Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schellenberg, Sie haben mich schon auf dem Weg zum Rednerpult gesehen, als Sie mir noch vor der Worterteilung durch den Herrn Präsidenten das Wort erteilt haben. Ich möchte mich für Ihre sachlichen Ausführungen zu wesentlichen Fragen unserer Sozialpolitik sehr herzlich bedanken. Die Sozialpolitik möchte ich allerdings nicht als einen engen sozialpolitischen Bereich verstanden wissen, sondern im Felde der Gesellschaftspolitik sehen. Gestatten Sie mir deshalb vorab einige wenige Bemerkungen, ehe ich zu Einzelheiten komme.
Der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers ist von meinem Herrn Vorredner und auch von allen anderen Rednern der Opposition der Vorwurf gemacht worden, sie lasse kein konkretes Programm erkennen. Auf Grund der ganzen Diskussion dieser Tage habe ich allerdings den Eindruck, daß die Opposition von uns verlangt, vier Wochen nach der Regierungsbildung in Form einer ersten Lesung von Einzelgesetzgebungswerken nunmehr detaillierte Auskunft zu geben, die wir naturgemäß in dieser Stunde einfach nicht geben können.
— Nein, meine Damen und Herren, Sie wissen, ich stehe in dieser Eigenschaft zum erstenmal an diesem Pult, und es ist einfach unzumutbar, jetzt eine Art erste Lesung eines Buketts von Gesetzgebungswerken zu verlangen. Was Sie von uns erwarten können, ist eine Antwort auf die Frage: Hat die Regierung vor, auf diesem und jenem Gebiet initiativ zu werden? Darauf bekommen Sie eine Antwort. Aber Sie können schlechterdings nicht erwarten, daß wir Ihnen
jetzt detailliert das sagen, was in dritter Lesung hier im Hause zu beraten sein wird.
Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie den Versuch des Herrn Bundeskanzlers, zu einer zusammenfassenden Darstellung unserer nationalen Probleme zu kommen, so einfach abtun. Es erhebt sich in der Tat die Frage, ob Sie sich wirklich frei gemacht haben von der großen Illusion, die zukünftige gesellschaftspolitische Struktur könne am Reißbrett konstruiert werden.
— Auch dazu eine Bemerkung, Herr Kollege Erler. Ich bin traurig darüber, daß das von Ihrer Seite immer und immer wieder so negativ-ironisierend gesagt wird.
— Es ist gut. Aber bieten Sie mir die Chance, eine Darstellung zu geben, damit wir ernsthaft darüber diskutieren können. Darum bitte ich Sie sehr herzlich.
— Ja, wir sind doch mitten in der Aussprache.
— Aber entschuldigen Sie, das Tempo der Aussprache haben doch nicht zuletzt Sie mit bestimmt. Dafür sind doch die Diskussionen da. Oder nicht?
— Ich bin schon der Meinung, daß wir darüber ernsthaft und sachlich diskutieren sollten, so wie das Herr Kollege Schellenberg erfreulicherweise getan hat.
Mir scheint, meine Damen und Herren, eine Gestaltung der Gesellschaft am Reißbrett, wie Sie es sich vorstellen, ist nicht möglich. Die Gesellschaft ist einem lebendigen und beständigen Prozeß der Umbildung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Struktur unterworfen. Gesellschaftspolitik kann nur der Versuch sein, diesen Prozeß beständig mit zu gestalten.
Mir scheint, Herr Kollege Schellenberg, die Methode nicht möglich zu sein, aus der Regierungserklärung in diesem einen Punkt nur Auszüge, nur negative Aussagen, aus ,dem Zusammenhang gerissene Sätze, aneinanderzureihen.
Ich glaube, es ist geradezu ein Charakteristikum dieser Regierungserklärung — lesen Sie diese Stelle einmal nach, Herr Schellenberg —, daß sie in ihrem gesamten innerpolitischen Gehalt von einem Bekenntnis zur Sozialpolitik im Sinne einer modernen Gesellschaftspolitik ausgeht.
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Bundesminister Katzer
.) Ich glaube, Sie sollten in Ruhe nochmals den Satz lesen, der in der Regierungserklärung steht:
Die Bedeutung der Sozialpolitik liegt im Grundsätzlichen aber auch darin, daß sie in starkem Maße den Stil der gesamten inneren Politik bestimmt.
