, B, C, D, 2822 A, B Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 2820 A, 2821 A, B Breidbach (CDU/CSU) . . . . . 2820 B, 2821 C, 2822 A, B Steiner (CDU/CSU) 2820 C Dr. Klepsch (CDU/CSU) 2820 D, 2821 C Reddemann (CDU/CSU) . 2820 D, 2821 D Dr. Giulini (CDU/CSU) . . . . . 2821 C von Hassel, Präsident 2819 A, B, 2821 A, D Fragen des Abg. Vogel: Erhöhung der Erbschaft- und Vermögensteuer — Abhängigkeit des Rechtes auf Eigentum von den politischen Mehrheitsverhältnissen Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär 2822 C, D, 2823 A, B, C Vogel (CDU/CSU) . . 2822 D, 2823 A, B Fragen des Abg. Krammig: Vereinheitlichung des Grunderwerb-und Feuerschutzsteuerrechts Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 2823 D, 2824 A Krammig (CDU/CSU) 2823 D Fragen des Abg. Dr. Pohle: Berücksichtigung der sog. Verbringensfälle in dem Erlaß des Bundesfinanzministeriums vom 19. Dezember 1969 Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 2824 B, C, 2825 A Dr. Pohle (CDU/CSU) . 2824 C, D, 2825 A Fragen des Abg. Meister: Erhöhung der Steuerausgleichsabgabesätze für westdeutsche und Westberliner Transportunternehmen seitens der DDR Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 2825 A, B, C, D, 2826 A, B, C Meister (CDU/CSU) . 2825 B, 2826 A II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1970 Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 2825 C, 2826 A Wohlrabe (CDU/CSU) . . 2825 C, 2826 C Reddemann (CDU/CSU) . . . . 2826 B Frage des Abg. Fellermaier: Schaden des Bundes im Landshuter Komplex des sog. süddeutschen Getreideskandals . . . . . . . . . 2826 D Frage des Abg. Dr. Jungmann: Umsatzsteuerpflicht der Praxis- und Apparategemeinschaften von Arzten Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär 2827 A, B, C Dr Jungmann (CDU/CSU) . . . 2827 B, C Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen: Steuer für französischen Schaumwein 2827 D Fragen des Abg. Dr. Hauser (Sasbach): Einfuhr von nicht verkehrsfähigen ausländischen Schaumweinen Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . 2828 A, B, C 2829 A Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) . 2828 B, D, 2829 A Fragen des Abg. Burger: Entschädigung für im Dritten Reich zwangsweise sterilisierte Menschen . . 2829 B Frage des Abg. Pieroth: Gewährung steuerlich begünstigter Essenzuschüsse für Arbeitnehmer Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär 2829 B, D Pieroth (CDU/CSU) 2829 C, D Frage des Abg. Pieroth: Freibeträge für nach dem 31. August geborene Kinder Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär 2830 A Frage des Abg. Dasch: Verhinderung der illegalen Einfuhr von Rauschgift Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 2830 B, D, 2831 A Dasch (CDU/CSU) . . . 2830 C, 2831 A Josten (CDU/CSU) 2830 D Frage des Abg. Dr. Gleissner: Verbot des Verkaufs von Einwegflaschen für Bier und Erfrischungsgetränke Genscher, Bundesminister . . . 2831 B, D Dr. Gleissner (CDU/CSU) . . . . 2831 C Frage des Abg. Dr. Gleissner: Einrichtung von Teststationen zur Kontrolle der Auspuffgase von Kraftwagen Genscher, Bundesminister . . . . 2831 D Frage des Abg. Härzschel: Beibehaltung der Ortsklassen in Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes Genscher, Bundesminister 2832 A, B, C, D Härzschel (CDU/CSU) 2832 B, C Dasch (CDU/CSU) 2832 C Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 2832 D Frage des Abg. Bay: Anerkennung einer Bescheinigung der nach dem Häftlingshilfegesetz zuständigen Behörde Genscher, Bundesminister . . . 2833 A Beratung des Nachtrags zum Jahreswirtschaftsbericht 1970 der Bundesregierung (Drucksache VI/850) in Verbindung mit Beratung des Sondergutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung „Zur Konjunkturlage im Frühjahr 1970" (Drucksache VI/773), mit Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Konjunkturpolitik (Drucksachen VI/714, VI/847) und mit Antrag betr. Konjunkturpolitik der Bundesregierung (Abg. Dr. Müller-Hermann, Dr. Stoltenberg und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache VI/511) Dr. Schiller, Bundesminister . . . 2833 B, 2870 C Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . 2838 C Lenders (SPD) 2845 D Kienbaum (FDP) 2851 D Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister . . . . . . . 2854 A Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 2859 A Dr. Schachtschabel (SPD) . . . . 2864 D Kirst (FDP) 2868 D Höcherl (CDU/CSU) 2875 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1970 III Kater (SPD) 2879 C Dr. Luda (CDU/CSU) 2882 B Frehsee (SPD) . . . . . . . 2885 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache VI/877) — Erste Beratung — 2885 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Hauhaltsjahr 1970 (Haushaltsgesetz 1970) (Drucksachen V1/300, zu W300, VI/580, zu VI/580) ; Berichte des Haushaltsausschusses — Zweite Beratung — 2885 C Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksache VI/820) . . . 2885 C Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksache VI/821) von Hassel, Präsident des Deutschen Bundestages 2885 D Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksache VI/822) 2887 C Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen (Drucksachen VI/827, VI/854) Leicht (CDU/CSU) . 2888 A Seidel (SPD) 2894 A Kirst (FDP) 2897 D Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister 2899 C Bremer (CDU/CSU) 2904 D Raffert (SPD) . . . . . . . 2905 B Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksachen VI/824, VI/854) Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein (CDU/CSU) 2908 A, 2914 A Scheel, Bundesminister 2910 A Hermsdorf (Cuxhaven) (SPD) . . 2914 A Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz (Drucksache VI/826) Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 2914 C Hirsch (SPD) . . . . . . . . . 2916 D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 2919 C Jahn, Bundesminister 2921 A Hauser (Bad Godesberg) (CDU/CSU) 2923 A Dr. Tamblé (SPD) 2924 A Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen VI/830, VI/854) Krampe (CDU/CSU) 2924 C Seidel (SPD) 2926 D Schmidt (Kempten) (FDP) 2929 A Arendt, Bundesminister 2931 A Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit (Drucksachen VI/834, VI/854) Baier (CDU/CSU) 2934 B Rollmann (CDU/CSU) 2935 D Hauck (SPD) 2938 D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . 2940 D Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein (CDU/CSU) . . . . 2941 D Dr. Schmidt (Krefeld) (SPD) . . . . 2943 B Frau Strobel, Bundesminister . . . 2944 A Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksache VI/835) . . . . . . . . 2948 C Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Druck- sache VI/836) 2948 D Nächste Sitzung 2948 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 2929 Anlagen 2 bis 7 Änderungsanträge Umdrucke 29, 35, 36, 41 bis 43 zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1970 (Drucksachen VI/300, VI/580, VI/824, VI/826, VI/827, VI/830, VI/834, VI/854) 2929 B Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Müller (Niederfischbach) betr. Zuständigkeit der Ortsgerichte für die öffentliche Beglaubigung 2950 C Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage der Abg. Frau Klee betr. Übereinkommen des Europarates über die Adoption von Kindern 2950 D Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen betr. strafrechtliche Konsequenzen aus den Ausschreitungen am 9. Mai 1970 in Berlin 2951 A Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Peters (Poppenbüll) betr. IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1970 Zusagen an die Landwirtschaft in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 2951 C Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. von Bockelberg betr Höhe des Sonderausgabenpauschbetrages für Arbeitnehmer 2952 A Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Würtz betr. Verminderung der Steuerlastquote des Bundeswehr-Sozialwerks . . . . . . . . . 2952 B Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus betr. Freibeträge für Kinder über das 27. Lebensjahr hinaus 2952 D Anlage 15 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Strauß betr. Bekanntgabe der Mehranforderung der Ressorts für den Finanzplan 1970 bis 1974 und der sonstigen Ausgaberisiken 2953 A Anlage 16 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Schwörer betr. Steuerharmonisierung innerhalb der EWG 2953 A Anlage 17 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Slotta betr. zusätzliche Kriegsgefangenenentschädigung für alle nach 1948 Heimgekehrten 2953 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1970 2819 55. Sitzung Bonn, den 3. Juni 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Dr. Ahrens * 4. 6. Alber * 4. 6. Amrehn * 4. 6. Bals * 4. 6. Bauer (Würzburg)* 4. 6. Berberich 5. 6. Dr. Birrenbach 8. 6. Blumenfeld * 4. 6. Frau Dr. Diemer-Nicolaus * 4. 6. Draeger * 4. 6. Dr. Erhard 7. 6. Fritsch * 4. 6. Dr. Furler* 4. 6. Frau Herklotz * 4. 6. Dr. Hermesdorf (Sehleiden) * 4. 6. Heyen 6. 6. Hösl * 4. 6. Katzer 5. 6. Dr. Kempfler * 4. 6. Frau Klee * 4. 6. Kleinert 3. 6. Dr. Lohmer 15. 6. Dr. Martin 5. 6. Dr. Meinecke (Hamburg) 3. 6. Dr. Müller (München) * 4. 6. Müller (Remscheid) 6. 6. Pfeifer 4. 6. Pöhler * 4. 6. Rasner 3. 6. Richter * 4. 6. Dr. Rinderspacher * 4. 6. Roser * 4. 6. Dr. Rutschke * 4. 6. Schmidt (Würgendorf) * 4. 6. Dr. Schmücker* 4. 6. Dr. Schulz (Berlin) * 4. 6. Sieglerschmidt* 3. 6. Frau Dr. Walz * 4. 6. Zebisch 3. 6. Zoglmann 5. 6. * Für die Teilnahme an einer Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage 2 Umdruck 29 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1970; hier Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen - Drucksachen VI/300, VI/580, VI/827, VI/854 -. Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 08 02 - Allgemeine Bewilligungen - (Verwaltungshaushalt) Anlagen zum Stenographischen Bericht Der Ansatz bei Tit. 531 01 - Öffentlichkeitsarbeit - wird für die Haushaltsjahre 1970 und 1971 von je 500 000 DM auf je 250 000 DM gekürzt. Bonn, den 3. Juni 1970 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 3 Umdruck 35 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1970; hier Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes - Drucksachen VI/300, VI/580, VI/824, VI/854 -. Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 05 01 - Auswärtiges Amt - (Verwaltungshaushalt) 1. Der Ansatz bei Tit. 453 01 - Trennungsgeld, Trennungsbeihilfen, Mietersatz, Fahrkostenzuschüsse sowie Umzugskostenvergütungen und Umzugskostenbeihilfen - wird für das Haushaltsjahr 1970 um 1 500 000 DM auf 16 700 000 DM gekürzt. 2. Der Ansatz bei Tit. 526 05 - Kosten für Sonderaufträge auf dem Gebiete der Verwaltung und der politischen Planung wird für 1970 um 100 000 DM auf 320 000 DM. für 1971 um 100 000 DM auf 520 000 DM gekürzt. Bonn, den 3. Juni 1970 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 4 Umdruck 36 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1970; hier Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz Drucksachen VI/300, VI/580, VI/826 --. Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 07 01 (Verwaltungshaushalt) 1. Der Ansatz bei Lt. 531 01 -- Unterrichtung der Bevölkerung über Maßnahmen auf dem Gebiet des Rechtswesens - wird für 1970 um 125 000 DM auf 75 000 DM gekürzt. 2. Der Ansatz bei Tit. 53101 wird für 1971 um 175 000 DM auf 75 000 DM gekürzt. Bonn, den 3. Juni 1970 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion 2950 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1970 Anlage 5 Umdruck 41 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1970; hier: Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen VI/300, VI/580, 1111830, VI/854 —. Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 11 02 — Allgemeine Bewilligungen —(Verwaltungshaushalt) Der Ansatz bei Tit. 531 01 — Aufklärungsmaßzur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1970; hier: Einzelplan 15 Geschäftsbereich jahre 1970 und 1971 um je 300 000 DM auf 600 000 DM gekürzt. Bonn, den 3. Juni 1970 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 6 Umdruck 42 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1970; hier: Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksachen VI/300, VI/580, VI/834, VI/854 —. Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 15 02 — Allgemeine Bewilligung — (Verwaltungshaushalt) Der Ansatz bei Tit. 53102 — Gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung — wird im Jahr 1970 um 100 000 DM auf 2 500 000 DM und im Jahr 1971 um 180 000 DM auf 2 600 000 DM gekürzt. Bonn, den 3. Juni 1970 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 7 Umdruck 43 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1970; hier: Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksachen VI/300, VI/580, VI/834, V1/854 —. Der Bundestag wolle beschließen: Zu Kap. 15 02 — Allgemeine Bewilligungen — (Verwaltungshaushalt) 1. Der Ansatz bei Tit. 531 01 — Kosten des Informationswesens — wird für 1970 und 1971 um 30 000 DM auf 250 000 DM gekürzt. 2. Der Ansatz bei Tit. 531 02 — Gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung — wird um 20 000 DM auf 2 580 000 DM für 1970 und auf 2 760 000 DM für 1971 gekürzt. Zu Kap. 15 01 — Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit — (Finanzhaushalt) 1. Der Ansatz bei Tit. 684 03 — Zuschüsse für zentrale Maßnahmen der Ehevorbereitung und Elternbildung (Familienbildung) sowie der Ehe-und Elternberatung wird um 50 000 DM auf 1 600 000 DM erhöht. Bonn, den 3. Juni 1970 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 8 Schriftliche Antwort des Bundesministers Jahn vom 2. Juni 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Müller (Niederfischbach) (Drucksache 1/1/809 Frage A 14) : Ist die Bundesregierung bereit, die Zuständigkeit der Orts geriete soweit wieder herzustellen, daß schriftliche Beglaubigungen in Grundbuchangelegenheiten wieder durch die Ortsgerichte vorgenommen werden können? In Ihrer Anfrage gehen Sie zutreffend davon aus, daß durch das im letzten Jahr verabschiedete Beurkundungsgesetz die bisherigen Zuständigkeiten der Ortsgerichte für die öffentliche Beglaubigung beseitigt worden sind. Das Beurkundungsgesetz enthält jedoch in § 63 eine Vorschrift, wonach die Länder befugt sind, durch Gesetz die Zuständigkeit für die öffentliche Beglaubigung von Abschriften und Unterschriften anderen Personen oder Stellen, d. h. Personen oder Stellen, die nicht Notare sind, zu übertragen. Seitens des Bundes steht daher nichts entgegen, die Zuständigkeit der Ortsgerichte für öffentliche Beglaubigungen wiederherzustellen. In Hessen ist dies m. W. bereits geschehen. Auch in Rheinland-Pfalz ist beabsichtigt, den Ortsgerichten die frühere Zuständigkeit für die öffentliche Beglaubigung wieder einzuräumen (Landtag Rheinland-Pfalz, Drucksache VI/1889). Anlage 9 Schriftliche Antwort des Bundesministers Jahn vom 2. Juni 1970 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Klee (Drucksache VI/809 Frage A 16) : Bis wann kann mit der Vorlage der Ratifizierungsgesetze der Europäischen Konvention über die Adoption von Kindern an die gesetzgebenden Körperschaften gerechnet werden? Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1970 2951 Das Übereinkommen des Europarates über die Adoption von Kindern ist am 24. April 1967 für die Bundesrepublik unterzeichnet worden. Die Bundesregierung empfiehlt die Ratifikation dieses Übereinkommens und beabsichtigt, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Die Ratifikation des Üereinkommens macht jedoch die gleichzeitige Anpassung des innerdeutschen Adoptionsrecht an das Übereinkommen notwendig. Die Vorarbeiten hierzu sind im Bundesjustizministerium bereits aufgenommen worden. Die Arbeiten haben sich aber wegen der vordringlichen Neuordnung des Nichtehelichenrechts verzögert. Sie müssen wegen der ebenfalls vordringlichen Reform des Eherechts sowie des elterlichen Sorgerechts noch weiter zurückgestellt werden. Wann den gesetzgebenden Körperschaften ein Gesetzentwurf vorgelegt werden kann, läßt sich noch nicht übersehen. