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    Deutscher Bundestag 190. Sitzung Bonn, den 16. Juni 1965 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 9511 A Fragestunde (Drucksachen IV/3525, IV/3538) Frage des Abg. Dr. Mommer: Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik Dr. Schröder, Bundesminister . . . 9511 C Dr. Mommer (SPD) 9511 C Frage der Abg. Frau Freyh (Frankfurt) : Humboldt-Schule in San José Dr. Schröder, Bundesminister . . . 9511 D Frau Freyh (Frankfurt) (SPD) . . . 9512 A Fragen des Abg. Dr. Dr. Oberländer: Resolution des amerikanischen Kongresses und Proklamationen der US- Präsidenten betr. unterjochte Völker Dr. Schröder, Bundesminister . . . 9512 A Dr. Dr. Oberländer (CDU/CSU) . . . 9512 C Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Bezüge der Auslandslehrer in Argentinien Dr. Schröder, Bundesminister . . . 9512 D Kahn-Ackermann (SPD) . . . . . 9513 A Frage des Abg. Jacobs: Deutscher Festspielbeitrag in Cannes Dr. Schröder, Bundesminister . . 9513 C Jacobs (SPD) 9513 C Frage des Abg. Biechele: Deutsche als Opfer der Aufständischen im nördlichen Kongo Dr. Schröder, Bundesminister . . 9514 A Biechele (CDU/CSU) 9514 A Frage der Abg. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) : „UN-Cooperation-Year" Dr. Schröder, Bundesminister . . . 9514 B Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) (FDP) 9514 C Frage des Abg. Börner: Erlaß betr. „Briefzensur von Arrestanten" von Hassel, Bundesminister . . . . 9514 D Börner (SPD) . . . . . . . . . 9515 A Cramer (SPD) . . . . . . . . . 9515 B Schwabe (SPD) . . . . . . . . 9515 C Zoglmann (FDP) . . . . . . . . 9515 D II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. Juni 1965 Dröscher (SPD) . . . . . . . . 9515 D Dr. Dr. Heinemann (SPD) 9516 A Jahn (SPD) . . . . . . . . . 9516 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . 9516 C Berkhan (SPD) . . . . . . . . 9516 D Frage des Abg. Ritzel: Landbeschaffung für Zwecke der Bundeswehr von Hassel, Bundesminister . . . 9517 A Ritzel (SPD) 9517 A Frau Pitz-Savelsberg (CDU/CSU) . 9517 C Frage des Abg. Cramer: Bau einer Panzerstraße bei Varel von Hassel, Bundesminister . . . . 9517 D Cramer (SPD) . . . . . . . . . 9517 D Frage des Abg. Müller-Emmert: Bau einer weiteren Abfahrt von B 40 a nahe Flugplatz Ramstein zur Landstuhler Straße Richtung Gemeinde Ramstein 9518 A Frage des Abg. Müller-Emmert: Fertigstellung des Teilstücks der B 408 zwischen Landstuhl und Glan-Münchweiler 9518 A Fragen des Abg. Cramer: Zustand der Schleuse bei der ersten Hafeneinfahrt in Wilhelmshaven Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9518 B Cramer (SPD) 9518 D Frage des Abg. Dr. Kliesing (Honnef) : Tieferlegung der Bahn-Trasse in Bonn Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 9519 B Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . . 9519 B Frage des Abg. Dr. Kliesing (Honnef) : Bonner Südbrücke Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 9519 D Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . . 9519 D Frage des Abg. Dr. Kliesing (Honnef) : Bau der EB 42 im Amtsbereich Oberkassel Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 9520 C Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . . 9520 C Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Einschränkung des Sonntagsfahrverbotes für den Güterkraftverkehr — Ausnahmegenehmigungen 9520 D Frage des Abg. Fritsch: Ortsumgehung Schönberg, Landkreis Grafenau Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 9521 A Fritsch (SPD) 9521 A Fragen des Abg. Dr. Roesch: Mangel an Fußgängerüberwegen auf der B 29 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 9521 C Dr. Roesch (SPD) . . . . . . . . 9521 D Fragen des Abg. Hübner (Nievenheim) : Einstellung der Stückgutabfertigung am Bahnhof Nievenheim — Nichtbeachtung von Landesplanung und regionaler Strukturverbesserung bei Rationalisierungsmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . . 9522 A Hübner (Nievenheim) (SPD) . . . 9522 C Ritzel (SPD) 9523 A Fragen des Abg. Faller: Empfang des Fernsehprogramms im Landkreis Lörrach . . . . . . . . 9523 D Fragen des Abg. Müller (Erbendorf) : Empfang des 2. Fernsehprogramms im Regierungsbezirk Oberpfalz Stücklen, Bundesminister 9523 D Müller (Erbendorf) (SPD) 9524 A Fritsch (SPD) 9524 B Fragen des Abg. Strohmayr: Berechnung von Kosten für nicht zurückgegebene alte Telefonbücher Stücklen, Bundesminister 9524 C Strohmayr (SPD) . . . . . . . 9524 D Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehem. Standortübungsplatzes Boye—Kl. Hehlen an die Stadt Celle (Drucksache IV/3543) . . . . . . . . . . . . 9525 B Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. Juni 1965 III Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehem. Flugplatzes Hamburg-Bahrenfeld (Drucksache IV/3544) 9525 B Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über die Fünfundzwanzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Drucksachen IV/3506, IV/3553) 9525 C Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des Grundstücks in Köln, Hahnenstr. 6, an die Stadt Köln (Drucksache IV/3531) 9525 C Entfwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksache IV/891) ; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksachen IV/3494, zu IV/3494) — Zweite Beratung —, in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 10) (Drucksache IV/2633) — Erste Beratung — und mit Entwurf eines Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz) (Drucksache IV/2634) — Erste Beratung — Benda (CDU/CSU) 9526 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 9532 A Erler (SPD) 9537 B Dorn (FDP) 9545 C Höcherl, Bundesminister 9552 B Dr. Wuermeling (CDU/CSU) . . . 9561 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler 9561 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 9563 B Nächste Sitzung 9566 C Anlagen 9567 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. Juni 1965 9511 190. Sitzung Bonn, den 16. Juni 1965 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach * 18. 6. Dr. Aigner* 18. 6. Frau Albertz 10. 7. Arendt (Wattenscheidt) 16. 6. Dr. Aschoff 16. 6. Bading * 18. 6. Bazille 14. 7. Bergmann * 18. 6. Dr. Bleiß 16. 6. Böhme (Hildesheim) 16. 6. Brese 16. 6. Dr. Conring 16. 6. Dr. Danz 16. 6. Deringer * 18. 6. Dr. Dichgans * 18. 6. Drachsler 16. 6. Dr. Dr. h. c. Dresbach 30. 6. Dr. Eckardt 16. 6. Eisenmann 16. 6. Dr. Elbrächter 16. 6. Frau Dr. Elsner * 18. 6. Faller * 18. 6. Figgen 24. 6. Flämig 23. 6. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 18. 6. Dr. Furler * 18. 6. Gehring 20. 6. Glombig 16. 6. Günther 16. 6. Frhr. zu Guttenberg 16. 6. Hahn (Bielefeld) * 18. 6. Frau Dr. Heuser 16. 6. Frau Dr. Hubert 16. 6. Illerhaus 18. 6. Kalbitzer 16. 6. Frau Kettig 18. 6. Klinker * 18. 6. Knobloch 25. 6. Könen (Düsseldorf) 20. 6. Frau Korspeter 20. 6. Dr. Kreyssig * 18. 6. Kriedemann * 18. 6. Frhr. von Kühlmann-Stumm 16. 6. Kulawig * 18. 6. Kurtz 16. 6. Leber 20. 6. Lenz (Bremerhaven) 30. 6. Lenz (Brühl)* 18.6. Dr. Lohmar 28. 6. Dr. Löhr * 18. 6. Lücker (München) * 18. 6. Maier (Mannheim) 30. 6. Mauk * 18. 6. Merten * 18. 6. Dr. h. c. Dr.-Ing. Möller 16. 6. Dr. Müller-Hermann * 18. 6. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Neumann (Allensbach) 16. 6. Dr. Philipp * 18. 6. Pöhler 19. 6. Frau Dr. Probst * 18. 6. Rademacher * 18. 6. Richarts * 18. 6. Rohde * 18. 6. Seibert 18. 6. Seifriz * 18. 6. Seuffert * 18. 6. Dr. Seume 16. 6. Dr. Sinn 16. 6. Schneider (Hamburg) 16. 6. Dr. Schneider (Saarbrücken) 16. 6. Dr. Starke * 18. 6. Storch * 18. 6. Strauß 2. 7. Frau Strobel * 18. 6. Urban 16. 6. Weigl 22. 6. Weinkamm * 18. 6. Dr. Willeke 20. 6. Zühlke 30. 6. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr.-Ing. Seebohm vom 16. Juni 1965 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schmidt (Kempten) (Drucksache IV/3525, Frage XII/8) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß zwischen der Antwort von Staatssekretär Dr. Seiermann zur Frage der Einschränkung .des Sonntagsfahrverbotes für den Güterkraftverkehr und etwaiger Ausnahmegenehmigungen in der Fragestunde vom 21. Januar 1965 und der dieser Tage durch Rundschreiben den Ländern zugestellten Bitte, für bestimmte Zeiten in der Hauptreisezeit keine Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, ein klarer Widerspruch besteht, der umgehend im Interesse der Betroffenen aufgeklärt werden sollte? In der Fragestunde am 21. Januar 1965 hat auf Ihre Zusatzfrage Herr Staatssekretär Dr. Seiermann erklärt, es werde nicht davon die Rede sein, daß Ausnahmen vom Sonntagsfahrverbot während der Hauptreisezeit überhaupt unterbleiben sollen. Es ist auch jetzt nicht davon die Rede, daß Ausnahmen vom Sonntagsfahrverbot während der ganzen Hauptreisezeit nicht erteilt werden dürfen. Mit Schnellbrief vom 27. April 1965 wurden die Länder lediglich gebeten, für Sonntag, den 25. Juli 1965, das Sonntagsfahrverbot strikt durchzuführen. Diese Maßnahme ist erforderlich, weil trotz meiner ständigen Bemühungen um stärkere Staffelung der Ferien auch in diesem Jahr die Sommerferien in mehreren großen Bundesländern fast zur gleichen Zeit beginnen, und zwar in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Saarland am 21. Juli und in Baden-Württemberg am 26. Juli. Gleichzeitig wurden die Spit- * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments 9568 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. Juni 1965 zenverbände der Wirtschaft und des Verkehrs von dieser Maßnahme unterrichtet. Die betroffenen Firmen wurden dadurch fast drei Monate vorher in die Lage versetzt, entsprechende Dispositionen (z. B. Verwendung leichter Lkw ohne Anhänger) zu treffen. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Bargatzky vom 16. Juni 1965 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dröscher (Drucksache IV/3525, Fragen XIV/1, 2 und 3) : Wie groß ist die Zahl der in der Bundesrepublik lebenden Diabetiker? Gibt es angesichts der wachsenden Zahl der an Diabetes Erkrankten zentrale Forschungsstellen, die in Zusammenarbeit mit entsprechenden ausländischen Instituten an der Eindämmung dieser Krankheit arbeiten? Wird der infolge der wachsenden Krankenzahlen sich immer mehr ausweitende Markt an diätetischen Lebensmitteln überwacht und angesichts des Monopolcharakters gewisser für Diabetiker lebensnotwendiger Grundnahrungsmittel (z. B. Sionon) dafür gesorgt, daß keine ungerechtfertigten Gewinne aus Geschäften mit dieser Krankheit gemacht werden? 1. Der Diabetes unterliegt nicht der gesetzlichen Meldepflicht. Die Zahl der Zuckerkranken kann daher nur geschätzt werden, zumal viele Menschen zuckerkrank sind, ohne es zu wissen. Vor 1939 wurde die Diabeteshäufigkeit auf 0,2 bis 0,3 % der Bevölkerung geschätzt. Heute muß angenommen werden, daß etwa 1,5 bis 2 % zuckerkrank sind. Dem liegt die Zahl von etwa 400 000 bekannten und von ebenso vielen bisher unerkannt gebliebenen Diabetikern zugrunde. 2. Die Diabetesforschung ist in der Bundesrepublik nicht zentralisiert, sondern seit langem an viele Stellen verteilt. Es ist jedoch geplant, an der Medizinischen Akademie in Düsseldorf ein Spezialinstitut für Diabetesforschung zu errichten. Es hat sich ein „Verein zur Förderung der Erforschung der Zuckerkrankheit" gebildet, der seine Tätigkeit noch in diesem Jahr aufnehmen wird. Bis zur Errichtung des geplanten Instituts wird der Verein vorläufig an der Medizinischen Klinik der Medizinischen Akademie in Düsseldorf arbeiten. 3. Der Verkehr mit diätetischen Lebensmitteln wird ebenso wie der mit sonstigen Lebensmitteln von der amtlichen Lebensmittelüberwachung laufend überprüft. Dies geschieht unter Aufsicht der obersten Gesundheits- und Veterinärbehörden der Länder. Von einem Monopolcharakter gewisser diätetischer Lebensmittel ist der Bundesregierung nichts bekannt. Die Verordnung über diätetische Lebensmittel vom 20. Juni 1963 läßt es durchaus zu, genügend gleichartige oder gleichwirkende diätetische Lebensmittel verschiedener Hersteller nebeneinander zur Auswahl in den Verkehr zu bringen. So ermöglicht die Verordnung z. B. den Wettbewerb zwischen 4 verschiedenen zugelassenen Zuckeraustauschstoffen. Die Bezeichnung „Sionon" ist nur der Markenname für einen Zuckeraustauschstoff, der unter der chemischen Bezeichnung „Sorbit" allgemein zugelassen ist.
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    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Dieser Deutsche Bundestag — berechtigt und verpflichtet, für alle Deutschen zu sprechen, berechtigt und verpflichtet, den sozialen Rechtsstaat zu entfalten, den Frieden zu sichern und die Freiheit zu wahren —, dieser Deutsche Bundestag hat in 16 Jahren die Mehrzahl der großen Fragen kontrovers entschieden.
    Wir stehen heute vor einer großen Frage, die nur gemeinsam entschieden werden kann, die aber zugleich von einem Gehalt ist, daß sie so bald wie möglich gemeinsam entschieden werden muß. Das ist der Geist, aus dem heraus wir an diese Frage herangehen, und aus diesem Geist heraus sollten wir es, wie wir glauben, alle tun.
    Es gibt Stunden und Probleme, die weniger zu parteipolitischem Streit und zu hitziger Kontroverse geeignet sind. Das Problem der Ergänzung der Verfassung, insbesondere der Notstandsverfassung, gehört dazu. Parteien und Fraktionen haben sehr ernsthafte Pflichten, ihre Besonderheiten zu zeigen und zu entwickeln. Sie haben aber immer zugleich die Pflicht, das Gemeinsame noch erkennen zu lassen, von dem sie Teil sind. Dieser letzte Akzent steht heute im Vordergrund, — wenigstens soweit es nach uns geht.
    In wenigen Stunden wird jedermann in Deutschland sehen und wissen, wie es um eben diese Gemeinsamkeit in Wahrheit hier bestellt ist.
    Der ausgezeichnete Schriftliche Bericht des Kollegen Benda für den Rechtsausschuß und die sehr sachliche und eindrucksvolle mündliche Erläuterung, die er soeben gegeben hat, — für beides danken wir ihm —, haben deutlich gemacht, daß hier, parlamentarisch gesprochen, eine optimale parlamentarische Lösung verabschiedet werden kann. Beides hat deutlich gemacht, um was es geht. Beides hat den Nebel von Unterstellungen und böswilligem Mißverstehenwollen zerstört. Jeder Gutwillige kann sich nun ein ganz klares Bild davon machen, um was es geht und um was es nicht geht.
    Ich denke an so manchen Brief und manche Eingabe, die uns in den letzten Wochen erreicht haben. Mancher Brief und manche Eingabe war mit großem Namen unterzeichnet oder von sehr großen und mächtigen Organisationen formuliert. Ich habe oft den Kopf darüber geschüttelt, daß selbst diese vielfach im Nebel steckenblieben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen, meine Herren, dies ist eine große Stunde des Parlaments, eine Stunde gemeinsamer rechtsstaatlicher Bewährung. Sie ist zugleich ein Markstein unserer parlamentarischen Geschichte. So hoffe ich, daß es niemand hier im Hause gibt, der glaubt, die Beratung dieses Deutschen Bundestags in dieser wichtigen Frage sei ein „Scheingefecht".