Diese Sozialpolitik will nicht nur dazu beitragen, Reste des Klassenkampfgedankens zu beseitigen; sie will vielmehr auch die Forderungen der sozialen Interessengruppen an objektiven Maßstäben und gesamtgesellschaftlichen Zielen orientieren.
Meine Damen und Herren der Opposition, ich glaube, es ist nicht gut, es ist sachlich unrichtig, wenn Sie den Herrn Bundeskanzler mehrfach in dem Sinne apostrophiert haben, als sei er ein Gegner der Gewerkschaften oder so ähnlich. Ich möchte Ihnen dazu ein sehr freimütiges Wort sagen. Erstens meine ich, wir sollten differenzieren und nicht immer „die Gewerkschaften" sagen. Es gibt sehr viele Gewerkschaften.
Zweitens möchte ich sagen: wenn irgendwem die Aussage einer gewerkschaftlichen Richtung nicht paßt, dann soll er die Gewerkschaft und den Betreffenden, der die Aussage gemacht hat, beim Namen nennen. Dann wird die Diskussion in diesem Hause sehr viel sachlicher.
— Verzeihen Sie, ich bemühe mich ja, ein Klima zu schaffen. Nehmen Sie es doch so hin, wie ich es Ihnen sage;
es ist so ernst gemeint; denn ich glaube, wir brauchen dieses Klima.
Ich gehe noch einen Gedanken weiter; vielleicht können Sie dem folgen. Wenn wir diesen Gedanken verwirklichen könnten, würden wir, glaube ich, in der innergesellschaftlichen Diskussion ein ganz gewaltiges Stück vorankommen. Die Sozialpolitik, sagte ich, wolle dazu beitragen, Reste von Klassenkampfdenken zu überwinden. Sie will auch die Forderung der sozialen Interessengruppen an objektiven Maßstäben und gesamtgesellschaftlichen Zielen orientieren, wie es wörtlich heißt. Die Methode, dieses Ziel zu erreichen, liegt — ich zitiere wörtlich die Regierungserklärung — im Dialog mit allen sozialen Gruppen.
— Ja, mit allen sozialen Gruppen. (Sehr gut! in der Mitte.)
Meine Damen und Herren, damit wachsen diese Gruppen aus der Atmosphäre bloßer Interessenvertreter heraus und kommen in den Rang von Partnern, die durch einen regelmäßigeren, häufigeren, umfassenderen und intensiveren Dialog dazu beitragen, ihren Sachverstand nicht nur ihr en Interessen. sondern dem Gemeinwohl dienstbar und nutzbar zu machen.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat vorhin in die Debatte eingegriffen. Der Herr Bundeskanzler hat dabei davon gesprochen, daß schon in der übernächsten Woche Gespräche mit den Sozialpartnern stattfinden, daß also das beginnt, was hier als der Dialog der gesellschaftlichen Gruppen bezeichnet wird. Ich kann doch nur wünschen und bitten, daß sich alle Angesprochenen an diesem Dialog im Interesse aller konstruktiv beteiligen.
Meine Damen und Herren, Gesellschaftspolitik ist vor allem als eine gestaltende Tätigkeit zu sehen. Die moderne Gesellschaftspolitik hat das Bild von frei verantwortlichen, urteilsfähigen Bürgern eines Staates vor sich, die sich in Überwindung der früheren Klassengegensätze zu einer Leistungsgemeinschaft zusammenfügen, bei denen Wirtschafts- und Sozialverbände Motor eines permanenten Interessenausgleichs unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Wohles sein sollten.
Die Sozialpolitik kann ihre gestaltende Aufgabe nur erfüllen, wenn sie sich als dynamische Sozialpolitik versteht. Das gilt sowohl für die Umgestaltung ihrer klassischen Bereiche, von denen Herr Kollege Schellenberg vorhin gesprochen hat, als auch für die Eröffnung und Gestaltung neuer Bereiche. Aus diesem Geiste setzt die Regierungserklärung des Kanzlers der Gesellschaftspolitik der kommenden Legislaturperiode einen festen Rahmen — nicht mehr, aber, meine Damen und Herren, auch nicht weniger. Unsere Aufgabe wird es sein, diesen Rahmen zu füllen.