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Jahn vom 2. Juni 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (Drucksache -vi9 Frage A 17): Ist die Bundesregierung bereit, sobald die Ergebnisse der Ermittlungen über die Ausschreitungen am 9. Mai 1970 in Berlin es ermoglich, mitzuteilen, welche strafrechtlichen Konsequenzen sicharaus ergeben? Was die Konsequenzen für diejenigen angeht, die sich an den Ausschreitungen am 9. Mai 1970 in Berlin beteiligt haben, so ist die strafrechtliche Würdigung der Vorgänge vom 9. Mai 1970 Sache der Berliner Justizorgane. Die Bundesregierung ist bemüht, sich über die genannten Vorgänge ebenso wie über andere Ausschreitungen umfassend zu unterrichten; sie ist hierbei auf die Berichte der zuständigen Landesbehörden angewiesen. Die Bundesregierung wird auf Grund der eingegangenen Informationen die Frage prüfen, ob und in welcher Richtung gesetzgeberische Maßnahmen notwendig sind. Von den Ergebnissen einer solchen Prüfung wird sie auf Anfrage selbstverständlich Mitteilung machen. Bei den Ereignissen vom 9. Mai 1970 ist es der Polizei gelungen, eine nicht unerhebliche Zahl von Gewalttätern zu identifizieren. Wer sich an Gewalttätigkeiten, die aus einer Menschenmenge begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt, ist auch nach dem am 22. Mai 1970 in Kraft getretenen neuen Strafrecht (Drittes Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 20. Mai 1970 — Bundesgesetzbl. I S. 505 —) wegen Landfriedensbruch zu bestrafen: dasselbe gilt für denjenigen, der auf die Menge einwirkt, um deren Neigung zu Gewalttätigkeiten zu fördern. Eine Gewalttätigkeit begeht u. a. der Steinwerfer; die Anwendbarkeit der neuen Landfriedensbruchsvorschrift setzt nicht voraus, daß der vom Täter geworfene Stein sein Ziel getroffen hat. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Bundesministers Ertl vom 26. Mai 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Peters (Poppenbüll) (Drucksache 1/1/809 Frage A 44) : Welche ,,Abstriche von Zusagen in der Regierungserklärung" hat die Bundesregierung gemacht, über die die Landwirtschaft nach den Worten des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes angeblich enttäuscht ist? Die Bundesregieung ist der Ansicht, daß sie von den in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 enthaltenen Zusagen an die Landwirtschaft keine Abstriche gemacht hat. Sie ist vielmehr der Auffassung, ,daß diese Zusagen — soweit eine kurzfristige Verwirklichung möglich war — eingehalten wurden. Dies gilt z. B. für den Einkommensausgleich im Zusammenhang mit der Aufwertung der DM. Die Regierung hat hierzu ausdrücklich festgestellt, daß die Bundesregierung ihre Verpflichtung gegenüber den deutschen Bauern mit den römischen Verträgen über den Gemeinsamen Markt in Einklang bringen muß. Dies ist — wie Sie wissen — in der Zwischenzeit geschehen, und zwar einmal durch das Aufwertungsausgleichsgesetz vom 23. Dezember 1969 und durch das vom Deutschen Bundestag am 6. Mai 1970 verabschiedete Durchführungsgesetz zum Aufwertungsausgleichsgesetz. Wenn der Bundesrat diesem Gesetz im 2. Durchgang ebenfalls zustimmt, wird die deutsche Landwirtschaft noch vor der neuen Ernte den zugesagten Ausgleich erhalten. Im Gegensatz zu der von der alten Bundesregierung beschlossenen mehrjährigen Finanzplanung wurden auf Initiative der jetzigen Regierung die Haushaltsansätze für die nationale Agrarpolitik um 389 Millionen DM erhöht. Diese Ansätze sind vom Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages am 22. April 1970 noch einmal um 118 Millionen DM aufgestockt worden, so daß — wenn der Deutsche Bundestag den Vorschlägen des Haushaltsausschusses folgt — für die nationale Agrarpolitik über 500 Millionen DM mehr zur Verfügung stehen, als von der alten Bundesregierung für 1970 vorgesehen waren. Die weiteren Feststellungen des Bauernverbandes beziehen sich auf Maßnahmen, die nur langfristig realisiert werden können. Dies gilt u. ,a. für die geförderte baldige Bildung einer Wirtschafts- und Währungsunion. Entsprechende Initiativen in dieser Richtung hat — wie Ihnen bekannt sein dürfte — die Bundesregierung bereits ergriffen. Sie ist fest entschlossen, gerade auf diesem Sektor im Interesse der Landwirtschaft ihre Bemühungen verstärkt fortzusetzen. Im übrigen erachte ich es für legitim, daß in einem demokratischen Staat der Präsident eines großen Verbandes sich bemüht, die Interessen seiner Mitglieder in der politischen Auseinandersetzung mit Härte zu vertreten. 2952 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1970 Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 3. Juni 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten von Bockelberg (Drucksache VI/869 Fragen A 9 und 10) : Auf welche Höhe könnte der Sonderausgabenpauschbetrag für Arbeitnehmer (§ 10 c Ziff, 1 EStG) festgesetzt werden, wenn Mindereinnahmen an Einkommen- und Lohnsteuer in Höhe von 900 Millionen DM für diese Maßnahme veranschlagt würden? Wieviel Anträge auf Lohnsteuer-Jahresausgleich und wieviel Anträge auf Lohnsteuerermäßigung würden überflüssig werden? Bei einem Verzicht auf Steuern vom Einkommen in Höhe von 900 Millionen DM könnte der Sonderausgaben-Pauschbetrag von z. Z. 936 DM um 360 DM auf 1296 DM erhöht werden. Bei der Berechnung ist berücksichtigt, daß bei einer Anhebung des SonderausgabenPauschbetrages auf 1296 DM, auch der Höchstbetrag für beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben, der z. Z. für Ledige 1100 DM beträgt, auf 1300 bis 1400 DM erhöht werden muß. Durch eine Erhöhung des Sonderausgaben-Pauschbetrages auf 1296 DM würden etwa 2 Millionen Anträge (also 13,5 v. H. aller Anträge) im Lohnsteuer-Jahresausgleich und 1 Million Anträge (also 14,3 v. H. aller Anträge) auf Lohnsteuer-Ermäßigung zunächst eingespart. Im Zuge der weiteren Einkommenszunahme würde diese Verwaltungserleichterung wieder abgebaut werden. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 3. Juni 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Würtz (Drucksache VI/869 Frage A 11) : Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um die Steuerlastquote von nahezu 21 O/o für die gemeinnützige Einrichtung des Bundeswehr-Sozialwerkes, das von den gewährten Zuschüssen des Bundes im Jahr 1969 200 000 DM Steuer zahlen mußte, zu vermindern? Das Bundeswehr-Sozialwerk, aber auch die Sozialwerke weiterer Bundesverwaltungen erhalten aus Bundesmitteln einen jährlichen Zuschuß, dessen Höhe sich nach der Kopfzahl der Mitglieder be! stimmt. Die Zuschüsse dienen dem Zweck, den Kindern der Mitglieder einen stark verbilligten Erholungsaufenthalt zu verschaffen. Der Eigenanteil der Bediensteten für eine vierwöchige Erholung beträgt z. Z. 50 DM. Die Bundeszuschüsse sind lohnsteuerpflichtig, weil den Bediensteten, deren Kindern an der Erholung teilnehmen, durch die erhebliche Verbilligung ein geldwerter Vorteil zuwächst. In gleichem Maße werden seit jeher auch Erholungszuschüsse, die Arbeitgeber der Privatwirtschaft unmittelbar oder mittelbar ihren Arbeitnehmern zukommen lassen, dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Die Sozialwerke haben von der rechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, aus Vereinfachungsgründen eine pauschale Lohnsteuer zu zahlen, wobei sie sich zur Übernahme der Pauschsteuer verpflichten mußten. Der in Betracht kommende Pauschsteuersatz der Zuschüsse ist mit den dafür allein zuständigen Finanzämtern vereinbart worden; dabei wurden alle Umstände, die für eine möglichst niedrige Bemessung des Pauschsteuersatzes sprechen, berücksichtigt. Eine Verminderung der Steuerlastquote durch steuerliche Maßnahmen ist mangels einer Rechtsgrundlage nicht möglich. Derartige Maßnahmen, selbst wenn sie rechtlich zulässig wären, könnten auch deshalb nicht erwogen werden, weil sie unvermeidbar zu Berufungen führen müßten. Um die Steuerbelastung der Sozialwerke zu vermindern, sind aber bereits vom Jahre 1969 die Zuschüsse des Bundes um 10 v. H. erhöht worden. Damit wird rd. die Hälfte der Steuerbelastung aufgefangen. Die Erhöhung der Bundeszuschüsse entspricht ungefähr dem Betrag, der dem Bund aus den Zuschüssen an Lohnsteuer zufließt. Weitere haushaltsmäßige Maßnahmen zur Verminderung der Steuerlast sind nicht vorgesehen. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 3. Juni 1970 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus (Drucksache VI/869 Frage A 14) : Ist die Bundesregierung bereit, auch den Eltern bei der Einkommensteuer Freibeträge zuzubilligen für die Kinder, die älter als 27 Jahr:e sind, aber ihre Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen haben und von den Eltern überwiegend unterhalten werden? Es ist richtig, daß nach dem geltenden Recht Kinderfreibeträge nur für Kinder in Betracht kommen, die zu Beginn des Veranlagungszeitraums das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Bei der Festsetzung dieser Altersgrenze war die allgemeine Lebenserfahrung maßgebend, daß bei Vollendung des 27. Lebensjahres eine Berufsausbildung normalerweise abgeschlossen ist. Gleichwohl wird im Rahmen der eingeleiteten Steuerreform geprüft werden, ob eine Heraufsetzung dieser Grenze geboten ist. In diesem Zusammenhang darf ich noch darauf hinweisen, daß in Fällen, in denen die Berufsausbildung eines Kindes zwangsläufig nach der Vollendung des 27. Lebensjahres andauert, die Aufwendungen bis zum Betrag von 1200 DM, im Falle der auswärtigen Unterbringung zum Zwecke der Berufsausbildung bis zum Betrag von insgesamt 2400 DM, im Kalenderjahr als außergewöhnliche Belastung steuerlich berücksichtigt werden können. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 55. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. Juni 1970 2953 Anlage 15 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 3. Juni 1970 auf ,die Mündliche Frage des Ab- geordneten Strauß (Drucksache V1/869 Frage A 18) : Ist Bundesfinanzminister Möller bereit, die Mehranforderung der Ressorts für den Finanzplan 1970 bis 1974 und die sonstigen Ausgaberisiken, die sich nach Presseberichten gegenüber dein geltenden Finanzplan für 1971 auf 30 Milliarden DM belaufen sollen, dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis zu geben? Die Bundesregierung hält es nicht für zweckmäßig, die sich aus den Anforderungen der Ressorts zum Haushaltsentwurf 1971 und zum Finanzplan bis 1974 ergebenden Risiken gegenüber dem Finanzplan bekanntzugeben, da es sich um interne Anschreibungen der Exekutive handelt. Es ist aber fetstzustellen, daß die in Presseberichten als Mehranforderung der Ressorts genannten 30 Mrd. DM für das Haushaltsjahr 1971 unzutreffend sind. Die Mehranforderungen bewegen sich vielmehr in Größenordnungen, die Ihnen, Herr Kollege Strauß, aus Ihrer Zeit als Bundesfinanzminister noch bekannt sein dürften. Für dramatisierende Presseartikel besteht daher keinerlei Veranlassung. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Pari amentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 3. Juni 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schwörer (Drucksache VI/869 Fragen A 24 und 25) : Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung zugestimmt, das Thema Steuerharmonisierung von der Tagesordnung der Beratungen der EWG-Finanzminister in Venedig am 29.i30. Mai abzusetzen? Ist die Bundesregierung sich der Tatsache bewußt, daß die Steuerharmonisierung innerhalb der EWG von entscheidender Bedeutung für ein reibungsloses Funktionieren des Gemeinsamen Marktes ist, und aus diesem Grunde bereit, sich dafür einzusetzen, daß dieses Thema unverzüglich Gegenstand der Beratungen wird? Das Thema Steuerharmonisierung ist nicht, wie Sie annehmen, von der Tagesordnung der Beratungen der EWG-Finanzminister in Venedig abgesetzt worden. Richtig ist, daß es bedauerlicherweise nicht als besonderer Punkt in die Tagesordnung aufgenommen wurde. Dies scheiterte an besonderen, im 'Bereich eines Mitgliedlande:s liegenden Gründen. Die Bundesregierung erkennt die Bedeutung der Steuerharmonisierung innerhalb der EWG voll an. Sie ist der Auffassung, daß die Angleichung der Steuersysteme in den sechs Mitglledländern nicht hinter der Entwicklung auf anderen Gebieten zurückbleiben darf und im Zusammenhang mit der Entwicklung ,auf eine Wirtschafts- und Währungsunion hin vorangetrieben werden muß. Sie hält die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes der Steuerharmonisierung — das gegenseitig abgewogene Fortschritte auf allen Steuergebieten anzielen muß -für vordringlich. Sie wünscht deshalb, daß ,das Problem bei dem nächsten Treffen der EWG-Finanzminister eingehend besprochen werden soll. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 3. Juni 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Slotta (Drucksache VI/869, Frage A 28) : Ist die Bundesregierung bereit, das Problem der Kriegsgefangenenentschädigung durch Gewährung eines Zusatzbetrages von monatlich 50 DM für alle nach 1948 heimgekehrten ehemaligen Kriegsgefangenen zu einem gerechten Abschluß zu bringen? Die Anregung, allen nach 1948 heimgekehrten ehemaligen Kriegsgefangenen einen Zusatzbetrag von monatlich 50,— DM je Gewahrsamsmonat zu gewähren, wurde schon im IV. Deutschen Bundestag erörtert. Bei der Beratung der 3. Novelle zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz hat sich der federführende Bundestagsausschuß für Kriegsopfer-und Heimkehrerfragen ausführlich damit befaßt. Er hat in seiner Mehrheit eine solche Regelung abgelehnt und dafür eine Verbesserung der Entschädigung durch progressive Steigerung der Entschädigungssätze um jeweils 20,— DM je Gewahrsamsmonat vom 5., 7., 9. bzw. 11. Gewahrsamsjahr — von 1947 an gerechnet — vorgeschlagen. Das Plenum ist diesem Vorschlag gefolgt. Inzwischen ist das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz im vergangenen Jahr noch einmal novelliert worden. Durch das Vierte Änderungsgesetz wurde die Heimkehrerstiftung ins Leben gerufen, die vom Bund mit 60 Mio DM ausgestattet wird. Die Hilfen, die diese Stiftung den Heimkehrern gewähren kann, orientieren sich ausschließlich an den Bedürfnissen des Einzelfalles. Sie sind allen ehemaligen Kriegsgefangenen ohne Rücksicht auf die Dauer der Gefangenschaft zugänglich, sofern sie für ihre wirtschaftliche Eingliederung noch einer Hilfe entweder in der Form einer Unterstützung oder eines Darlehens bedürfen; sie können diese Hilfen unabhängig davon erhalten, ob sie den im Gesetz für die sonstigen Leistungen festgelegten Wohnsitz- und Aufenthaltsstichtag erfüllen oder ob sie vor oder nach dem Entlassungsstichtag, dem 31. Dezember 1946, aus der Gefangenschaft heimkehrten oder ob sie die Kriegsgefangenenentschädigung erhalten haben oder nicht. Diese Regelung trägt den Charakter eines Abschlusses in sich und soll eine generelle Erhöhung der Entschädigungssätze entbehrlich machen. Deshalb hat auch die frühere Bundesregierung das Vierte Änderungsgesetz als Abschlußgesetz angesehen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 17. Februar hatten wir in diesem Hause zum letztenmal bei der Erörterung des Jahreswirtschaftsberichts eine eingehende Aussprache zur Konjunkturpolitik. Seitdem sind die Sorgen um die Stabilität und die Zukunft unserer Wirtschaft in breiten Schichten unseres Volkes stark angewachsen und die Widersprüche in den amtlichen Aussagen der Regierung immer größer geworden. Wir freuen uns, daß Bundesminister Professor Dr. Schiller heute, offenbar gesund und gut erholt, unter uns sein und an dieser Debatte teilnehmen kann. Es ist uns lieber, mit ihm die Meinungen auszutauschen und in seiner Gegenwart die deutliche Kritik anzubringen, die auch seine heutige Rede herausfordert, als dies ohne ihn zu tun.
    Was wir hier soeben von Herrn Kollegen Schiller gehört haben, war das Bild einer schöneren und offenbar anderen Welt als der, in der die meisten Bürger dieses Landes leben,

