Rede von
Karl
Wieninger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die Christlich-Soziale Union, die der wirtschaftlichen und soziologischen Struktur des Landes Bayern entsprechend mittelständisch orientiert ist, begrüßt es, daß das Berufsausbildungswesen nun durch unseren Koalitionsantrag neu geregelt werden kann. Wir werden in den Ausschüssen loyal an der Gestaltung dieses wichtigen Gesetzes mitarbeiten.
Allerdings verhehlen wir nicht, daß nach unseren Vorstellungen die Einbeziehung des Handwerks in den Geltungsbereich der Vorlage uns bedenklich erscheint. Durch die Deutsche Handwerksordnung vom Jahre 1953 und durch die Novellierung des Gesetzes vom Jahre 1965 sind die gesetzlichen Bestimmungen der Berufsausbildung der Lehrlinge im Handwerk befriedigend geregelt und den erforderlichen modernen Gegebenheiten angepaßt worden. In aller Welt werden wir darum beneidet, daß wir über ein Handwerksrecht aus einem Guß verfügen, das die Organisation des Handwerks, die Berufsausübung und die handwerkliche Berufsausbildung umfaßt. Das Handwerk bildet 64 % der gewerblichen Lehrlinge aus, fast doppelt soviel wie die Industrie. Daß die Berufsausbildung im Handwerk nicht schlecht sein kann, erhellt aus der Tatsache, daß 90% aller Teilnehmer an den Gesellenprüfungen diese bestanden haben. Die internationalen Berufswettkämpfe, bei denen die deutschen Handwerkslehrlinge fast immer am besten abschneiden, beweisen den Hochstand des handwerklichen Berufsausbildungswesens. Aus diesem Grunde möchte ich nachdrücklich davor warnen, das Herzstück der Handwerksordnung, die Bestimmung über die Berufsausbildung, aus dieser herauszulösen.
Wir sind gern bereit, in den Ausschüssen darüber zu reden, ob die Berufsausbildungsvorschriften der Handwerksordnung in der Fassung von 1965 im Sinne der hier in Rede stehenden Vorlage angepaßt werden können, so daß kein Bruch im allgemeinen Berufsausbildungswesen entsteht. Somit hätte unsere Vorlage die Funktion eines Rahmengesetzes.
Zur Frage der Ausschußüberweisung möchte ich feststellen, daß wir eigentlich die Zuständigkeit des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen für gegeben erachten, und zwar aus folgenden
Gründen; darauf hat auch der Herr Kollege Dr. Friderichs schon hingewiesen.
Erstens. Die Gesetzesmaterien sind bisher im Handelsgesetzbuch, in der Gewerbeordnung und in der deutschen Handwerksordnung geregelt gewesen. Das sind Gesetze des Wirtschaftsrechts. Eine Herauslösung und Zusammenfassung ändert nichts an ihrem Rechtscharakter.
Zweitens. In besonders hohem Maße wird das Kammerrecht berührt. Den Industrie- und Handelskammern und den Handwerkskammern werden durch die Prüfungsordnungen, durch das Lehrvertragswesen und durch die Führung der Lehrlingsrollen Verpflichtungen auferlegt. All dies sind Materien der Wirtschaftsgesetzgebung. Die Kammern unterliegen darüber hinaus ausschließlich der Aufsicht der Landwirtschaftsministerien.
Drittens. Beide Gesetzentwürfe, der der SPD und der der Koalition, haben das Ziel, die Anpassung der Berufsausbildung an die Entwicklung von Wirtschaft und Technik zu sichern. Das ist Wirtschaftsrecht, dafür wäre der Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zuständig.
Viertens. Selbst der Entwurf der SPD würde eigentlich unter dem Gesichtspunkt in die Zuständigkeit des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen fallen, daß sich von 68 Paragraphen 42 mit der Regelung von Berufsausbildungsfragen befassen. Auch hier ist ein unabweisbares Übergewicht des Wirtschaftsrechts gegeben.
Trotz dieser Umstände hat die Mehrheit der Fraktion der CDU/CSU es für zweckmäßig erachtet, die Überweisung der Anträge an den Ausschuß für Arbeit vorzuschlagen. Wir, die wir anderer Meinung sind, beugen uns in demokratischer Haltung diesem Mehrheitsbeschluß. Wir geben uns aber der Hoffnung hin, daß der Ausschuß für Arbeit seine Beratungen in einer wirtschaftskonformen Haltung durchführt. Die Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Arbeit bedeutet kein Präjudiz hinsichtlich der Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers; meine Freunde und ich halten diese Zuständigkeit für zweifelsfrei gegeben. Der mitberatende Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen wird seine Beratungen mit besonderer Sorgfalt und in besonderer Ausführlichkeit durchführen müssen.