Rede von
Dr.
Konrad
Kraske
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion, für die zu sprechen ich die Ehre habe, begrüßt es, daß mit der heutigen zweiten und dritten Lesung die Beratungen über das Parteiengesetz noch vor der Sommerpause ihren Abschluß finden. Dennoch braucht man sicher kein Prophet zu sein, um voraussehen zu können, wie viele Kommentare nach der Verabschiedung dieses Gesetzes mit einem kritischen, vielleicht mit einem maliziösen „Endlich" beginnen werden. 18 Jahre — so wird es etwa heißen — nach Inkrafttreten des Grundgesetzes hat der Bundestag endlich die ihm in Art. 21 auferlegte Verfassungspflicht erfüllt und ein Parteiengesetz erlassen. In diese Kritik wird sich zugleich der Vorwurf mischen,
*) Siehe Anlage 4
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Dr. Kraske
auch jetzt, nach 18 Jahren, sei das Gesetz weniger dem Eifer der Parteien, als vielmehr ihren leeren Kassen zu danken. Wir haben das oft genug gelesen.
Ich möchte dem widersprechen. Die in diesem Hause vertretenen Parteien haben längst vor dem Karlsruher Urteil, nämlich vor mehr als drei Jahren, mit der gemeinsamen Beratung eines Gesetzentwurfs begonnen. Dieser Entwurf wiederum ging auf Vorarbeiten der Bundesregierung in der zweiten und dritten Legislaturperiode zurück. Es trifft also in keiner Weise zu, daß man den Auftrag des Grundgesetzes etwa 18 Jahre lang ignoriert habe.
Die Verzögerung während der ersten Jahre — ich glaube, das sollte hier ausdrücklich festgestellt werden — ging auf die umfangreichen sachlichen Vorarbeiten zurück, die zu leisten waren. Die Verzögerung der letzten Jahre hat ihren Grund allein in dem Bedürfnis der Parteien und Fraktionen, wenn irgend möglich einen gemeinsamen Entwurf einzubringen. Die Tatsache, daß ein für die künftige Entwicklung der Parteien so wichtiges Gesetz in seinen wesentlichen Punkten auf dem Konsensus aller hier im Haus vertretenen Parteien beruht, scheint uns die Dauer der vorbereitenden Beratungen voll und ganz zu rechtfertigen.
Es ist oftmals hervorgehoben worden, daß unser Grundgesetz den Parteien einen besonderen Rang gibt. Mit dem heute zur Entscheidung anstehenden Parteiengesetz gehen wir einen beträchtlichen Schritt weiter. Wer keine Scheu vor großen Worten hat, kann dieses Gesetz mit gutem Recht die Magna Charta eines freien demokratischen rechtsstaatlichen Parteienwesens nennen. Es ist jedenfalls von großer Bedeutung, daß die Parteien künftig nicht nur in der Verfassung verankert sind, sondern daß nunmehr ein eigenes Gesetz ihre Aufgaben, ihre Rechtsstellung, ihre Pflichten und die Grundsätze ihrer Finanzierung regelt.
Dabei ist es sicher ebenso falsch, wenn gelegentlich von einem Parteifinanzierungsgesetz gesprochen wird und der übrige Inhalt des Gesetzes als freundliche Arabeske abgetan wird, wie es umgekehrt ganz töricht wäre, etwa nur von den Bestimmungen über die innere Ordnung und von der Erfüllung des grundgesetzlichen Auftrags zu sprechen und dabei die Finanzierungsfragen schamhaft zu verschweigen. Die Vorschriften über die innere Ordnung der Parteien, ihre Verpflichtung zur Offenlegung ihrer Einnahmen und die Bereitstellung öffentlicher Mittel sind ein Ganzes. Eines bedingt das andere, und eines wäre ohne das andere kaum zu rechtfertigen.
