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ID0411702400

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    Deutscher Bundestag 117. Sitzung Bonn, den 21. Februar 1964 Inhalt: Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses über den Jahresbericht 1962 des Wehrbeauftragten des Bundestages (Drucksachen IV/1183, IV/1377) Dr. Seffrin (CDU/CSU) . . 5359 B, 5366 D Paul (SPD) 5361 C Schultz (FDP) 5364 A von Hassel, Bundesminister . . . 5371 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (SPD) (Drucksache IV/1896) — Erste Beratung —; in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung des Artikels 118 des Grundgesetzes (CDU/CSU) (Drucksache IV/1965) — Erste Beratung — Dr. Schäfer (SPD) . . . 5377 B, 5393 C Dr. Süsterhenn (CDU/CSU) . . . . 5382 A Höcherl, Bundesminister 5386 A Busse (FDP) 5390 A Kiesinger, Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg . . . 5391 B Dr. Kopf (CDU/CSU) 5394 B Entwurf eines Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (Drucksache IV/1867) — Erste Beratung — Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 5395 D Frau Dr. Hubert (SPD) 5396 D Frau Haas (CDU/CSU) 5397 D Frau Dr. Heuser (FDP) 5398 D Nächste Sitzung 5399 D Anlage 5401 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Februar 1964 117. Sitzung Bonn, den 21. Februar 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Arendt (Wattenscheid)* 21. 2. Dr. Aschoff 21. 2. Dr. Atzenroth 21. 2. Bauer (Wasserburg) 21. 2. Benda 21. 2. Birkelbach 22. 2. Fürst von Bismarck 22. 2. Dr. Bleiß 21. 3. Dr. Böhm (Frankfurt) 21. 2. Dr. von Brentano 21. 3. Brünen 21. 2. Burckardt 21. 2. Dr. Deist 21. 2. Dr. Dörinkel 22. 2. Drachsler 21. 2. Ehren 22. 2. Etzel 21. 2. Even (Köln) 29. 2. Faller* 21. 2. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 21. 2. Frau Funcke (Hagen) 21. 2. Dr. Furler* 21. 2. Gaßmann 22. 2. Gedat 21. 2. Frau Geisendörfer 22. 2. Gibbert 21. 2. Freiherr zu Guttenburg 21. 2. Haage (München) 21. 2. Haase (Kellinghusen) 21. 2. Dr. Hamm (Kaiserslautern) 21. 2. Dr. von Haniel-Niethammer 21. 2. Dr. Harm (Hamburg) 26. 3. Hauffe 15. 3. Hellenbrock 21. 2. Höhne 21. 2. Hörauf 1. 3. Illerhaus* 21. 2. Dr. Imle 29. 2. Jacobs 21. 2. Klinker* 21. 2. Knobloch 21. 2. Könen (Düsseldorf) 21. 2. Kraus 22. 2. Dr. Kreyssig* 22. 2. Kriedemann* 21. 2. Lenz (Bremerhaven) 15. 3. Dr. Löhr 20. 3. Lücker (München)* 21. 2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Majonica 21. 2. Dr. Mälzig 21. 2. Margulies* 21. 2. Mattick 21. 2. Mauk* 21. 2. Dr. von Merkatz 21. 2. Metzger* 21. 2. Michels 21. 2. Missbach 21. 2. Dr. h. c. Dr..-Ing. E. h. Möller 15. 3. Müser 21. 2. Peters (Norden) 21. 2. Dr.-Ing. Philipp 21. 2. Frau Dr. Probst 21. 2. Ramms 21. 2. Rehs 21. 2. Richarts* 21. 2. Rohde* 21. 2. Ruland 21. 3. Schlee 21. 2. Schlick 21. 2. Schneider (Hamburg) 21. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 2. Schulhoff 29. 2. Seidl (München) 21. 2. Dr. Serres 21. 2. Seuffert 21. 2. Spitzmüller 21. 2. Dr. Starke 21. 2. Dr. Stoltenberg 21. 2. Storch* 21. 2. Frau Strobel* 21. 2. Dr. Supf 21. 2. Theis 29. 2. Verhoeven 21. 2. Dr. Vogel 22. 2. Wächter 21. 2. Weber (Georgenau) 21. 2. Wegener 29. 2. Weinzierl 22. 2. Wellmann 22. 2. Frau Welter (Aachen) 29. 2. Werner 21. 2. Dr. Wuermeling 22. 2. Frau Zimmermann (Brackwede) 21. 2. b) Urlaubsanträge Höhne 21. 3. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Dr. Friedrich Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, für die Fraktion der SPD den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes — Drucksache IV/ 1896 — zu begründen.
