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    Deutscher Bundestag 15 2. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1964 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag des Abg. Wittmer-Eigenbrodt . . . . . . . 7509 A Erweiterung der Tagesordnung 7509 A Fragestunde (Drucksachen IV/2810, IV/2824) Frage des Abg. Jahn: Verwandtenbesuche in der SBZ — Zwangsgeldumtausch Dr. Mende, Bundesminister . . . 7509 D Jahn (SPD) 7509 D Fragen des Abg. Stingl: Durchsuchungen des Echo-Verlages, Berlin, und weiterer Stellen durch die Berliner Polizei Dr. Bucher, Bundesminister 7510 A, B, C, D, 3511 A, B, C, 7512 A, B, C Stingl (CDU/CSU) . . 7510 A, 7511 A, B Müller (Berlin) (CDU/CSU) . . . . 7510 C Liehr (SPD) 7510 C, 7512 C Benda (CDU/CSU) . . 7510 D, 7512 A, B Memmel (CDU/CSU) . 7511 C, D, 7512 A Vizepräsident Dr. Dehler . 7511 D, 7512 C Jahn (SPD) . . . . . . . . . 7512B, C Frage des Abg. Dröscher: Benachteiligung alter Mitbürger durch vorzeitige Auszahlung ihrer Lebensversicherung Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 7512 D, 7513 A, B, C Dröscher (SPD) 7513 A Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . 7513 B Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . 7513 C Fragen des Abg. Dr. Kohut: Kaufkraft der Deutschen Mark Dr. Langer, Staatssekretär . . . . 7513 D, 7514 A, B, C, D, 7515 A, B, D, 7516A, B, C Dr. Kohut (FDP) . . . . 7513 D, 7514 A, 7515 A, B, D Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . . 7514 A Vogt (CDU/CSU) . . . . 7514 B, 7516 A Könen (Düsseldorf) (SPD) . . 7514 C, D Wehner (SPD) 7516 B Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . 7516 C Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Verbesserung des Schutzes der Versicherungsnehmer Dr. Langer, Staatssekretär . . . . 7516 D, 7517 A, B Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . 7517 A, B Frage des Abg. Dr. Rinderspacher: Strukturwandel der südbadischen Landwirtschaft Schwarz, Bundesminister . . . . 7517 C, D, 7518 A, B, C Dr. Hauser (CDU/CSU) . 7517D, 7518 A Geiger (SPD) . . . . . . . . . 7518 A Reichmann (FDP) . . . . . . . . 7518 B Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . . 7518 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 Frage des Abg. Dr. Rinderspacher: Landwirtschaft in der oberrheinischen Tiefebene Schwarz, Bundesminister . . . . 7518 C, D, 7519 A, B Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . . 7518 D Dr. Hauser (CDU/CSU) . 7518 D, 7519 A Reichmann (FDP) 7519 B Frage des Abg. Fritsch: Gesamtwirtschaftliche Erschließung des Bayerischen Waldes Schwarz, Bundesminister . . . . 7519 C, D, 7520 A, B, C Fritsch (SPD) 7519 D, 7520 A Balkenhol (CDU/CSU) . . . . . 7520 A Sander (FDP) . . . . . . . . 7520 B Lautenschlager (SPD) . . . . .7520 C Frage des Abg. Dröscher: Landwirtschaftliche Familienbetriebe in Rheinland-Pfalz — Winzerverein Merxheim-Meddersheim Schwarz, Bundesminister 7520 D, 7521 B, C Dröscher (SPD) . . . . . . . 7521 A, B Gibbert (CDU/CSU) . . . . . . . 7521 C Frage des Abg. Dröscher: Ausbildungsbeihilfen für Studierende an den Höheren Landbau- und Weinbauschulen in Rheinland-Pfalz Schwarz, Bundesminister . 7521 D, 7522 A Dröscher (SPD) . . . . 7521 D, 7522 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1964 (Nachtragshaushaltsgesetz 1964) (Drucksache IV/2755) ; Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache IV/2829) — Zweite und dritte Beratung — Schoettle (SPD) 7522 B Dr. Conring (CDU/CSU) 7524 C Dr. Emde (FDP) . . . . . . . 7527 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 7529 C Leicht (CDU/CSU) 7535 A Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 7537 A Entwurf eines Vierten Umstellungsergänzungsgesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/2808) ; Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksachen IV/2831, zu IV/2831) — Zweite und dritte Beratung — 7539 C Schriftlicher Bericht des Außenhandelsaus- , schusses über die von der Bundesregierung beschlossene Einhundertundzweite Verordnung zur Änderung des deutschen Zolltarifs 1963 usw. (Drucksachen IV/2816, IV/2833) 7539 D Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung vom 2. Dezember 1964 Struve (CDU/CSU) 7540 A Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 7544 A Schmücker, Bundesminister 7552 B 7564 B Ertl (FDP) 7554 D Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . . 7559 B Schwarz, Bundesminister . . . . . 7561 C Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 7563 B Bauknecht (CDU/CSU) 7565 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/2413) ; Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Drucksache IV/2838) ; Mündlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache IV/2832) — Zweite und dritte Beratung — 7565 A Persönliche Erklärung nach § 35 GO Memmel (CDU/CSU) 7565 C Nächste Sitzung 7565 D Anlagen 7567 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 7509 152. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 14.02 Uhr
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    7566 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 Berichtigungen Es ist zu lesen: 151. Sitzung Seite 7478 B Zeile 13 statt „renseignement" : enseignement; Seite 7478 D Zeile 9 statt „durch": auf; Zeile 19 bis 21 statt „Gelehrtenrepublik entwickelt im Hinblick auf überschaubare kleinere Universitäten stabile Verhältnisse. Sie hat den Nachteil," : Gelehrtenrepublik, entwickelt im Hinblick auf überschaubare kleinere Universitäten und stabile Verhältnisse, hat den Nachteil, . Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 7567 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach 11. 12. Dr. Aigner * 11. 12. Frau Albertz 10. 12. Arendt (Wattenscheid) 10. 12. Dr. Atzenroth 31. 12. Bading * 11. 12. Bazille 15. 12. Dr. Besold 31. 12. Dr. Bieringer 11. 12. Blachstein 31. 12. Blumenfeld 11. 12. Dr. Dittrich 19. 12. Dopatka 11. 12. Frau Dr. Elsner * 12. 