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ID0500829900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 8. Sitzung Bonn, den 30. November 1965 Inhalt: Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 139 A Abwicklung der Fragestunde 174 B Fragestunde (Drucksache V/38) Fragen des Abg. Logemann: Trinkmilch für Schulkinder Höcherl, Bundesminister . . . . . 174 C Frage des Abg. Prochazka: Preisentwicklung bei Grundnahrungsmitteln Höcherl, Bundesminister . . . . . 174 D Fragen des Abg. Schmidt (Kempten) : Arbeiterrentenversicherung Katzer, Bundesminister . 175 B, 175 C Schmidt (Kempten) (FDP) . 175 B, 175 D Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Vermeidung von Nachteilen für Bezieher von Ausgleichs- und Elternrenten nach dem BVG Katzer, Bundesminister . . . . . 176 A Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . . 176 B Frage des Abg. Genscher: Beitragssatz für die Arbeitslosenversicherung 176 C Frage des Abg. Prochazka: Höhe der derzeitigen versicherungsrechtlichen Ansprüche der Gastarbeiter Katzer, Bundesminister 176 D Frage des Abg. Prochazka: Vorlage eines dritten Änderungsgesetzes zur Kriegsopferversorgung Katzer, Bundesminister . . . . . 176 D Fragen des Abg. Geiger: Maßnahmen auf dem ehemaligen Flugplatzgelände Malmsheim . . . . . . 177 A Frage des Abg. Felder: Dienstvorschriften der Bundeswehr für die Teilnahme an Gottesdiensten Gumbel, Staatssekretär . . . . . 177 C Frage des Abg. Fritsch (Deggendorf) : Finanzierungshilfen zum Bau von Hallenbädern Gumbel, Staatssekretär 177 C Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . 177 D Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 178 A Dröscher (SPD) 178 B Dr. Müller (München) (SPD) . . . 17.8 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 178 D Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 179 A Dr. Klepsch (CDU/CSU) . . . . 179 B Dr. Huys (CDU/CSU) . . . . . 179 B Moersch (FDP) 179 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 179 D Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . 179 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 30. November 1965 Frage des Abg. Ollesch: Einstellung aller Flüge mit Maschinen vom Typ „Starfighter" Gumbel, Staatssekretär 180 A Ollesch (FDP) 180 B Cramer (SPD) . . . . . . . . 180 C Dr. Müller (München) (SPD) . . . 180 D Moersch (FDP) 181 A Wächter (FDP) . . . . . . . 181 C Frage des Abg. Schultz (Gau-Bischofsheim) : Schaffung einer zentralen Kantinenorganisation Gumbel, Staatssekretär 181 C Mertes (FDP) 181 D Dr. Huys (CDU/CSU) 182 A Opitz (FDP) 182 B Frage des Abg. Felder: Einbau von Abgasfiltern in Pkw und Lkw Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 182 D Felder (SPD) 183 A Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . 183 C Frage des Abg. Lemper: Ausbau des Reststückes B 55, Ortsdurchfahrt Bergheim (Erft) Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 183 D Frage des Abg. Lemper: Einrichtung einer Haltestelle in Kaster (Bahnstrecke Düren–Neuß) Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 184 A Frage des Abg. Dr. Kempfler: Erhöhte Belastung des Straßenverkehrs der B 12 und der B 20 durch die Großraffinerie „Marathon" Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 184 B Dr. Kempfler (CDU/CSU) 184 C Fragen des Abg. Wiefel: Erhöhung von Verkehrstarifen im Güter- und Personenverkehr und deren Folgen Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 184 D Wiefel (SPD) 185 A Fragen des Abg. Wiefel: Attraktivere Gestaltung der öffentlichen Massenverkehrsmittel Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 185 B Wiefel (SPD) . . . . . . . . 