    Es ist nicht häufig, meine Damen und Herren, daß die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes einbringt. Wir tun es nur, wenn die Verhältnisse sich so gewandelt haben, daß wir davon ausgehen können, daß eine Verfassensbestimmung nicht mehr ihrem Sinn und Zweck gemäß durchgeführt werden kann, so wie sie ursprünglich gemeint war. Wir tun es nach sehr sorgfältiger Vorberatung. Und so haben wir auch diesen Gesetzentwurf sehr sorgfältig mit unseren politischen Freunden, in den Ländern insbesondere, die von der Regelung des Art. 29 betroffen sind, beraten.
    Ich sage das hier von vornherein, weil ich manchen Gerüchten entgegenwirken will, die da meinen, es sei ein gezielter Länderentwurf, und auch dem entgegenwirken will, was augenblicklich so in der Diskussion ist: daß diese Frage ein Teil des Landtagswahlkampfes in Baden-Württemberg sei. Das darf sie nicht sein. Meine Damen und Herren, hier geht es um eine ganz grundsätzliche Frage der Neugliederung innerhalb des Bundesgebietes. Ich bedauere, daß es zeitlich mit dem Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg zusammenfällt; ich will in der Begründung von vornherein mein Teil dazu beitragen, daß wir hier nicht einen verlagerten Landtagswahlkampf erleben.
    Sie kennen alle, meine Damen und Herren, den Artikel 29 Abs. 1; ich brauche ihn hier wörtlich nicht zu zitieren. Der Artikel 29 Abs. 1 baut darauf auf, daß der Verfassunggeber das Volk ist. Diese Verfassung und diese Bundesrepublik sind nicht durch Ländervereinbarung zustande gekommen. Der Absatz 1 gibt dem Bundestag, und nur dem Bundestag, die letztliche politische Verantwortung und Entscheidung darüber, wie die Länder innerhalb der Bundesrepublik gestaltet sein sollen. Der Bundesrat wird zustimmen, aber er muß nicht zustimmen. Es ist keine Bestimmung vorgesehen, nach der es ein zustimmungsbedürftiges Gesetz ist. Durch die Neugliederung sollen Länder geschaffen werden, wie es hier heißt, „die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können". Diese Aufgabe hat der Bundesgesetzgeber bislang nicht in Angriff genommen. Sie beschäftigt uns heute nicht, denn es gibt einen Abs. 2 in diesem Art. 29, und darin wird darauf Bedacht genommen, daß in der Nachkriegszeit durch Anordnungen der Besatzungsmächte Länder entstanden sind, zum Teil willkürlich entstanden sind, ohne daß die Bevölkerung selbst dazu etwas sagen konnte. Deshalb soll nach Abs. 2 Satz 3 und 4 des Art. 29 diese Frage im Rahmen der Aufgabe des Abs. 1 geregelt werden. Es heißt in Abs. 2:
    In Gebietsteilen, die bei der Neubildung der Länder nach dem 8. Mai 1945 ohne Volksabstimmung ihre Landeszugehörigkeit geändert haben, kann binnen eines Jahres nach Inkrafttreten des Grundgesetzes durch Volksbegehren eine bestimmte Änderung der über die Landeszugehörigkeit getroffenen Entscheidung gefordert werden. Das Volksbegehren bedarf der Zustimmung eines Zehntels der zu den Landtagen wahlberechtigten Bevölkerung.
    Auf Grund dieser Bestimmung sind in fünf Gebietsteilen zunächst Volksbegehren durchgeführt worden.
    Ich darf noch folgendes einfügen. Zwischen Abs. 1 und Abs. 2 fügt sich die Bestimmung des Art. 118 des Grundgesetzes. Art. 118 sagt, daß eine Sonderregelung, und zwar eine Übergangssonderregelung für die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern in der Weise zu schaffen ist, daß sie vereinbaren können, wie sie sich ihre staatliche Neuordnung vorstellen, oder daß diese Neuordnung durch Bundesgesetz erfolgen kann. Sie wissen, daß diese Neuordnung durch Bundesgesetz erfolgt ist; und nur weil so