12. Etzel 10. 12. Faller 11. 12. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 11. 12. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 11. 12. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 10. 12. Dr. Furler 12. 12. Gaßmann 31.12. Gedat 15. 12. Gewandt 10. 12. Glombig 11. 12. Gontrum 11. 12. Dr. Gossel 19. 12. Gscheidle 10. 12. Hahn (Bielefeld) 31. 12. Hammersen 30.1. Hellenbrock 10. 12. Dr. Hellige 11. 12. Hesemann 11. 12. Kalbitzer 11. 12. Klinker 10. 12. Kraus 11. 12. Dr. Kreyssig * 18. 12. Kriedemann 18. 12. Freiherr von Kühlmann-Stumm 15.1. Leber 11. 12. Lenz (Bremerhaven) 11. 12. Dr. Lohmar 11. 12. Frau Lösche 11. 12. Lücker (München) 10. 12. Maier (Mannheim) 11. 12. Mattick 11. 12. Mauk * 15. 12. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 11. 12. Metzger * 11. 12. Freiherr von Mühlen 11. 12. Müller (Remscheid) 11. 12. Dr. Müller-Hermann * 12. 12. Peters (Poppenbüll) 19. 12. Rademacher 11. 12. Reichardt 17. 12. */ Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Richarts * 12. 12. Schlüter 11. 12. Dr. Sinn 11. 12. Dr. Starke 11. 12. Dr. Stoltenberg 11. 12. Storch * 11. 12. Frau Strobel * 13. 12. Theis 10. 12. Unertl 11. 12. Zühlke 11. 12. b) Urlaubsanträge Ritzel 16. 12. Anlage 2 Umdruck 531 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Erklärung der Bundesregierung vom 2. Dezember 1964 betreffend Harmonisierung der EWG-Getreidepreise Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, bei den Beratungen zur Harmonisierung der Agrarpolitik lin Ministerrat der EWG folgende Beschlüsse und Feststellungen zu berücksichtigen: 1. Bei der vom Jahre 1967 ab durch die Bundesregierung zugesagten Harmonisierung des europäischen Getreidepreises sind die in der Entschließung vom 19. März 1963 der Fraktionen der CDU/CSU, FDP aufgestellten Kriterien als Grundlage der kommenden Verhandlungen und Entscheidungen zu berücksichtigen. 2. Bei der Festsetzung des europäischen Getreidepreises muß eine Revisionsklausel die Kaufkraftentwicklung berücksichtigen. 3. Die Erzeugerpreise zwischen Brot- und Futtergetreide müssen unverändert in der Relation 100 : 91 : 85 verbleiben. 4. Der Getreidepreis muß in Rechnungseinheiten ausgedrückt werden. Dabei muß ein besonderer Interventionszuschlag für Braugerste und Qualitätsweizen sichergestellt werden. 5. Bei der Festsetzung der Preise für die tierischen Veredelungsprodukte sowie für Zuckerrüben und Ölsaaten sind die Kriterien, welche maßgeblich die Kosten des Getreidepreises bestimmen, zu berücksichtigen. 6. Bei der Verwirklichung des Gemeinsamen Agrarmarktes dürfen marktferne landwirtschaftliche Erzeugungsgebiete nicht benachteiligt werden. Dabei ist besonders die schwierige Situation in den Zonenrandgebieten, in den benachteiligten Mittelgebirgs- und Bergbauerngebieten zu berücksichtigen. 7. Das Landwirtschaftsgesetz ist entsprechend dem Antrag der FDP verpflichtender zu gestalten. 7568 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 8. Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein EWG-Anpassungsgeisetz für die deutsche Landwirtschaft mit folgender Zielsetzung vorzulegen: a) Ein langfristiges Investitionisförderungsprogramm zu Zinssätzen, die entsprechend der Einkommenslage der deutschen Landwirtschaft tragbar sind. Hierzu gehören als vordringliche Maßnahmen Konsolidierung der Altschulden und Belastungen, die sich aus langfristigen Strukturmaßnahmen ergeben; b) Verbesserung der landwirtschaftlichen Qualitätsproduktion und Absatzsicherung sowie Vermarktung; c) ein langfristiges Strukturprogramm, welches sicherstellt, daß die landwirtschaftliche Produktion durch leistungsfähige Familienbetriebe auch für die Zukunft gesichert wird. 9. Außerdem wird eine gesetzliche Regelung zur Förderung der bäuerlichen Veredelungswirtschaft und zur Vermeidung einer Überproduktion an Veredelungserzeugnissen als Folge eines harmonisierten Getreidepreises durch gewerbliche Veredelungsbetriebe, wobei auf die französische Regelung hingewiesen wird, gefordert. 10. Die vorgenannten gesetzlichen Maßnahmen müssen, wie es für andere Länder bereits geschehen ist, als EWG-konform durch die EWG anerkannt werden. 11. Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag rechtzeitig über das Ergebnis der Verhandlungen in Brüssel zu berichten. Bonn, den 10. Dezember 1964 Mischnick und Fraktion Anlage 3 Umdruck 532 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur Erklärung der Bundesregierung vom 2. Dezember 1964 betreffend Verhandlungen der Bundesregierung über Harmonisierung der Getreidepreise im EWG-Ministerrat. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, bei den Verhandlungen im EWG-Ministerrat über die vorzeitige Preisangleichung von Getreide in einem Zuge nachfolgende Grundsätze zu beachten: 1. Die zu beschließenden gemeinsamen Getreidepreise sind im Hinblick auf die allgemeine Preis-und Kostenentwicklung in der Landwirtschaft seit dem Basisjahr des Mansholt-Plans (1962/63) auf einen aktuellen Stand zu bringen. Das entspricht einem derzeitigen Grundrichtpreis für Weichweizen von mindestens 440 DM/t. 2. Der Zeitpunkt der Anwendung der gemeinsamen Getreidepreise darf frühestens auf den 1. Juli 1967 festgelegt werden. 3. Bei der Festsetzung der gemeinsamen Getreidepreise muß eine Revisionsklausel beschlossen werden, nach der eine spätere Anpassung der jetzt beschlossenen Preise entsprechend der allgemeinen Preis- und Kaufkraftentwicklung vorzunehmen ist. Eine solche Anpassung wird um so mehr erforderlich sein, weil jetzt Getreidepreise festgelegt werden, die erst am 1. Juli 1967 zur Anwendung gelangen. 4. Die von der Kommission vorgeschlagenen Preisrelationen zwischen Brotgetreide und Futtergetreide von 100 : 85 muß bestehenbleiben. Die Preisrelationen zwischen Weich- und Hartweizen sind bei 100 : 105 und die Preisrelation zwischen Weichweizen und Roggen bei 100 : 91 festzulegen. Bei der Intervention von Braugerste sollte ein Qualitätszuschlag von 45 DM/t vorgesehen werden. 