Es ließe sich nun vieles zu den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes und insbesondere zur Frage der inneren Ordnung demokratischer Parteien sagen. Ich beschränke mich dennoch auf eine einzige Bemerkung zu diesem Thema.
Wenn die in diesem Hause vertretenen Parteien ihre Satzungen auf Grund des jetzt vorliegenden Parteiengesetzes nicht grundlegend zu ändern, sondern nur in einzelnen Bestimmungen den neuen gesetzlichen Erfordernissen anzupassen haben, wie dies die CDU bereits vor Verabschiedung des Gesetzes auf ihrem letzten Parteitag getan hat, dann spricht das wahrhaftig nicht gegen das Parteiengesetz, sondern nur für die demokratischen Parteien in diesem Land.
Behauptungen, wie man sie kürzlich in einer Zeitschrift lesen konnte — der vorliegende Entwurf begünstige den Status quo, er stärke autoritäre Tendenzen in den Parteien und sei ohne demokratisierende Wirkung —, stellen die Tatsachen auf den Kopf, auch wenn sie von 16 Wissenschaftlern unterschrieben sind.
Aber, meine Damen und Herren, Besorgnis, Unverständnis und Kritik der Öffentlichkeit werden sich vor allem an den Bestimmungen des Entwurfs über die Erstattung der Wahlkampfkosten entzünden und deswegen erlauben Sie mir, vor allem zu dieser Frage einige Bemerkungen zu machen.
Wir alle in diesem Hause wissen, in welchem Maße sich im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte die Anforderungen erhöht haben, die mit Recht an die Parteien gestellt werden. Moderne Parteien, die ernst genommen werden wollen, müssen sich in ihrer Öffentlichkeitsarbeit und Werbung an Maßstäben messen lassen, die die Wirtschaft setzt. Sie müssen sich in der Qualität ihres Apparates neben einer Vielzahl hervorragend und meist viel besser ausgestatteter Verbände und Organisationen behaupten können. Sie bedürfen in zunehmendem Maße wissenschaftlicher Planungsarbeit, und sie brauchen eine Organisation, die sie ständig bis in den letzten Kreis hinein präsent macht.
Das kostet von Jahr zu Jahr mehr Geld. Denkt man daran, daß zu den laufenden Kosten die Kosten der Wahlkämpfe hinzukommen, so muß man feststellen, daß keine Partei in der Lage ist, ihre Aufwendungen allein aus Beiträgen ihrer Mitglieder und aus Spenden ihrer Anhänger zu bestreiten.
Das gilt im übrigen wahrhaftig nicht nur für unser Land. Wenn heute in fast allen freiheitlichen Demokratien das Thema der öffentlichen Parteienfinanzierung auf der Tagesordnung steht, dann ist das wirklich kein weltweites Komplott irgendwelcher geldgieriger Parteifunktionäre, sondern nur ein Symptom dafür, daß die Aufgaben der Parteien eben überall gewachsen sind, während — wiederum überall — gleichzeitig die individuelle Opferbereitschaft, die Spendenfreudigkeit und der uneigennützige Idealismus zurückgegangen sind.
Die Parteien müssen also, wollen sie ihre Aufgaben auch nur annähernd erfüllen, zwingend öffentliche Mittel in Anspruch nehmen. Dabei war sich allerdings die CDU/CSU-Fraktion mit den anderen Fraktionen dieses Hauses immer einig, daß die öffentliche Hand am ehesten einen Zuschuß zu den laufenden Kosten der Parteien, also zur Finanzie-
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Dr. Kraske
rung ihres ständigen personellen und sachlichen Aufwandes, ihrer Infrastruktur, leisten sollte, während gerade die Wahlkämpfe von den Parteien selbst finanziert werden sollten. Das Bundesverfassungsgericht war dagegen, wie Sie wissen — und das ist heute hier schon zur Sprache gekommen —, ganz anderer, entgegengesetzter Meinung. Es hat uns durch sein Urteil vom vergangenen Sommer gezwungen — ich sage das mit allem schuldigen Respekt, aber doch ohne meine innere Überzeugung verleugnen zu können —, gegen unsere bessere Überzeugung den schlechteren Weg zu gehen.