    Dr. Schäfer
    manches darüber gesagt wird, darf ich hier feststellen, daß ,das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil -vom 30. Mai 1956 festgestellt hat, daß das Land Baden-Württemberg verfassungsmäßig zustande gekommen ist. Es steht also nicht zur Debatte, daß das Land Baden-Württemberg verfassungsmäßig oder nicht verfassungsmäßig zustande gekommen sei, sondern es stehen nur der Abs. 2 und die Auswirkungen, die sich daran knüpfen, zur Debatte.
    Ich sagte schon, daß in einigen Landesteilen Volksbegehren durchgeführt worden sind. Wir können sie nur alle gleichermaßen betrachten. In der Zeit vom 6. bis 22. April 1956 wurden in den Ländern Rheinland-Pfalz und Niedersachsen Volksbegehren durchgeführt. Folgende Volksbegehren waren erfolgreich: im Gebietsteil Montabaur mit 25,3 %, im Gebietsteil Rheinhessen mit 20,2%, im Gebietsteil Schaumburg-Lippe mit 15,3%, im Gebietsteil Koblenz-Trier mit 14,1 % und im Gebietsteil Oldenburg mit 12,9 %.
    Im Gebietsteil Baden fand zunächst kein Volksbegehren statt; denn der Bundesinnenininister hatte den Antrag des Heimatbundes Badenerland auf Durchführung eines Volksbegehrens mit Entscheid vom 24. Januar 1956 abgelehnt. Gegen diesen Bescheid wandte sich der Heimatbund Badenerland mit einer Verfassungsbeschwerde. Das Verfassungsgericht hat dann in dem bereits angeführten Urteil vom 30. Mai 1956 den Bescheid des Bundesministers des Innern vom 24. Januar aufgehoben und seinerseits ,die Durchführung ides vom Heimatbund Badenerland beantragten Volksbegehrens angeordnet. Das daraufhin in den Gebietsteilen Badens in der Zeit vom 3. bis 16. September 1956 durchgeführte Volksbegehren war mit 15,1 % Eintragungsergebnis erfolgreich. Wir haben es also mit sechs Gebietsteilen zu tun, die von der Bestimmung des Art. 29 Abs. 2 des Grundgesetzes Gebrauch gemacht haben, und wir haben uns nun mit diesen sechs Gebietsteilen zu beschäftigen. Dabei sind wir der Auffassung, daß sie den Anspruch haben, gleichbehandelt zu werden.
    Art. 29 des Grundgesetzes war zunächst durch die Besatzungsmächte suspendiert. Er trat also erst am 5. Mai 1955 in Kraft. Art. 29 kennt einige ausdrückliche Fristen, so die Bestimmung, daß diese Volksbegehren innerhalb eines Jahres durchgeführt werden müssen, daß, wie Abs. 6 sagt, die Neugliederung innerhalb von drei Jahren durchgeführt werden muß und daß bei Hinzukommen anderer Teile Deutschlands die sich daraus ergebenden Fragen innerhalb von zwei Jahren geregelt werden müssen. Ich lege Wert darauf, diesen Grundsatz festzuhalten; denn wenn wir Sozialdemokraten eine Verfassungsänderung vorlegen, bemühen wir uns, Grundgedanken der Verfassung zu erhalten