    (Abg. Rasner: Herr Brandt!)

    Es blieb dem Führer der Opposition vorbehalten, solches außerhalb des Hauses zu sagen. Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie. Hier ist der Ort des verantwortlichen Gesprächs, hier ist der der Entscheidung.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Hier wollen wir hören, aus welchen Gründen die Opposition zu einer Vorlage nein sagen will, die — auf der Basis der Regierungsvorlage — gemeinsam erarbeitet worden ist.
    Meine Damen und Herren, wir legen Wert darauf, einiges Grundsätzliche zu sagen:
    Wir Deutschen haben seit 1945, in so mancher Frage und nicht immer ohne Bitternis, zu spüren bekommen, daß die Welt, in der wir leben, nicht die ist, die wir uns wünschen. Wir wünschen eine Welt des Friedens, aber wir leben in einer solchen der Gefahr und der Spannung. Diese Spannung und diese Gefahr gehen nicht von uns aus, aber wir müssen ihnen begegnen. Deshalb kann kein Verantwortlicher so tun, als sei uns eine Welt geschenkt, in der Not, Gefahr und Katastrophe nicht potentielle Wirklichkeiten seien. So stehen wir gemeinsam vor der Frage, was in der Stunde der Not sein soll, vor der Frage, ob dann die Alliierten in Deutschland wieder die eigentliche Gewalt ausüben sollen, ob sie diese — vielleicht am Parlament vorbei — auf deutsche Behörden übertragen, ob es in der Stunde der Not kein Gebot geben soll. Eben dies wollen wir nicht. Wir wollen die Bereitschaft der Alliierten, ihre Vorrechte aufzugeben, nutzen. Wir wollen, daß auch in der Stunde der Not der Rechtsstaat nicht untergeht, daß auch dann alle staatlichen Organe an das Recht gebunden bleiben.