    (lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    einer anderen Welt als der, von der die Sachverständigen, die Sparkassen, die Bundesbank, die wissenschaftlichen Institute in ihren besorgten und kritischen Analysen der letzten Wochen gesprochen haben. Ich will nur eine Äußerung von gestern abend aus einer öffentlichen Rede des Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank, Herrn Emminger, als Kontrast zu dieser Idylle vor der Landtagswahl, die Herr Schiller gezeichnet hat, hier zitieren. Herr Emminger hat gestern abend gesagt, die Gefahren für unsere Wirtschaft seien seit 1950 niemals so groß gewesen wie heute.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber nicht nur die Bewertung der Konjunkturlage durch die Regierung vom 17. Februar wurde durch die Entwicklung widerlegt, auch die Versprechungen des Bundeskanzlers blieben unerfüllt. Herr Brandt hat in jener Debatte im wesentlichen drei Zusicherungen gegeben. Erstens. Die Bundesregierung nehme das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz sehr ernst; sie stehe hinter den entsprechenden Aussagen und Ankündigungen von Professor Schiller. Ich zitiere den Bundeskanzler:



    Dr. Stoltenberg
    „Den Hinweis des Wirtschaftsministers, das darf ich noch einmal sagen, auf § 26 hat jeder verstanden."
    Zweitens. Der Haushalt trage der angespannten Konjunktursituation Rechnung. Drittens. Die Bundesregierung besitze ein Konjunkturprogramm.
    Jeder dieser drei Punkte des Bundeskanzlers ist durch das Verhalten der Regierung und die Entwicklung bis zum heutigen Tage eindeutig widerlegt worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Unmittelbar nach der Versicherung des Bundeskanzlers, er stehe hinter den Aussagen seines Wirtschaftsministers zur Anwendung des Stabilitätsgesetzes, wurde Professor Schiller in einer dramatischen öffentlichen Kontroverse in genau diesem Punkte von seinem Regierungschef seiner eigenen Partei im Stich gelassen und desavouiert.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir glauben, daß der Wirtschaftsminister dem deutschen Volke vor und nach der Bundestagswahl mehr versprochen hat, als er halten konnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Heute sind er und andere mit ihm etwas vorsichtiger geworden, was die Möglichkeiten absolut zuverlässiger Prognosen, wissenschaftlich exakter Globalsteuerung und auch die sichtbaren Wirkungen einer Wechselkursänderung betrifft.
    Wir halten es auch nach wie vor für einen verhängnisvollen Fehler, daß Professor Schiller die
    ) Aufwertung ohne ein ergänzendes binnenwirtschaftliches Programm beschließen ließ und daß er einer stabilitätswidrigen Finanzpolitik mit den leichtfertigen Versprechungen von Steuersenkungen zum 1. Januar 1970 zustimmte.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Der Sachverständigenrat, der ja lange vor Ihnen, Herr Professor Schiller, für eine Aufwertung der deutschen Mark eintrat, stellt jetzt in seinem MaiGutachten fest, daß sie — ich zitiere — „weitgehend nur ein Ersatz für den Wegfall des Absicherungsgesetzes vom November 1968" war und ihre Hauptwirkungen deshalb schon im Jahre 1969 lagen. So wird die heute wieder von Ihnen ohne Beweis aufgestellte Behauptung widerlegt, daß ohne diese Entscheidung die Preisbewegung des Jahres 1970 noch viel ungünstiger verlaufen wäre als bei der vorher gegebenen Rechtslage oder daß ihre Vertagung von Mai auf Oktober 1969 die Ursache für die Schwierigkeiten der Gegenwart bilde. Sie müssen sich, glaube ich, schon in einer rationalen Politik, die Sie für sich hier in Anspruch genommen hatten, mit derartigen ernsten Einwänden der Sachverständigen und Forschungsinstitute auseinandersetzen

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und können nicht weiterhin in apodiktischer Unfehlbarkeit alte Aussagen wiederholen, die Ihre eigenen Verbündeten in der Frage der Aufwertung preisgegeben haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber wir erkennen an, daß Professor Schiller in den letzten Februartagen dieses Jahres — unmittelbar nach der letzten großen Debatte hier — auf Grund damals besserer Einsichten mit großem Nachdruck für eine aktive Stabilitätspolitik gekämpft hat. Er hat damals nicht nur öffentlich hier in Bonn von „bevorstehenden Entscheidungsschlachten" gesprochen mit historischen Vergleichen von Jena bis Skagerrak, über deren Aussagewert für die Wirtschaftspolitik man geteilter Meinung sein kann, die aber vielleicht etwas über die innere Lage seiner Partei aussagen,

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    sondern er hat auch offen auf die schweren Gefahren — ich zitiere ihn — des „süßen Giftes einer schleichenden Inflation" in dieser Lage, einer weiteren Untätigkeit der Regierung und einer einseitigen, nur von der Bundesbank zu tragenden Steuerung durch den Diskont hingewiesen. Das, Herr Kollege Schiller, waren goldene Worte, von denen wir freilich heute in einer doch stark auf die Landtagswahlen abzielenden Rede nichts mehr gehört haben, ebensowenig wie in der Ergänzung zum Jahreswirtschaftsbericht.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Barzel: Jetzt ist er für süßes Gift!)

    Wir meinen, daß die Lagebeurteilung und Ihre Prioritäten vom 1. März richtig waren. Sie müßten uns schon überzeugender begründen, als das eben geschah, warum Sie jetzt ganz anders sprechen, wenn dialektische Gewandtheit nicht nur als eine Bemäntelung jener schweren Niederlage in den eigenen Reihen erscheinen soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diese Regierung und seine eigene Partei ließen ihn schmählich im Stich. Der Kollege Schiller schätzte offenbar den Wert von feierlichen Zusagen des Bundeskanzlers zu hoch ein.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

    Vielleicht hat er sich gelegentlich mit einiger Bitterkeit an seine Aussage aus den ersten für ihn schöneren Wochen nach der Bundestagswahl erinnert: „Das Stabilitätsgesetz hat sich eine neue Regierung gesucht." Nun, bei dieser Regierung ist es zu einem armen politischen Waisenkind geworden, für das nicht einmal der gesetzliche Mindestunterhalt gesichert ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die zweite Aussage des Bundeskanzlers vom 17. Februar, es gebe eine konjunkturgerechte Finanzpolitik, wird ihm heute außerhalb der SPD und von Teilen der FDP von niemandem in Deutschland mehr abgenommen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU. — Zurufe von der FDP.)

    Der recht unzulängliche Versuch, hier wieder so etwas aufzubauen und zu begründen, ist meines Erachtens gescheitert. Herr Kollege Ollesch, das von der Regierung in ihren Vorlagen für diese Debatte errechnete Wachstum der Bundesausgaben in Höhe



    Dr. Stoltenberg
    von 8,3 % im ersten Quartal 1970 liegt nicht nur in der Ziffer zu hoch, sondern verschleiert zusätzlich noch die Tatsache, daß im Dezember 1969 über 3 Milliarden DM mehr ausgegeben wurden, als es bei einem gleichmäßigen Wachstum gegenüber den Vorjahren angemessen war.