    (Beifall bei der SPD)

    und sie nur weiterzuentwickeln, soweit es unbedingt erforderlich ist. Ich lege auch deshalb Wert darauf, weil wir, wie Sie ja wissen, in unserem Gesetzentwurf ebenfalls Fristen genannt haben.
    Schon Art. 29 des Grundgesetzes nennt Fristen, und es ist sehr einfach zu erklären, warum dort
    Fristen genannt sind: man will Ruhe in den Ländern haben, man will nicht den dauernden, immerwährenden Wahlkampf, man will die Aufbauarbeit der Länder sichern.

    (Zustimmung des Abg. Schmitt-Vockenhausen.)

    Es soll eine gewisse Übergangszeit da sein, in der sich die Bevölkerung — und das betone ich jetzt schon — entscheiden soll, welche Gebietszugehörigkeit sie letztlich wünscht.
    Um dies nun entsprechend der Bestimmung des Grundgesetzes in die Tat umzusetzen, hat das Land Hessen im November 1958 das Bundesverfassungsgericht angerufen, um im Klagewege die Einbringung eines Gesetzentwurfs über die Neugliederung des Bundesgebiets zu erzwingen. Das Bundesverfassungsgericht hat durch Urteil vom 11. Juli 1961 die Klage sowie die eingelegte Verfassungsbeschwerde in formeller Hinsicht wegen fehlender Klagerechtsvoraussetzung für nicht zulässig erklärt, in der Sache selbst aber ausdrücklich festgestellt, daß die Neugliederung des Bundesgebietes ohne Rücksicht auf die Wiedervereinigung Deutschlands und die Angliederung des Saargebiets zu vollziehen sei, um — auf das Nächste kommt es mir an — der Bevölkerung in den Gebietsteilen mit erfolgreichen Volksbegehren nunmehr Gelegenheit zu geben, über ihre endgültige Landeszugehörigkeit zu befinden. Das ist der derzeitige Stand. Das Bundesverfassungsgericht — es ist bedauerlich, daß es in dieser Frage so oft in Anspruch genommen werden muß; wir wollen wirklich alles tun, daß nicht noch einmal ein Verfahren anhängig wird —

    (Beifall bei der SPD)

    hat in dem bereits angeführten Urteil vom 30. Mai 1956 festgestellt, daß es bei Vorliegen einer Gesamtkonzeption für die Neugliederung des Bundesgebiets durchaus möglich sei, im Wege der Einzelgesetzgebung die Neugliederung phasenweise durchzuführen.
    Unter Zugrundelegung dieser Entscheidung und unter Beachtung der bislang geltenden Verfassungsbestimmung des Art. 29 hat die Bundesregierung den Entwurf eines ersten Neugliederungsgesetzes am 7. Dezember 1962 vorgelegt, und dieser Entwurf eines ersten Neugliederungsgesetzes entspricht der bestehenden Verfassungsrechtslage. Die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs fand am 15. März 1963 im Bundestag statt. Der Gesetzentwurf ist, wie ich schon sagte, die folgerichtige Durchführung des Art. 29 des Grundgesetzes. Die Regierung des Landes Baden-Württemberg, damals hier im Hause vertreten durch ihren Innenminister Herrn Filbinger, hat sich zu diesem Gesetzentwurf bekannt. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat sich durch ihren damaligen Sprecher, Herrn Dr. Möller, ebenfalls zu der Möglichkeit der Zustimmung zu diesem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf bekannt.
    Es wurden dann weitere Gesetzentwürfe vorgelegt, da die badische Frage die besonders drängende ist, was durchaus anzuerkennen ist, und da die