185 C Seibert (SPD) 185 D Frage des Abg. Schonhofen: Fahrwegaufwendungen der Deutschen Bundesbahn Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 186 A Schonhofen (SPD) 186 B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 186 C Frage des Abg. Schonhofen: Höhe des Regierungszuschusses an die französischen Staatsbahnen zu ihren Wegekosten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 186 D Frage des Abg. Schonhofen: Mittelanforderung der DB im Rahmen ihrer Forderung nach „Normalisierung der Konten" Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 187 A Schonhofen (SPD) 187 C Seibert (SPD) . . . . . . . . 187 D Frage des Abg. Tönjes: Höhe der jährlich durch Straßenverkehrsunfälle entstehenden Kosten Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 187 D Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung des Haushaltsausgleichs (Haushaltssicherungsgesetz) (Drucksache V/58) — Erste Beratung — Schmücker, Bundesminister . . . . 139 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . . 150 C Dr. Starke (Franken) (FDP) . . . . 159 C Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) . 167 C Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 188 A Strauß (CDU/CSU) 195 B Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 210 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 210 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 221 C Erler (SPD) 222 C Dr. Pohle (CDU/CSU) 222 D Horten (CDU/CSU) 227 C Nächste Sitzung 228 C Anlage 229 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 30. November 1965 139 8. Sitzung Bonn, den 30. November 1965 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner 30. 11. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 2. 12. Bading * 30. 11. Dr. Birrenbach 2. 12. Blachstein 30. 11. Dr. h. c. Güde 2. 12. Baron zu Guttenberg 30. 11. Hilbert 2. 12. Hörmann (Freiburg) 30. 11. Jaschke 2. ,12. Dr. Kliesing (Honnef) 30. 11. Klinker * 30. 11. Koenen (Lippstadt) 31. 12. Kriedemann 31. 12. Kubitza 2. 12. Lücker (München) * 30. 11. Marquardt 2. 12. Mauk * 30. 11. Memmel 30. 11. * Für die Teilnahme an einer Ausschußsitzung des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Michels 30. 11. Dr. Müthling 30. 11. Neumann (Stelle) 30. 11. Rawe 8. 12. Richarts * 30. 11. Röhner 30. 11. Frau Schanzenbach 31. 12. Frau Schimschock 31. 12. Schmidt (Würgendorf) 2. 12. Schultz 2. 12. Schwabe 30. 11. Seuffert * 30. 11. Dr. Siemer 30. 11. Spillecke 2.12. Spitzmüller 2. 12. Wahl ** 3. 12. Dr. Wilhelmi 30. 11. Dr. Wörner 3. 12. Zerbe 2. 12. b) Urlaubsanträge Frau Berger-Heise 18. 2. 1966 ** Für die Teilnahme an einer Ausschußsitzung des Europarats
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Erwin Schoettle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Gestatten Sie eine Frage? — Bitte, Herr Abgeordneter Martin!