Aus diesem Geiste läßt sie der Wirtschafts-, Finanz- und Haushaltspolitik sowie der Politik sozialer Ordnung einen Spielraum, in dem sich konstruktive Auseinandersetzung mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften entfalten kann. Es gab auf Ihrer Seite etwas Gelächter, als der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung von der formierten Gesellschaft sprach. Meine Damen und Herren, ich möchte sagen, es dient der Sache nicht, wenn wir das einfach abtun. Zugegeben, das ist noch nicht ausdiskutiert; aber ein Gedanke, der noch nicht ausdiskutiert ist, ist doch nicht deshalb schon der Lächerlichkeit anheimzugeben, sondern dann sollte man ihn eben diskutieren, so möchte ich wenigstens meinen.
Meine Damen und Herren, Thilo Koch hat in einer der letzten Ausgaben der „Neuen Rhein-Zeitung", die ja sicherlich Ihnen nahesteht, geschrieben — ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren —:
Die Formel „formierte Gesellschaft" verdient mehr Beachtung und förderliche Kritik, als bisher laut wurde.
In einem weiteren Absatz sagt er — —
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Bundesminister Katzer
— Nein, das, was ich jetzt sage, haben Sie nicht gehört; deshalb möchte ich es hier an das, was der Herr Bundeskanzler gestern dazu gesagt hat, anschließen. Thilo Koch hat also weiter geschrieben:
Der Begriff sollte nicht als Schlagwort abgetan werden. Gemeinschaft, Gemeinwohl, Gemeinwesen sind die Worte, die die tragenden Gedanken der formierten Gesellschaft, ihre Idee, am besten umschreiben. Erhard hält den Zeitpunkt für gekommen, eine dritte Phase der Industriegesellschaft anzustreben — von der Klassengesellschaft über die soziale Marktwirtschaft hinein in die formierte Gesellschaft.
Ich habe gelegentlich einer Eigentumsdiskussion hier in diesem Saale einmal gesagt — und ich wiederhole das mit großem Nachdruck —: „Unsere Politik ist nicht zuerst darauf gerichtet, den Lebensstandard zu verdoppeln, wie das einmal gefordert wurde, sondern ich glaube, das erste Ziel unserer Politik sollte darauf gerichtet sein, die sittlichen, kulturellen und geistigen Kräfte unseres Volkes zu stärken und — wenn Sie wollen — zu verdoppeln."
Ich glaube, meine Damen und Herren, genau dies ist der Kerngedanke, der die Regierungserklärung des Bundeskanzlers beherrscht. Ich bin der Meinung, diesen konstruktiven, guten Kerngedanken sollte man herausgreifen. Man sollte den Versuch machen, mit dem Begriff der formierten Gesellschaft und mit der Errichtung eines Deutschen Gemeinschaftswerkes ein Leitbild aufzustellen. Dazu, Herr Kollege Heinemann, gibt es naturgemäß sehr viele Fragen, über die wir hier sprechen müssen; denn ohne Sie können wir es ja nicht verwirklichen. Deshalb bitte ich, so zu verfahren, daß wir nicht Gräben ausheben, wo wir im Grunde erst eine Basis der gemeinsamen Diskussion schaffen müssen, wenn wir dieses Ziel gemeinsam erreichen wollen.
Dieser gedankliche Entwurf einer neuen gesellschaftlichen Verfassung liegt naturgemäß fernab von jenen Straßen, auf denen die politischen Ideologien des vergangenen Jahrhunderts bis hinein in unsere Zeit unser Volk politisch und gesellschaftlich in unversöhnliche Gegensätze aufgesplittert haben. Die Demokratie lebt nicht nur aus dem sozialen und wirtschaftlichen Wohlbefinden des einzelnen, unser sozialer Rechtsstaat, der Staat der modernen Industriegesellschaft braucht vor allem das geistige und sittliche Bemühen aller seiner Mitbürger. Wer heute glaubt, mit rein pragmatischen Zielen den Staat von heute auf morgen regieren zu können, dem möchte ich nur empfehlen, einen Blick über die Zonengrenze zu tun. Das sollten wir uns — auch der Ressortminister — stets vor Augen halten, das gesamte Volk, und dafür sorgen, daß wir bei uns die sozialen Verhältnisse so gestalten, daß an dem Tag, den wir alle miteinander herbeisehnen, an dem sich die Deutschen in freien und geheimen Wahlen entscheiden, sie sich aus Überzeugung für unser System
entscheiden, weil es begründet ist auf Freiheit und
auf Gerechtigkeit, auf das, was sie drüben suchen.