    (Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

    Diese Beträge werden selbstverständlich im ersten Halbjahr 1970 konjunkturwirksam — zusammen mit den extremen Steigerungsraten von 12 % im März und 20 % im April. Auch nach Abzug der international wirksamen Leistungen beträgt die Steigerungsrate für April immer noch 14 %.
    Gegenüber den Beschönigungen der Bundesregierung und des Kollegen Schiller von heute morgen stellte der Sachverständigenrat am 9. Mai lapidar fest — ich zitiere —: Die vorläufigen Ausgabenkürzungen" — von Bund und Ländern — „betrafen allerdings ein Haushaltsvolumen, das den Ansätzen nach nicht einmal als konjunkturneutral gelten durfte." Angesichts dieses klaren Votums — die sehr scharfe, vernichtende Analyse ist ja einstimmig abgegeben worden; erst im Hinblick auf die Folgerungen gibt es eine Minderheitenäußerung — werden die erneuten Beschönigungen und das Selbstlob aus dem Regierungslager zur bloßen Dekoration einer gescheiterten Stabilitätspolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dafür, wie weit die Widersprüche gehen, finden wir auch in dem heute zur Beratung anstehenden Nachtrag zum Jahreswirtschaftsbericht noch ein recht aufschlußreiches Beispiel. Es heißt in dieser Vorlage auf Seite 7:
    Zusätzliche Steuereinnahmen werden über die obligatorische Konjunkturausgleichsrücklage hinaus einer freiwilligen Konjunkturausgleichsrücklage zugeführt.
    Offensichtlich hat man nach der Beschlußfassung des Kabinetts über den Nachtrag vergessen, diesen Passus im Entwurf zu ändern oder zu streichen; denn das Kabinett hat nach übereinstimmenden Berichten führender deutscher Zeitungen den Vorschlag des Finanzministers nicht übernommen, weitere Ausgabenkürzungen zu beschließen, ohne die eine Finanzierung der obligatorischen Konjunkturausgleichsrücklage aus den planmäßigen Einnahmen nicht gesichert ist. Deshalb müssen die erwarteten überplanmäßigen Mehreinnahmen des Bundes in Höhe von 1,6 Milliarden DM zum allergrößten Teil, nämlich in Höhe von 1,5 Milliarden DM, zur Finanzierung dieser obligatorischen Rücklage herangezogen werden. Für eine freiwillige Rücklage bleibt infolgedessen so gut wie nichts übrig.
    Wir haben in den Ausschüssen für eine weitergehende Lösung votiert. Aber die Regierungsmehrheit hat sie auch diesmal abgelehnt, genauso wie die mehr als 80 Einzelanträge der CDU/CSU auf zusätzliche Einsparungen, die im Haushaltsausschuß gestellt worden sind.
    Die heute von dem Kollegen Schiller neu und auch besonders betont in die Debatte eingeführten hohen Zahlen eines angeblichen Finanzierungsüberschusses halten einer kritischen Betrachtung ebenfalls nicht stand. Auch in der Antwort der Bundesregierung wird auf Seite 7 eingeräumt, daß in der konjunkturpolitisch richtigen Abgrenzung nach dem Haushaltsplan und dem Kassenprinzip die Gebietskörperschaften im Jahre 1970 keinen Nettofinanzierungsüberschuß haben dürften. Herr Kollege Schiller, es bleiben also nur die Überschüsse für die Sozialversicherung; nach einem etwas anderen Berechnungsprinzip machen sie 7 bis 8 Milliarden DM aus. Die Bundesregierung hat es jedoch versäumt, sicherzustellen, daß diese Mittel tatsächlich durch Stillegung bei der Bundesbank dem Geldkreislauf entzogen werden, und damit bleibt von den konjunkturpolitischen Wirkungen eines Finanzierungsüberschusses praktisch nichts mehr übrig.
    Meine Damen und Herren, die dritte Behauptung des Bundeskanzlers vom 17. Februar, es gebe ein Konjunkturprogramm der Regierung, war und ist — gelinde gesagt — eine Übertreibung.

    (Abg. Dr. Barzel: Ein Witz ist das!)

    Niemand hat es außerhalb der Pflichtverteidiger dieser Koalition bis heute so recht entdecken können, jedenfalls nicht, was den anspruchsvollen Ausdruck „Konjunkturprogramm" verdient. Alle unabhängigen Instanzen, von der Bundesbank über die Sparkassen, den Forschungsinstituten bis zu den Sachverständigen, haben Ihnen doch, Herr Kollege Schiller, in den letzten Monaten in unmißverständlicher Deutlichkeit das Prädikat „Völlig ungenügend" ausgestellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Denn mit der Brüskierung des Wirtschaftsministers vom 1. März wurde die Last der Stabilisierung ganz allein der Bundesbank übertragen. Aber das ist doch gerade der entscheidende Vorwurf, den Sie, meine Damen und Herren von der SPD, mit vielen anderen in Deutschland der damaligen CDU/FDP-Koalition im Jahre 1966 gemacht haben, und alle haben in der Tat bei den abschließenden Beratungen des Stabilitätsgesetzes im Jahre 1967 feierlich versichert, daß wir nach den Erfahrungen, die wir seitdem gewannen, und mit den neuen Mitteln, die wir uns schufen, die wir 1966 noch nicht besaßen, in Zukunft rechtzeitig handeln würden. Seit nunmehr drei Monaten trägt aber die Bundesbank die Bürde allein, mit wachsenden Sorgen, wie auch die eindringlichen Ausführungen ihres Vizepräsidenten bei der Kabinettssitzung am 21. Mai nur zu deutlich gemacht haben.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Daß der Bundeskanzler im übrigen die Beratung des alarmierenden Berichts der Sachverständigen vom 9. Mai, der Ergänzung zum Jahreswirtschaftsbericht und der Vorschläge des Finanz- und des Wirtschaftsministers ausgerechnet auf den Tag seiner Kasseler Begegnung mit Stoph ansetzte, demonstriert in erschreckender Weise, welchen geringen Stellenwert die Wirtschafts- und Stabilitätspolitik für den gegenwärtigen Regierungschef trotz aller verbalen Beteuerungen in Wahrheit hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Oh-Rufe von der SPD.)




    Dr. Stoltenberg
    Staatssekretär Arndt sagte vor acht Wochen in einem Interview offen, daß diese Regierung bei ihrem starken ostpolitischen Engagement keine inneren Belastungen durch möglicherweise unpopuläre Handlungen wünsche und deshalb die Parole „Ruhe an der Heimatfront" vertrete.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Diese „Ruhe an der Heimatfront" scheint mir in der Tat die Philosophie zu sein, die Sie hier anwenden, eine Vokabel, die ein wenig an eine Formulierung aus dem 19. Jahrhundert erinnert: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Aber das ist mit den großen Ankündigungen von Dynamik, von Aktion und Verantwortung nicht mehr vereinbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (in einer derart unzulänglichen Weise behandelt werden. Dieser Eindruck, daß Wahltaktik und Opportunismus die Wirtschaftspolitik des Regierungschefs bestimmen, besteht nicht nur bei uns. Er ist eine der Hauptursachen für die wachsende Vertrauenskrise, den zunehmenden Zweifel, ob diese Regierung handeln will, wenn es nicht nur verbal, sondern auch tatsächlich um die Stabilität geht. Das Zwiespältige, das Janusköpfige ihrer Worte und Handlungen wird ja auch in dem heute zur Debatte anstehenden Bericht deutlich. Am 26. Mai heißt es im Nachtrag zum Jahreswirtschaftsbericht — ich zitiere —: Die Bundesregierung nimmt die vom Sachverständigenrat dargelegte Gefahr neuer Fehlentwicklungen ernst. Sie betont, daß sie Geldwertstabilität und hohen Beschäftigungsstand nach wie vor für gleichrangige Ziele hält. Am gleichen Tage aber wird von derselben Regierung in der schriftlichen Beantwortung unserer Großen Anfrage unter Anspielung auf die Äußeßung eben jener Sachverständiger geschrieben — ich zitiere —: Eine von Ungeduld geprägte Stabilisierungspolitik würde die Rückkehr zum Gleichgewicht zwar beschleunigen können, aber nur um den Preis einer Gefährdung von Wachstum und Vollbeschäftigung. Das ist nun die neue Parole, mit der wir uns kritisch auseinandersetzen müssen: der angebliche Gegensatz zwischen einem ernsthaften Stabilitätskurs und der Vollbeschäftigung. Wir halten diese Methode, die Arbeitnehmer an die Inflation gewöhnen zu wollen, indem man ihnen Angst um die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze machen will, für sachlich falsch und für politisch gefährlich. Wir teilen statt dessen die Meinung der Sachverständigen: Der Übergang von dem sich jetzt abzeichnenden „inflatorischen Gleichgewicht" — so schreiben sie — zur Stabilisierung hin ist um so schwerer und für die Konjunktur und Vollbeschäftigung risikoreicher, je weiter der Prozeß der Gewöhnung an anhaltende Preissteigerungen bereits fortgeschritten ist. Was hier in der etwas komplizierten Sprache der Fachleute gesagt wird, zeigt ja jedermann ein Blick auf die jüngste Wirtschaftsgeschichte anderer Länder. Die Situation in den USA und Großbritannien macht doch klar, daß starke Geldentwertung und Arbeitslosigkeit keine 'Gegensätze sind, sondern sich sehr oft — nur zu oft — gegenseitig bedingen. Wir möchten unseren Hausfrauen und Arbeitern eine Situation wie in England ersparen, wo jährliche Preissteigerungen von 5 % und 600000 Arbeitslose zusammenkommen und nach den Versäumnissen früherer Jahre der Weg zum Gleichgewicht um ein Vielfaches schmerzlicher und mühsamer ist als alles, was bei uns heute im Interesse der Stabilität geschehen müßte. Die Bundesregierung orientiert sich aber offenbar nicht an den gegenwärtigen aktuellen Erfahrungen Großbritanniens, sondern mehr an der Wirtschaftsphilosophie des Manchester-Liberalismus eines vergangenen Jahrhunderts, (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)


    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)


    (Hört! Hört! 'bei der CDU/CSU)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    der die Wiedergewinnung eines verlorenen Gleichgewichts nicht durch Handeln, sondern durch tatenloses Abwarten des Staates in Aussicht stellte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Stabilität und Vollbeschäftigung sind miteinander zu vereinbaren. Wir verteidigen in diesem Punkte ausdrücklich den Karl Schiller des Jahres 1967 gegen den Willy Brandt des Jahres 1970,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und ich füge nach Ihrer heutigen Rede hinzu: wir verteidigen auch den Karl Schiller vom 1. März gegen den Karl Schiller des 3. Juni.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie sind, so muß man betonen, allerdings nie- vorgegebene garantierte Größen. Neben einer glaubwürdigen Regierung bedarf es des Stabilitätswillens der autonomen Sozialpartner und Gruppen in ihren Entscheidungen. Bei uns gibt es aber seit Monaten keine wirksame konzertierte Aktion mehr in diesem notwendigen Dialog von Regierung, Unternehmern und Gewerkschaftlern. Die Preis- und Lohnbewegung ist außer Kontrolle geraten. So droht von den um 6,5 % gestiegenen industriellen Erzeugerpreisen und den jüngsten extremen Kostenentwicklungen in der Energie-, Verkehrs- und Bauwirtschaft im Spätsommer und Herbst eine neue starke Steigerung ,der Lebenshaltungskosten.



    Dr. Stoltenberg
    Die neuen optimistischen Darstellungen der Bundesregierung über die Preisberuhigung, die wir heute hörten, werden sich genauso als falsch erweisen wie die Fehlprognosen der Kollegen Schiller und Möller vom Dezember und Januar, die wir doch noch alle im Ohr haben. Damals hieß es:

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    „Der Preisauftrieb ist bereits gebrochen", „Wir haben die Entwicklung voll unter Kontrolle", „Es gibt eine antizyklische Finanzpolitik, die in Kürze wirksam werden wird" und anderes mehr. Es hat keinen Sinn, Herr Kollege Schiller, ständig geringfügig variierende Monatsindizes überzuinterpretieren und sie als Alibi für die eigenen Versäumnisse zu benutzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Im Gegensatz zum Bundeswirtschaftsminister und in Übereinstimmung mit der Bundesbank erblicken wir in den jüngsten Zahlen für April, soweit sie vorliegen, vor allem in den bereinigten Daten kein Anzeichen für eine Konjunkturwende, auch wenn sich zweifellos zunehmend starke Differenzierungen ergeben. Und Ihnen wird ja heute in einer sehr scharfen Kritik auch in führenden deutschen Wirtschaftszeitungen bescheinigt, daß die Art, wie Sie diese Statistiken gestern noch schnell interpretiert haben, unter die Überschrift „Rechentricks" gehört.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Vor allem die Baupreise steigen in erschreckender Weise weiter an. Von den zunächst festgestellten 16 % gegenüber dem Vorjahr nähern sie sich jetzt weithin 25 %, in manchen Ballungsgebieten sogar den 30 %, und es gehört schon der Mut der Verwegenen dazu, solche Gefahren zu ignorieren und in idyllischen Wendungen von einer Beruhigung des Preisauftriebs zu sprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man muß, glaube ich, auch die heute vom Herrn Kollegen Schiller aufgenommene Beurteilung etwas genauer untersuchen, die gegenwärtige Lage sei keineswegs mit der des Jahres 1966 vergleichbar. Sicherlich gibt es einige neue positive Merkmale, auf die man hinweisen kann. Aber Professor Köhler hat in seinem gerade von Ihnen ja oft zitierten Minderheitenvotum ausdrücklich auf die größer gewordene Gefahr extremer zyklischer Ausschläge hingewiesen, und noch mehr Sorge bereitet vielen Kundigen in Deutschland, daß die Lage der Weltwirtschaft, von der wir so stark abhängig sind, ungünstiger und risikoreicher ist als damals. Auch das gehört zu einer ungeschminkten Bilanz und zu ungeschminkten Vergleichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Deshalb muß die Regierung endlich durch überzeugende Handlungen wieder ein glaubwürdiger konjunkturpolitischer Partner der Unternehmen und Gewerkschaftler werden und ihnen verdeutlichen, daß die gegenwärtigen Steigerungsraten in der Lohnpolitik und in der Preispolitik zu jenem „sich selbst nährenden inflatorischen Prozeß" beitragen, vor dem die Sachverständigen so eindringlich gewarnt haben,
    Gegenwärtig fördert der Regierungschef in seinen öffentlichen Reden jedoch eine Mentalität, bei der bereits in Verhandlungen, in Verträgen und Dispositionen von vornherein ein Inflationszuschlag von zunächst 4 % einkalkuliert wird. Das ist der Anfang einer möglicherweise schrecklichen Stufenfolge, wenn nicht endlich gehandelt wird. Wir, meine Damen und Herren, wehren uns deshalb mit Nachdruck gegen die böse Unterstellung des Bundeskanzlers, die er in seinen Wahlreden immer wieder ausspricht: daß sich unsere Forderungen nach mehr Stabilität gegen die Vollbeschäftigung und die Sicherheit der Arbeitsplätze richte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das Gegenteil ist der Fall, wie die Aussagen der Sachverständigen und anderer klargemacht haben. Dieses Kabinett ist im Begriff, als eine Regierung der einkalkulierten Inflation in die deutsche Wirtschaftsgeschichte einzugehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In einer Gesellschaft mündiger Bürger und Gruppen gibt es Selbst- und Mitverantwortung. Wenn autonome Gruppen ihre Forderungen ohne Rücksicht auf die gesamtwirtschaftlichen Folgen durchsetzen wollen, übernehmen sie ein Risiko. Das kann und soll ihnen eine Regierung nicht in vollem Umfang abnehmen, weder den Unternehmern noch den Gewerkschaften. Zu einem Zeitpunkt jedoch, in dem wir 1,7 Millionen ausländischer Arbeiter im Lande und viele Hunderttausend offener Stellen haben, ist ein deutliches Mehr an Stabilität geboten und ohne Gefährdung unserer Arbeitsplätze möglich!