Wenn wir diesen vom Bundesverfassungsgericht nun gewiesenen Weg der Erstattung der Wahlkampfkosten mit dem vorliegenden Entwurf beschreiten, dann tun wir das allerdings ohne alle Ausflüchte und erst recht ohne das Gefühl, uns irgendwo und bei irgend jemandem dafür entschuldigen zu müssen. Die demokratischen Parteien haben für diesen unseren Staat Leistungen zu erbringen. Deswegen haben sie ein Recht darauf, daß ihnen ein Teil ihrer Kosten abgenommen wird.
Ich weiß, daß das nicht übermäßig populär ist, und ich kann hier nur an das anschließen, was Herr Kollege Dr. Arndt vorhin in anderem Zusammenhang gesagt hat. Denn was ist in diesem Land schon populär, wenn es Geld kostet? Jeder in unserem Lande wünscht sich z. B. eine erstklassige Regierung. Aber die Minister müssen sich eigentlich schon fast dafür entschuldigen, daß sie Gehälter beziehen.
Jeder in unserem Lande bejaht die parlamentarische Demokratie; sie beruht auf einer ganz breiten Zustimmung. Aber Abgeordnetendiäten sind eines der beliebtesten Ärgernisse unter den Spießbürgern dieses Landes, und der Bundestag sollte am besten in ein paar alten Baracken untergebracht werden!
So ist es eben auch mit den politischen Parteien. Ich meine, wir sollten uns hier anläßlich der dritten Lesung dieses Gesetzes nicht scheuen, das einmal ganz offen zu sagen. Jeder weiß in diesem Lande, daß wir sie brauchen, daß ohne sie ein freiheitlicher demokratischer Rechtsstaat nicht funktionieren kann. Aber Geld dürfen sie nicht kosten!
Wir sollten uns dadurch nicht allzusehr beeindrucken lassen. Der Appell, die Parteien müßten sich selbst finanzieren — ihn hören wir ja nun seit Jahren —, sie müssen eben einfach ihre Mitgliederzahlen verdoppeln und ihr Beitragsaufkommen vervielfältigen, wird am lautesten und am leidenschaftlichsten von denen vorgetragen, die zu allerletzt bereit sind, sich in einer Partei zu engagieren und dafür persönliche Opfer zu bringen.
Gerade darum kann ich diesen Appell nicht sehr überzeugend finden, sosehr wir als Parteien den Auftrag sehen, unseren Mitgliederbestand zu verstärken.
Im übrigen sollten die Gegner einer öffentlichen Teilfinanzierung der Parteien doch gelegentlich darüber nachdenken, daß auch die finanzielle Eigenständigkeit von Parteien ihren Preis kostet, dann nämlich, wenn Idealismus allein nicht mehr ausreicht, sie zu tragen. Ich frage mich, ob sie wirklich diesen Preis gern zahlen würden. Denn das beginnt dann mit Spenden, für die politische Gegenleistungen erwartet würden, das setzt sich dann fort in einer Mitgliederwerbung, die desto erfolgreicher sein würde, je mehr sie an das nackte Eigeninteresse — wo man keinen Idealismus findet, bleibt dies allein übrig — appelliert durch eine rücksichtslose Interessen- oder Patronagepolitik, und das endet schließlich dort — meine Damen und Herren, wir haben es erlebt —, wo fanatisierte Bürger zur Finanzierung ihrer Partei ihr eigenes Blut verkaufen. Die Partei ist dann allerdings auch danach. Man kann eben nicht alles haben. Aber man sollte auch diese Zusammenhänge gelegentlich bedenken, wenn man so schnell mit der Forderung bei der Hand ist, die Parteien sollten sich ganz und gar allein finanzieren.