— Herr Kollege Matthöfer, ich darf Ihnen glaubhaft versichern
— lassen Sie mich es doch erklären —: Hier sitzen ein paar Dutzend Freunde, die wissen, daß ich in den letzten zehn, zwölf Jahren kaum eine Rede gehalten habe, wo ich nicht diesen Satz nachdrücklich gesprochen habe, zuletzt auf dem Düsseldorfer Parteitag. Das können Sie in unseren Protokollen nachlesen. Das ist aber nicht nur von mir getan worden, Herr Kollege Matthöfer, sondern von der gesamten christlich-demokratischen Fraktion. Das möchte ich hier einmal nachdrücklich zum Ausdruck gebracht haben.
Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt diese Bemerkungen abschließen. Es schien mir aber notwendig zu sein, einmal zu versuchen, den Geist darzustellen, in dem ich an meine Arbeit herangehen möchte. Ich glaube, darauf haben Sie ein Recht. Ich habe versucht — ich hoffe, es ist mir gelungen —, darauf eine Antwort zu geben.
Lassen Sie mich nun auf einige Schwerpunkte der künftigen Politik eingehen.
Zunächst soziale Sicherung und Eigentum. Die erste Etappe unserer Sozialpolitik war von der Notwendigkeit diktiert, für die Mehrheit unseres Volkes ein wirksames System sozialer Sicherungen zu schaffen. Ohne diese Gemeinschaftsleistung des ganzen Volkes, die wir nicht genug würdigen können, wäre weder der wirtschaftliche Aufbau noch die soziale Befriedung unseres Volkes möglich gewesen. Doch unser Ziel war nicht die Zementierung des Proletariats, sondern der verantwortliche Staatsbürger und damit auf der Grundlage einer ausreichenden sozialen Sicherung die Differenzierung unserer Gesellschaft nach der Leistung des einzelnen. Das bedeutete die Erweiterung der Sozialpolitik zur Gesellschaftspolitik.
Rentenreform. Herr Kollege Schellenberg, ich vermag in vielen Punkten durchaus konstruktive Ansätze aus dem zu ersehen, was Sie gesagt haben. Aber ich glaube, in dem Augenblick, wo wir uns heute oder morgen in diesem Hause anschicken, die erste Lesung zur 8. Rentennovelle durchzuführen, kann man doch keine falschen Töne in die Debatte hineinbringen. Der soziale Rechtsstaat ist nicht expressis verbis genannt, aber er ist im Grundgesetz verankert; und was dort verankert ist, das braucht man nicht dauernd zu wiederholen, Herr Kollege Schellenberg; das halten wir für eine Selbstverständlichkeit,
wie wir für jeden den Willen zur Ausgestaltung des sozialen Rechtsstaates für selbstverständlich halten. Wir haben die Rentenreform, die Reform der Unfallversicherung, den Lastenausgleich, um nur Stich-
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worte zu nennen. Sie kennzeichnen die zweite Etappe der Sozialpolitik.
Von entscheidender Bedeutung für die gesellschaftliche Weiterentwicklung unserer sozialen Sicherungssysteme war vor allem auch unsere Eigentumspolitik, die dem Bedürfnis des einzelnen nach sozialer Sicherung ebenso gerecht wird wie dem Bedürfnis nach freier Entfaltung der Persönlichkeit.