Rede von Dr. Berthold Martin
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich wollte Ihnen sagen, Herr Schmidt: Ein großer Teil der Forschung liegt unter militärischen Geheimnissen. Das ist eine Tat-



Dr. Martin
sache. Deshalb ist sie Privatverträgen nicht zugänglich. Nur dies wollte ich sagen. Es ist keine Entscheidung von mir, sondern es ist eine Tatsache, mit der wir rechnen müssen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wir haben uns sicher mißverstanden; das merke ich jetzt. Aber Sie können durch bloße Privatverträge industrielle und entwicklungsmäßige Zusammenarbeit zustande bringen. Dann müssen Sie sich von den jeweiligen militärischen Dienststellen Ihr o. k. holen. Das ist immer so, innerhalb eines Landes wie über die Grenzen hinweg. Dann begreife ich den Einwand nicht, wenn Sie ihn nachträglich so aufgefaßt haben wollen.
    Lassen Sie mich einen vierten Punkt zu den vorhin aufgezählten drei Punkten noch hinzufügen oder lassen Sie mich sagen, daß das, wovon ich eben spreche, als vierter Punkt aufgefaßt werden muß. Aus den für die zivile Technik, für die zivile Industrie, für die Volkswirtschaft allgemein höchst bedeutsamen technologischen Fortschritten, aus dieser Entwicklung der modernen, komplexen Waffensysteme ergibt sich, daß die Bundesrepublik daran beteiligt sein muß. Auch das verlangt nicht Mitbesitz, auch das verlangt keine MLF, aber das ist ein Punkt, der organisatorisch wahrscheinlich relativ schwierig — am schwierigsten vielleicht, Herr Martin — zu lösen sein wird.
    Nun hat Herr Strauß vorhin im Zusammenhang mit einem Zitat aus einer französischen Zeitung —ich glaube „La Nation" — von dem Zusammenhang zwischen der Bombe einerseits oder — sagen wir — dem Nonproliferations-Vertrag, dem Atomwaffensperrvertrag, wie Sie ihn genannt haben, und der deutschen Frage andererseits gesprochen. Sie haben gesagt, Sie wollen die Bombe nicht; wir wollen sie schon lange nicht. Sie wollen die Einheit Deutschlands, wir auch. Trotzdem glaube ich, Herr Strauß, daß wir auch auf diesem Gebiet in die Gefahr der Isolierung geraten können. Wenn wir uns so scharf, wie Sie es hier getan haben — und ähnlich scharf hat der Außenminister im Juli in einem Interview mit englischen Zeitungen getan —, von einem die ganze Welt umfassen sollenden NonproliferationsVertrag distanzieren, dann können wir sehr leicht in eine gefährliche Isolierung geraten. Ich will hier nicht abstreiten, daß Ihr Argument von der Aufwertung der DDR durch Ihre Unterschrift eine gewisse Kraft und ein gewisses Gewicht hat. Das will ich nicht bestreiten. Aber wir können auch sehr gut durch unser Nein zu einem Vertrag, zu dem alle anderen ja sagen, in eine schreckliche Isolierung geraten, nicht nur gegenüber der Sowjetunion,

    (Beifall bei der SPD)