    (Abg. Wehner: Auch am Telefon!)

    — Auch am Telefon, — Herr Kollege Wehner. Wir werden ja gleich Gelegenheit haben, darüber zu sprechen. Wir wollen dies alles jetzt — nachdem es lange Jahre ausreichend erörtert worden ist —, weil es gut ist, solche Dinge in Ruhe zu erörtern und nicht erst in der Hektik von Krisen. Gerade weil uns unsere geschichtliche Erfahrung nahelegt, in solchen Fragen besonders sorgsam zu sein, sollten wir die gefundene Lösung jetzt gemeinsam verabschieden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir verstehen die geschichtlich begründete Besorgnis vieler in unserem Lande gerade bei diesem Thema. Aber auch hier gilt es doch, durch Handeln



    Dr. Barzel
    die Vergangenheit zu bewältigen und so zu einer besseren Zukunft zu kommen. Räsonieren allein, meine Damen, meine Herren, ist doch weder Politik noch zu Ende gedachte Moral.

    (Sehr richtig! und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir suchen eine Verfassung auch für die Stunde der Not, nicht Ausnahmerechte für diese Regierung. In der Stunde der Not muß der Rechtsstaat voll erhalten bleiben, damit die Demokratie nicht untergeht und nie nach der Maxime gehandelt wird: Not kennt kein Gebot! Wir brauchen auch für den Bund, was die Länder schon haben. Wir brauchen eine ausreichende Notstandsverfassung, wie sie alle freien Staaten haben,

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    wie sie auch die deutschen Länder haben. Nur dann werden die Rechte der Alliierten fallen, und nur dann werden wir sagen können, wir hätten gemeinsam unsere Pflicht getan. Es geht nicht — um auch dies noch zu sagen; wir müssen uns ja mit manchem Argument auseinandersetzen, das außerhalb des Hauses gesagt wird und das vielleicht auch noch hier und da im Hause virulent ist — um Macht, sondern um Recht. Gerade wer Mißbrauch fürchtet, muß doch Normen schaffen, die auch in der Stunde der Not binden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es geht nicht um Parteien, sondern es geht um den Staat, um unser Gemeinsames, damit auch in der Stunde der Not der freiheitliche und soziale Rechtsstaat erhalten bleibt.
    Meine Damen und meine Herren, aus eben diesem Geiste hat die Bundesregierung schon im vorigen Bundestag wie auch in diesem Bundestag Vorlagen gemacht, für die wir danken. Wir haben uns dann bemüht, auf Grund der Haltung der sozialdemokratischen Opposition in interfraktionellen Gesprächen eine Verständigung mit ihr zu erzielen. Niemand kann und niemand wird ernsthaft bestreiten, daß eben dies geschehen ist. Wir waren — die Vorlage beweist es — so nahe beieinander, daß ich mich immer noch weigere, das Scheitern dieser Gesetzgebung als sachlich begründet anzusehen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich kenne keinen zwingenden sachlichen Grund, diese Gesetzgebung nicht abzuschließen. Ich kenne kein Argument, das schlüssig und überzeugend das Nein zu diesem gemeinsam erarbeiteten Vorschlag begründet. Ich bin gespannt auf diese Debatte, um zu hören, welche Position die Fr a k t i o n der SPD zu beziehen gedenkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich hoffe nicht, meine Damen und meine Herren, daß es die sein wird, die der sozialdemokratische Kollege Börner nach einer dpa-Meldung vom 3. Juni in Kassel bezogen hat. Er soll nach dieser Meldung dort gesagt haben, die Bundesregierung wolle sich einen „verfassungsrechtlichen Blankoscheck" einhandeln; sie wolle „die Presse gängeln" und „das Telefon abhören". Jedermann weiß, daß das nicht
    stimmt. Herr Kollege Börner, es geht nicht um Vollmachten.

    (Zuruf von der SPD: Doch! Denken Sie an die Spiegelaffäre!)

    — Herr Kollege Börner, machen Sie doch glaubhaft, was an Einlassungen Ihrer Partei hier offiziell vorhanden ist. Machen Sie doch nicht solche Zwischenrufe. — Es geht nicht um Vollmachten für diese Regierung, sondern um die Sicherung der Existenz des freiheitlichen Rechtsstaates in der Stunde der Not. Es geht um Vollmachten für jede Regierung, die der deutsche Wähler, und nur er allein, bestimmt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und meine Herren, welcher Art also ist — und das muß diese Debatte in diesem Hause erweisen — die Gegnerschaft der Opposition? Ich glaube nicht, daß sie von der Art ist, die der bedeutende Sozialdemokrat, der Vorsitzende der IG-Metall, Otto Brenner, unlängst erneut präzisiert hat. Ich glaube nicht, daß sie von dieser Art ist. Denn Herr Brenner ist gegen jede Notstandsgesetzgebung. Das kann man von Ihnen nicht sagen. Er führt aber zur Begründung z. B. an — und dies, finde ich, ist ungemein interessant —, daß eine konsequente Friedenspolitik, wie sie etwa Kennedy betrieben habe, es überflüssig machen würde, Angst vor Aggressionen zu haben. Nun, vielleicht wäre es gut, wenn sich auch der Vorsitzende der IG-Metall einmal damit vertraut machte, was in eben diesen USA, verstärkt durch eben diesen Kennedy, stündlich und täglich, Tag und Nacht praktisch geschieht, um den Frieden zu sichern.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Glaubt er, diese mächtige Nation täte das, wenn Befürchtungen vor Aggressionen unrealistisch wären? Ich glaube, er sollte einmal nach Omaha fahren, um sich dort einen Eindruck zu verschaffen von der Ernsthaftigkeit der Bedrohung der freien Welt ebenso wie von der Ernsthaftigkeit der stündlichen und täglichen Bemühungen, eben diese Bedrohung fernzuhalten. Aber für Herrn Brenner lag ja, wie er selber in diesem Interview sagte, schon ein „Notstand" vor, als er hörte, dieser Bundestag werde möglicherweise die Verfassung ergänzen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Er hat das Godesberger Programm nicht gelesen!)

    und er hat „Zentrale Großaktionen" zwar als gegenwärtig nicht nötig bezeichnet, sie aber doch nicht ausgeschlossen.

    (Abg. Rasner: Godesberg nicht gelesen!)

    Nun, gut, das ist seine Sache und die Sache seiner Gewerkschaft.

    (Abg. Wehner: Das möchte ich auch sagen!)

    Unsere Sache ist unsere Verantwortung. Wir sind das Parlament, der dem Gemeinwohl verpflichtete Ort der Integration unserer Demokratie.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Dr. Barzel
    Aus dem Munde der Opposition ist zu hören, daß sie — gerade in diesen Fragen — die Auffassungen einzelner Gewerkschaften nicht teile. Aber, meine Damen und meine Herren, es genügt nicht, so etwas zu erklären. Denn die Stunde des Parlaments ist schließlich immer die der Abstimmung. Das ist die Stunde der Wahrheit. Da wird deutlich, was gemeint ist und was gewollt ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Das merkt man an Ihnen: Die Stunde der Wahrheit! — Abg. Rasner: Eben!)

    Und, meine Damen und meine Herren, wenn ich die vielen Verlautbarungen sehe, die es hierzu gibt,

    (Abg. Wehner: In Schmalz gebackene Wahrheit!)

    dann werden Sie mir erlauben — Herr Kollege Wehner —, an dieser Stelle — —

    (Abg. Dr. Schäfer: Von welcher Wahrheit sprechen Sie denn, von welcher von den dreien?)

    — Wir unterhalten uns später noch im Verfolg dieser Debatte darüber.
    Meine Damen und Herren, Sie sehen, ich habe die Absicht, mit Gelassenheit und Ruhe und ohne mich provozieren zu lassen zu reden. Aber vielleicht darf ich Ihnen schon an dieser Stelle das Goethe-Wort sagen:
    Man spricht vergebens viel, um zu versagen, der andre hört von allem nur das Nein.