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr! — Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wie wenig der Bundeskanzler selber im Grunde seines Herzens an diese von ihm dargestellte Scheinalternative glaubt, hat er am 1. Mai in einer Fernsehdiskussion deutlich gemacht. Er sagte damals auf drängende Fragen hin, wenn die Lebenshaltungskosten über 4 % stiegen, dann sei auch er für weitere stabilisierende Maßnahmen.

    (Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

    Er will damit aber doch sicher nicht selbst die Arbeitsplätze bedrohen und sollte es deshalb auch uns nicht unterstellen, wenn wir bereits eine Inflationsrate von 3,8 % für bedrohlich genug halten, um entschiedeneres Handeln von ihm zu verlangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das gegenwärtige Verhalten der Bundesregierung führt zu besonders schweren Härten. Wir müssen hier auf die vielen Millionen Sozialrentner verweisen, die vom 1. Januar 1971 an eine Steigerung ihrer Bezüge um 5,5 % zu erwarten haben; bei einem Geldwertverlust, einem Substanzverlust in diesem Jahr von 4 %, oder vielleicht schon mehr, das weitaus schlechteste Ergebnis für sie seit der Rentenreform von 1957!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ähnlich bedrückend ist in der Tat die Bilanz für andere schwache Gruppen, denen doch die beson-



    Dr. Stoltenberg
    dere Fürsorge dieser Regierung gelten sollte, die Kinderreichen, die Lastenausgleichsempfänger und auch viele Menschen aus dem kleinen selbständigen Mittelstand, die nicht in der Lage sind, Zuschläge oder einen Zuwachs zu ihrem Einkommen von 8, 10 oder 12 % zu erzielen. Bei ihnen addieren sich teilweise noch die Wirkungen der Geldentwertung mit den einseitigen Härten der Diskontpolitik,

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    über deren Folgen der SPD-Pressedienst schon am 9. März in schonungsloser Offenheit schrieb:
    Eine unmittelbare Beruhigung ist von dieser Entscheidung nicht zu erwarten, eher das Gegenteil. Damit fällt auch das Argument und die billige Entschuldigung, die Maßnahmen des Stabilitätsgesetzes zur gezielten Beschränkung der Nachfrage in spezifischen Überhitzungsbereichen kämen in dieser Konjunkturphase zu spät.
    Immerhin wären, so meint dieser Artikel des SPD-Pressedienstes, die Schuldigen getroffen worden.
    Jetzt trifft es zuerst ihre Opfer, z. B. private kleine Bausparer. Das heißt, die Wirtschaftspolitik kann durch diesen Beschluß nicht einfach suspendiert werden.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Das gilt heute genauso wie im März, als es geschrieben wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Niemand kann übersehen, wie das gegenwärtige Verhalten der Regierung zu einem wachsenden Vertrauensverlust in unserem Lande führt, und ich fürchte — ich sage das ganz offen, Herr Kollege Schiller —, daß die leichte Art, mit der Sie diese Fragen heute behandelt haben, nicht geeignet ist, dieses Vertrauen wieder zu stabilisieren,

    (lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    nicht nur, weil es im Widerspruch zu Ihrer Rede vor dem Deutschen Industrie- und Handelstag vom 27. Februar steht, zu den Thesen von damals, einer schonungslosen Beurteilung der gegebenen Lage, sondern weil die Menschen in allen Parteien und die Wähler aller Parteien Gott sei Dank etwas kritischer geworden sind und etwas mehr von uns an ernster Auseinandersetzung mit ihren Fragen verlangen, als das heute morgen hier geboten wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Entwicklung der Spareinlagen, der Börsen, bestimmte Kapitalbewegungen zeigen dies ebenso wie das Verhalten der autonomen Gruppen und der Verbraucher. Man kann ja auch nicht, Herr Kollege Schiller, einmal, wie Sie es in den ersten Tagen dieses Jahres getan haben, die gute Verfassung der Börse als ein Vertrauensindiz für diese Regierung bezeichnen und dann, wie Sie es heute tun, nachdem die Kurse um 30 % gefallen sind, so tun, als ob das mit dieser Regierung überhaupt nichts zu tun hätte und nur die Auslandswirkungen hier wirksam wären.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.) Jeder weiß, daß die damalige Aussage so einseitig war wie die heutige. Es gibt verschiedene Faktoren, die zusammenwirken, natürlich u. a. internationale, aber daß auch ein Element tiefen Zweifels an dieser Regierung, an ihrer Handlungsfähigkeit und ihrem Stabilitätswillen sich in der Verfassung der Börsen widerspiegelt, das weiß doch ein jeder.

    Angesichts dieses gefährlichen Erosionsprozesses vergrößern die führenden Politiker der Sozialdemokraten noch die Unsicherheit über den künftigen Kurs ausgerechnet jetzt durch widerspruchsvolle Aussagen zu Kernfragen unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Die Jungsozialisten haben in Saarbrücken den Kurs ihrer Partei doch schon ein ganzes Stück nach links lenken können. Wir sehen dies im einzelnen an bestimmten Beschlüssen des SPD-Parteitages und an den Aussagen der führenden Männer. So wurde auf Grund einer Vorlage des Parteivorstandes dort ein öffentlich kontrollierter Zentralfonds gefordert, ,der aus Gewinnabgaben der Unternehmen finanziert werden soll. In diesem Fonds erblicken die Initiatoren, wie etwa der hessische Wirtschaftsminister Rudi Arndt klar gesagt hat, ein Instrument der direkten Wirtschaftssteuerung, der Unternehmensplanung und der Vermögensumverteilung.

    (Aha! bei der CDU/CSU.)

    Vor einem Jahr noch, im Mai 1969, bezeichnete der SPD-Vorsitzende Brandt bei dem vorhergehenden Parteitag, wie man in Protokollen nachlesen kann, einen inhaltlich Bleichlautenden Antrag, damals von Hessen-Süd eingebracht, als „unannehmbar" für ihn.

    (Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

    Er bestand darauf — etwas ungewöhnlich im Verfahren —, daß eine Abstimmung wiederholt wurde, bei der sich zunächst eine Mehrheit für diese Vorlage ergeben hatte, unter Berufung auf den dringenden Rat der Kollegen Schiller und Möller.

    (Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

    Weshalb war denn im Mai 1969 unannehmbar und mit den Grundsätzen des Godesberger Programms und der Marktwirtschaft unvereinbar, was im Jahre 1970 mit der Unterschrift des gleichen Willy Brandt eingebracht und als offizielles Dokument sozialdemokratischer Politik beschlossen wurde?

    (Lebhafter Beifall und Hört! Hört! bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Barzel: Schade, daß der Kanzler nicht da ist!)

    Darauf möchten nicht nur wir, sondern viele Millionen Menschen in unserem Lande mit uns eine Antwort, weil wir in der Tat nicht mehr wissen, wohin die Reise in der SPD und der von ihr geführten Regierung gehen soll in der Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik ebenso wie in der Außenpolitik, weil wir nicht mehr wissen, wie lange die starken Worte des Regierungschefs gelten und wann sie aufgehoben werden.



    Dr. Stoltenberg
    Ähnlich fundamentale Widersprüche finden wir auch beim Bundesfinanzminister, nur in einem noch wesentlich kürzeren Zeitraum.

    (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/ CSU.)

    Er hat das bemerkenswerte Kunststück fertiggebracht, sich in der zentralen Frage der Steuerlastquote in wenigen Tagen mehrfach grundlegend zu widersprechen. Weil das ein ziemlich harter Vorwurf ist, möchte ich es mit seinen eigenen Zitaten belegen. Am 12. Mai erklärte er in Saarbrücken — ich zitiere —:
    Ich bin der Überzeugung, daß für die nächsten Jahre unser finanzwirtschaftlicher Spielraum im öffentlichen Gesamthaushalt ausreichen wird, um mit den längst überfälligen notwendigen Reformen zu beginnen.
    Und er bekräftigt im Anschluß daran noch einmal ganz nachdrücklich den Satz der Regierungserklärung, daß die Steuerlastquote nicht erhöht werden solle. In der folgenden Diskussion äußerte er sich dann unter dem Einfluß der Linken seiner Partei, die natürlich das Gegenteil verlangten, ganz anders. Ich zitiere Herrn Kollegen Möller nach dem Protokoll:
    Der Genosse Nölling hat darauf hingewiesen, daß wir uns bei der Steuerreform nicht an die jetzige Steuerlastquote binden können. Dieser Forderung widerspreche ich in keiner Weise.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    Nachdem dieses Hin und Her ziemlich viel Unruhe erzeugt hatte, kehrte Alex Möller vor dem gemäßigteren und — Sie entschuldigen die Bemerkung — vielleicht auch etwas sachkundigeren Forum des Deutschen Steuerkongresses am 26. Mai wieder zu den alten, bewährten Grundsätzen zurück.

    (Lachen bei der CDU/CSU.)

    Er stellte sich vorbehaltlos hinter die Aussagen seines Staatssekretärs Emde, der dort ganz entschieden gegen alle Pläne Stellung genommen hatte, die für eine Erhöhung der Steuerlastquote diskutiert werden. Ich zitiere wieder den Kollegen Möller:
    Ich habe Herrn Emde sein Manuskript zurückgegeben mit dem Hinweis, daß ich den Beitrag für ausgezeichnet halte und ihn in jeder Passage voll verstehe und decke.

    (Heiterkeit und Hört! Hört! bei der CDU/ CSU.)

    Meine Damen und Herren, Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn das Ansehen und die Glaubwürdigkeit dieser Regierung bei solchen Widersprüchen in Kardinalfragen Ihrer künftigen Politik schwindet.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Die „heilige Kuh" müssen Sie noch zitieren!)

    Die Vertreter der marktwirtschaftlichen Konzeption in der SPD, die Kollegen Schiller und Möller, sind aus dem Zentrum der Machtstruktur und Meinungsbildung ihrer Partei offensichtlich an den Rand
    gerückt. Sonst würden sie ja nicht so hin- und her-gestoßen, wie das mit Herrn Schiller im Februar und mit Herrn Möller jetzt im Mai geschah.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Die linkssozialistischen Vorstellungen in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik gewinnen ständig an Boden und machen den künftigen Kurs immer unkalkulierbarer.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, die Regierung trägt eine besondere Verantwortung nach dem Stabilitätsgesetz. Wir haben hier mehrfach konkrete Vor- schläge für ein wirkungsvolleres Handeln gemacht und unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit ausgesprochen. Ich wies bereits auf unsere Anträge für Haushaltskürzungen hin, die von der Mehrheit abgelehnt wurden. Darüber wird heute nachmittag und in den nächsten Tagen zu sprechen sein. Wir haben bis heute auch keine Antwort auf unseren Vorschlag vom April, alle noch nicht verabschiedeten ausgabewirksamen Gesetzentwürfe der Koalition und der Opposition in ihren Finanzbestimmungen auf das Jahr 1971 zu vertagen.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    Wir treten eindeutig für eine Verschiebung der Steuersenkungen auf das nächste Jahr ein

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    und halten auch die jüngsten Veränderungen in den Plänen der Regierung für nicht ganz überzeugend. Bund und Länder müssen im Finanzplanungsrat eine weitergehende Konjunkturausgleichsrücklage vereinbaren, was natürlich entsprechende Beschlüsse der Regierung für das eigene Handeln voraussetzt. Nur so wird es möglich sein, auch die Investitionen der großen Kommunen konjunkturpolitisch stärker abzustimmen.
    Die Regierung hat auf dieses Problem der Gemeinden in ihrer Ergänzung zum Jahreswirtschaftsbericht hingewiesen, ohne aber konkrete Vorschläge zu machen. Fraglos werden wir in Ruhe und Sorg, fait zu prüfen haben, ob § 19 des Stabilitätsgesetzes zur Sicherung eines gleichmäßigeren Verhaltens aller öffentlichen Hände einer Erweiterung bedarf, ebenso wie § 26 unter dem Vorzeichen einer möglichen Verfeinerung des Instrumentariums zu erörtern sein wird. In diesem letzten Punkt sind wir uns mit dem Bundesfinanzminister einig, der dies gewünscht hat. Aber dies ist doch keine Entlastung für die Untätigkeit der Regierung hier und heute, den mangelnden Willen, die jetzt gegebenen Möglichkeiten zu nut- zen.

