Rede von
Dr.
Richard
Jaeger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Die Bundesregierung widmet dem Problem der Triebverbrechen an Kindern bereits seit längerer Zeit ihre besondere Aufmerksamkeit, wie aus den Erklärungen meiner Herren Amtsvorgänger in den Fragestunden vom 27. bis 29. Juni 1962 und vom 9. Oktober 1963 hervorgegangen ist. Ich kann jedoch nicht bestätigen, daß eine Zunahme derartiger Straftaten festzustellen sei. Vielmehr ist bei Sittlichkeitsdelikten an Kindern die sogenannte Verurteiltenziffer, d. h. die Zahl der Verurteilten auf je 100 000 der strafmündigen Bevölkerung, von 1953 bis 1962 von 11,7 auf 8,4 zurückgegangen. Die absolute Zahl ist von 1953 bis 1963 ebenfalls gesunken, und zwar von rund 4500 auf rund 3500. Diese Zahlen erscheinen hoch. Sie enthalten aber auch, und zwar ganz überwiegend, leichtere Fälle. Sexualmorde an Kindern werden bisher amtlich nicht gesondert statistisch erfaßt, sondern sind entweder in der vorgenannten Ziffer oder in der Mordziffer, d. h. in beiden, enthalten. Sie dürften aber nach nichtamtlichen Zählungen in den letzten Jahren jeweils zwischen 10 und 20 im ganzen Bundesgebiet liegen und zeigen ebenfalls keine steigende Tendenz. Das gilt auch für das letzte Jahr 1964 und den bisherigen Verlauf des Jahres 1965.
Es ist verständlich, daß jeder einzelne derartige Fall berechtigtes Aufsehen und Empörung hervorruft. Aber es wäre falsch, davon zu sprechen, daß wir uns einer steigenden Welle von Triebverbrechen gegenübersähen. Das darf uns allerdings nicht in unseren Bemühungen erlahmen lassen, derartige scheußliche Verbrechen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen.
Schon das geltende Recht droht für Sittlichkeitsverbrechen an Kindern hohe Strafen an, nämlich Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei Todesfolge sogar bis zu lebenslangem Zuchthaus, und kennt verschiedene Maßnahmen der Sicherung und Besserung, die den Täter unter Umständen lebenslang von der Gesellschaft fernhalten.
Der von der Bundesregierung dem 4. Deutschen Bundestag vorgelegte Entwurf eines neuen Strafgesetzbuches von 1962 sieht Strafandrohung für Sittlichkeitsverbrechen an Kindern vor, die zum Teil noch über die des geltenden Rechts hinausgehen. Vor allem aber soll das System der Maßregeln der Besserung und Sicherung wirksamer gestaltet werden.
Der Sonderausschuß „Strafrecht" des 4. Bundestages hat diese Vorschläge aufgegriffen und verbessert. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung soll danach erleichtert und für bestimmte junge Täter soll die im Entwurf noch „vorbeugende Verwahrung" genannte Erziehungsverwahrung neu eingeführt werden. Für zurechnungsunfähige oder vermindert zurechnungsfähige Täter sollen besondere Bewahrungsanstalten mit der Bezeichnung „Psychiatrische Fürsorgeanstalt" geschaffen werden, in denen diese abartigen Täter erfolgreicher als bisher behandelt werden können.
Schließlich wird als neue Maßregel der Besserung und Sicherung die Sicherungsaufsicht vorgesehen, die gerade auch für Triebverbrecher in Betracht kommt. Diese sollen nach der Strafverbüßung, aber auch nach probeweiser Entlassung aus der Sicherungsverwahrung überwacht und unterstützt werden, um sie von weiteren Straftaten abzuhalten. Diese Sicherungsaufsicht soll eine sehr einschneidende Überwachung ermöglichen; dem Entlassenen können gerichtliche Weisungen hinsichtlich seines Wohn- und Aufenthaltsortes, seines Arbeitsplatzes und seines Umganges erteilt werden, er kann verpflichtet werden, sich in regelmäßigen Abständen zu melden, und ähnliches mehr. Für Sittlichkeitsverbrecher wird z. B. auch die Weisung in Betracht kommen, sich nicht in der Nähe von Kinderspielplätzen aufzuhalten oder fremde Kinder anzusprechen. Die Einhaltung derartiger Weisungen soll durch Strafandrohungen bis zu einem Jahr Gefängnis erzwungen werden können.
Es ist dringend zu wünschen und zu hoffen, daß diese Möglichkeiten verbesserter Verbrechensbekämpfung von diesem Hause recht bald verwirklicht werden.
Neben alledem — das geht aber über mein Ressort hinaus — sollte nichts versäumt werden, durch geeignete Aufklärung der Kinder über die ihnen drohenden Gefahren und durch eine Mitarbeit der Bevölkerung die Zahl derartiger Verbrechen einzuschränken.