Rede von
Kurt
Jung
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Danke schön, Herr Präsident! — Es tut mir leid, ich kann dann natürlich nicht das ganze technologische Problem, das hier noch ansteht, aufführen. Die Lücken im Flugabwehrsystem müssen schnellstens geschlossen werden. Ich will gar nicht von den Lücken im Nike-Hawk-Gürtel sprechen. Ich spreche insbesondere von den konventionellen Lücken, von der noch fehlenden Rohrflak. Das Beispiel des Piloten Epatko, das Kollege Schultz hier aufgriff, zeigt Ihnen, daß es dringend notwendig ist, hier diese Lücken zu schließen.
Auf die Marine möchte ich wegen der Zeitbeschränkung jetzt nicht eingehen. Ich hätte hier wohl auch einige Dinge zu sagen, aber leider ist mir durch den Vorspann gerade der technologische Bereich etwas zu kurz geraten. Ich möchte hier aber in jedem Fall sagen, daß die Anfangsjahre in der Wehrtechnik eben vorbei sind und daß wir uns weitgehend auf eigene Füße zu stellen haben, damit wir auch im Ernstfall unabhängig sind. Wir haben doch auch eine eigene Industrie, die absolut fähig dazu ist. Ich bin dem Herrn Minister dankbar dafür, daß er auch auf eigene Entwicklungen, auf erfolgreiche Eigenentwicklungen, hingewiesen hat.
Allerdings muß man auch auf Mängel hinweisen. Z. B. ist es so, daß die Beschaffung einer ganzen Reihe von Waffen, die notwendig wären, so sehr lange hinausgezögert wurde, von Waffen, die heute noch nicht zur Verfügung stehen; z. B. denke ich an den „Schützenpanzer Gruppe ". Ich will es mir ersparen, die anderen Dinge aufzuzählen.
Aber in diesem Zusammenhang möchte ich noch eine Anregung geben. Die vielen Änderungen kommen vielleicht deswegen immer wieder, weil wir nicht genügend technisch hochgebildete Generalstabsoffiziere haben, die die militärischen und die technischen Möglichkeiten und Grenzen klar erkennen und entsprechend einwirken. Man sollte sich einmal überlegen, ob es nicht möglich wäre, eine solche Laufbahn einzurichten.
Eine solche Laufbahn ist insbesondere auch dann notwendig, wenn Sie bedenken, daß uns allein das Starfighter-Waffensystem in jedem Jahr pro Flugzeug etwa 1 Million DM nur für Instandhaltung und Wartung, ohne den Betrieb, kostet. Das ist jetzt grob gerechnet. Da wir also dreiviertel Milliarden nur für die Unterhaltung unserer Flugzeuge aufwenden, können Sie feststellen, daß wir hier auch einige Leute brauchen. Ich will jetzt noch nicht einmal auf die Teams der Firma McDonald eingehen, weil es dann wiederum zu lange dauern würde. Insbesondere die Elektronik belastet uns, und deswegen wäre es notwendig, daß wir eigene technisch hochqualifizierte Leute in hohen Stellungen hätten.
Lassen Sie mich zum Schluß noch unsere beiden Entschließungsanträge kurz begründen. Ich bitte Sie, sie zu unterstützen.
Wir fordern die Bundesregierung auf, von der Beschaffung der kostenspieligen und schwer zu wartenden Phantom-Maschine abzusehen. Wir bitten weiterhin, für die 70er Jahre an die Entwicklung eines eigenen, für unsere Zwecke geeigneten senkrecht startenden Flugzeugs heranzugehen.
Herr Minister, vor vier Wochen etwa habe ich die Regierung gefragt, was denn an der Beschaffung der Phantom-Maschinen sei. Ich habe zur Antwort bekommen, es sei nichts weiter daran. Jetzt stelle ich fest, daß 220 Maschinen für ungefähr 3,6 Milliarden DM ohne das andere, was noch damit zusammenhängt — Ausbildung, Erstausstattung usw. — beschafft werden sollen. Ich meine, wenn ein Abgeordneter fragt, muß er von der Regierung eine klare Antwort bekommen. Es geht nicht an, daß er vier Wochen danach feststellen muß, daß das, was die Regierung gesagt hat, einfach nicht stimmen kann.
— Jawohl, Herr Berkhan. Wir werden in der nächsten Zeit Gelegenheit haben, darüber zu sprechen.
Die erstmals vorgesehenen 100 Millionen DM können wir nach meiner Meinung streichen. Ich hoffe, daß unser Vorschlag Ihre Unterstützung findet — denn Sie haben ähnliche Bedenken geäußert — und daß wir diesen unseren Vorschlag und unseren Entschließungsantrag durchbringen.
Ich hätte gern auch noch etwas über die Munition gesagt. Im Februar dieses Jahres habe ich ebenfalls die Regierung gefragt, ob Informationen, die ich erhalten hatte, zuträfen. Ich habe die gleiche Antwort erhalten: es sei nichts daran. Nun muß irgend jemand außerhalb des Parlaments diese Dinge aufgreifen und groß aufspielen, und die Bevölkerung draußen fragt: Schläft denn das Parlament?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist natürlich keine gute Politik. Wenn ein Abgeordneter eine solche Sache aufgreift, dann muß er sich darauf verlassen können, daß die Antwort, die er bekommt, richtig ist.
Sonst machen wir uns alle mitschuldig, indem wir das Anwachsen dieser Kräfte außerhalb des Parlaments noch begünstigen.
Ich meine deswegen, wir sollten die Frage um die Bundeswehr nicht so sehr im Geheimnen behandeln, sondern wir können sie durchaus in der Offentlichkeit behandeln. Ich erinnere an den Punkt „Beja" in der vergangenen Woche. Ich meine, wir hätten ihn durchaus hier behandeln können. Die Bundeswehr braucht sich ihrer Leistungen, ihrer Schwächen und ihrer Stärken nicht zu schämen. Sie braucht diese Fragen nicht hinter verschlossenen Türen abzuhandeln. Wir können durchaus die Dinge in der Offentlichkeit abhandeln, wie es eben auch in der parlamentarischen Demokratie notwendig ist. Deswegen habe ich gesagt, daß wir beklagen, daß die Bundesregierung hier und heute nicht genügend offengelegt hat.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1967 7169
Jung
Herr Minister, ich möchte abschließend auch meiner Hoffnung Ausdruck geben, daß in diesem Weißbuch alles das darin steht, was darin stehen sollte, und daß Sie aber darüber hinaus vielleicht mehr die Abgeordneten, insbesondere die Abgeordneten des Verteidigungsausschusses, informieren. Das ist das, was ich heute zu beklagen hatte. Herr Minister, wir haben heute leider die mutige Antwort auf die Fragen und ein mutiges Verteidigungskonzept vermißt.