5. Die einheitliche Durchführung der Regionalisierung und der Markttechnik muß in allen Mitgliedstaaten der EWG sichergestellt sein. Dabei sollte angestrebt werden, eine Anhebung der abgeleiteten Interventionspreise vor allem in den marktfernen Gebieten der Bundesrepublik zu ermöglichen. Die Beförderungkosten sind nach der Herstellung eines gemeinsamen Getreidepreisniveaus ein wesentliches Element zur Berechnung der abgeleiteten Preise.. Es sollte angestrebt werden, bis zum Zeitpunkt der Anwendung der gemeinsamen Preise eine volle Wettbewerbsgleichheit auf dem Gebiet der gemeinsamen Verkehrspolitik für alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu erreichen. 6. Es muß sichergestellt sein, daß die deutsche Landwirtschaft die mit der vorzeitigen Getreidepreisharmonisierung verbundenen Einnahmeverluste aus Gemeinschaftsmitteln bis zum Ende der Übergangszeit ohne Degression ersetzt erhält. Hinsichtlich der Höhe der Ausgleichszahlungen müßte von den Berechnungen der Bundesregierung ausgegangen werden. Außerdem muß die Bundesregierung die Möglichkeit behalten, in eigener Zuständigkeit geeignete Maßnahmen für die Landwirtschaft zu treffen, um einen Ausgleich einkommenswirksamer Maßnahmen anderer Mitgliedstaaten, insbesondere auf sozialpolitischem Gebiet, herbeizuführen und um damit die in der Bundesrepublik bestehende Disparität des Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Menschen zu verringern. 7. Es muß sichergestellt werden, daß alle im Zusammenhang mit der vorzeitigen Getreidepreisangleichung getroffenen Beschlüsse ein Ganzes bilden und nicht durch spätere Mehrheitsentscheidungen des Ministerrates wieder geändert werden. Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 7569 8. Es muß vermieden werden, daß die einmal festgelegten gemeinsamen Getreidepreise infolge von währungspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten wieder gefährdet werden. Daher sollte die von der Kommission vorgeschlagene Regelung, die gemeinsamen Getreidepreise in Rechnungseinheiten festzusetzen, uneingeschränkt übernommen werden. Bonn, den 10. Dezember 1964 Struve und Fraktion Anlage 4 Schriftlicher Bericht des Abgeordneten Stooß zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes (Drucksache IV/2413). Der interfraktionelle Antrag Drucksache IV/2413 wurde in der heutigen Vormittagssitzung des Finanzausschusses behandelt. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als mitberatender Ausschuß hat in seiner Sitzung am 7. Oktober 1964 den Antrag beraten. Das Votum dieses Ausschusses lautete auf Zustimmung. Es ist Ziel und Zweck dieses Antrags bzw. Gesetzentwurfs, über eine Zuckersteuersenkung die Voraussetzung für eine Rübenpreisanhebung zu schaffen, ohne daß der Zuckerpreis erhöht wird. Der Antrag sieht eine Zuckersteuersenkung von 10,— DM auf 6,— DM pro dz Zucker vor. Diese Steuersenkung soll eine Rübenpreiserhöhung von 6,75 DM auf 7,25 DM pro dz Zuckerrüben bei 15,5 % Zuckergehalt ermöglichen. Auf eine grundsätzliche Erörterung des ganzen Fragenkomplexes konnte der Ausschuß verzichten, da die Zusammenhänge des Antrags hinreichend bekannt sind, zumal auch in der ersten Lesung grundsätzliche Ausführungen zudem Antrag bereits gemacht wurden. Von der Regierung wurde zu Art. 2 Abs. 1 des Antrags ein Änderungs- bzw. Ergänzungsvorschlag gemacht. Sinn und Zweck dieses Antrags ist, daß Steuerrückerstattung nur auf Zucker, der aus der inländischen Ernte 1964 hergestellt ist oder wird, gewährt wird. Außerdem soll die Ergänzung verhindern, daß die Steuersenkung auch Anwendung findet auf Zuckervorräte früherer Ernten. Dieser Ergänzungsantrag fand die einstimmige Annahme des Finanzausschusses. Schließlich soll das Gesetz mit dem 1. Januar 1965 in Kraft treten. Der Finanzausschuß empfiehlt dem Hohen Hause, den vom ihm mit großer Mehrheit angenommenen Gesetzentwurf in der Fassung, wie dem Hohen Hause mit Drucksache IV/2832 unterbreitet, zuzustimmen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. R. Martin Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sie waren doch einer der Scharfmacher in der Frage des Festhaltens am deutschen Getreidepreis. Daß es Ihnen heute schwerfällt, davon herunterzukommen, das glaube ich Ihnen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Devise von Herrn Schwarz, die ich soeben zitiert habe, ist dieser buchstabengetreu nachgefolgt. Er hat sie bei allen möglichen Gelegenheiten ausdrücklich bekräftigt, und er hat damit den Keim für eine verhängnisvolle Politik gelegt, deren Folgen für die deutsche Landwirtschaft sich heute noch nicht voll übersehen lassen.
    Mit dieser fatalen Taktik hat es die deutsche Delegation in Brüssel fertiggebracht, daß die Bundesregierung an die Wand gedrückt wurde. Manchmal hatte man den Eindruck, sie reiße sich geradezu um den Schwarzen Peter. Diese Taktik hat sogar dazu geführt, daß die europäische Politik in eine schwere Krise geriet.
    Heute versucht man, die Sache so hinzustellen, als habe es sich um einen klugen Schachzug gehandelt. Der Herr Bundeskanzler hat in der vergangenen Woche an dieser Stelle sogar behauptet, er habe nur den richtigen Augenblick abwarten wollen, um außer der Getreidepreisregelung auch noch Fortschritte in anderen Bereichen der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit durchzusetzen. Selbst den Mitgliedern der CDU-Fraktion, von Herrn Barzel einmal ganz zu schweigen, dürfte es schwerfallen, diese Behauptung zu beweisen, und wenn sie dies beschwören müßten, würden sie einen glatten Meineid leisten. Was der Bundeskanzler hierbei wieder einmal exerziert hat — erst äußerste Härte, dann Rückzug auf der ganzen Linie —, das rundet das Bild von ihm in bester Weise ab.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Leidtragende dieser unseligen Taktik des sturen Neins ist die deutsche Landwirtschaft.