    sondern durchaus auch innerhalb des westlichen Lagers und durchaus auch im Verhältnis zur dritten Welt. Ich würde da sehr vorsichtig sein.
    Ich finde, daß wir bei all diesen Auseinandersetzungen auch noch eines im Auge behalten sollten. Wir sollten die nukleare Lage im Bündnis nicht dramatisieren. Es war eine Übertreibung, daß in der
    Regierungserklärung davon gesprochen wurde, hier würde unsere Verteidigung erschwert. Das war eine Übertreibung, die nicht zu rechtfertigen ist. Wir sollten das nicht dramatisieren. Wir sollten, Herr Bundeskanzler, im Auge behalten, daß sowohl im Urteil Washingtons als auch im Urteil Londons als auch im Urteil der Pariser Regierung als auch im Urteil der Moskauer Regierung die gegenwärtige militärische Gesamtlage Europas für weit weniger gefährdet angesehen wird als von manchen aufgeregten Vortragsrednern in der Bundesrepublik.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das ist auch eine Realität, der man ins Auge sehen muß. Wir dürfen mit der Sorge, die wir berechtigterweise verfolgen müssen, nicht übertreiben. In allen diesen vier Hauptstädten sieht man das nämlich inzwischen anders.
    Lassen Sie mich noch einen kleinen Schlußsatz anfügen. Herr Barzel, Sie haben am Schluß Ihrer Rede von den religiösen und sittlichen Grundüberzeugungen unseres Volkes gesprochen. Ich möchte dazu drei Gedanken beitragen.
    Erstens. Wir Deutschen sind ja Christen und Nichtchristen zugleich; wir sind Katholiken und Protestanten und Juden und Freidenker zugleich. Wir haben als Volk und als Staat noch nicht vollends gelernt, diese Tatsache, diese Vielfalt stets im Bewußtsein zu tragen und die sich aus ihr ergebenden Konsequenzen und die sich aus ihr ergebende Notwendigkeit zur religiösen und zur weltanschaulichen Toleranz in all unserer täglichen Praxis zu befolgen, — wir, die Deutschen insgesamt; so meine ich. Wir Sozialdemokraten meinen dabei gewiß nicht, die Toleranz der Gleichgültigkeit, sondern die Toleranz der Achtung vor der Würde des Nachbarn und des Mitbürgers und seiner Glaubensüberzeugung. Wir haben — ich will das von mir sagen, von meiner Person — mit großer Bewegung miterlebt, wie der verstorbene Papst Johannes XXIII. die sittliche Idee der Toleranz weithin sichtbar für alle Menschen in der Welt wieder erneut aufgepflanzt hat. Ich könnte mir denken, daß er damit auch ein Vorbild für uns Deutsche gesetzt hat, gleich, welcher Konfession, ein Vorbild auch für eine Bundesregierung, die doch einem Volke auch im Geistigen und im Sittlichen, wenn auch nicht Führung, Herr Bundeskanzler, so doch Orientierung anbieten sollte.
    Nach langer Überlegung möchte ich an dieser Stelle auf eine einzige Kanzleräußerung aus dem Wahlkampf zurückkommen. Wir wissen alle, daß es einigen Leuten auf der Rechten im Wahlkampf bisweilen unterlaufen ist, mit dem aus nazistischer Zeit übriggebliebenen Vorurteil gegen den Emigranten Willy Brandt zu operieren und den Hinweis auf seine norwegische Uniform als Presseattaché dabei ja nicht zu vergessen. Wo dies geschah, war es sicherlich widerlich. Ich glaube, daß die allermeisten Kollegen hier im Saal solche sittlichen Entgleisungen während des Wahlkampfes bedauert haben, wo sie sie beobachteten. Um so mehr, Herr Bundeskanzler, sollten auch Sie bedauern und sich möglicherweise dafür entschuldigen, daß Sie sich am 24. August in Zweibrücken öffentlich zu dem Satz haben hinreißen lassen, Sie hätten schon an der



    Schmidt (Hamburg)

    Deutschen Mark und an ihrer Stabilität gearbeitet, als der Brandt überhaupt noch nicht wieder deutschen Boden betreten hatte.

    (Zuruf von der SPD: Pfui! — Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt doch!)

    Das war eine untergründige und abgründige Sentenz. Sie ist belegt.

    (Zuruf von der CDU/CDU: Er hätte eher nach Hause kommen sollen!)

    — Wenn sie nicht stimmt, um so besser. Dann wird Herr Bundeskanzler Erhard uns erklären, daß man ihn falsch interpretiert hat. Wir werden dafür dankbar sein. Ich will nur sagen: mit solchen abgründigen Sentenzen, Herr Bundeskanzler, können Sie die deutsche Gesellschaft nicht formieren, so dürfen Sie sie auch gar nicht formieren wollen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Im Grunde liegen Ihnen ja solche Äußerungen auch nicht; das ist im Grunde gegen Ihr Naturell, nehme ich an. Sie sollten es mit Kennedy halten, der in seiner letzten Rede, die er in Dallas nicht mehr hat halten können, die nur schon aufgeschrieben war, gesagt hat oder hat sagen wollen: Unsere Stärke muß immer auf der Rechtschaffenheit unserer Sache beruhen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Merkt euch das!)