    (Abg. Rasner: Wie immer! — Abg. Dr. Schäfer: Da sind Sie gemeint, der andre sind Sie! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Meine Damen und meine Herren, ich möchte an dieser Stelle und in aller Form die im DGB zusammengeschlossenen Gewerkschaften fragen, ob sie es für einen guten Stil halten, sich überhaupt nicht in Verhandlungen, nicht einmal in Gespräche über diese Dinge einzulassen. Gerade wenn diese Gewerkschaften ernsthafte Argumente gegen Dinge haben, die wir hier beraten, müßten sie uns doch als gute Demokraten sagen, was sie bewegt, und wir wollen miteinander sprechen und wollen hören, was sie zur Sache zu sagen haben.

    (Abg. Wehner: Sie waren doch so einig, als es. um die Lohnfortzahlung ging! Hätten Sie ihn doch einmal gefragt! Das Tête-à-tête war so nett!)

    — Herr Kollege Wehner, Sie haben doch gelesen, daß Herr Brenner noch in diesen Tagen gesagt hat, man könne sich hier nicht auch nur in Gespräche einlassen.

    (Abg. Erler: War Herr Benda beim DGB oder war er nicht dort?)

    — Sie erinnern sich, Herr Kollege Erler, daß die Herren des DGB sogar hier im Hause waren; aber Sie wissen auch, Herr Kollege Erler, wie kurz diese Gespräche waren und daß gesagt wurde, eben dies sei eigentlich schon — ich will mich jetzt vorsichtig ausdrücken — bedenklich im Hinblick auf die Beschlüsse von Hannover, die doch besagen, daß man sich nicht einmal in Verhandlungen einlassen dürfe. Das ist doch wohl bekannt, und wir sollten es hier nicht verfälschen.
    Es wird auch gut sein, wenn in dieser Debatte völlig klar wird, daß in diesem Hause niemand sein Nein zu diesen Dingen auf Grund von Motiven und Argumenten spricht, die in der Nähe dessen stehen, was Leute sagen, die wir gemeinsam bekämpfen. Das sollte in dieser Debatte ganz klar werden, weil schon das ein großer Vorteil wäre.
    Ich möchte jetzt nicht — wie Sie, Herr Kollege Schäfer, das nach einer Pressemeldung irgendwo getan haben — über unsere interfraktionellen Gespräche berichten. Vielleicht darf ich hier aber doch noch eine Bemerkung machen:

    (Abg. Dr. Schäfer: Wo habe ich das getan?)

    Man lernt in diesem Hause ja nie aus, und das ist eigentlich sehr gut so. Mir ist seit einiger Zeit bekannt, daß es in Ihrer Fraktion eine Einrichtung gibt, die Sie selbst „Die Kanalarbeiter" nennen.

    (Lachen bei der SPD.)

    Meine Damen, meine Herren, lassen Sie mich dazu etwas sagen. — Es scheint Sie zu erheitern. Ich will Sie gleich weiter erheitern. Ich habe gehört, das sei eine sehr „ehrenwerte Gesellschaft".

    (Erneutes Lachen bei der SPD.)

    Etwas anderes habe ich nicht gehört. Meine Erkenntnis ist aber, daß hier wahrscheinlich doch ein Wettbewerb entstehen wird; denn ich habe den Eindruck, daß es bei Ihnen inzwischen den Ansatz einer neuen Gruppe gibt, wahrscheinlich der Gruppe der „Maurer".

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Schäfer: Da ist der Wunsch der Vater des Gedankens!)

    Und, meine Damen und Herren, wenn Sie fragen
    sollten, was ich damit meine, dann erinnern Sie sich
    — falls Sie jemals Fußball oder Skat gespielt haben
    — an das, was eben ein „Maurer" ist, von dem ich im Zusammenhang mit diesen Fragen spreche.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Erzählen Sie doch noch ein bißchen; dann erfährt man wenigstens etwas!)

    — Spaß beiseite, meine Damen und Herren!

    (Zuruf von der SPD: Da können Sie mal sehen, wie seriös Sie sind!)

    Ich möchte noch einmal hier für uns folgendes erklären: Wir sind bereit, erstens in der Stunde der Not eine gemeinsame Regierung aller im Bundestag vertretenen Parteien zu bilden; zweitens, durch zusätzliche parlamentarische Pflichten das Notverordnungsrecht überflüssig zu machen; drittens, die Feststellung des Zustands der äußeren Gefahr im Gemeinsamen Ausschuß mit Zweidrittelmehrheit treffen zu lassen; viertens, grundsätzlich den arbeitsrechtlichen Status dienstverpflichteter Arbeitnehmer zu erhalten und fünftens der Presse nur im Zustand äußerer Gefahr und nur hinsichtlich der Nachrichtengebung Beschränkungen aufzuerlegen,



    Dr. Barzel
    Wie ich den verschiedenen Verlautbarungen der Opposition entnommen habe, gibt sie zu, daß der allergrößte Teil der 10 Punkte, die der SPD-Parteitag zu Karlsruhe am 23. November 1964 zur Notstandsgesetzgebung gefordert hat, auch für die Opposition zufriedenstellend geregelt worden sei. Dem Vernehmen nach gibt es drei Punkte, wegen derer die Opposition glaubt, heute Nein sagen zu müssen. Es seien dies die Fragen der Presse, der Post und der Arbeitnehmer.
    Vorweg darf ich sagen, daß es mich betroffen gemacht hat, daß die SPD diese — wie sie meint — offenen Punkte nicht auf den Tisch gelegt hat, um 'jetzt darüber zu sprechen,

    (Zuruf von der SPD: Sie haben sie ja vom Tisch gefegt!)

    sondern einfach das genommen hat, um das Nein zu begründen und so die Gespräche zu beenden.

    (Abg. Dr. Schäfer: Sie haben es ja jedesmal vom Tisch gewischt!)

    — Trotz dieser bitteren Erfahrung, Herr Kollege Schäfer, glauben wir, daß wir im Interesse der Sache und im Interesse der gemeinsamen Verantwortung alle miteinander — für uns gilt das — zu weiteren 'Gesprächen und auch zu gemeinsamen Absprachen über diese wichtigen Dinge bereit sein sollten. Die Dinge sind soweit diskutiert, daß in sehr kurzer Zeit eine Einigung möglich ist, — vorausgesetzt, daß man sie will.
    Hinsichtlich der Presse ist zu sagen, daß Einschränkungen nur für den Fall der äußeren Gefahr — und auch das nur für militärische Nachrichten, nicht aber für Kommentare usw. — vorgesehen sind. Das Gesetz hierzu setzt voraus, daß wir zunächst das Grundgesetz ändern. Wir sind aber zu einem Gespräch über diese Gesetzgebung bereit, wenn Ihnen ein solches Gespräch das schließliche Ja zum Gesamten erleichtern sollte. Diese Gesetzgebung selbst ist nach rechtsstaatlichen Prinzipien erst möglich, wenn zuvor das Grundgesetz geändert wird.
    Was die Fragen, die mit Post und Telefon zusammenhängen, anlangt, so liegen dem Hause besondere Gesetzentwürfe hierzu vor. Diese Gesetzentwürfe betreffen nicht den Notstand, sie betreffen aber alliierte Vorbehaltsrechte. Wir alle wissen, daß es sehr wohl möglich ist, die alliierten Vorbehaltsrechte auch stufenweise abzulösen, also diese Fragen, die keine Notstandsfragen sind, später zu regeln. Auch insoweit wären wir bereit, in weiteren Gesprächen uns über diese Fragen zu verständigen, Jedermann weiß, daß die erste Lesung erst heute sein kann, weil inzwischen — seit einem Jahr — Gespräche über Fragen geführt werden mußten, die hiermit im Zusammenhang .stehen.
    Hinsichtlich der Rechte der Arbeitnehmer wäre es zweckmäßig, wenn die Gewerkschaften zu einem Gespräch auch in der Sache und im einzelnen bereit wären. Ich habe schon erklärt, daß wir grundsätzlich den arbeitsrechtlichen Status wünschen. Aber, meine Damen und meine Herren, wir wollen uns weder hier noch sonstwo Illusionen machen: nicht nur den Männern, denen wir nach unserer Verfassung zur
    Sicherung des Friedens den Dienst mit der Waffe zumuten, sind Beschränkungen auferlegt, sondern im Falle der äußeren Gefahr sind Beschränkungen für alle Bürger im Interesse der Sicherung aller unerläßlich.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich finde es deshalb nicht nur geschmacklos, sondern ganz einfach übel, wenn das Blatt der IG-Metall unter der Überschrift „Demokratie in Gefahr" auf der einen Seite das Arbeitsbuch der Nationalsozialisten veröffentlicht und auf der anderen Seite darstellt, wie ein Eisenbahnwaggon gewaschen wird mit der Unterzeile: „Eisenbahnwaggons Waschen ist keine schöne Arbeit. — Die geplante Verpflichtung zu zivilen Dienstleistungen sieht auch vor, daß man zum Wagenwaschen befohlen werden kann." Das ist mehr als geschmacklos; denn von unseren Soldaten wird mehr verlangt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Bei allen diesen Problemen geht es auch um Fragen der Sicherheit. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat sich dazu auch in den interfraktionellen Gesprächen sehr eindrucksvoll geäußert. Es ist doch so, daß wir unsere Sicherheit nur im Bündnis garantieren können. Eben darum ist es unser Interesse, daß die alliierten Truppen hierbleiben, daß sie — zusammen mit der Bundeswehr — voll handlungsfähig sind, weil allein eben dies den Frieden zu sichern imstande ist. Es ist unser Interesse, daß die NATO schnell handeln kann. Eben dieses Interesse spielt hinein in die Beantwortung der Fragen, um die es hier geht. Und eben dieses Interesse setzt allen Konpromissen eine unüberschreitbare Grenze. Unsere Sicherheit wird ja nicht bedroht von Postkutschen, sondern von Raketen, sie wird nicht bedroht von Ehrenmännern, sondern von Agenten. Was wir wünschen und was in dieser Vorlage, für die wir plädieren, zum Ausdruck kommt, ist nicht mehr, sondern eher weniger als das, was alle demokratischen Staaten, was auch unsere Länder für die Stunde der Not und an Vorsorge für ihr Volk bereits haben. Der Führer der Opposition hat nach einer Mitteilung der SPD vom 10. Juni erklärt — ich zitiere —:
    Das Thema ist ja nicht, wie man einen Notstand einführt und die Bürger piesackt, sondern das Thema ist, wie man den Bürger und den Staat schützen kann in einer Situation, von der wir alle hoffen, daß sie niemals eintritt. Sich dafür allein auf die Alliierten zu verlassen, ist leichtsinnig und zeugt nicht von Selbstbewußtsein.