    (Abg. Bauknecht: Wieso?)

    Denn diese Taktik hat auf der einen Seite verhindert, daß man in Brüssel aus der Defensive herauskam und versuchen konnte, für die deutschen Anliegen in der Europa-Politik und in der EWG-Agrarpolitik Forderungen auf ähnliche Weise durchzusetzen, wie dies unsere Partner versuchen. Auf der anderen Seite hat sie jeden Fortschritt in der deutschen Agrarpolitik blockiert.

    (Zuruf von der Mitte: Das glauben Sie selber nicht!)

    Der Getreidepreis — das war das A und O aller
    Agrardebatten in dieser Legislaturperiode, das war
    wichtiger als alle Grünen Pläne und alle Kernfragen
    der deutschen Agrarpolitik. Keines der dringenden Probleme wurde angepackt:
    Erstens. Die geradezu haarsträubende Haushaltspolitik des Bundesernährungsministeriums wurde mit dem Mantel der christlich-demokratischen Nächstenliebe überdeckt;

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Hauptsache war, der Getreidepreis blieb erhalten.
    Zweitens. Die Strukturverbesserung stagnierte, weil man die Zeit nicht aufbrachte, sich ein paar neue Ideen einfallen zu lassen.
    Drittens. Ein Ausbau der sozialen Sicherung des Landvolks war nicht möglich, denn dazu fehlte das Geld. Jetzt übrigens ist es auf einmal vorhanden.
    Viertens. Die Rationalisierung der Betriebe konnte nicht beschleunigt werden, obwohl die Möglichkeit dazu — durch einen Druck auf die Betriebsmittelpreise — bestanden hätte. Wir haben dazu genügend Fingerzeige gegeben.
    Fünftens. Die Verbesserung der Marktstruktur wurde nicht intensiviert, denn man ging davon aus, daß sich bis zum Ende der EWG-Übergangszeit 1970 nicht allzuviel ändern würde,

    (Zuruf rechts)

    schon gar nicht an den Preisen.
    Seit Beginn dieser Legislaturperiode hat die Bundesregierung außer Routinevorlagen und EWG-Verordnungen nicht einen einzigen Gesetzentwurf in diesem Hohen Hause eingebracht, der die deutsche Agrarpolitik einen nennenswerten Schritt nach vorn gebracht hätte.

    (Abg. Bauknecht: Nanu!)

    Die einzige Initiative, die der Erwähnung wert ist, kam von außen: der Entwurf eines Marktstrukturgesetzes, den der Deutsche Bauernverband und Raiffeisenverband ausgearbeitet haben, von dem die sozialdemokratische Fraktion die Kerngedanken übernommen hat.

    (Zuruf von der Mitte.)

