Rede von
Käte
Strobel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Rutschke, Ihre Frage zur Lärmschwerhörigkeit verstehe ich so, daß Sie nicht die Schwerhörigkeit meinen, die sich als Folge jahrelanger Tätigkeit in Lärmbetrieben ergeben kann. Hierüber besitzen wir im Ministerium genaue Unterlagen. Wenn Sie das gemeint haben, bin ich gern bereit, Ihnen diese Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Der Lärm, der von störenden Anlagen, Fabriken, Flughäfen usw. auf die in unmittelbarer Nähe wohnenden Menschen einwirkt, führt nicht zur Schwerhörigkeit. Es ist aber bekannt, daß solcher Lärm je nach seiner Stärke zu Veränderungen im vegetativen Nervensystem und je nach der Konstitution des einzelnen zur Störung des Wohlbefindens führt. Es kommt zu Durchblutungsstörungen von Haut und Herz, zu Veränderungen des Blutdrucks, des Stoffwechsels und des Spannungszustandes im Gewebe. Diese Veränderungen treten auch beim schlafenden Menschen auf. Auch die Schlaftiefe wird empfindlich gestört, wodurch der Wert des Schlafes für die Erholung und Entspannung stark herabgemindert wird. Bei Fluglärm im besonderen treten oft Schreckreaktionen auf, da er meist unerwartet einsetzt. Es liegen Beobachtungen vor, daß es hierdurch bei Kindern zur Auslösung von Krämpfen, bei älteren, vorgeschädigten Personen zu akutem Herz- und Kreislaufversagen kommen kann.
Eine Gewöhnung an Lärm gibt es im medizinischbiologischen Sinne nicht. Es muß angenommen werden, daß die Veränderungen im vegetativen Nervensystem, auf lange Sicht gesehen, krankheitsfördernd und krankheitsauslösend sein können. Allerdings liegt hierüber noch kein Zahlenmaterial vor. Entsprechende Forschungsvorhaben sind angelaufen. Ich bin im übrigen selbstverständlich gern bereit — und halte es sogar für notwendig —, die Bevölkerung über den bisherigen Stand unserer Erkenntnisse in geeigneter Weise aufzuklären.
Von diesen Erkenntnissen ausgehend, sind die rechtlichen Möglichkeiten zur Lärmbekämpfung verstärkt worden. Der vom Lärm beeinträchtigte Bürger ist nicht mehr wie früher auf die im Nachbarschaftsverhältnis geltenden zivilrechtlichen Abwehransprüche beschränkt. Zahlreiche öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bundes und der Länder verbieten ruhestörendes Verhalten und verpflichten die Inhaber störender Anlagen zu geräuschmindernden Maßnahmen. Bundesrechtliche Vorschriften richten sich vornehmlich gegen Verkehrslärm und den Lärm gewerblicher Anlagen. Es handelt sich hier im wesentlichen um Vorschriften des Straßenverkehrsrechts, des Luftrechts und der Gewerbeordnung. Es würde allerdings zu weit führen, jetzt einen Überblick über die in vielen Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften des Bundes und der Länder verstreuten Einzelvorschriften zu geben. Das haben Sie sicher auch nicht beabsichtigt. Der Vollzug der Lärmschutzvorschriften wird in der Regel von Landes- und Kommunalbehörden überwacht. Diese Behörden haben Lärmbeschwerden nachzugehen und bei Verstößen zum Schutz der Allgemeinheit einzugreifen. Die bisherigen gesetzlichen Maßnahmen haben allerdings noch nicht zu einem ausreichenden Schutz der Bürger vor Lärm geführt.
Leider vollzieht sich die technische Entwicklung heute noch weitgehend ohne Rücksicht auf ihre schädlichen Auswirkungen. Vielfach werden selbst die vorhandenen technischen Möglichkeiten zur Lärmminderung nicht genügend genutzt, weil Leistungssteigerung und Wirtschaftlichkeit im Vordergrund stehen. Die Verwaltungsbehörden stehen in der Praxis vor einer Fülle schwieriger technischer und wirtschaftlicher Fragen. Ich halte es deshalb für erforderlich, neue Rechtsgrundlagen zu schaffen, die vorhandenen Rechtsvorschriften zu verbessern und darüber hinaus den Verwaltungsbehörden durch allgemeine Verwaltungsvorschriften klare Richtlinien für die Lärmbeurteilung und die technischen Anforderungen zu geben. Im Rahmen eines umfassenden Programms wird die Bundesregierung die Lärmbekämpfung intensivieren.