    (Sehr gut! und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben uns, Herr Kollege Schiller, in Übereinstimmung mit einem der Punkte des Sachverständigenrates und der Forschungsinstitute ferner für eine freiwillige Verminderung der Nachfrage durch attraktiv ausgestattete Steuergutscheine ausgeprochen. Der Sachverständigenrat hat eine positivere Meinung von diesem Vorschlag als Sie, denn er hat ihn auf Seite 9 seines Katalogs ausdrücklich aufgenommen und nur gesagt, daß er nicht allein aus-



    Dr. Stoltenberg
    reiche. Aber deshalb haben wir in der Frage der Steuern, der Ausgaben und der Konjunkturausgleichsrücklage weitere Vorschläge gemacht, die erheblich über das hinausgehen, was Sie für richtig halten. Deshalb ist es schon eigentümlich, wenn Sie, wie auch andere Sprecher. der Bundesregierung, diese Vorschläge wegen möglicher Umschichtungen als wirkungslos bezeichnen und die Regierung zugleich ihre problematische Bildungsanleihe, bei der diese Gefahren der Umschichtung viel größer sind, als Beitrag zur Stabilisierung anpreisen will.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Auf der Grundlage glaubwürdiger Handlungen der Regierung muß es dann wieder zu einer konzertierten Aktion kommen, die wir heute eben nicht haben, um die volkswirtschaftlichen Eckdaten als Basis einer stabilitätsgerechten Einkommens- und Preispolitik konkreter zu bestimmen.
    Selbstverständlich sollten diese Vorschläge der CDU/CSU im einzelnen diskutiert und gegebenenfalls ergänzt werden. Nur kann die Regierung, Herr Kollege Schiller, nicht zunächst behaupten, wir hätten überhaupt nichts zu bieten, wir hätten kein wirksames Stabilitätskonzept, und dann anschließend erklären, unsere Forderungen und Vorstellungen bedrohten die Vollbeschäftigung. Daß Sie die Logik Ihrer Aussage in diesem Bereich vielleicht etwas überprüfen, gehört auch zu den Erfordernissen einer rationalen Politik, 'die Sie für sich in Anspruch nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wir haben deutlich gemacht, und ich bekräftige dies noch einmal, daß wir auch andere und weitergehende Vorschläge der Regierung aufgeschlossen prüfen werden, sobald wir sie kennen und sobald ihre Begründung mit den Daten vorliegt.
    Täuschen wir uns nicht, das berechtigte Drängen der Bundesbank wird mit ihren zunehmenden Sorgen stärker und nicht schwächer. Die gestrige Äußerung von Herrn Emminger war hier wohl ein Signal, das niemand in diesem Lande überhört hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Sie kann die Last in der Tat nicht mehr lange allein tragen, ohne schwere Strukturschäden für die schwächeren Sektoren und Gruppen, möglicherweise auch ohne zunehmende außenwirtschaftliche Probleme. Daß Sie, Herr Kollege Schiller, gerade heute, da durch die undifferenzierte Diskontpolitik die Strukturschäden in den schwachen Gebieten von Monat zu Monat stärker werden,

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    die hervorragende Strukturpolitik in der Bundesregierung gelobt haben, das scheint mir doch eine weite Entfernung von der Wirklichkeit zu sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Deshalb brauchen wir, Herr Kollege Schiller, eine „Symmetrie der Stabilitätspolitik" — ich habe auch einmal versucht, wortschöpferisch zu sein und insofern einen Ihrer Begriffe aufgenommen -, ein enges Zusammenwirken von Bundesbank und Bundesregierung, das es nach den völlig richtigen Feststellungen der Sachverständigen und der Bundesbank heute nicht gibt. Ich bewundere Ihren Mut, das Gegenteil zu sagen, hier von einem engen, vertrauensvollen Zusammenwirken vor dem deutschen Volk zu sprechen, nachdem Herr Emminger im Kabinett genau das Konträre gesagt hat und die Sachverständigen Ihnen das Gegenteil bescheinigt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Nur die Entlastung der Bundesbank aus einer immer schwierigeren Lage kann sie in der Diskontpolitik wieder handlungsfähig machen und zu einem gleichmäßigen Bremsen ohne extreme Ausschläge in den Mitteln und in den Wirkungen führen.
    Meine Damen und Herren, einer der führenden Sprecher der amerikanischen Linken, der bedeutende Nationalökonom Galbraith, hat zu diesen Fragen der Stabilität und Inflation und der Verantwortung einer modernen Regierung folgendes gesagt:
    Eine Entscheidung zum Nichtstun ist untragbar. Überlegen wir einmal gründlich, welcher Art die Inflation ist, über die wir hier reden: Sie wird angeführt von den Preisen der größten und mächtigsten Firmen. Die Lohnforderungen der größten und mächtigsten Gewerkschaftsverbände dienen als Schrittmacher. Wer nachhinkt, sind die schwächeren Firmen und Verbände, ebenso die Staatsbeamten, die Lehrer, die unorganisierten Arbeiter, schließlich die Rentner und die Alten. Wer eine Inflation modernen Stils gutheißt, billigt damit eine Politik, die den Größten und Stärksten das meiste und den Kleinsten und Schwächsten das wenigste gibt.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.) Aber

    — so fährt Galbraith fort —
    das ist noch nicht alles, was gegen diese Inflation spricht. Sie täuscht das Vertrauen der Sparer. Sie schadet den öffentlichen Diensten. Sie belohnt nicht die Begabtesten, sondern die begabtesten Geldverdiener.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, im Spiegel solcher Urteile und Gefahren sollten Sie hier und heute endlich den Mut haben, die Lage ohne Beschönigung darzustellen, ein Programm vorzulegen und zu vertreten, das wir von dieser Regierung für unser Land dringend brauchen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Lenders. Für ihn sind 40 Minuten Redezeit beantragt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Lenders


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich im Namen der SPD-Fraktion die Vorlage des Nachtrags zum Jahreswirtschaftsbericht begrüßen. Die Bundesregierung hat die ursprüngliche Jih-



    Lenders
    resprojektion auf der Basis veränderter Daten korrigiert, ihre Politik der Konjunkturstabilisierung bestätigt und ihre Entscheidungen in der gegenwärtigen konjunkturellen Situation noch einmal begründet. Dieser Nachtrag zum Jahreswirtschaftsbericht stellt angesichts der vor uns ausgebreiteten und sicher nicht nur freundlichen konjunkturpolitischen Fakten die Offenheit und die politische Glaubwürdigkeit dieser Bundesregierung unter Beweis. Gleichzeitig ist dieser Bericht Ausdruck der Stetigkeit und des Maßes der Wirtschaftspolitik dieser Regierung und damit klärend für die gegenwärtige öffentliche Diskussion.
    Meine Damen und Herren, ich muß das mit aller Deutlichkeit hier sagen: unverständlich ist uns die Haltung der Opposition in diesen Wochen und Monaten. Daß Sie, meine Damen und Herren, eine Ergänzung des Jahreswirtschaftsberichts von der Regierung erwarten, daß Sie danach fragen, ist unbestritten Ihr Recht. Daß Sie die Situation anders beurteilen als wir, als die Bundesregierung, auch das wäre legitim. Daß Sie aber innerhalb dreier Monate, nämlich seit Mitte März bis heute, vier konjunkturpolitische Debatten in diesem Hause in Szene setzen, — —

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das ist Ihnen unangenehm!)

    — Nein, das ist uns nicht unangenehm, Herr Müller-Hermann, und zwar deshalb nicht, weil trotz dieser Ihrer Bemühungen bis heute nicht sichtbar geworden ist, was Sie denn anders tun wollen.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das ist doch billig, Herr Lenders!)

    Das kann nur zur Verunsicherung der Wirtschaft hinsichtlich der weiteren Entwicklung beitragen.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Das besorgt die Regierung!)

    Wir sind der Meinung, daß das leichtfertig und nur aus kurzsichtigen, taktischen und parteipolitischen Gesichtspunkten zu erklären ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, Ihr Verhalten fällt genau unter den Einwand, den der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie geltend gemacht hat, als er Ende April dieses Jahres im „Volkswirt" schrieb: „Es ist so ziemlich das Schlimmste, was Konjunkturen passieren kann, daß ständig über sie gesprochen wird." Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben mit Ihrem Anfang dieses Monats veröffentlichten SiebenPunkte-Programm nichts Neues an wirklich wirksamen Maßnahmen vorgeschlagen, nichts, was die Regierung nicht schon von sich aus unternommen hätte.
    Um es Ihnen noch einmal im einzelnen in die Erinnerung zurückzurufen, Herr Dr. Freiwald, darf ich dazu folgendes sagen. Die Ausgaben des gesamten öffentlichen Sektors werden sich in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr um nur 8 bis 9 % erhöhen' und damit um 3,5 bis 4,5 % unter der Zuwachsrate des Bruttosozialprodukts von etwa 12,5 % liegen, d. h. der Finanzierungsüberschuß des öffentlichen Sektors wird dementsprechend 1970 in der Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung rund 16 Milliarden DM betragen. Dieser Überschuß ergibt sich zu einem wesentlichen Teil aus der restriktiven Haushaltsführung des Bundes und der Länder. Das heißt, die öffentliche Hand insgesamt wirkt, über das Jahr 1970 hinweg gesehen, konjunkturgerecht, antizyklisch. Dies unterscheidet sich deutlich von der defizitären Politik der damaligen Bundesregierung in den Jahren 1965/66. Daran ändert auch das nichts, was Sie, Herr Dr. Stoltenberg, hier hin und her gerechnet haben.
    1970 betreiben Bund und Länder eine konjunkturgerechte Fiskalpolitik. Die èinschneidenden Haushaltssperren belaufen sich auf 4 Milliarden DM der verfügbaren öffentlichen Ausgaben. Die von Bund und Ländern zu bildenden Konjunkturausgleichsrücklagen betragen insgesamt 2,5 Milliarden DM und werden durch zusätzliche Steuereinnahmen freiwillig aufgestockt. Die vorgesehenen Steuersenkungen — auch das muß ich Ihnen sagen, Herr Dr. Stoltenberg — werden nicht in diesem Jahr, sondern erst 1971 nachfragewirksam werden. Auch diese gewiß nicht leichte Entscheidung zeigt, daß Freie Demokraten und Sozialdemokraten an ihrem Stabilitätskurs festhalten.
    Herr Dr. Stoltenberg und meine Damen und Herren von ,der Opposition, es bedarf Ihres Angebots — das Sie ja in Ihrem Sieben-Punkte-Papier haben und hier noch einmal vorgetragen haben —, ausgabewirksame Beschlüsse gemeinsam zurückzustellen, nun wirklich nicht. Ich will Ihnen etwas sagen. Ich halte dieses Angebot, das Sie in Ihrem Programm schon einmal gemacht haben, im Grunde nur für ein Feigenblatt,

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU: Au, au!)

    mit dem Sie die ausgabewirksamen Gesetzesanträge Ihrer eigenen Fraktion oder, besser gesagt, der verschiedenen Gruppen Ihrer Fraktion nur verdecken wollten,

    (Beifall bei der SPD)

    ausgabewirksame Gesetzentwürfe, meine Damen und Herren, die Ihnen angesichts Ihrer ständigen konjunkturpolitischen Einlassungen wohl inzwischen selber peinlich geworden sind.
    Nun bleibt von Ihren Vorschlägen nur noch die ,dem Sachverständigenrat entlehnte Erwägung, Steuergutscheine in Form verzinslicher Papiere auszugeben. Darauf hat Ihnen mein Kollege .Junghans vor kurzem bereits geantwortet. Er stellte fest, daß bei einer freiwilligen Zeichnung von Steuergutscheinen der Kaufkraftentzug so gut wie Null wäre, weil die Steuergutscheine — das müssen Sie doch in Ihre Überlegungen einbeziehen —, wenn sie überhaupt gezeichnet würden, mit größter Wahrscheinlichkeit lediglich zu einer Umschichtung der Ersparnisse in andere Sparformen, nicht aber zu einer Erhöhung .des Sparvolumens, führen würden. Der Sachverständigenrat weist ebenfalls auf diese Problematik hin. Abgesehen davon müßte ,die Verzinsung dieser Steuergutscheine auch nach den Erfah-



    Lenders
    rungen mit dem Bundesschatzbrief besonders attraktiv sein. Dadurch würde das Zinsniveau noch weiter nach oben gedrückt, eine Operation, die dem Kapitalmarkt bestimmt nicht guttun würde. Kurzum: Ihr Vorschlag ist vielleicht gut gemeint, aber wir halten ihn für unrealistisch.

    (Abg. Breidbach: Danke!)

    Somit steht, meine Damen und Herren das, was Sie in Ihrem Sieben-Punkte-Programm anzubieten haben — das ist auch nicht durch Herrn Dr. Stoltenberg ergänzt worden —, zunächst einmal in einem sehr offenen und auffallenden Gegensatz zu den dramatischen Tönen, die Sie hier in bezug auf die konjunkturpolitische und preispolitische Situation angeschlagen haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU.)