    Dr. Schäfer
    Möglichkeit der phasenweisen Durchführung dem durchaus Rechnung tragen kann. Weitere Gesetzentwürfe haben dann vorgelegt Herr Dr. Kopf, Herr Dr. Güde und Genossen. Dabei handelt es sich um einen Gesetzentwurf, bei dem man einige verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich des § 1 und des § 13 dieses Entwurfs vorbringen muß. Die dort vorgesehene Alternativfragestellung wird sich auf Grund der bestehenden Verfassungsrechtslage kaum ermöglichen lassen. Es wird sich auch nicht ermöglichen lassen — entschuldigen Sie, meine Herren —, die Formulierung des § 13 so überklug zu wählen, daß nach Ausgliederung der Gebietsteile Baden das Land Baden-Württemberg erhalten bleibt. Es besteht nahezu Einstimmigkeit, daß bei einem solchen Gesetzentwurf auch die Württemberger dazu gehört werden müßten, und das will man nun von keiner Seite.
    Die Landesregierung Baden-Württemberg, die sich in diesem Hohen Hause zu dem Gesetzentwurf bekannt hatte, hat später zu erkennen gegeben, daß sie auch Überlegungen anstelle, eine Grundgesetzänderung vorzuschlagen. Aber ein Gesetzesantrag über den Bundesrat wurde nicht eingereicht. Auch eine Gesetzesinitiative von Kollegen, die sich diese Auffassung zu eigen machen würden, ist bis heute vormittag in diesem Hohen Hause nicht erfolgt. Die Vorlage, die uns heute vormittag gegeben wurde, unterscheidet sich noch in wesentlichen Punkten von der Vorlage der Landesregierung Baden-Württemberg.
    Diese Vorlage der Landesregierung Baden-Württemberg wurde in die Diskussion des Rechtsausschusses, dem die beiden ersten Gesetzentwürfe überwiesen wurden, auf die etwas ungewöhnliche Weise eingeführt — ein so wichtiger Gesetzentwurf, der eine Grundgesetzänderung vorsieht, der es also nicht für ausreichend erklärt, die Gesetzentwürfe nur zu beraten! —, daß zwei Abgeordnete der Regierungsparteien sich ihn als Antrag zu eigen machten. Er wurde dann am 5. Dezember 1963 im Rechtsausschuß verteilt und von da an der Beratung im Rechtsauschuß zugrundegelegt. Ich werde auf diesen Antrag nachher noch zurückkommen müssen.
    Heute vormittag ist uns ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion zugegangen. Wir haben der Behandlung hier nicht widersprochen, obwohl es aus Termingründen möglich wäre; denn wir wollen wirklich gar nichts dazu beitragen, daß eine Verzögerung eintritt. Es ist ein bißchen ungewöhnlich, eine Verfassungsänderung über Fragen, die solche Bedeutung haben, am Vormittag der Beratung einzubringen.

    (Abg. Jahn: Das kann man wohl sagen!)

    Ich sagte vorhin: Wir behandeln die Dinge ein bißchen langfristiger. Wir hatten Ihnen im Rechtsausschuß schon angekündigt, daß wir eine Verfassungsänderung in Erwägung ziehen. Wir haben mit den Ländern ausführlich darüber gesprochen. Es ist Ihre Angelegenheit, wie Sie die Dinge behandeln, Herr Kollege Weber.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Der Rechtsausschuß hatte sogar schon im Sinne dieses Antrages beschlossen!)