    Es ist kaum zu fassen, daß zu den schärfsten Gegnern dieses 'Entwurfs Herr Struve gehört.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wenige Wochen, nachdem er selbst im Präsidium des Deutschen Bauernverbandes das Marktstrukturgesetz gebilligt hatte, kam er mit einem Gegenentwurf heraus, der in dieser Form nicht weniger weltfremd ist

    (Zuruf des Abg. Struve)

    als die Agrarparolen der FDP, die den Bauern heute noch ein Gesetz zum automatischen Ausgleich der Disparität verspricht.
    Ich will es mir versagen, auf die deutsche Taktik in Brüssel im einzelnen einzugehen. Sie war ganz offensichtlich von der Zwangsvorstellung beherrscht, man könne durch kleine Gefälligkeiten eine Unterstützung für den deutschen Standpunkt in der Getreidepreisfrage einhandeln. Wie sich gezeigt hat, ist diese Hoffnung unerfüllt geblieben.
    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 7547
    Dr. Schmidt (Gellersen)

    Lassen Sie mich an dieser Stelle nur einige wenige Bemerkungen über den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen in Brüssel machen.
    In meiner kurzen Erklärung in der letzten Woche habe ich schon hervorgehoben, daß die Bereitschaft der Bundesregierung, über die Angleichung der Preise zu verhandeln, ein eminenter Fortschritt ist. Dieser Schritt erfolgt leider zu spät, ja viel zu spät.

    (Abg. Bauknecht: Wieso?)

    Die Bundesregierung wird einräumen müssen, daß sie schon wieder unter einem ungeheuren Zeitdruck steht. Den hat sie aber selbst zu verantworten. Von den tröstenden Erklärungen des Bundesaußenministers in der Fragestunde vor 14 Tagen bleibt also gar nicht viel übrig.
    Der Verhandlungsvorschlag der Bundesregierung ist allen Kollegen in großen Zügen bekannt. Der Verhandlungsspielraum ist offen, und scheinbar ist darüber noch nicht entschieden. Die Lage vor der letzten Runde, die in einer Woche zu Ende gehen soll, bietet Ihnen, meine Damen und Herren, wenig Hoffnung für ein Durchsetzen ides Standpunktes der Bundesregierung. Die Bundesrepublik ist .den Schwarzen Peter nicht losgeworden. Um es noch deutlicher zu sagen: wir stehen ziemlich isoliert da, zumal Luxemburg eine bescheidene Rolle in diesem Ringen spielt und sich immer auf das Sonderprotokoll berufen kann.
    Ich kann mich nicht des 'Eindrucks erwehren, daß die deutsche Delegation und die Bundesregierung in solch harten Verhandlungen nicht einmal die einfachsten Regeln und Verhaltensweisen beachtet haben. Angefangen von der Publizierung frommer Wünsche, von Zusagen und Versprechen im Innern, die die deutsche Lage nur erschwert haben, von der Verhandlungsführung, die den anderen Delegationen erlaubte, von Anfang an weitere Zugeständnisse zu fordern und zu erwarten, und die keine Einmütigkeit in den deutschen Auffassungen erkennen ließen, bis zur völligen Fehlbeurteilung der Wünsche und Forderungen unserer fünf Partner, es ist eine einzige Kette — gelinde ausgedrückt — peinlicher Überraschungen.

    (Zuruf von der Mitte: Was hätten Sie denn getan?)

    — Lesen Sie die „Welt" nach! Da finden Sie es ähnlich beurteilt.

    (Zuruf von der Mitte: Ich rede von Ihnen!)

    Hat man denn noch immer nicht begriffen, daß man es in Brüssel nicht mit braven Micheln anderer Länder zu tun hat, sondern mit Vertragspartnern, die genau wissen, was sie wollen, und die bestens vorbereitet in die Verhandlungen gehen?! Vielleicht werden Sie auf die Verhandlungsmethoden unserer Partner schimpfen und die Schuld für das mögliche Mißlingen womöglich dort abladen, wo man sie nicht suchen sollte.

    (Zurufe von der Mitte: Sie schimpfen lieber auf die eigene Regierung!)

    Sie sollten wissen, daß das dort keine „Kaffeekränzchen" sind.
    In der gegenwärtigen Stunde ist ,es offensichtlich, daß unsere Partner darin einig sind, uns in der Frage der Preishöhe, der Preisrelationen, der Revisionsklausel und des Einkommensausgleichs allein zu lassen, zumal die EWG-Kommission es in meisterhafter Weise verstanden hat, durch alle möglichen Zugeständnisse an den einen oder anderen Pluspunkte für ihren Standpunkt zu sammeln. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Ich kann abschließend nur den Wunsch zum Ausdruck bringen, daß die Verhandlungen zu einem befriedigenden Ergebnis führen mögen.
    Meine Damen und Herren, ich knüpfe an die ersten Bemerkungen an: Sie bekommen jetzt die Quittung für Ihr Verhalten der letzten Zeit in Brüssel. Mit kleinen Gefälligkeiten — das sagte ich schon — können Sie das nicht gutmachen. Aber das hat die Bundesregierung nicht daran gehindert, sich immer wieder vorzumachen, es werde schon nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ganz abgesehen davon, daß man nicht nur sich selbst, sondern auch die Landwirtschaft in einem geradezu unverantwortlichen Maße getäuscht hat, hat diese Politik auch bewirkt, daß der nun schon seit Jahren überfällige Kurswechsel unterblieben ist, über den wir uns in diesem Hause schon einmal einig waren.
    Mehr noch: Man hat nicht einmal einige Gedanken darauf verschwendet, was nun eigentlich getan werden müsse, wenn der Getreidepreis eines schönen Tages nun doch gesenkt wird. Als nämlich die Stunde der Wahrheit gekommen war, war das Bundesernährungsministerium nicht einmal in der Lage, dem Kabinett ein Programm vorzulegen, aus dem hervorging, welche Maßnahmen und mit welchen Mitteln sie jetzt getroffen werden müßten, um eine ernste Krise der Landwirtschaft zu verhindern. Es war der Deutsche Bauernverband, der die Bundesregierung aus dieser fatalen Verlegenheit retten mußte.
    Es ist in den letzten Wochen, meine Damen und Herren, sehr viel über die sogenannten Wettbewerbsverzerrungen gesprochen worden. Aber erstaunlicherweise hat niemand danach gefragt und gesagt, wie diese Verzerrungen überhaupt entstanden sind. Die Antwort ist gar nicht so schwer. Diese Verzerrungen kommen zu einem großen Teil daher, daß sich die Regierungen unserer Partnerländer etwas haben einfallen lassen, während die Bundesregierung geschlafen und dabei geträumt hat, es würde alles so bleiben, wie es ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler hat nunmehr am vergangenen Mittwoch erklärt, daß er für einen Ausgleich der bestehenden Wettbewerbsnachteile der deutschen Landwirtschaft bei den Kosten, Lasten und Sozialleistungen sorgen wird. Im Grundsatz ist dieser Gedanke durchaus zu bejahen, und es gehört sicherlich zu den wichtigsten und vordringlichsten Aufgaben der deutschen Agrarpolitik, sich um gleiche Wettbewerbsbedingungen im Gemeinsamen Markt zu bemühen. Wir wissen, daß das noch nicht der Fall ist. Wir fragen uns jedoch, weshalb die Bundesregierung in der Vergangenheit eigentlich
    7548 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964
    Dr. Schmidt (Gellersen)