    (Beifall in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren von der SPD, ich stimme ihm darin zu. Aber warum zieht er selbst nicht die notwendigen Konsequenzen aus diesen Worten?

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Er darf nicht! — Zurufe von der SPD.)

    Ich weiß nicht — ich hoffe, daß Sie mir erlauben, das in aller Ruhe zu sagen —, wie die wirklichen



    Dr. Barzel
    Vorgänge bei den Beratungen bei Ihnen sind. Woher soll ich das wissen?! Ich weiß es auch nicht in dieser Frage.

    (Abg. Wehner: Fragen Sie die „Kanalarbeiter"!)

    — Herr Kollege Wehner, ich glaube, daß insoweit die „Maurer" zuständiger sind als die „Kanalarbeiter".

    (Zurufe von der SPD.)

    Aber Sie müssen einem Außenstehenden erlauben
    -- und ich hoffe, daß hier Klarheit kommt, und dann
    ist es vielleicht nicht mehr nötig, das zu sagen —,

    (Zuruf von der SPD: Wir wollen Ihnen ja gern helfen!)

    zu sagen, daß natürlich der eine oder andere Vorgang einen veranlaßt, das eine oder andere historische Buch zu suchen. Sie alle wissen, was Stampfer und Otto Braun, zwei führende Sozialisten, der eine Ministerpräsident Preußens, in historischen Betrachtungen zur Weimarer Demokratie gesagt haben. Meine Damen, meine Herren, lesen Sie nach, wie es dort heißt, daß diese Sozialdemokraten beklagen, daß in gewissen Stunden die Führung der Partei der Sozialisten Deutschlands nicht stark genug war, sich durchzusetzen gegen die gewerkschaftlichen Gesichtspunkte.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen, meine Herren, ich habe die Zitate hier. Ich will sie nicht im einzelnen vorlesen, weil ich es in Anbetracht der Fülle der Wortmeldungen nicht für gut halte, Ihre Zeit so lange in Anspruch zu nehmen.

    (Abg. Dr. h. c. Jaksch: Wie war es mit dem Zentrum beim Ermächtigungsgesetz?)

    -- Das steht hier jetzt nicht zur Debatte. Das haben wir gelegentlich schon erörtert.

    (Widerspruch und Lachen bei der SPD. — Abg. Wehner: Wahr ist, was ihm paßt! Und dann in Schmalz gebacken! — Heiterkeit bei der SPD.)

    — Herr Kollege Wehner, Sie werden es nicht erreichen, daß ich meinen Vorsatz aufgebe, bei dieser einführenden Debatte hier zur Sache in aller Ruhe zu sprechen, ob Sie nun von Schmalzgebackenem sprechen oder nicht. Das Allerschlechteste ist es nicht, wenn man sich davon Zeit seines Lebens ernähren kann, Herr Kollege Wehner. Wir haben auch schon schlechtere Zeiten erlebt.
    Aber, meine Damen, meine Herren, ich will doch eben noch vorlesen, was Stampfer schreibt:
    Zum Schluß der Regierung Hermann Müller haben die Gewerkschaften durch ihr Diktat in der Frage der Arbeitslosenunterstützung entscheidend die politische Gesamtentwicklung beeinflußt. Die Parteiführung sah sich, zwischen dem linken Parteiflügel und den Gewerkschaften eingeklemmt, jeder Bewegungsfreiheit beraubt.
    Otto Braun schreibt — ich zitiere —:
    Leider versagten in dieser gespannten Situation nicht nur die Führung der Fraktion, sondern auch die der Parteileitung, die sich viel zu stark in Abhängigkeit von der Gewerkschaftsleitung fühlte, und dieser ging oft das rechte Verständnis für allgemeinpolitische Notwendigkeiten ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen, meine Herren, das nur zu diesem Fall. Es bezieht sich, Herr Wehner, damit wir wissen, worüber wir debattieren, und nicht Popanze aufbauen — und wenn Sie Notizen machen, Herr Erler —, genau auf diesen Fall.
    Meine Damen, meine Herren, wir haben gesagt, daß dies die Stunde des Parlaments ist. Hier ist zu entscheiden, und hier wird durch .die Abstimmung sichtbar, was gemeint ist. Ich meine, daß wir, die CDU/CSU — und ich schließe von mir aus die FDP ein; sie wird das sicher selbst auch noch erklären —, mit unserer Bereitschaft zu einer gemeinsamen Lösung sehr aufgeschlossen und sehr kompromißbereit den Vorschlägen der Opposition entgegengekommen sind. Wir haben sehr, sehr ernst genommen, was in den zehn Punkten von Karlsruhe stand. Trotzdem scheinen wir keine gemeinsame Lösung zu finden. Die Kunst der Kompromisse gehört auch zur parlamentarischen Demokratie. Nachdem wir nun 20 Jahre das Glück haben, in einem solchen Staat zu leben, ist es wohl an der Zeit, zu zeigen, daß dieser Deutsche Bundestag auch zu gemeinsamem Handeln fähig ist. Wir waren, sind und bleiben dazu bereit.
    Meine Damen, meine Herren, es ist immer gut, sich vor Augen zu führen, was gemeinsame Gegner — und diese gibt es doch — zu unserer Diskussion sagen. Ich nehme an, daß uns allen die Auslassungen der SED hierzu bekannt sind. Ich habe eine Auswahl da, ich will sie aber jetzt nicht verlesen. Ich meine doch, daß wir alle miteinander nachdenklich werden müssen, wenn unsere gemeinsamen Feinde uns ein Nein zurufen und uns zu einem Nein ermuntern in einer Frage, wo im Interesse der Nation das Ja geboten ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das geltende Recht enthält keine zureichenden Vorschriften für die Stunde der Not. Das ist unter uns umstritten. Weil wir nicht in einer gewünschten, sondern !in einer wirklichen Welt leben, in einer Welt voll Gefahr und Spannung, müssen wir daran denken — und dafür Vorsorge treffen —, daß es eine Stunde der Not geben könnte, in der es nicht dazu kommen darf, daß der Rechtsstaat untergeht. Eben deshalb brauchen wir diese Gesetzgebung.
    Wir alle wissen, daß sich der Sinn der Bündnisse und der militärischen Anstrengungen für uns gewandelt hat. Es gilt nicht mehr, im Krieg zu siegen, sondern es gilt, den Krieg durch Bereitschaft und Abschreckung zu verhindern. Beides wirkt nur, wenn es glaubhaft ist. Glaubhaft ist es nur, wenn Vorbereitung und Zurüstung ausreichend sind und bleiben.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Schmid.)