    — Herr Kollege Weber, wir freuen uns, daß Sie sich — ich werde es nachher ausführen — unseren Gedankengängen wesentlich nähern. Damit haben wir schon einen halben Weg zueinander zurückgelegt. Ich sage bewußt: zueinander zurückgelegt. Ich bin nicht der Auffassung, meine Damen und Herren, daß man Verfassungsänderungen in der Weise machen kann, daß man sich gegenseitig zur Kapitulation auffordert, sondern ich sage bewußt, daß wir uns damit ein Stück Weg gegenseitig schon entgegengekommen sind, und ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß es uns gelingt, Sie zu überzeugen, daß Sie auch noch das letzte Stück Wegs einen guten Teil gehen müssen. Herr Kollege Kanka, ich bin seither gewohnt,. daß Sie objektiven und guten Argumenten zugänglich sind. Sie werden es, hoffe ich, auch in diesem Fall sein und sich nicht verschlossen zeigen. Ebenso habe ich die Hoffnung bei Herrn Weber, auch wenn sein derzeitiges Land Rheinland-Pfalz einbezogen werden muß.
    Nun, meine Damen und Herren, im Rechtsausschuß hat man die Behandlung ausgesetzt. Das ist vernünftig. Wenn wir einen Gesetzentwurf zur Änderung des Art. 29 einbringen, muß ich hier einiges dazu sagen, warum wir den derzeitigen Art. 29 mit Ihnen zusammen nicht mehr für ausreichend halten. Nach unserem Gesetzentwurf gilt erstens: der Auftrag an den Bundesgesetzgeber nach Abs. 1 bleibt unberührt. Unser Gesetzentwurf bezieht sich auf die Regulierung und Bereinigung der Fragen — und dient damit der Beruhigung —, die mit den sechs erfolgreichen Volksbegehren zusammenhängen. Wir meinen, daß sie alle gleichbehandelt werden müssen. Der Verfassungsgesetzgeber kann es sich nicht leisten, eine Einzelbehandlung vorzunehmen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, vor dem Bundesverfassungsgericht wiederum die Aufhebung des Gesetzes zu erleben.
    Sie weisen darauf hin, meine Herren, daß es im Grundgesetz einen Art. 118 gegeben habe. Das ist richtig. Dieser Art. 118 regelt, wie er ausdrücklich sagt, in Abweichung von Art. 29 in einer Übergangsbestimmung die Neugliederung im Südwestraum. Dieser Art. 118 ist verbraucht. Ich darf mich da auf die Ausführungen des Herrn Landesinnenministers Filbinger am 15. März 1963 im Bundestag berufen. Herr Filbinger sagte damals — ich stimme mit ihm voll überein —:
    Die Neugliederungmaßnahmen des Bundes auf Grund des Art. 118 des Grundgesetzes waren damit
    — mit der damaligen Gesetzgebung —
    abgeschlossen, und Art. 118 war für die Zukunft verbraucht. Es war nur noch die Frage, — —

    (Abg. Dr. Hauser: Das steht noch offen!)

    — Ich zitiere Herrn Filbinger. Es steht Ihnen frei, sich mit Herrn Filbinger auseinanderzusetzen. Er ist meiner Meinung. Ich antworte Ihnen aber auch gern, Herr Dr. Hauser. Ich zitiere immer noch:
    Es war nur noch die Frage, ob das Land BadenWürttemberg auch in das Verfahren nach Art.