    Erfreulich ist nur — das muß ich einschieben —, daß Sie in Ihren Überlegungen — Sie haben das wiederholt, Herr Dr. Stoltenberg — die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Bedeutung der konzertierten Aktion anerkennen. Darüber freuen wir uns.
    Ich komme nun aber zurück zu der Diskrepanz zwischen Ihren Reden, Ihren dramatischen Tönen, und dem, was Sie konkret vorzuschlagen haben, was Sie konkret in Ihrem Sieben-Punkte-Papier vorgeschlagen und heute konkret gesagt haben. Für diese Diskrepanz, die hier besteht, gibt es eine Erklärung.
    Wir sind der Meinung, daß die Diskrepanz zwischen der dramatischen Aussage und dem, was Sie an Fakten zu bieten haben, damit zu erklären ist, daß Sie im Grunde genommen der Grundkonzeption der Ziffer 16 des Sondergutachtens der Sachverständigen folgen. Etwas anderes kann nicht dahinterstehen. Das heißt, Sie sind bereit, das Risiko eines über eine Normalisierung hinausgehenden Beschäftigungsrückgangs einzugehen und bewußt den hohen Preis einer leichten Rezession in das Kalkül der Konjunkturpolitik einzubeziehen. Ihre verbalen Beteuerungen zur Vollbeschäftigung täuschen, meine ich, auch nicht darüber hinweg. Meine Damen und Herren, das entspricht genau der Grundhaltung, die Sie bereits in der Auseinandersetzung der Jahre 1966/67 bei der Überwindung der damaligen Rezession eingenommen haben.
    Sie haben im Gegensatz zum Sachverständigenrat, der neutral eine wirtschaftspolitische Alternative, eine Alternative zur politischen Entscheidung in dieser Frage, aufstellt, nicht den Mut, das offen auszusprechen. Das ist meine Auffassung. Ich frage Sie deshalb, ich muß Sie fragen: Sind wirtschaftliche Stagnation und Arbeitslosigkeit auch heute noch das Mittel Ihrer Konjunkturpolitik, ja oder nein? Darauf müssen Sie eine Antwort geben.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. MüllerHermann: Darauf kriegen Sie auch eine!)

    — Auch in Zusammenhang mit Ihren Anträgen! Sie können nicht ständig darum herumreden.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Wir haben ganz klar dazu Stellung genommen!)

    — Die Unklarheit besteht in der Diskrepanz zwischen Ihren dramatischen Reden und dem, was Sie beantragen. Von dieser Dikrepanz hermüssen Sie den Schluß, daß Sie im Grunde denn Sachverständigenrat in seiner Intention folgen, zulassen.

    (Abg. Breidbach: Das ist doch unsachlich! — Abg. Dr. Stoltenberg meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    Meine Damen und Herren, unser Ausgangspunkt
    — den möchte ich noch einmal klarmachen — ist folgender.
    Erstens. Im gegenwärtigen Zeitpunkt ist die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik für den Zeitraum 1970/71 binnenwirtschaftlich wie im internationalen Zusammenhang nicht mit ausreichender Bestimmtheit zu beurteilen. Darauf weisen unter anderen auch die Sachverständigen hin.
    Zweitens. Die Stabilisierungsmaßnahmen von Bund und Ländern sowie die Kreditpolitik der Bundesbank beginnen, sich preispolitisch beruhigend, wenn auch mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, auszuwirken. Der Herr Burndeswirtschaftminister hat heute morgen ,darauf hingewiesen.
    Drittens. Ein schroffes Bremsen in ,der sich gegenwärtig differenziert entwickelnden Konjunktur könnte an den Preisbewegungen der vergangenen Monate nichts ändern, wohl aber die Binnenkonjunktur zum Kippen bringen. Meine Damen und Herren von ,der Opposition, wenn Sie das zur Zeit sicherlich sehr wechselvolle Spiel der sich von Monat zu Monat verändernden konjunkturellen Indikatoren verwirrt, dann liegt das — das ist unsere Auffassung —daran, ,daß Sie eben bis heute nicht gelernt haben, wirtschaftspolitisch langfristig zu denken und zu handeln.

    (Beifall bei der SPD. — Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Breidbach: Schulmeisterei! — Abg. Dr. Müller-Hermann: Ausgerechnet!)

    Mit Ihrer allein auf den jetzigen Augenblick bezogenen Argumentation bleiben Sie wirtschaftspolitisch hinter der Entwicklung zurück.

    (Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    Die Konstellation der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse, in der wir zur Zeit international stehen, bietet für uns nur eine auf die Zukunft gerichtete Strategie.

    (Zuruf von der CDU/CSU: 80er Jahre!)

    Diese Strategie beinhaltet die Entscheidung für Vollbeschäftigung, Wachstum und möglichst geringe Preisniveaubewegung.

    (Abg. Breidbach: Möglichst geringe! — Zuruf von der CDU/CSU: Was ist gering?)

    — Meine Damen und Herren, das können Sie uns doch nicht abstreiten. Um das Ziel der Preisniveaustabilisierung ringen wir, ringt diese Bundesregierung mit Zähigkeit.

    (Abg. Breidbach: Aber ohne Erfolg!)

    Daß wir immer erneut darum ringen müssen, daß
    uns Stabilität heute nicht geschenkt wird, ist unter



    Lenders
    anderem auch die Folge der Integration unserer Volkswirschaft in die Weltwirtschaft.
    Meine Damen und Herren, ich wiederhole das, was heute morgen der Wirtschaftsminister gesagt hat: Wirtschaftswachstum und Preisstabilität sind für uns ein Sowohl-Als-auch. Mit anderen Worten — und ich komme wie Herr Dr. Stoltenberg auch auf die amerikanische Situation zurück —: Die amerikanische Option, wie wir sie sehen, kommt für uns nicht in Betracht. Die Anfang 1969 in den Vereinigten Staaten eingeleitete restriktive Politik hat zu einer wirtschaflichen Stagnation am Rande der Rezession und zu einer für deutsche Verhältnisse sehr hohen Arbeitslosenquote bei fortschreitender Inflation geführt. Wenn Sie, Herr Kollege Stoltenberg, sagen, das zeige, daß Arbeitslosigkeit und hohes Preisniveau, inflationäre Entwicklungen nebeneinander bestehen könnten, so sagen wir: dieses Beispiel beweist aber auch, wie schwer einmal in Bewegung gekommene inflationäre Prozesse selbst durch ein massives Herabdrücken der Wachstumsrate mit der Folge von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit abzubauen sind.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Weil man es zu spät gemacht hat!)

    Dies dann um so weniger, Herr Kollege Stoltenberg, als eine Ausweitung des Angebotsspielraumes unterbleibt, der uns ja heute Entlastung bringt, die Kapazitätsauslastung und damit das effektive Angebot sinken und die Produktivitätsraten abfallen.
    Bleiben wir bei dem amerikanischen Beispiel, weil auch Sie es zitiert haben. Die Verbraucherpreise stiegen in den USA um 5,4 % 1969 und im ersten Quartal 1970 um 6,2 %. 6 % Preissteigerungen und — das ist doch der Tatbestand — jeder zwanzigste Bürger arbeitslos, das ist nach unserer Meinung die schlechteste aller ökonomischen Welten, die man sich aussuchen kann.

    (Beifall bei der SPD. — Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Eine Stabilisierungsrezession ist nicht nur unsozial, sie ist auch, wie das amerikanische Beispiel in diesem Fall zeigt, ökonomisch falsch.

    (Abg. Russe: Wer will denn Rezession?)

    Wir Sozialdemokraten haben seit 1967 eine konsequente Politik der Gleichrangigkeit von hohem Beschäftigungsstand, angemessenem Wachstum und Preisniveaustabilität verfolgt An diesem Konzept halten wir fest, Herr Kollege Russe, und deshalb in dieser Situation mit Recht die Entscheidung der Bundesregierung,

    (Abg. Russe: Nichts zu tun!)

    keine schärferen Maßnahmen gegen die Konjunkturentwicklung zu ergreifen.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Ab wann denn?)

    Ich will ein weiteres hinzufügen. Das Gemeinschaftsgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute vom Ende April dieses Jahres prognostiziert für das Jahr 1970 für die USA eine reale Wachstumsrate von 0 %, für Japan ein sehr hohes reales Wachstum von 11 %, für Westeuropa und für die Bundesrepublik ein reales Wachstum von etwa 5 %. Die Bundesregierung — sie hat das im Nachtrag zum Jahreswirtschaftsbericht zum Ausdruck gebracht — rechnet in diesem Jahr mit einem realen Wachstum von 6 %.
    Somit läßt sich feststellen, daß sich nach dem stürmischen Wachstum der beiden Vorjahre, die ihren bestimmten Hintergrund hatten, 1. die wirtschaftliche Expansionsrate in der Bundesrepublik sich dem langfristig erwünschten Wachstum nähert und 2. das Wachstum in der Bundesrepublik dem Niveau unserer europäischen Partner entspricht. Das heißt: das wirtschaftliche Wachstum in der Bundesrepublik ist angemessen, und nichts wird uns dazu veranlassen, es durch eine wirtschaftspolitische Fehlsteuerung zum Erliegen zu bringen.
    Eine jüngst diesem Hause vorgelegte Studie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Industriepolitik der Gemeinschaft unterstreicht die These von der technologischen Lücke zwischen den USA und Europa und gelangt zu dem fundierten Ergebnis, daß die Gemeinschaft den Vereinigten Staaten industriell relativ unterlegen ist und daß dies offenbar auch, für einige Bereiche zumindest, gegenüber Japan und der UdSSR gilt. Die Kommission- kommt zu dem Schluß, daß nur die Modernisierung der gesamten Wirtschaft der Gemeinschaft und ihr weiteres rasches Wachstum diese technologischindustrielle Unterlegenheit korrigieren kann und korrigieren wird.
    Wir müssen uns also hier über die Bedingungen im klaren sein. Nur in einer wachsenden Wirtschaft ist eine Investitions- und Innovationsbereitschaft vorhanden. Nur eine wachsende Wirtschaft bietet die Möglichkeit, technischen Fortschritt durch Rationalisierungs- und Erweiterungsinvestitionen durchzusetzen. Allein durch diese Investitionen wird in einer Volkswirtschaft, deren Arbeitskräftepotential ausgeschöpft ist, wiederum die Grundlage für künftiges Wachstum durch Produktivitätsfortschritt gelegt.
    Meine Damen und Herren, aus diesem Grunde unterstützen wir eine langfristige Politik des permanenten Produktionsfortschritts, denn damit sichern wir am besten die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft, und auf diese Weise schaffen wir die Basis einer kostenneutralen, inflationsfreien und hohen Einkommensentwicklung für die deutschen Arbeitnehmer. Die Wirtschaftspolitik dieser Koalition liegt so im Interesse aller Schichten unserer Bevölkerung.
    Auch die Strukturpolitik, die vor einigen Wochen in diesem Hause Gegenstand einer Debatte war, braucht Wachstum, d. h. die wirtschaftlichen und sozialen Ziele der von der Bundesregierung betriebenen und von allen Parteien dieses Hauses für notwendig gehaltenen Strukturpolitik sind ebenfalls nur in einer wachsenden Wirtschaft zu realisieren.
    Lassen Sie mich noch eine wichtige Feststellung einflechten, weil von Herrn Dr. Stoltenberg hier in verschiedenen Zusammenhängen die Rentner, die



    Lenders
    Sozialhilfeempfänger und ähnliche Gruppen angesprochen worden sind. Ich möchte dazu zunächst eine Feststellung treffen. Hätten damals im Herbst 1967, in einer Zeit zerrütteter Staatsfinanzen und wirtschaftlicher Stagnation die Sözialdemokraten nicht mit in der Regierungsverantwortung gestanden und hätten wir damals durch unseren Beitrag nicht die Voraussetzungen für neues Wachstum und schnelle Überwindung der Rezession geschaffen, dann wäre das Kernstück der sozialen Sicherung, nämlich die bruttolohnbezogene dynamische Rente, mit Sicherheit gefährdet gewesen. Auch daran sollte man sich einmal erinnern.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben in diesem Jahrzehnt einen Rentenberg zu bewältigen. Wir haben andere immense Aufgaben, die im vergangenen Jahrzehnt von Ihnen sträflich vernachlässigt wurden, wie z. B. die Reform des Bildungswesens. Ich möchte ganz nüchtern festhalten: Die mit hohen Ausgaben verbundene Reform des Bildungswesens ist nur dann durchzuführen, die soziale Sicherung in der Bundesrepublik ist nur dann zu bewahren und auszubauen, wenn wir langfristig ein kräftiges reales Wachstum in unserer Wirtschaft sichern.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer bestreitet das?)

    Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, daran werden Sie uns nicht hindern.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Russe: Das haben wir gar nicht vor! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Da sind wir völlig einer Meinung!)

    — Natürlich haben Sie es vor. Sie beurteilen die Situation anders als wir. Im Grunde wollen Sie auf Vorschläge hinaus, die in dieser Situation unser Wachstum und die Vollbeschäftigung gefährden. Das ist doch der Hintergrund.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Russe: Herr Lenders, das glauben Sie doch selbst nicht, was Sie das sagen!)

    — Natürlich.