Daß die Parteien andererseits mit der Entgegennahme öffentlicher Mittel ganz erhebliche Verpflichtungen übernehmen, steht außer jeder Frage. Es ist wahrhaftig kein Zufall, 'daß das Parteiengesetz die Erstattung der Wahlkampfkosten an die termingemäß erfolgende Rechnungslegung findet. Selbstverständlich stehen auch die Vorschriften über die innere Ordnung der Parteien in einem unauflöslichen Zusammenhang mit ihrer öffentlichen Teilfinanzierung. Immerhin — und das sollte man überall zur Kenntnis nehmen — unterwerfen sich ja die Parteien mit dem Parteiengesetz doch einer Normierung, die ihre eigene Entscheidungsfreiheit in Satzungsfragen ganz erheblich einschränkt. Wir sagen dennoch ja dazu. Wir sagen ja, weil wir in dem vorliegenden Entwurf in allen seinen Teilen ein Ganzes sehen.
Wenn ich in diesem Zusammenhang ein letztes Wort über die in dem vorliegenden Entwurf vorgesehene steuerliche Begünstigung von Beiträgen und Spenden, über die wir eben in der zweiten Beratung debattiert haben, sage, dann fühle ich mich zwischen so hervorragenden Juristen als Doktor der Philosophie ein wenig an das Wort erinnert, das wir in diesem Hohen Hause von dem Herrn Bundeskanzler mehrfach gehört haben: Prophete links, Prophete rechts. Ich frage mich, wie ich mich, wie wir uns zwischen diesen juristisch fundierten Argumenten nun entscheiden sollen. Ich kann für meine Person lediglich sagen, daß es dann wohl nur möglich ist, die politische Vernunft und die eigene Erfahrung mitheranzuziehen.
Auf dieser Grundlage bin ich allerdings folgender Meinung: Wenn das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom vergangenen Jahr die Parteien für ihren laufenden Haushalt ausdrücklich auf Beiträge und Spenden verwiesen hat, dann stellt sich in der Tat die Frage, ob die Parteien weiterhin — auch wenn es hier Unterschiede gibt; Herr Dr. Arndt hat daran erinnert — gegenüber einer gar nicht zu übersehenden Vielzahl gemeinnütziger, wohltätiger,
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menschenfreundlicher und wahrscheinlich sogar tierfreundlicher Vereine und Organisationen immer wieder in der Aufbringung ihrer eigenen Mittel benachteiligt werden sollen. Wir sind der Meinung, daß dies der Fall sein kann. deshalb schließen wir uns dem Urteil des Berichterstatters und unseres Kollegen Dr. Güde an, daß die vorgesehene Regelung auch das Karlsruher Spendenurteil von 1958 respektiert. Ich gestehe aber ganz offen, daß es dabei für mich nicht nur um finanzielle Erwägungen geht, so wichtig sie sein mögen; mindestens ebenso wichtig scheint mir die Aufhebung der Diskriminierung der Parteien zu sein, die wir seit dem Karlsruher Urteil von 1958 immer als sehr schmerzlich empfunden haben.
Lassen Sie mich zum Abschluß folgendes sagen: Der vorliegende Entwurf betritt in manchen Punkten Neuland. Er ist darüber hinaus — wie sollte das anders sein — in mancher Beziehung das Ergebnis von Kompromissen zwischen den Parteien und den Fraktionen. Er mag also nicht jedem in jedem Punkt gefallen. Dennoch sind wir überzeugt, daß der Entwurf den Forderungen des Grundgesetzes Rechnung trägt, daß er die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinreichend berücksichtigt, vor allem aber, daß er den Parteien und der demokratischen Ordnung dieses Landes das gibt, was gebraucht wird. Aus diesen Gründen wird die Fraktion der CDU/CSU dem vorliegenden Entwurf ihre Zustimmung geben.