    noch nichts dagegen unternommen hat und aus welchen Gründen sie es unterlassen hat, die Landwirtschaft und die Öffentlichkeit über diese Verzerrungen aufzuklären. Diese Erklärung des Herrn Bundeskanzlers bleibt eine Phrase, solange er nicht tatkräftig an die Beseitigung dieser Mißverhältnisse herangeht.
    Der Herr Bundeskanzler hat es leider auch versäumt, zu erklären, welchen Umfang diese Verzerrungen denn nun eigentlich haben. Er war dazu offensichtlich nicht in der Lage, weil es das zuständige Ressort noch nicht fertiggebracht hat, eine detaillierte Aufstellung vorzulegen. Aus einer solchen Aufstellung müßte hervorgehen, um welche Maßnahmen und Beträge es sich im einzelnen handelt. Es müßte weiter daraus hervorgehen, welche Verzerrungen gegebenenfalls durch eine entsprechende deutsche Initiative in Brüssel beseitigt werden könnten. Schließlich müßte daraus hervorgehen, für welche Bereiche die nationale Politik zuständig ist. An diese Analyse müßte sich dann ein Agrarprogramm anschließen. Ein solches Programm hätte schon längst in der Schublade liegen können.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Habt ihr es?)

    — Ja, wir haben es! Bis zum 30. November lag nichts, aber auch gar nichts vor, getreu nach dem Motto des Herrn Schwarz, daß „man sich nicht in Fragen aufsplittern soll, was später einmal geschehen könnte."
    Leider spricht nichts dafür, daß man wenigstens jetzt gewillt ist, von der Politik der Täuschung und Selbsttäuschung abzugehen.

    (Abg. Bauknecht: Nanu!)

    — Passen Sie auf! Ich sagte das schon. Kaum hatte die Bundesregierung die eine Illusion zu Grabe getragen, da hob sie schon die nächste aus der Taufe. Sie erklärte nicht nur, sie werde für einen Ausgleich der Wettbewerbsnachteile sorgen, sondern sie sagte auch der Landwirtschaft einen vollen Ausgleich der Erlösminderungen als Folge einer Getreidepreissenkung zu. Es wäre nicht erstaunlich, wenn die Bundesregierung an diese Zusage von der Landwirtschaft noch einmal sehr nachdrücklich erinnert würde. In dem Kommuniqué, das im Anschluß an die Gespräche zwischen Kabinett, Koalition und Landwirtschaft veröffentlicht worden ist, fehlen nämlich leider einige Erläuterungen und Wahrheiten, die in diesem Zusammhang unumgänglich sind: und zwar:
    Erstens. Wenn es zu einem Ausgleich kommt, wird dieser allenfalls für zwei Jahre möglich sein, nämlich bis zum Ende der Übergangszeit.
    Zweitens. Nicht die Erlösminderung des einzelnen Erzeugers kann ausgeglichen werden, sondern allenfalls der Rückgang der Erlöse der Landwirtschaft insgesamt.
    Drittens. Ein Ausgleich kann sich nur auf die Erlösminderungen beziehen, die sich unmittelbar aus der Getreidepreissenkung ergeben. Nicht erfaßt werden dagegen die Einbußen aus dem Wegfall der verschiedenen Schutzmaßnahmen, für deren Abschaffung sich der Herr Bundeswirtschaftsminister
    Schmücker in der vergangenen Woche in Brüssel eingesetzt hat.
    Viertens. Die möglichen Beihilfen dürfen nicht an einzelne Erzeugnisse gebunden sein, sondern müssen in einer produktneutralen Form gegeben werden.
    Fünftens. Art und Umfang dieser Maßnahmen werden nicht von der Bundesregierung bestimmt, sondern vom EWG-Ministerrat, der auch in dieser Frage nach 1965 bekanntlich mit qualifizierter Mehrheit entscheiden kann. Soweit es sich übersehen läßt, wird der Ministerrat jetzt und erst recht in einem Jahr nur einem degressiven Ausgleich zustimmen.
    Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Alle diese Einwendungen gegen diese Formulierungen des Herrn Bundeskanzlers sind nicht etwa Einwendungen der Opposition, sondern sie ergeben sich ganz zwangsläufig aus dem EWG-System, das schließlich von der Bundesregierung mitentwickelt worden ist.
    Dieses System hat einen guten Sinn, denn es soll dafür sorgen, daß die Wettbewerbsverzerrungen abgebaut werden, und es soll verhindern, daß neue Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Die Bundesregierung könnte sicher mit Recht darauf hinweisen, daß auf diesem Gebiet bisher zuwenig geschehen ist und daß die EWG-Kommission ihre Pflichten — ganz offensichtlich aus politischen Gründen — vernachlässigt hat. Aber es wäre eine gefährliche Fehlspekulation, sich einzubilden, man könne das Problem dadurch lösen, daß man auf einen Schelm anderthalbe setzt und eine Agrarpolitik in der EWG nach dem Motto betreibt: „Wer bietet mehr?"
    Innenpolitisch — und jetzt komme ich zu dem anderen Aspekt — wäre zu den Zusagen des Herrn Bundeskanzlers zu bemerken, daß bisher noch nicht klar ist, woher überhaupt die 840 Millionen für 1965 kommen sollen. Wir sind mit Dr. Starke von der FDP der Meinung, daß nicht das Parlament, sondern die Bundesregierung einen entsprechenden Vorschlag machen muß. Wir wehren uns mit aller Entschiedenheit dagegen, daß man die Deckungsvorschläge dem Haushaltsausschuß überläßt oder in der zweiten Lesung des Bundeshaushalts mit einem kleinen Papierchen die ganze Komposition ändert. Um jedes Mißverständnis zu vermeiden, möchte ich an dieser Stelle unterstreichen, daß meine Fraktion dieses Spiel mit gezinkten Karten