    Dr. Barzel
    Hierzu gehören nicht nur Soldaten und Waffen, hierzu gehören die Gesinnung der Nation und die Bereitschaft der Politiker, durch eine Ordnung des Rechts für jede Stunde vorzusorgen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Beim Staat geht es nicht um einen fremden Dritten, meine Damen und Herren, sondern um uns alle! Es geht auch darum, daß nicht etwa in einer Stunde der Spannung der Stärkere und der Reichere sich versorgen kann, der kleine Mann aber nicht; es geht auch um Gerechtigkeit in dieser Stunde; es geht darum, daß unsere Soldaten, daß die NATO die Abschreckung durch umfassende Planung glaubhafter machen kann; darum, daß unsere Demokratie auch dann handlungsfähig bleibt, wenn Feinde der Freiheit sie bedrohen und angreifen. Es geht nicht um irgendein Abstraktum, genannt Staat, es geht um die Menschen, in deren Pflicht wir stehen und die einen Anspruch darauf haben, daß ihre gewählten Vertreter alles, aber auch alles tun, um auch in solchen Stunden Recht und Gerechtigkeit zu erhalten.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Indem wir das tun, stärken wir die Glaubhaftigkeit der Abschreckung.
    Meine Damen, meine Herren! Wir sind bereit, alles zu tun, was zu eben diesen Zwecken notwendig ist. Aus diesem Geiste handeln wir, aus diesem Geiste heraus haben wir eine gemeinsame Lösung erarbeitet, der wir die Zustimmung geben werden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat nun der Abgeordnete Erler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kein Volk ist gegen äußere Gefahren gefeit, auch das unsre nicht. Dennoch sollten wir die Bürger in unserem Lande und uns selbst daran erinnern, daß wir in dieser Stunde völlig frei von irgendwelcher Hysterie debattieren und miteinander sprechen können. Gefahren drohen, und trotzdem steht der Notstand nicht morgen vor der Tür. Wir haben gefährlichere Tage als die jetzigen hinter uns.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Na eben!)

    — Sicher, aber wir haben sie hinter uns und sind mit ihnen fertig geworden.

    (Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Dennoch müssen wir wissen, daß eine Verschärfung der Lage in der Welt mit ihren Auswirkungen auf unser Volk leider nicht ausgeschlossen werden kann. Gefahren können unsere Freiheit bedrohen, Leib und Leben der Einwohner unseres Landes, unser Wirtschaftsleben, das ordentliche Funktionieren unserer öffentlichen Dienste, die demokratische Ordnung schlechthin. Solchen Gefahren vorzubeugen ist zunächst einmal Aufgabe der gesamten Politik; sie darf sie gar nicht erst eintreten lassen. Aber wir haben nicht alle Umstände, die einen solchen Eintritt von Gefahren verhindern können, allein in unserer Hand. Es bleibt leider wahr: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt!

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Zur Vorsorge für Notfälle gehören die entsprechende Gestaltung des Grundgesetzes, die Gestaltung unserer Gesetzgebung und der Vorbereitungen der Exekutive. Für sehr viele dieser Vorbereitungen sind und waren keine neuen Gesetze nötig. Dazu gehören vor allem Geld, Organisation, guter Wille und Aufklärung all derer, die man braucht. Das gilt weitgehend für den zivilen Bevölkerungsschutz, für die Notwendigkeit der Verstärkung der Polizei und auch etwa für die Schaffung von Krankenhausbetten außerhalb gefährdeter Orte sowie für die Anlegung von Vorräten. Manches ist schon vorhanden, vom Bundesleistungsgesetz bis hin zu den Wirtschaftssicherstellungsgesetzen. Dennoch war es nötig, daß auch und gerade auf diesen Gebieten meine Fraktion in den letzten zehn Jahren bei jeder Haushaltsdebatte größere Anstrengungen der Bundesregierung gefordert hat, die sogar auf der Grundlage der bestehenden Gesetze hätten unternommen werden können.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Manches wurde nicht energisch genug angepackt. Aber wir leugnen nicht, daß für anderes eine Abrundung und Ergänzung der Gesetzgebung erforderlich ist.
    Unser Volk ist mündig. Deshalb ist es die Aufgabe dieses Hohen Hauses, auch derartige Gesetze für Notfälle in normalen Zeiten zu beraten, zu beschließen und zu verkünden, auch wenn bestimmte Abschnitte dieser Gesetze erst nach bestimmten Feststellungen über den Eintritt gewisser Notfälle in Kraft gesetzt werden können. Dann weiß jeder Bürger, was in Krisenzeiten zu tun ist, und um so klarer wird ihm auch die Einsicht in die politische Aufgabe, es gar nicht erst zu Krisen kommen zu lassen, auch wenn er weiß, was in einem Krisenfalle seiner harrt. Wir sagen — und ich glaube, darüber sind wir uns in diesem Hause einig —: Gesetze schaffen doch den Notfall nicht, sondern sie sollen helfen, mit ihm fertigzuwerden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Notstandsgegener sind wir alle. Außerdem gibt es Gegner von Gesetzen, die der Überwindung von Notständen dienen sollen, von denen manche sich leider weigern, auch nur Texte zur Kenntnis zu nehmen, und manche die Texte in grausamer Weise entstellen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Eben!)

    Rechtzeitige Gesetzgebung ist notwendig, damit nicht nur die Bürger Bescheid wissen, sondern auch die Verwaltung Bescheid weiß und üben kann.
    Deshalb möchte ich hier auch einige Bedenken gegen jene Vorstellung anmelden, die allzuviel von Gesetzgebungswerken, die man in der Stunde der Not braucht, etwa in der Schublade lassen, lediglich durch den Gemeinsamen Ausschuß vorbereiten lassen und dann erst in letzter Stunde verkünden las-



    Erler
    sen wollte. Nein, man kann nicht erst am Tage X viele Kilo Papier lesen und sich darauf verlassen, daß es dann funktioniert. Deshalb darf man für das Notparlament nur so wenig wie möglich aufheben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie das da hinüber!)

    — Nein, meine Damen und Herren, das haben wir allen denen (zur CDU/CSU gewandt) jahrelang sagen müssen; ich freue mich, daß Sie das endlich eingesehen haben, daß man nicht die Bevölkerung — —

    (Beifall bei der SPD. — Lachen bei der CDU/CSU.)

    — Na sicher! Bis vor wenigen Wochen haben Sie mit dieser Argumentation ein Notverordnungsrecht für die Bundesregierung verlangt,

    (Beifall bei der SPD)

    damit am Tage X dann eben der Schwall auf das Volk herniederregnen kann. Rechtzeitige solide Vorbereitung durch offene Gesetzgebung wird von uns durchaus befürwortet.

    (Beifall bei der SPD.) Nicht alles ist vorhersehbar.


    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Wann kriegen Sie dann die Kurve zum Nein?)

    — Entschuldigen Sie, Herr Müller-Hermann — Sie scheinen offenbar recht schlecht über den wirklichen Hergang der interfraktionellen Besprechungen unterrichtet worden zu sein; ich würde den Kollegen Barzel bitten, Ihnen darüber einmal Aufschluß zu geben.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. MüllerHermann: Aber Sie müssen die Kurve zum Nein noch kriegen!)

    Was vorhersehbar ist, das muß offen ordnungsmäßig beraten und verabschiedet werden. Es mag dann
    immer noch aus einsichtigen Gründen ein gewisser
    — aber möglichst kleiner — Rest bleiben.
    In diesem Sinne halten wir einige Vorlagen, über die in der nächsten Woche im Detail zu sprechen sein wird, für verabschiedungsreif: das Schutzbaugesetz, das Selbstschutzgesetz, das Gesetz über das Zivilschutzkorps. Dies sind, wie jeder weiß, keine bequemen Gesetze; sie fordern Leistungen und Opfer der Betroffenen. Unsere Zustimmung zu diesen Gesetzen ist ein Beweis, daß wir es mit der Vorsorge für Notfälle ernst nehmen und uns unsere Haltung in diesen Fragen von niemandem anders vorschreiben lassen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Allerdings war es notwendig, daß auch bei diesen Gesetzen in schwierigen Beratungen unangemessene Vorstellungen der Exekutive korrigiert wurden. Über die Einzelheiten wird ja in der zweiten und dritten Lesung zu sprechen sein.
    Für einige Gebiete wird eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich sein. Wir wissen alle, daß wir eine Notstandsverfassung haben, und zwar eine schlechte. Sie ergibt sich im wesentlichen aus dem Deutschland-Vertrag. Die Vorbehaltsrechte der Alliierten gehen, da es kein Schiedsgericht gibt, das sie auslegt, weiter als der Art. 48 der Weimarer Verfassung und befinden sich in fremder Hand.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Eben!)

    — Entschuldigen Sie, dürfen wir denn, nachdem wir gefragt worden sind, wie wir zu diesen Fragen in eigener Verantwortung stehen, das nicht auch einmal in Ruhe hier ausführen?

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU: Man darf doch wohl einen Zwischenruf machen! Wir sind noch nicht im Notstand!)

