Rede von
Dr.
Rainer
Barzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir danken für diese Erklärung und begrüßen die Initiative der Bundesregierung. Es ist gut, erneut der Welt zu sagen, was wir wollen, wozu wir bereit sind und wo die Ursachen des Unfriedens liegen. Das deutsche Volk will Frieden durch Menschenrechte.
Die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers ist prinzipiell und konkret zugleich. Sie nennt die Ziele wie die Wege, sie zu erreichen. Wir stimmen ihr zu. Wir werden die Hoffnung nicht aufgeben, mit dieser Stimme der Friedfertigkeit trotz der Lautstärke der kommunistischen Propaganda die Ohren aller Völker und zugleich das Gespräch mit ihren Regierungen zu erreichen. Wir hoffen, daß auch die Russen und die Polen, die Menschen in der Tschechoslowakei und in aller Welt hinhören werden auf das, was ihnen auf diese Weise vom deutschen Volk gesagt wird. Wir hoffen, daß diese Worte mit Bedacht gehört werden. Sie sind so gemeint, wie sie gesagt sind. Das ganze deutsche Volk denkt so. Auch wir wollen eine Welt ohne Krieg und ein Leben ohne Furcht.
Wir hoffen, daß die konkreten Vorschläge der Bundesregierung, die in der Note enthalten sind, von allen Regierungen in dem Geiste geprüft werden, wie sie vorgelegt werden, und daß sie darauf eingehen. Wir wissen, daß der Frieden nicht ein einmaliges, sondern ein fortgesetztes Handeln erfordert. Unsere Politik ist durch Vorleistungen, wie sie kein anderer Staat erbracht hat, als Friedenspolitik erwiesen. Zugleich ist Deutschland das einzige Land Europas, in dem geschossen wird — nicht von uns. In Deutschland ist kein Friede.
Der Schritt der Bundesregierung ist ein Schritt des guten Willens und der Bereitschaft, die internationalen Gespräche über die Bedingungen des Friedens zu fördern. Unsere Hand bleibt ausgestreckt, durch sehr konkrete, sehr nüchterne Taten und auch durch Opfer den Frieden zu sichern — hier, in Berlin, in aller Welt.
Es liegt nicht an uns, den Deutschen, wenn die Sehnsucht der Völker nach Abrüstung ihrer Erfüllung so fern ist. Frieden verlangt Abrüstung. Abrüstung verlangt Kontrolle. Nur wenn niemand mehr mit Gewalt droht, kann wirklich Frieden sein. Wenn alle den Mut zum Frieden haben, wird unsere Welt eine Welt ohne Furcht werden. Aber Frieden verlangt auch die innere Freiheit der Völker, das Recht der Selbstbestimmung für jeden Menschen, der Selbstbestimmung für jedes Volk.
Wir legen Wert darauf, einen Satz aus der Berliner Erklärung vom 29. Juli 1957 — einer Erklärung Frankreichs, Großbritanniens, der USA und der Bundesrepublik Deutschland — erneut in Erinnerung zu rufen. Er lautet:
Eine europäische Friedensordnung muß auf
Freiheit und Gerechtigkeit aufgebaut sein. Jede
Nation hat das Recht, ihre eigene Lebensform
frei zu bestimmen, ihr politisches, wirtschaftliches und soziales System selbst zu wählen und unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen anderer Nationen für ihre Sicherheit zu sorgen. Die Gerechtigkeit fordert, daß dem deutschen Volk die Möglichkeit gegeben wird, seine nationale Einheit auf der Grundlage dieses Grundrechts wiederherzustellen.
Das gilt weiter, und eben dies ist zugleich eine Frage an die vierte Macht, an die Sowjetunion. Wenn sie den Frieden will, darf sie nicht länger den Deutschen Gewalt antun.