Rede von
Hermann
Busse
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Zu meinem eigenen Bedauern muß ich meine Ausführungen zur dritten Lesung mit einer persönlichen Bemerkung beginnen. Im „Münchener Stadtanzeiger" Nr. 47 hat der Kollege Dr. Günther Müller einen Artikel erscheinen lassen, in dem es u. a. heißt, daß „hinter den verschlossenen Türen des Rechtsausschusses" die FDP — und das heißt: insbesondere ich — versucht habe, „die Beratung des Regierungsentwurfs zur Verbesserung des sozialen Mietrechts zu hintertreiben". Ich darf zunächst der Ordnung halber klarstellen, wie die Dinge gelegen haben.
Nachdem einige Wochen früher der Rechtsausschuß klargestellt hatte, daß die Beratung der verschiedenen Vorlagen erst im Januar des nächsten Jahres erfolgen könnte, wurde dann — ich weiß nicht, in welchem Kreise — beschlossen, die Beratung bereits am vergangenen Mittwoch durchzuführen. Ich hatte das Vergnügen, Berichterstatter in dieser Angelegenheit zu sein, und alten guten Gepflogenheiten gemäß wäre es wohl richtig gewesen, den Berichterstatter von solchen Entscheidungen
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1967 7107
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zu verständigen, zumal wenn sie schon am Dienstag vorher getroffen werden. Alles mögliche wurde hier im Hause geraunt; nur einer wurde nicht informiert: der Berichterstatter. Er bekam mit dem berühmten Eilbotenbrief am Samstag morgen die Nachricht, daß er das Vergnügen habe, am Mittwoch in dieser immerhin nicht ganz einfachen Sache seiner Berichterstatterpflicht zu genügen. Dagegen habe ich mich freilich gewandt, und ich darf den Damen und Herren, die sich dieser alten Gepflogenheit gemäß meinem Wunsche, die Sache in den zwei Stunden, die uns zur Verfügung standen, nicht zu beraten, angeschlossen haben, hier klar und deutlich meinen Dank aussprechen. Daß sie von Motiven geleitet gewesen wären, wie sie in dieser Glosse angedeutet sind, ist genauso abwegig, wie man es mir zu unterstellen versucht.
Ich darf aber einen Rat an die Spitzen der Fraktionen anschließen. Denn in der genannten Glosse ist nicht nur das soeben von mir Erwähnte enthalten, sondern ist auch von einer geheimen Koalition zwischen FDP und CDU/CSU in gewissen Fragen die Rede. Meine Herren, bitte überprüfen Sie dringend diese so wichtige. Angelegenheit, damit Sie endlich wissen, wie Ihre eigenen Koalitionsverhältnisse auszugestalten sind.
Soviel zu dieser Glosse.
Ich meine aber, eine andere. Tatsache sollte einmal auch hier in der Öffentlichkeit ebenso deutlich angesprochen werden: das ist die Art der Behandlung eines so wichtigen Gesetzes. Wie hier verfahren worden ist, ist jedenfalls in der bisherigen Praxis des Rechtsausschusses wohl einmalig. Wir haben mit einer kurzen Unterbrechung, die durch andere Ausschußsitzungen erforderlich war, von morgens 1/210 Uhr bis nachts 1/211 gearbeitet, und ich kann, ohne zu übertreiben, feststellen, daß alle Beteiligten im Schluß dieser Sitzung nicht mehr in der Lage waren, die Beratung mit der Gründlichkeit, Sauberkeit und Ordentlichkeit zu führen, wie es eine solche Sache an sich verlangt hätte. Daraus erklären sich gewisse Dinge, die heute noch auf den Tisch des Hauses kommen mußten und die wegen der heißen Nadel, mit der alles genäht wurde, hier nachträglich korrigiert werden mußten.
Dabei ergab sich noch etwas, was vielleicht auch einmal für die Öffentlichkeit ganz interessant ist: Wenn sich die Beratungen des Ausschusses festgefahren zu haben schienen, dann kam man nicht etwa zur Abstimmung, um nunmehr die Meinung des Ausschusses festzustellen, sondern dann wurde die Sitzung des Ausschusses unterbrochen, damit koalitionsinterne Gespräche geführt werden konnten, derenErgebnis dann der staunenden Mitwelt am Schluß dieser internen Beratungen mitgeteilt wurde, und wo dann eben feststand: so soll es künftig kein. Das ist ein Verfahren, das, glaube ich, mit den Grundsätzen des Art. 38 des Grundgesetzes nicht ohne weiteres in Einklang gebracht werden kann. Ich kann dem Rechtsausschuß nur wünschen — aber ich habe inzwischen gehört, daß ähnliche Dinge in noch krasserer Form auch in anderen
Ausschüssen passiert sind —, daß sich derartige Dinge nicht wiederholen.