    Diese Vorbehaltsrechte erlöschen, wenn innerdeutsches Recht die Voraussetzungen für ,die deutschen Organe zur Sicherung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gegen denkbare Gefahren schafft und wenn darüber hinaus auch die Vollmachten zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, die der Sicherheit der alliierten Besatzungstruppen dienen, in angemessener Weise in deutsche Hand übergeführt werden. An diesen klaren Texten ändern wortreiche Gutachten nichts, und so mancher sonst sehr angesehene Gutachter führt mich angesichts der bei ihm zutage tretenden politischen Naivität zu der Bemerkung — in jener kleinen Anekdote —, ob denn der Hund wirklich weiß, daß er nicht beißen darf, weil er nach der Ansicht eines wissenschaftlichen Gutachters eigentlich nicht bissig sei.
    Meine Damen und Herren, wir haben bei den Vertragsdebatten in den Jahren der Auseinandersetzungen um die Verabschiedung der deutsch-alliierten Verträge auf diese Problematik hingewiesen: auf die alliierten Vorbehaltsrechte, darauf, daß es kein Schiedsgericht gibt, darauf, daß allein die Alliierten entscheiden, ob und wann sie ihre Sicherheit bedroht glauben und wie weit sie bei ihren Maßnahmen gehen wollen. Wir haben auch darauf hingewiesen — das ist für uns nichts Neues —, daß sie diese Befugnisse delegieren können. Die schmerzliche Telefonaffäre hat ja darüber ausreichend Aufschluß gegeben.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Das schlechteste draußen im Lande gelegentlich zu hörende Argument ist doch wohl dies, daß manche Bürger unseres Landes behaupten, sie hätten mehr Vertrauen zu alliierten Offizieren als zum deutschen Parlament.

    (Oho-Rufe von der CDU/CSU.)

    Das wäre ein ausgesprochenes Armutszeugnis. —Rufen Sie hier nicht „Oho!", sondern helfen Sie lieber bei dieser dringend notwendigen Aufklärung mit.

    (Beifall bei der SPD. Laute Zurufe von der CDU/CSU: Sie! Sie!)




    Erler
    — Sie brauchen sich gar nicht zu empören. Diejenigen, die diese Aufklärungsarbeit dort, wo es darauf ankommt, geleistet haben und weiterhin leisten, sind gerade die Angehörigen meiner Fraktion und ist der Mann, der hier vor Ihnen steht; das kann niemand bestreiten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Jenes Argument wäre ein Armutszeugnis für unser Volk. Wir Deutschen dürfen nicht vor der Verantwortung für uns selbst davonlaufen.

    (Zurufe und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Inanspruchnahme des Selbstbestimmungsrechts für unser Volk auch im Falle der Not ist eine Selbstverständlichkeit. Sonst wäre die Forderung nach Selbstbestimmung und freien Wahlen für das ganze deutsche Volk unglaubwürdig.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Meine Herren, wenn Sie es nicht wünschen, daß in diesem Hause die Haltung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands auch besorgten anderen Volksteilen gegenüber klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht wird, dann müssen Sie das nur laut sagen. Ich finde, es liegt im Interesse unseres Volkes und seiner Freiheit, daß das hier von mir ausgesprochen wird.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Auch wenn Ihnen damit die eine oder andere Wahlparole entgeht, so viel Einsicht in die gemeinsamen Notwendigkeiten sollte man haben.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Unser Parlament ist in einer anderen Lage als mancher freie Schriftsteller. Wenn Menschen mangels getroffener Vorbereitungen in Notfällen umkämen, dann würde man Parlament und Regierung verantwortlich machen und nicht jene Autoren, die all dies für überflüssig und schädlich halten und die, von niemandem gewählt, auch niemandem verantwortlich sind.

    (Beifall bei ,der SPD und bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Das sind doch Ihre Nothelfer!)

    Und 'dennoch, meine Damen und Herren, teilweise haben wir es angesichts der deutschen Geschichte mit verständlichen Gefühlen 2u tun. Eine frühere Gewaltherrschaft — das darf man auch nicht übersehen — bereitete den Krieg vor und traf gleichzeitig einschneidende Maßnahmen gegenüber der eigenen Bevölkerung.
    Um so notwendiger ist es, klarzumachen, daß es heute um den Schutz gegen Gefahren geht, 'die nicht wir heraufbeschwören, sondern in die wir durch andere hineingeraten können. Vorsorgegesetze beschwören keine Notstände herauf, sondern sollen ihnen vorbeugen und sie, falls sie dennoch eintreten, überwinden helfen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

    Wer eine Feuerwehr organisiert, bereitet keine Brände vor, sondern ihre Bekämpfung .

    (Beifall bei der SPD und bei der CDU/CSU.)

    Dies gilt vor allem für die Maßnahmen des zivilen Bevölkerungsschutzes.
    Damit Sie nicht etwa denken, daß dies neue Erkenntnisse für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands sind, rufe ich in Erinnerung, daß wir immer zur Mitwirkung an .der Ablösung der alliierten Rechte und an einer Gesetzgebung zur Vorsorge gegen Gefahren für Freiheit, Leben und Gesundheit bereit gewesen sind und immer bereit bleiben.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sind wir dabei!)

    Auf dem Parteitag in Hannover 1960 haben wir ausdrücklich festgestellt:
    Die deutsche Sozialdemokratie bekennt sich
    mit allen anderen demokratischen Kräften dazu,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unverbindlich! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und die Freiheit ihrer Einwohner gegen alle äußeren und inneren Gefahren zu schützen. Sie ist daher bereit, die der Freiheit drohenden Gefahren unvoreingenommen zu erörtern und an denjenigen Maßnahmen mitzuwirken, die mit den Grundsätzen der Freiheit und des Rechtsstaates vereinbar sind.
    Wir haben es damals mit einer Vorlage der Bundesregierung zu tun gehabt, die Sie (zur Mitte und nach rechts) damals sehr enthusiastisch begrüßt haben. Da habe ich ähnliche Zwischenrufe in Erinnerung, wie sie heute gemacht werden. Wir haben zu der damaligen Vorlage festgestellt — ich freue mich, daß Sie inzwischen dazugelernt haben —,

    (Abg. Rasner: Wer? Wir?)

    daß sie diesen Voraussetzungen nicht gerecht wird,

    (Beifall bei der SPD)

    weil sie — ich rufe in Erinnerung — einer einfachen Bundestagmehrheit praktisch das Recht auf Ausschaltung der verfassungsmäßigen Organe gegeben hätte, unter Verletzung der Gewaltenteilung die Bundesregierung zum alleinigen Gesetzgeber machen wollte und die staatsbürgerlichen Freiheiten in unerträglicher Weise eingeschränkt hätte. Daher hieß es in unserem Beschluß:
    Soweit zur Abwehr drohender Gefahren und zur Ablösung alliierter Vorbehaltsrechte Notstandsmaßnahmen erforderlich werden, bedürfen sie einer breiten Grundlage im Parlament, müssen sie vom Parlament kontrolliert werden und jederzeit aufgehoben werden können und dürfen sie die unabänderlichen Grundsätze der Gewaltenteilung und der bundesstaatlichen Gliederung der Bundesrepublik Deutschland nicht verletzen. Ihr Mißbrauch in inner-politischen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und demokratischer Opposition sowie bei Arbeitskämpfen muß eindeutig ausgeschlossen sein.



    Erler
    Dies war im Jahre 1960. Damals hatten wir es noch mit einer Regierungsvorlage zu tun, für die der damalige Innenminister das Stichwort gegeben hatte, der Notstand sei die Stunde der Exekutive.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die von uns damals vor fünf Jahren schon vorgeschlagenen interfraktionellen Besprechungen wurden leider abgelehnt.

    (Zuruf von der SPD: Richtig! Von wem?)

    Erst in zwölfter Stunde hat man sich dazu bereit gefunden. In Wahrheit ist der Notstand die Stunde der Bewährung aller freiheitlichen Kräfte eines Volkes.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es gibt keine Demokratie ohne Demokraten. (Zurufe von der Mitte.)

    Wer glaubt, Sicherheit gegen Gefahren nur auf Staatsorgane abschieben zu können — von der Polizei über den Verfassungsschutz bis zur Bundeswehr —, der irrt. Selbstbewußte Bürger müssen gemeinsam ihren Staat tragen und ihre Freiheit schützen.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    Deshalb muß man mit diesen Bürgern auch offen reden, Gefahren weder verbergen noch verharmlosen, sondern sie furchtlos ins Auge fassen; dann wird man auch mit ihnen fertig.

    (Zuruf von der Mitte: Dann fangt mal an! — Heiterkeit in der Mitte.)

    Diese Welt ist nicht so glatt und lieblich, wie es eine Propaganda darstellte, der es mehr auf Vollmachten für die Exekutive ankam als darauf, den bequem gewordenen Bürger illusionslos anzusprechen und an seine Mitwirkung zu appellieren.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Aber warum honorieren Sie das nicht?)