Ich will jetzt hier nicht in der Vergangenheit herumgraben. Ich will nicht wie Sie, Herr Kollege Schellenberg, sagen, was auf Initiative dieser oder jener Fraktion geschehen ist. Ich freue mich vielmehr und möchte meinen Blick in die Zukunft richten und darauf sehen, daß wir für die Zukunft, für die nächsten vier Jahre, die Punkte setzen, die wir uns gemeinsam vornehmen wollen. Wir sind uns doch, so hoffe ich, mittlerweile im ganzen Hause darin einig, meine Damen und Herren: Eigentumslosigkeit bedeutet wirtschaftliche Abhängigkeit und das Bedürfnis verstärkter sozialer Sicherung. Die soziale und wirtschaftliche Selbständigkeit und Selbstverantwortung stärken kann deshalb für uns nur heißen, in breiten Schichten unseres Volkes den Willen zum Eigentum wecken und die Möglichkeiten zur Eigentumsbildung fördern.
Wir sind diesen Weg gegangen, und ich glaube sagen zu dürfen, mit einem Erfolg, der in seiner strukturellen Bedeutung für die Zukunft weit über das hinausgeht, was in dieser kurzen Zeit quantitativ erreicht werden konnte.
Für die nächsten vier Jahre kommt es meines Erachtens in diesen Bereichen entscheidend darauf an, dem 312-DM-Gesetz zur vollen Wirksamkeit zu verhelfen, und bei der in Aussicht genommenen Harmonisierung der Sparförderung sollten wir, möchte ich glauben, darauf achten, daß die haushaltspolitischen Überlegungen, die in diesem Zusammenhang angestellt werden und auch angestellt werden müssen, nicht zu einer Reduzierung des sozial- und gesellschaftspolitischen Inhalts der bisherigen Maßnahmen führen.
Was die reformerischen, die ergänzenden Maßnahmen zur Verbesserung der klassischen sozialen Leistungssysteme angeht, so haben Sie, Herr Kollege Schellenberg — und wenn ich Opposition wäre, würde ich das vielleicht ähnlich gemacht haben —
— natürlich, ich kann mich ja auch in die Lage versetzen —, darauf hingewiesen, daß vor uns drei große Problemkreise stehen, die nicht gelöst sind. Wir wissen das alle. Das brauchen wir gar nicht zu verschweigen. Es handelt sich um die Reform der sozialen Krankenversicherung, die Frage der Lohnfortzahlung und die Frage der Öffnung der Rentenversicherung für die Selbständigen, drei Fragen, auf die Sie drei Antworten verlangt haben. Ich werde Ihnen die drei Antworten geben, obwohl ich weiß, daß ich Sie damit nicht befriedigen kann. Aber das ist eben die Sache der Regierung, und das ist ein anderes Geschäft als die Sache der Opposition.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen mit allem Freimut: Ich habe mich auch bei meinen Fraktionsfreunden leidenschaftlich dafür eingesetzt, daß wir die Zeit, die die Sozialenquete noch braucht — und sie braucht, soweit wir die Dinge übersehen können, etwa Zeit bis zur Mitte des nächsten Jahres; diese Zeit ist für uns vorgegeben — als eine Art Denkpause nutzen sollten — ich habe das einmal gesagt und wiederhole das hier —; denn es scheint mir nicht sinnvoll, nun das, was wir acht Jahre diskutiert haben, jetzt mit denselben Vokabeln noch einmal neu zu diskutieren.
Ich möchte auch, Herr Kollege Schellenberg, nachdrücklich sagen — ich anerkenne, daß Sie zu denen gehören, die die Sozialenquete zu einem früheren Zeitpunkt gefordert haben; jawohl, das anerkenne ich; ich spreche nicht nach rückwärts, ich spreche nach vorwärts, damit hier kein Mißverständnis entsteht, und ich füge jetzt diesen Satz hinzu —: es ist doch, glaube ich, nicht denkbar, daß man eine Sozialenquete-Kommission an die Arbeit gehen läßt, zur gleichen Zeit aber hingeht und sagt: Was die an Ergebnissen bringt, soll uns nicht so schrecklich viel interessieren, warten wir gar nicht erst ab, sondern wir machen hier jetzt schon im vorhinein Gesetzgebungswerke! Nein, meine Damen und Herren, ich glaube, das ist nicht möglich und nicht denkbar. Ich möchte deshalb nachdrücklich die Auffassung vertreten: wir werden das Ergebnis der SozialenqueteKommission abwarten, wir werden es sorgfältig analysieren und dann unsere politischen Entscheidungen hier in diesem Hause zu treffen haben.