Im Rechtsausschuß wie bei. anderen Gelegenheiten habe ich namens der FDP erklärt, daß wir den vorliegenden Entwurf ebenso wie die anderen den) Rechtsausschuß in dem Zusammenhang überwiesenen Gesetzentwürfe ablehnen. Zur Begründung möchte ich heute nur die wesentlichsten Gesichtspunkte vortragen, obgleich sich dazu auch im Detail eine ganze Menge sagen ließe.
Der wesentlichste Gesichtspunkt ist ein rein rechtspolitischer. Ich möchte hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten die Ausführungen zitieren, ,die der Mietrechtsausschuß des Deutschen Anwaltsvereins in einer Eingabe an das Hohe Haus gemacht hat. In der Einleitung heißt es:
Der Ausschuß bedauert es, daß Bundesrat und Bundesregierung sich schon jetzt veranlaßt sehen, eine Änderung des § 556 a BGB in Angriff zu nehmen. Diese Vorschrift ist erst 1960 rin das BGB eingeführt worden und noch nicht einmal in allen Teilen des Bundesgebiets in Kraft getreten. Mit den Vorschriften des BGB sollte nicht unnötig experimentiert werden.
— Herr Jacobi, nicht so allgemein! Damit kann man mit einer so diffizilen Frage wenig machen.
— Nein, mit den Menschen wird experimentiert, wenn man mit dem BGB experimentiert; denn das BGB steht nicht im luftleeren Raum, sondern es betrifft jeden einzelnen Menschen.
Mit der Gesetzesvorlage — um das einmal ganz klar in diesem Zusammenhang auszusprechen —, die Sie heute 'beschließen wollen, greifen Sie wieder in Millionen bestehender Mietverträge ein, ohne daß dafür eine zwingende Notwendigkeit vorliegt. Das ist das Experiment mit den Menschen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe damit schon einen wesentlichen Gesichtspunkt angesprochen, den ich sonst im Laufe meiner Ausführungen später gebracht hätte. Die Rechtssicherheit in unserem Staat ist gerade im Interesse der davon betroffenen Menschen ein so wichtiges Gut, daß man nur bei zwingender Notwendigkeit Eingriffe in bestehende Rechtssituationen, vor allem des Zivilrechts und hier insbesondere in Verträge des täglichen Lebens, vornehmen sollte.
Nun ist behauptet worden, solche zwingenden Notwendigkeiten lägen vor. Ich habe gefragt; womit man denn diese zwingenden Notwendigkeiten begründen wolle. Eine Antwort darauf, ,außer der allgemeinen Behauptung, sie seien gegeben, habe
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ich nicht gehört, und es wird auch niemand den Beweis dafür antreten können.
— Herr Jacobi, nach dem bestehenden Recht haben sich anfänglich wohl Unklarheiten ergeben, die aus der allgemeinen Formulierung dieser Klausel eigentlich naturnotwendig hervorgehen mußten. Aber tim Laufe der Zeit hat die Rechtsprechung Grundsätze entwickelt, die, glaube ich, zu einer so vernünftigen Regelung . der Mietverhältnisses führen konnten, die so sehr die wirklich berechtigten Interessen auch des Mieters berücksichtigten, daß sich mit diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen gut arbeiten ließ.
Was soll demgegenüber die jetzt vorgesehene Änderung?
Der eine oder andere von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, hatte vielleicht einmal Gelegenheit, nachzulesen, was Ihr Kollege Jahn im Jahre 1960 bei der Beratung über die jetzt geltende Mieterschutzklausel des § 556 a BGB ausgeführt hat. Er hat damals gesagt:
Hier wird ein gefährlicher Weg gegangen. Hier tut der Gesetzgeber das, was er nicht tun sollte. Er schafft Generalklauseln, die dann zur Disposition des Richters stehen, und erst der Richter schafft das Recht, das eigentlich er — der Bundestag — schaffen sollte.
Das war das, was der Kollege Jahn gesagt hat. Was machen Sie heute? An Stelle einer schon weit gefaßten Allgemeinklausel, die aber immerhin einige konkrete Anhaltspunkte enthielt, schaffen Sie eine völlig frei gestaltete Generalklausel, die nicht einmal mehr die Kriterien enthält, die das bisherige Recht enthalten hat und dem Richter gewisse Anhaltspunkte gab. Nur die Interessenabwägung — sie war auch im alten Recht drin — ist noch übriggeblieben, und das ist alles, was dazu zu sagen 'ist. Das ist die angebliche, große Verbesserung, die Sie geschaffen haben: eine schon weit gefaßte Generalklausel durch eine noch weiter gefaßte Generalklausel zu ersetzen. Das ist der große Erfolg, den Sie erzielt haben.