    Deshalb, meine Damen und Herren, darf Gesetzgebung keine Akzente haben gegen diejenigen, ohne deren Mitwirkung die Überwindung von Notständen ausgeschlossen ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Hier handelt es sich einmal um die Presse, um das Mitgehen der öffentlichen Meinung, die man bei gemeinsamen Gefahren braucht, und hier handelt es sich zum zweiten um die Arbeitnehmer und ihre Organisationen. Die Probleme sind nicht gegen sie, sondern nur mit ihnen zu lösen. Natürlich wissen wir, daß Einwände von dort auch über das Ziel hinausschießen, z. B. die Ablehnung der Notwendigkeit von Gesetzen überhaupt.

    (Zuruf von der Mitte: Dazu haben Sie lange gebraucht!)

    Bundestag und Parteien haben die Pflicht zur eigenen Prüfung. Diese Verantwortung kann uns von niemandem abgenommen werden,

    (Zuruf von der Mitte: Dann laßt sie euch auch nicht abnehmen!)

    weder von noch so wichtigen Gliedern unseres gesellschaftlichen Lebens noch von Stimmen aus Wissenschaft, Kirche und Wirtschaft, noch vom Druck derer, die rasch vor der Wahl etwas nach Hause tragen wollen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wohl aber, meine Damen und Herren, sind wir gut beraten, wenn wir die in der öffentlichen Meinung bei den Arbeitnehmern und ihren Organisationen sichtbar gewordenen berechtigten Sorgen ernst nehmen und alles tun, um berechtigte Bedenken durch die entsprechende Gestaltung unserer Beschlüsse zu zerstreuen.

    (Abg. Müller-Hermann: Bestellte Sorgen!)

    — Das ist übrigens eine ganz neue Variante — wenn ich das gerade zu dem Kollegen mit seinem besonders reizenden Zwischenruf sagen darf —: die einen behaupten, daß wir uns unter Fernsteuerung begeben hätten, und die anderen behaupten — wie durch den Zwischenruf jetzt —, wir hätten uns diese Sorgen bestellt, wir steuerten das auch noch. Dann müssen Sie sich erst entscheiden, welche Version Sie eigentlich für richtig halten.

    (Beifall und Heiterkeit bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    — Nein, nein, die beiden Versionen sind gleichermaßen Produkte überhitzter Wahlkampfphantasie und heben sich gegenseitig auf.

    (Beifall bei der SPD.)

    So haben wir mit überwältigender Mehrheit auf unserem Parteitag in Köln folgendes festgestellt:
    1. Es ist eindeutig klarzumachen, in welchen Fällen — —

    (Abg. Dr. Stoltenberg: Zwangsverpflichtung! — Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

    — Sie scheinen die Beratung von Grundgesetzergänzungen für eine besonders humoristische Sache zu halten, ich bewundere Sie dabei.

    (Beifall bei .der SPD. — Zuruf von der Mitte: Unter dem von Ihnen genannten Aspekt!)

    1. Es ist 'eindeutig klarzumachen, in welchen Fällen und unter welchen Umständen von einem Notstand gesprochen werden muß, der nur mit außerordentlichen Mitteln gemeistert werden kann. Dabei ist zwischen innerem Notstand, drohendem Verteidigungsfall — gleich Spannungszeit — und äußerem Notstand 2u unterscheiden.
    2. Es ist zu gewährleisten, daß in solchen Situationen nicht eine an ,der Macht befindliche Gruppe oder Partei die Mittel der Exekutive zur Unterdrückung der anderen ausnutzen kann.
    3. Es ist zu sichern, daß Notstandsbefugnisse ausschließlich zur Meisterung des Notstandes und nicht zur Drosselung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, vor allem nicht der Freiheit der Presse, des Rundfunks, des Fernsehens und der freien Meinungsäußerung eingesetzt werden können.



    Erler
    4. Es ist auszuschließen, daß eine Einschränkung oder Drosselung der demokratischen Grundrechte im gewerkschaftlichen und betrieblichen Bereich unter dem Vorwand des Notstandes praktiziert werden kann.
    5. Es ist Vorkehrung 711 treffen, daß weder die Befugnisse der Länder noch die der gewählten Volksvertretungen unter Berufung auf einen Notstand erstickt werden können.
    6. Die Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts muß gewährleistet sein. Jede Maßnahme muß vor das Bundesverfassungsgericht gebracht werden können.
    7. Die Verantwortlichkeit des Parlaments ist in jeder Lage zu erhalten. Die Notstandsregelung darf keine Möglichkeit des Ausweichens des Parlaments aus seiner Verantwortung schaffen.
    Diesen Beschluß, der für uns die Grundlage für die Bemessung jeglicher Vorlagen auf diesem Gebiete darstellt, haben wir in Karlsruhe auf unserem Parteitage im November 1964 erneut bekräftigt. Hierzu habe ich in meiner damaligen Rede außerdem folgende zehn Punkte aufgeführt:
    1. Eine Gesamtkonzeption muß dem •Schutz des einzelnen Menschen bei auftretenden Notlagen die gleiche Bedeutung beimessen wie dem Schutz des Staates.
    2. Der Regierungsentwurf über den Zustand der inneren Gefahr ist überflüssig. Bei 'den Weiterberatungen wird von Art. 91 des Grundgesetzes auszugehen sein. Dabei muß klar sein, daß Arbeitskämpfe nicht unter eine Notstandsregelung fallen können.
    3. 'Die Verantwortung in jedem Stand des Verfahrens, bei der Verkündung bestimmter Notfälle und bei der Anwendung bestimmter rechtlicher Regeln muß beim Parlament liegen. Kann es nicht zusammentreten, muß ein Notparlament aktionsfähig sein.
    4. Daraus ergibt sich, daß der Regierung kein Notverordnungsrecht zuzubilligen ist. Es wird immer einen handlungsfähigen Gesetzgeber geben, dem ,auch die Opposition angehört.
    5. Anzustreben ist, daß für den Fall der Not die 'Regierung sich nicht nur auf eine einfache parlamentarische Mehrheit stützt, sondern alle demokratischen Kräfte umfaßt.
    6. Eine Mobilmachung ist eine politische und keine militärische Entscheidung. Auch hier muß infolgedessen das Parlament bzw. das Notparlament bestimmen.
    7. Soweit bestehende Gesetze wie Bundesleistungs- und Wehrpflichtgesetz die Bundesregierung zur Feststellung bestimmter Notwendigkeiten auf dem Gebiete der Verteidigung ermächtigen, muß auch hier Parlament bzw. Notparlament eingeschaltet werden.
    8. Um einen Mißbrauch durch einfache Mehrheiten auszuschalten, dürfen die oben genannten
    Entscheidungen nur mit Zweidrittelmehrheit gefällt werden.
    9. Das Verfassungsgericht muß während eines Notstandes jederzeit handlungsfähig sein und darf nicht in -seinen Befugnissen beeinträchtigt werden.
    10. Es besteht keine Notwendigkeit, den Art. 12 Abs. 3 des Grundgesetzes zu ändern, nach dem eine Heranziehung von Frauen gegen ihren Willen zu Dienstleistungen im Verbande der Streitkräfte unzulässig ist.

    (Zuruf rechts: Alles 'beschlossen!)

    Meine Damen und Herren, so detailliert hat keine andere Partei diskutiert und Stellung genommen.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte. — Abg. Rasner: Sie haben vergessen: 11. Nein!)

    Es ist schwer verständlich, daß bei dieser klaren Haltung die Regierung und ihre Mehrheit in den Ausschüssen jahrelang an Positionen festhielten, die nicht durchsetzbar waren. Man mußte doch die Realitäten respektieren: das Grundgesetz forderte eine Zweidrittelmehrheit; diese gibt es nicht ohne die SPD. Die sozialdemokratische Haltung ist klar und durch Parteitagsbeschluß abgesteckt.

    (Abg. Dr. Müller-Hermann: Wann war denn Karlsruhe?)

    — Hannover war 1960, Köln war 1962; seitdem haben Sie das alles gewußt. In Karlsruhe wurde es 1964 lediglich noch einmal bestätigt, damit auch diejenigen es endlich wissen, bei denen der Groschen langsamer fällt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Im Juni 1964 wurde diese Haltung zweimal dem Bundeskanzler vorgetragen. Wir haben geglaubt, er würde sich einschalten. Damals 'bestand der Eindruck, daß die Bundesregierung ihren Einfluß ausüben würde, daß es kein Notverordnungsrecht geben sollte, sondern die Gesetzgebung bei einem jederzeit funktionsfähig zu machenden Parlament zu liegen hätte. Es wurde 'der Gedanke des Notparlaments erörtert. Es wurde darauf hingewiesen, daß, man zur Vermeidung innenpolitischen Mißbrauchs für bestimmte Feststellungen Zweidrittelmehrheiten bräuchte und daß die Ablösung der Vorbehaltsrechte in vollem Umfang gesichert werden müßte und daß es daher galt, Klarheit bei den Alliierten auch auf dem Gebiet der Post- und Fernmeldeüberwachung zu schaffen.