    Dr. Schäfer
    29 des Grundgesetzes einzubeziehen sei. Diese und nur diese Frage wurde vom Bundesverfassungsgericht in dem Urteil vom Jahre 1956 bejaht.
    Wir sind also der Meinung, Art. 118, so wie er geschaffen wurde, ist verbraucht. Es ist nicht möglich, mit einer Verfassungsbestimmung eine gezielte Einzelregelung für die Durchführung des Volksentscheids in einem der Gebietsteile anzuordnen. Man kann nur eine allgemeine Verfassungsbestimmung treffen, die für alle sechs Gebietsteile gleichermaßen gilt. Man kann aus den Ergebnissen dann die entsprechende Konsequenz ziehen.
    Daraus ergeben sich wieder zwei Fragen. Entweder ist man der Auffassung, daß der Art. 29 in seinem Gedanken, daß die Verantwortung beim Bundestag liegt, voll aufrechterhalten wird, oder man ist der Auffassung, daß dem Plebiszit mehr Bedeutung zugemessen wird, d. h. daß die Entscheidung, die das Volk trifft, konstitutiv wirkt oder mindestens bedingt konstitutiv wirkt. Wenn Sie die sechs Landesteile ansehen, werden Sie mit mir darin einig sein, daß man kleineren Gebieten davon ganz bestimmt nicht das Recht geben kann, von sich aus — in eigener Sache — konstitutiv zu beschließen, daß ein eigenes Land entstehe. Das widerspricht dem Grundsatz des Abs. 1 des Art. 29, den einzuhalten, durchzuführen und zu gewährleisten Aufgabe des Bundestages ist. Man kann also nur eine Regelung treffen, wenn man die Verstärkung des plebiszitären Charakters will, indem man eine bedingt konstitutive Wirkung setzt. Das haben wir in unserem Vorschlag getan. Wir haben erstens die Möglichkeit der fakultativen Frage gegeben. Nach unserem Gesetzentwurf kann die Bevölkerung gefragt werden, ob sie das eine oder ob sie das andere will; sie kann sich darüber frei entscheiden.
    Wir haben, wenn sich die Mehrheit — auf die Mehrheitsverhältnisse komme ich gleich — für die Auflösung eines Landes entscheidet, diese Auflösung in Abs. 4 als zwangsweise Folge vorgesehen. Darin soll es heißen:
    Das Bundesgesetz nach Absatz 3 darf von dem
    Ergebnis des Volksentscheides nur abweichen,
    soweit dies durch Absatz 1 geboten ist und
    — wir sichern das noch einmal besonders —
    wenn die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zustimmt.
    Die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages muß also auch einem solchen Abweichen zustimmen.
    Wir meinen, daß die ursprüngliche Konzeption des Verfassunggebers, mit einem Wurf solle das ganze Bundesgebiet neugegliedert werden, derzeit nicht durchführbar ist und daß es darauf ankommt, in den sechs Gebietsteilen eine Regelung und Beruhigung zu erreichen, wobei dem Volk selbst letztlich die Entscheidung übertragen werden soll.
    Wir freuen uns, daß Sie sich in dem Antrag, den Sie heute morgen vorgelegt haben, uns insoweit weitgehend nähern, wenn Sie auch offenbar der Meinung sind, daß Sie verfassungsmäßig eine Sonderregelung für Baden-Württemberg schaffen könnten. Meine Damen und Herren, diese Sonderregelung ist ein Kuriosum, da Sie eine Verfassungsbestimmung hier durch eine Einzelverfassungsergänzung wollen. Wir sind dagegen der Meinung, daß hier eine wirkliche Verfassungsänderung erforderlich ist.
    Es ist die Frage, wie abgestimmt werden soll. Der Entwurf, wie er von der Stuttgarter Landesregierung vorgelegt wurde und wie er nach wie vor im Rechtsausschuß zur Debatte steht — ich habe bisher keinen gegenteiligen Antrag in die Hände bekommen —, sieht vor, daß sich mindestens 50 % der Wahlberechtigten an einer solchen Wahl überhaupt beteiligen müssen und daß sich davon die Mehrheit — mindestens 25 % — dafür entscheiden muß.
    Diese Regelung ist nicht befriedigend; denn mit ihr wird die Entscheidung dem Teil der Bevölkerung zugeschoben, der nicht zur Wahl geht. Wenn man zur Wahlenthaltung aufforderte und sich 51 % gleichgültig zeigten, wäre die Prämiierung des Gleichgültigen in die Verfassung aufgenommen. Man kann es doch in einer Demokratie schlechterdings nicht prämiieren, daß diejenigen die Entscheidung treffen, die sich nicht entscheiden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Um was kämpfen wir denn die ganze Zeit? Wir kämpfen doch darum, daß sich der Bürger zu seinen Fragen bekennen und den Mut haben soll, Entscheidungen zu treffen. Dann kann man doch nicht einen Gesetzentwurf vorlegen und sich zu eigen machen und im Rechtsausschuß vorläufig nahezu entscheiden, der den Trägen, den Uninteressierten die Entscheidung zuschiebt.
    Wir meinen — und wir meinen es damit sehr ernst —, daß in diesen Gebieten, in denen sich das Volk bislang nicht entscheiden konnte und nunmehr eine Entscheidung getroffen werden soll, eine echte Auseinandersetzung über Ja oder Nein erfolgen muß, daß man nicht so weiterwurstelt und insgeheim doch dagegen opponiert. Dann soll sich eine klare Mehrheit dafür oder dagegen entscheiden, und dann sollen für die Zukunft klare Entscheidungen vorliegen.
    Wir Sozialdemokraten als Südweststaatanhänger wollen einen großen klaren Wahlkampf in diesem Lande Baden-Württemberg, nicht jetzt in der Landtagswahl, sondern in dem Bekenntnis zum Lande Baden-Württemberg.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Wir meinen, daß das nicht mit 40 % Wahlbeteiligung abzutun ist. Wir meinen vielmehr, daß sich alle Parteien, vor allem diejenigen, die in Stuttgart derzeit die Regierung tragen, die CDU und die FDP, und nicht nur die Opposition in Stuttgart um die Erhaltung dieses Landes bemühen müssen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Dieses Land ist nämlich in dieser Form gut. Dieses Land entspricht dem Absatz 1. Dieses Land hat die beste Form, die man sich wünschen kann.