    (Abg. Russe: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Meine Damen und Herren, noch einige Bemerkungen zum Hintergrund unserer Haltung. Wir sind der Meinung, das binnenwirtschaftliche Gleichgewicht — das muß ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, auch noch einmal sagen —ist heute nicht zuletzt deshalb gestört — daran muß hier noch einmal erinnert werden —, weil Sie sich 1969 bis zum Überdruß geweigert haben, das außenwirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen. Herr Kollege Stoltenberg, wenn Sie heute davon sprechen, daß die Rentner, die Bausparer und die Sozialhilfeempfänger unter Preissteigerungen zu leiden haben — wir wissen das auch —, so kann ich nur sagen: Sie hätten im Frühjahr oder Mitte des
    Jahres 1969, als Sie sich gegen die Aufwertung gewandt haben, an diese Gruppen denken müssen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. MüllerHermann: Die alte Platte! — Abg. Russe: Das zieht doch nicht mehr! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Da wäre es an der Zeit gewesen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dann hätten wir ein völlig konstantes Preisniveau! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Nun zu der Preisentwicklung! Wir waren uns vor den Bundestagwahlen darüber im klaren, daß wir uns in einer Phase einer aus politischen Gründen aufgestauten Inflation befanden, die sich nach den Bundestagswahlen entladen würde. Deshalb der schnelle und mutige Aufwertungsschriftt der Regierung Brandt/Scheel, nämlich um den erwarteten Schub von Preissteigerungen durch Importverbilligungen und Exportdämpfung aufzufangen.

    (Abg. Dr. Schwörer: Wo sind sie denn?) Das war der Hintergrund.

    Nun, auch meine Fraktion beurteilt das Ausmaß der Erhöhungen der Erzeugerpreise und der Lebenshaltungskosten sehr ernst. Diese Entwicklung ist sicherlich aus sozialen Gründen schmerzhaft. Aber gerade auch deshalb unsere entschlossene Politik der sukzessiven Rückgewinnung des binnenwirtschaftlichen Gleichgewichts, ohne die Vollbeschäftigung aufs Spiel zu setzen.
    Wir sind der Meinung, daß zur Zeit vier sich ergänzende Komponenten in diese Richtung, nämlich in die Richtung der Rückgewinnung des binnenwirtschaftlichen Gleichgewichts, wirken. Das ist erstens die aufeinander abgestimmte Stabilitätspolitik von Bundesregierung und Bundesbank.

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Nun hören Sie mall — Abg. Dr. Schwörer: Das ist wohl ein Witz!)

    Das sind zweitens die hohen Anlageinvestitionen der vergangenen Jahre, die nach wie vor hohen Rationalisierungsinvestitionen in der deutschen Wirtschaft, die den Angebotsspielraum in diesem Jahr erweitern und die Kosten senken, drittens die sich bei nachlassendem Expansionstempo des Auftragseingangs und gleichzeitig sehr hohen Produktionsstand in den ersten vier Monaten dieses Jahres doch eindeutig abzeichnende Normalisierung der Relation von Angebot und Nachfrage, viertens die auf optimale Ausschöpfung der volkswirtschaftlichen Ressourcen ausgerichtete Strukturpolitik der Bundesregierung und fünftens die fast unverändert hohe Sparquote der privaten Haushalte. Darauf ist im Nachtrag des Jahreswirtschaftsberichtes hingewiesen. Hinzu kommen die Tarifverträge zur Vermögensbildung der Arbeitnehmer bei Metall und Chemie, die dazu einen höchst begrüßenswerten entwicklungsfähigen Ansatz für die Korrektur der Vermögensbildung in der Bundesrepublik darstellen. Sie umfassen nach den bisherigen Abschlüssen für 1970 rund eine Milliarde D-Mark, und wir rech-



    Lenders
    nen damit, daß sich diese Entwicklung in den weiteren Abschlüssen dieses Jahres fortsetzt.
    Die von mir aufgezählten fünf Komponenten veranlassen uns zu der begründeten Annahme, daß sich die Preiswelle nach den vorliegenden Indexziffern, die auch vom Bundeswirtschaftsminister heute morgen noch einmal genannt worden sind, deutlich verlangsamt hat

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Das sind doch alles Märchenerzählungen!)

    und daß sie im Verlauf des Jahres weiter abebben wird. Wenn Sie sagen, das seien Märchen, dann muß ich Ihnen sagen, daß Sie dann keine Statistiken lesen können.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich darf Ihnen die Zahlen wiederholen. Sie sind zunächst einmal in der Antwort der Bundesregierung auf Ihre Große Anfrage in der Drucksache 847 genannt worden. Lesen Sie bitte nach! Ich will Ihnen ein Beispiel aus einer Zahlenreihe in dieser Drucksache nennen. Die Preise für die Lebenshaltung nämlich, die im Januar 1970 noch um 1,2 % über den Stand des Vormonats stiegen, nahmen in den drei folgenden Monaten nur um 0,2 %, 0,4 % und 0,2 % zu und wiesen im Mai in Nordrhein-Westfalen — das ist gestern oder vorgestern veröffentlicht worden — nur noch einen Anstieg gegenüber dem Vormonat um 0,1 % auf. Das ist doch eine deutliche Abflachung des Preisanstiegs, die Sie nicht aus der Welt reden können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Müller-Hermann: Wahlen vor der Haustür!)

    Wir sind der Auffassung: drei der vier Ziele des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, nämlich Wachstum, Vollbeschäftigung und außenwirtschaftliches Gleichgewicht, werden in diesem Jahr erfüllt sein. Darauf kann man nicht deutlich genug hinweisen. Das vierte Ziel, die nämlich von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition — das wiederhole ich auch hier noch einmal —, im Jahre 1969 so leichtfertig verspielte Preisstabilität läßt sich eben nur mühsam zurückgewinnen. Und wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, ein so kurzes Gedächtnis haben, muß ich Sie daran erinnern, daß Sie sich ja nicht nur gegen die Aufwertung gesträubt haben, sondern Sie haben sich damals im Frühjahr und im Frühsommer auch gegen eine Reihe von Ersatzmaßnahmen, die der Bundeswirtschaftsminister vorgeschlagen hatte, um die Preise in den Griff zu bekommen, aus was weiß ich für Gründen gewehrt. Daran muß man doch einmal erinnern.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Unternehmen wie Gewerkschaften unterstützen die Stabilitätspolitik der Bundesregierung, und wir begrüßen das.

    (Abg. Dr. Stoltenberg : Geradezu begeistert!)

    Bei diesem Bekenntnis allein kann es jedoch nicht sein Bewenden haben.

    (Abg. Dr. Luda: So ist es!)

    Die Stabilitätsmaßnahmen des Bundes und der Länder gehen sämtlich zu Lasten der öffentlichen Hand, zu Lasten der öffentlichen Investitionstätigkeit; der Spielraum der Wirtschaft wird durch direkte Maßnahmen zunächst nicht eingeengt. Wir müssen deshalb mit allem Nachdruck fordern, daß die Unternehmen — das gilt besonders für die Unternehmen der Erzeugerstufe — durch eine diszipliniertere Preispolitik und Effektivlohngestaltung den Gewerkschaften eine entsprechende Tarifpolitik ermöglichen.
    Ich verweise in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Ziffer 219 des Jahresgutachtens 1969 des Sachverständigenrates und auf die Ziffer 58 des Jahreswirtschaftsberichtes der Bundesregierung 1970. Dort kommt zum Ausdruck, daß die Verteidigung von ungewöhnlich hohen Unternehmensgewinnen des Jahres 1969 durch Preiserhöhungen heute im Widerspruch steht sowohl zu einem gesellschaftspolitischen Ausgleich wie auch zu den mittel-und langfristigen Interessen der Unternehmen selbst. Ich kann das nicht deutlich genug wiederholen, und auch der Sachverständigenrat hat in seinem Sondergutachten unter Ziffer 12 noch einmal auf diesen Zusammenhang hingewiesen.
    Noch ein Wort zur Vollbeschäftigung. Ich frage mich oft, ob sich diejenigen eigentlich über die Bedeutung der Vollbeschäftigung, über die Bedeutung einer Wirtschaftspolitik des hohen Beschäftigungsstandes im klaren sind, die bei diesem Begriff leicht erschaudern, entweder weil Vollbeschäftigung nicht in ihre ökonomische Theorie hineinpaßt,

    (Abg. Dr. Luda: Aber Herr Lenders! Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    oder weil sie lieber die Kehrseite sähen, in der Annahme, es wäre dann in der Praxis der Wirtschaft oder im Betrieb manches leichter. Ich frage mich immer, ob diejenigen, die so denken und auch so gehandelt wissen möchten, sich darüber im klaren sind, was Vollbeschäftigung ist. Ich möchte das noch einmal deutlich machen.
    In einer arbeitsteiligen Wirtschaftsgesellschaft ist eine Wirtschaftspolitik der Vollbeschäftigung die Voraussetzung für die Realisierung des Rechts auf Arbeit der Masse der Menschen in dieser Gesellschaft.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Darüber muß man sich im klaren sein.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ein alter Hut!)

    Und diese Koalition, Sozialdemokraten und Freie Demokraten haben sich für die Vollbeschäftigung verbürgt,

    (Abg. Dr. Luda: Überhaupt keine Theorie!)

    für eine Politik des hohen Beschäftigungsstandes. Deshalb sind sie auch der Meinung, daß in der gegenwärtigen konjunkturpolitischen Situation, bei der gegenwärtigen Datenkonstellation schärfere Waffen zur Konjunkturdämpfung nicht angebracht sind. Unsere Politik, meine Damen und Herren, die Politik dieser Koalition, bedeutet: Kein Arbeitneh-



    Lenders
    mer braucht aus konjunkturellen Gründen um seinen Arbeitsplatz zu bangen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und kein Unternehmer hat eine rezessive Nachfragelücke zu befürchten.
    Herr Stoltenberg hat eben noch einmal auf das Jahr 1966 und auf die damalige Situation auf dem Arbeitsmarkt abgehoben, unid zwar unter einer ganz bestimmten Perspektive. Ich kann nur eines hinzufügen: Sollte im privaten Unternehmenssektor, in der Wirtschaft, ein gravierender Nachfragerückgang eintreten, würde er durch erhöhte Haushaltsausgaben auf vielen Gebieten von Bund, Ländern und Gemeinden kompensiert werden. Das heißt, im Falle eines Abschwungs starten wir durch. Und das ist der konkrete Hintergrund für das berechtigte Vertrauen der Wirtschaft, ,das berechtigte Vertrauen der Arbeitnehmer und der Unternehmer in diese Regierung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie, meine Damen unid Herren von der CDU/CSU, scheinen dieses Vertrauen ja manches Mal anzuzweifeln, vor allen Dingen das der Unternehmer. Ich habe einige Ihrer Äußerungen im Ohr, Herr Kollege Stoltenberg.

    (Zuruf des Abg. Dr. Stoltenberg.)

    — Herr Kollege Stoltenberg, ich habe den Eindruck: wenn Ihnen konjunkturpolitisch nichts mehr einfällt, dann kommen Sie auf die Jungsozialisten; dann brauchen Sie nämlich keine konkreten Vorschläge zur Konjunkturpolitik zu machen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Dr. Stoltenberg. — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Das ist doch der ganze Trick dabei.
    Ich kann nur sagen, dafür, daß dieses Vertrauen vorhanden ist, ist der beste Beweis, daß nach Jahren eines beispiellosen Wirtschaftsaufschwungs die Konjunktur immer noch durch eine hohe und anhaltende Investitionsbereitschaft der Unternehmer in der Bundesrepublik getragen wird. Das ist der beste Beweis dafür.
    Zum Abschluß, meine Damen und Herren, ein kurzes Wort zu Ihrem Antrag. Ich muß ganz ehrlich sagen, Herr Kollege Stoltenberg, ich habe mit Spannung auf Ihre Rede gewartet, weil ich eigentlich nicht glauben konnte, ,daß )Sie es allein bei dem schon im März dieses Jahres einmal in diesem Hohen Haus eingebrachten Antrag bewenden lassen würden. Ich konnte mir das nicht vorstellen, ich hatte mehr erwartet; aber es ist dabei geblieben. Sie haben den Antrag, den wir im März dieses Jahres schon einmal abgelehnt haben, erneut eingebracht, und ich finde, schon allein deshalb ist er ein wenig abgestanden. Ich wollte das in Erinnerung rufen. Wir — das darf ich für die Koalitionsfraktionen sagen — lehnen diesen Antrag erneut ab. Ich will das in zwei Bemerkungen begründen, denn die rote Lampe ist inzwischen aufgeleuchtet.
    Erstens. Meine Damen und Herren, Sie fordern in diesem Antrag wiederum die Anwendung des Stabilitätsgesetzes. Schon Minister Schiller hat heute morgen darauf hingewiesen, daß es unredlich ist, wenn sie vage Forderungen erheben, ohne konkret zu werden. Sie werden nicht konkret; dieser Antrag ist ein reiner Demonstrationsantrag. Das ist einer der Gründe unserer Ablehnung.
    Zweitens. Der Antrag ist gegenstandslos; das Stabilitätsgesetz i s t angewandt! Ich verweise auf die §§ 4, 6 und 15. Weil das Stabilitätsgesetz angewandt ist, sind wir der Meinung, daß dieser Antrag der Ablehnung verfallen muß.
    Lassen Sie mich einen dritten Gesichtspunkt hinzufügen: Es bleiben — mit Recht hat das heute morgen auch Herr Minister Schiller gesagt — die §§ 26 und 27 des Stabilitätsgesetzes. Sie enthalten die Instrumente der befristeten Steuererhöhung und der Erschwerung der Abschreibungen. Auf Grund eines solchen Antrages ist die Frage an Sie zu richten: Wollen Sie Steuererhöhungen? Wollen Sie die Abschreibungen einschränken? Diese Frage müssen Sie sich stellen lassen. Ja oder nein? Diese Frage müssen Sie deutlich beantworten, und daran können Sie sich auch nicht mit einer solchen Antragsformulierung vorbeidrücken. Ich glaube, die deutsche Offentlichkeit wartet mit Interesse auf eine klare Antwort von Ihnen auf diese Frage.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)