Rede von
Rudolf-Ernst
Heiland
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich halte das für gerechtfertigt, und ich will Ihnen auch eine Begründung dafür geben. Wenn wir in einer Zeit der wirtschaftlichen Blüte nicht den Mut zu einer geistigen, einer kulturellen Leistung haben, dann sind wir ein Volk, das sich in einem wesentlichen Punkt von vornherein aufgibt.
Das ist ja nicht nur in Ludwigshafen der Fall. Schauen Sie sich das Theater hier in Bonn an, zu dem der Bund — mit ihrer Zustimmung — erhebliche Zuschüsse gegeben hat. Und ich halte das für richtig, weil ich auch der Meinung bin, daß dieses provinzielle Dorf ruhig geistig durch ein gutes Theater in der Zukunft ein wenig aufgemöbelt werden darf.
Ich bin also der Meinung, daß ein Land, das eine solche wirtschaftliche Leistung vollbracht hat, auch in kulturellen und geistigen Dingen nicht notleidend und unterentwickelt bleiben darf. Wenn man schon die Frage stellt, ob man ein Theater bauen soll — das ja nicht für ein Jahr gebaut wird, sondern für Jahrzehnte und, wenn wir in dieser Generation nicht dumm genug sind, uns wieder Kriege auf den Hals zu holen, vielleicht für Jahrhunderte gebaut wird —, dann soll man, wenn man sich für den Bau entscheidet, dafür sorgen, daß es vernünftig und so gebaut wird, daß es für alle Zeiten der Bevölkerung voll dienen kann.
Es gibt Leute, die immer dann den Finger heben, wenn von der öffentlichen Hand etwas getan wird. Ich komme jetzt gern auf das Marler Rathaus, weil es ja doch auf der Tagesordnung steht.
Wenn eine Stadt wie Marl, die auf der grünen Wiese gebaut und ihren Mittelpunkt neu geschaffen hat, ein Rathaus zu bauen hat, dann müssen ihre Verantwortlichen das auch zu Ende denken und dem Rechnung tragen, daß dieses Rathaus, wie ich vorhin sagte, nicht für dieses Jahr und nicht für das nächste Jahr gebaut wird, sondern daß es auf lange Zeit, wenn Sie wollen: für mehr als hundert Jahre der Bevölkerung dienen muß.
Man muß auch einmal den Mut haben, die Frage zu stellen: Sollen denn die Repräsentationen, die in der Baugeschichte aus unserer Zeit in kommende Jahrhunderte überliefert werden, nur Versicherungspaläste, nur Bankpaläste, nur Industriepaläste sein?
Oder soll die Demokratie nicht auch den Mut zu einer würdigen Repräsentation haben?
Ich denke nur daran, daß manche heute so laut kritisieren, die im „tausendjährigen Reich", als Bauten in viel sinnloserer Weise geschaffen wurden, keinen Mut hatten, einen Ton zu sagen.
Ich bin der Meinung, es muß auch von dieser Stelle aus einmal gesagt werden, daß die Gemeinden in der Tat seit 1945 eine ungeheure Leistung vollbracht haben
durch Tausende ehrenamtlicher Gemeindevertreter
und daß ,die Gemeinden ein Recht haben, sich dagegen zu wehren, wenn sie so angegriffen werden. Die Gemeinden sind schon beim Grundgesetz vergessen worden. Im kaiserlichen Deutschland hatten die Gemeinden ein Drittel des öffentlichen Finanzaufkommens zu ihrer Verfügung. Jetzt sind die Gemeinden unter 15 % abgesunken. Die Gemeinden haben ungeheure Leistungen vor sich, sie haben noch ungeheure Investitionsaufgaben zu erfüllen. Wenn aus Konjunkturgründen irgendwo gedämpft werden muß, darf man nicht immer nur den Finger bei den Gemeinden erheben. Dann sind Bund und Industrie genauso an der Reihe!