    Eine zweite Bemerkung zu Herrn Barzel, zu den sittlichen Grundhaltungen, von denen die Rede gewesen ist: Können wir nicht einmal überlegen, ob wir gemeinsam Schluß machen mit dieser allzu billigen und letzlich doch couragelosen Art und Weise, wie in unserem Lande vielfach die Auseindersetzung mit dem Kommunismus geführt wird? Zunächst meine ich, wir sollten sorgfältig unterscheiden zwischen der Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Staat Sowjetunion auf der einen und der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus als Ideologie, als internationale politische Bewegung auf der anderen Seite. Das sollten wir sorgfältig unterscheiden. Die Vermanschung beider Dinge kann uns manchen wichtigen Punkt in der Auseinandersetzung mit der Sowjetunion übersehen lassen. Wir sollten das voneinander trennen. Aber wichtiger als dieses Trennen ist mir, davon auszugehen, daß die große, die geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus uns Deutschen ja noch erst bevorsteht. Die kommt erst noch, nämlich dann, wenn wir uns der Wiedervereinigung endlich nähern werden. Dann kommt doch das Problem erst wirklich auf uns zu. Im Augenblick haben wir es ja mit dem Kommunismus hier in unserem Lande kaum zu tun.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Na! So? Oho!)

    — Das sage ich als Innenminister einer Hafenstadt; ich muß es wohl wissen: wir haben es hier mit dem Kommunismus kaum zu tun.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nicht mehr zu tun!)

    Diese Auseindersetzung, die da noch kommt, muß von der neuen Generation geführt und gewonnen
    werden, von denen, die heute noch jung sind. Ich habe ein bißchen Angst, wenn ich sehe, wie wir diese junge Generation häufig durch allzu billige Traktätchen — wir allzumal —

    (Zustimmung bei der SPD)

    auf diese Auseinandersetzung vorbereiten. Das kann man mit Propaganda doch nicht machen. Wir müssen doch die jungen Leute zu selbstschöpferischem Urteil befähigen. Wir glauben doch letztlich an ihre Kraft, an ihre Unbefangenheit, an die Fähigkeit zur Kritik in diesen jungen Leuten, an die Fähigkeit zum eigenen Denken, und wir dürfen sie auch in dieser Frage gar nicht gängeln, wie wir es bisher so vielfach tun. Vielmehr müssen wir es ihnen ermöglichen, ein gut gegründetes und gut begründetes Selbstvertrauen zu gewinnen. Dazu müssen sie sich mit diesem ganzen Quatsch doch selber befassen können, Sie dürfen den Kommunismus nicht immer nur aus dritter, vierter, fünfter Hand kennenlernen. Wie sollen sie dann später, wenn sie wirklich in die Auseinandersetzung hineingepreßt werden, damit zu Rande kommen? Ich sehe häufig mit Besorgnis, wie junge Leute von drüben und junge Leute von hier zusammenkommen und debattieren und unsere Leute nicht immer am besten dabei abschneiden, weil sie wohl propagandistisch gut vorbereitet sind, nicht aber geistig.

    (Abg. Dr. Besold: Was meinen Sie mit „Traktätchen"?)

    — Alle diese vielen Heftchen, Herr Besold, die an den deutschen Gymnasien, in der Bundeswehr, in den Jugendorganisationen und überall verteilt werden. Ich meine, daß dies ein Punkt ist, wo man versuchen sollte, miteinander ins Gespräch zu kommen: daß wir unsere Jugend gegenüber dem Kommunismus nicht zu gewissen Propagandaschemata hinbringen, sondern zur Zivilcourage und zum eigenen Urteil.
    Eine letzte Bemerkung zu den sittlichen Grundhaltungen, die Herr Barzel gemeint hat. Der Herr Bundeskanzler hat zu Beginn des Jahres einmal behauptet, das Modell einer Demokratie, das wir Sozialdemokraten anböten, sei nur eine Attrappe. Ich glaube, so leicht kann man es sich und sollte man es sich mit den Grundüberzeugungen anderer nicht machen.
    Sicherlich, Herr Bundeskanzler, die Geschichte der Sozialdemokratie, auch ihre Gegenwart, umfaßt Irrtümer, umfaßt Fehler, sicherlich auch menschliche Schuld und Schwächen. Aber dies wird man noch sagen dürfen: daß die Geschichte dieser Partei zugleich eine der wenigen großen unzerstörten Kontinuitäten in der Geschichte unseres Volkes ist