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU: Ist das der neue Stil, Herr Schmidt? — O, o, Sie haben aber eine Ausdrucksweise!)

    nicht mitmachen wird, und zwar nicht deshalb, weil sie es der Landwirtschaft nicht gönnt, daß sie aus der Bundeskasse etwas bekommt, sondern weil sie die Methode ablehnt, mit der hier die Verantwortung verschoben werden soll.
    Damit hängt auch etwas ganz anderes zusammen. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie wissen natürlich ganz genau, daß Sie nur einen Teil der Zusagen durch Gesetze abdecken können. Der Bundeskanzler hat der Landwirtschaft gegenüber
    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964 7549
    Dr. Schmidt (Gellersen)

    Verpflichtungen übernommen, für die er allenfalls als Mitglied der CDU geradestehen kann. Denn es ist völlig ausgeschlossen, daß eine Regierung Wechsel querschreibt und dann ihrer Nachfolgerin die Einlösung überläßt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dann weiß ja die Landwirtschaft, was Sie von Ihnen zu erwarten hat!)

    Mit einem solchen Geschäftsgebaren kann nicht nur eine Firma, sondern selbst eine Regierung pleite machen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie können allenfalls sagen: Liebe Bauern, wählt
    uns, — —


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
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  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. R. Martin Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein, es kann nachher gefragt werden. — Sie können also allenfalls sagen: Liebe Bauern, wählt uns, dann bekommt ihr vielleicht etwas, vorausgesetzt, daß wir dann noch Geld im Topf haben und Brüssel uns keine Schwierigkeiten macht.

    (Abg. Struve: Sie tun es schon so!)

    Das ist das äußerste, Herr Struve, was Sie mit ehrlichem Gewissen versprechen können. Sie können natürlich den Zynismus so weit treiben, wie Sie es bei dem Getreidepreis getan haben. Aber es ist die Frage, ob man Ihnen das noch abnimmt.
    Als der Katalog der von dem Herrn Bundeskanzler zugesagten Maßnahmen in der Öffentlichkeit bekannt wurde, schrieben einige Zeitungen, die Landwirtschaft habe ein gutes Geschäft gemacht. Ich möchte mir erlauben, diese Behauptung zu bezweifeln. Der Katalog besteht zu fast drei Vierteln aus Maßnahmen, die von der Koalition schon seit Monaten bindend in Aussicht gestellt worden sind. Damit haben Sie sogar mehrere Wahlkämpfe in den letzten Monaten bestritten, allerdings nicht mit dem gewünschten Erfolg.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Peinlich war es natürlich, daß sich die Bundesregierung zunächst quergelegt hatte, angeblich deshalb, weil kein Geld vorhanden war. Aber über Nacht war es auf einmal da, und weil die Koalition eine so durch und durch ehrlich Politik treibt, darf die Landwirtschaft sicher sein, daß es weiter zur Verfügung stehen wird — bis zum nächsten Umfallen.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Das beinahe zwei Jahre andauernde Gezerre um den Zuckerrübenpreis zeigt das doch mit aller Deutlichkeit, meine Kollegen von der Regierungskoalition. Es ist wirklich keine Feldherrentat, daß Sie sich jetzt bei den Zuckerrüben dazu aufgerafft haben, den „Rubikon" zu überschreiten.

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Er ist doch überschritten worden! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    „Es gibt zweierlei Arten von Regierungserklärungen", hat der stellvertretende Pressechef der Bundesregierung neulich erklärt, veränderliche und unveränderliche Regierungserklärungen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Erklärungen zur Wiedervereinigung seien unveränderlich,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist schon wieder vorbei!)

    die zum Getreidepreis dagegen veränderlich.

    (Beifall und Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Stecker: Geh mit der Zeit!)