    (Beifall bei der SPD)

    durch diese letzten vier Generationen hindurch. Und zugleich eine Kontinuität der Grundideen; der Grundidee der Befreiung der sozial und politisch Unterdrückten; der Grundidee gleicher Chancen für jedermann; der Grundidee der Regierung und der Kontrolle der Regierung auf der Grundlage einer Demokratie; der Grundidee, daß Recht und Frei-



    Schmidt (Hamburg)

    heit des Menschen nicht durch den Machtanspruch von einzelnen, aber auch nicht von Gruppen begrenzt werden dürfen, sondern daß Recht und Freiheit des einzelnen nur begrenzt werden dürfen durch die Solidarität, die man sich gegenseitig schuldet, und die dadurch gesetzten Grenzen. Von diesen sittlichen Grundideen haben wir Sozialdemokraten vier Generationen lang gelebt, und die werden auch in Zukunft das tragende Fundament unserer Politik sein.
    Herr Bundeskanzler, wenn ich sage „in Zukunft", — die Zukunft ist ungewiß. Wir leben in der zweiten deutschen Demokratie. Die ist noch nicht ganz endgültig stabilisiert. Wir Deutschen haben uns z. B. noch nicht mit ganz großer Selbstverständlichkeit angewöhnt, nur durch die Macht des Wählers Regierung und Opposition auszuwechseln, hin und her und her und hin. Das ist ja noch nicht passiert. Diese Nagelprobe fehlt ja noch.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr müßt tüchtiger werden!)

    Obwohl aber noch manches in vieler Beziehung, in sehr vielen Beziehungen fehlt, trotz des tragischen Unheils der deutschen Teilung, sieht dieser Versuch einer zweiten deutschen Demokratie unendlich viel besser und lebensfähiger aus, als der Versuch der ersten Demokratie jemals ausgesehen hat. Da sind wir uns alle einig. Und vor allem ist diesmal der demokratische Staat nicht im Schutze eines hoheitlich gesonnenen, obrigkeitsstaatlich orientierten Heeres aufgebaut worden. Ein großer Vorteil! Und es gibt nur noch wenig sentimentale Anhänglichkeit an den zugrunde gegangenen Diktaturstaat. Die „Spiegel"-Affäre mit all ihren bedenklichen Erscheinungen hat doch eben auch sehr beglückend erkennen lassen, daß in diesem Volk eine ganz beträchtliche Wachheit dann vorhanden ist, wenn es befürchten muß, daß seine Rechte auf freie Meinungsäußerung angetastet werden. Die Reaktion auf die Affäre war doch alles in allem erfreulich und ermutigend.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber auch, wenn wir Zeichen der Ermutigung empfinden dürfen, meine Damen und Herren, glaube ich, daß die Frage der demokratischen Regierung und ihrer demokratischen Kontrolle doch auch in Zukunft die Kardinalfrage der deutschen Geschichte bleiben wird. Ich glaube, daß deutsche Geschichte sich nur in der Demokratie kontinuierlich wird entwickeln können. Und für uns bedeutet Demokratie eben zugleich auch Freiheit und Gerechtigkeit und Offenheit und Solidarität. Der Sieg der Demokratie über die dunklen Mächte in der Seele unseres Volkes, er scheint uns endgültig errungen. Aber in Wahrheit ist er vielleicht niemals endgültig zu erringen. Vielleicht bleibt er in Wahrheit die ständig, die immer wieder gestellte Aufgabe. Wir alle, die CDU/CSU, die Sozialdemokraten und die FDP gleichermaßen, wir alle haben ja hier in diesem Hause das ist doch das Eigentliche, was uns hier zusammenführt — dieser Aufgabe gemeinsam zu dienen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)