    Was die 1,1 Milliarden DM betrifft, die für 1966 in Aussicht gestellt sind, wird man wohl erst den Barometerstand des übernächsten Jahres abwarten müssen. Es ist bezeichnend für die Art und Weise, mit der hier Agrarpolitik betrieben wird, daß bisher noch nicht einmal klar ist, wozu eigentlich die 380 Millionen DM bestimmt sind, die im kommenden Jahr als sogenannte Investitionshilfe verteilt werden sollen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Lassen Sie sich überraschen!)

    Darüber gibt es allenfalls private Meinungen. Wenn es richtig ist, was man so in den Zeitungen liest, dann besteht die Absicht, mit der Gießkanne übers Land zu gehen und das Geld entsprechend den Leistungen zur Grundsteuer A und zum Lastenausgleich zu verteilen.
    Gegen dieses Verfahren erheben wir schärfsten Einspruch:

    (Beifall bei der SPD.)

    — Sie haben sich auch dazu bekannt, Herr Kollege Struve — erstens einmal, weil das keine Investitionshilfe ist, sondern ein Wahlgeschenk wäre,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    zweitens, weil eine solche Subvention nicht dauerhaft sein kann und früher oder später in den Sog der EWG-Vorschriften geraten wird, und drittens, weil Sie dem Bauern keinen Gefallen erweisen, sondern seine Position in unserer Gesellschaft und vor allem seine Position in der Dorfgemeinschaft unnötig schwächen, ja unmöglich machen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wenn Sie die Situation in den ländlichen Gemeinden verbessern wollen, dann müssen Sie endlich mit einer Finanzreform beginnen. Aber was Sie vorhaben, das läuft darauf hinaus, daß die Bevölkerung auf dem Lande mit den Fingern auf die Bauern zeigen und sagen wird: „Die lassen sich sogar die Steuern vom Staat schenken."

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich verkenne nicht, daß es notwendig wäre, sich über eine Investitionshilfe zugunsten der Landwirtschaft ernstlich Gedanken zu machen.

    (Abg. Bauknecht: Na also, warten Sie doch ab!)

    7550 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 152. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1964
    Dr. Schmidt (Gellersen)

    Das würde voraussetzen, daß man sich überlegt, wo investiert werden muß, welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen, was die Landwirtschaft dafür aufzubringen hat und mit welchen Mitteln ihr der Staat helfen kann.

    (Abg. Struve: Das ist doch Plandenken!)

    So etwas schüttelt man nicht aus dem Ärmel, sondern das Ganze bedarf einer gründlichen Vorbereitung, wie sie leider bisher von der Bundesregierung als Zeitverschwendung angesehen worden ist.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Planungsamt, Herr Schmidt!)

    Wenn man nun einmal schon kein Programm in der Schublade hatte und deshalb zu einer Verlegenheitslösung Zuflucht nehmen mußte, dann frage ich mich, weshalb man nicht an die Strukturverbesserung gedacht hat, an die der Deutsche Bauernverband vor einigen Wochen wieder in eindringlicher Weise erinnert hat.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Eine Aufstockung der Strukturmittel ist um so dringender, als die Globalkürzung des Grünen Plans für das kommende Jahr um 250 Millionen DM im wesentlichen aus den Titeln zur Strukturverbesserung genommen werden soll. Aber darüber wird im Zusammenhang mit dem Haushalt und dem Grünen Plan zu sprechen sein. Auf jeden Fall ist es ein sehr anrüchiges, um nicht zu sagen unzulässiges Verfahren, wenn der Bundeskanzler in der Öffentlichkeit mit Millionen um sich wirft, von denen er .selber noch nicht weiß, wie sie verwendet werden sollen.

    (Zuruf von der SPD: Und wo sie herkommen!)

    Offensichtlich hat er vergessen, daß es sich dabei um das Geld der Steuerzahler handelt. Die Steuerzahler sind sicherlich bereit, Maßnahmen zu finanzieren, die zu sinnvollen und vernünftigen Ergebnissen führen. Das Verfahren aber, das hier angewendet wird, bewirkt genau das Gegenteil.

    (Abg. Bauknecht: Warten Sie ab!)

    — Herr Bauknecht, es richtet einen psychologischen Schaden an, der kaum wiedergutzumachen ist. Indem Sie dem Bauern auf diese Art und Weise Geld geben, nehmen Sie ihm gleichzeitig auch noch den letzten Rest an moralischem Kredit, den er in der Öffentlichkeit hat.

    (Beifall bei der SPD. — Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    Diesen Kredit hat die Bundesregierung mit ihrer Agrarpolitik ohne Konzept und Überlegung nun wirklich genügend untergraben, und zwar nicht nur zu Hause, sondern auch auf dem internationalen Parkett. Was hat sie denn getan, um die gemeinsame Agrarpolitik von der Stelle zu bringen?
    Wieso springt denn der Bundesminister Schwarz immer auf das Bremserhäuschen, anstatt sich daran zu beteiligen, wenn die Herren Pisani, Bisheuvel und Mansholt ans Weichenstellen gehen? Glaubt man denn wirklich, den Zug noch aufhalten zu können? Wann fängt die Bundesregierung an zu handeln, anstatt immer nur sich vom Partner das Handeln vorschreiben zu lassen?

    (Beifall bei der SPD.)

    Weshalb gibt sie also vor jeder Verhandlung ihre Marschroute preis? Und dann wundert sie sich, daß sie laufend Federn lassen muß! Glauben Sie denn noch an den Weihnachtsmann?

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

    Glauben Sie denn noch an den Weizenpreis von 440 DM, an den Roggenpreis von 400 DM oder etwa noch an die 700 Millionen DM Ausgleichszahlungen aus der Gemeinschaftskasse?