    (Zustimmung bei der SPD.)




    Dr. Schäfer
    Das ist unsere Meinung. Gerade weil wir Sozialdemokraten für dieses Land Baden-Württemberg eintreten, sind wir dagegen, daß man sich im Wege der Rückversicherung schon vorweg eine Wahlentscheidung erarbeiten will. Der Entwurf, der im Rechtsausschuß behandelt wird, ist doch gar nichts anderes als ein Eingeständnis der Schwäche, daß man sich gar nicht traut, in eine öffentliche Auseinandersetzung zu gehen und die Leistungsfähigkeit und die außerordentlich gute Form des Südweststaates gegenüber der badischen Bevölkerung zu propagieren und zu behaupten und sie zu überzeugen, daß diese Form richtig ist. Das ist keine gute Sache. Es entspricht nicht einer demokratischen Gepflogenheit, wenn man Wahlentscheidungen dieser Art sucht. Wahlentscheidungen sucht man, indem man selber um das Richtige kämpft und seine Entscheidung nicht dadurch ermöglicht, daß man indirekt zur Wahlenthaltung aufrufen muß.
    Aber wie sieht unser Entwurf aus? Wir sagen: mehr als die Hälfte, die Mehrheit, mindestens jedoch 25 %. Was bedeutet das? „Mehr als die Hälfte" bedeutet: wir wollen eine hohe Wahlbeteiligung. Bei 70 % Wahlbeteiligung müssen 35 % plus 1 % für die Auflösung stimmen. Also müssen auch diejenigen, die dieses Land verteidigen, daran interessiert sein, in den Wahlkampf zu gehen, um diejenigen, die ja dazu sagen, zu mobilisieren. So wollen wir es überall. So wollen wir überall ein positives Bekenntnis, Herr Weber. Auch für Rheinland-Pfalz können Sie und werden Sie darum kämpfen. Es wäre für den Bestand des Landes Rheinland-Pfalz sehr tunlich, wenn Sie eine solche positive Äußerung von der Bevölkerung erlangen könnten. Es wäre gut. Ob Sie es können? Anscheinend haben Sie Ihre Sorge. Das ist Ihre Sache.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Das steht hier gar nicht zur Debatte!)

    Immerhin, meine Damen und Herren, ist beachtlich, daß sich in den Gebietsteilen, die zu Rheinland-Pfalz gehören, 25 % beim Volksbegehren eingezeichnet haben, in Baden nur 15 %. Da sagen Sie mir einmal, wo es vordringlicher ist, ob dort, wo sich 15 %, oder dort, wo sich 25 % dazu bekannt haben!

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir meinen also, daß die Entscheidung, von der die Badener behaupten, daß sie 1950 und 1951 nicht gefallen ist, auf diese Weise nachgeholt werden muß. Ich habe den Altbadenern gesagt, daß sie mich im Wahlkampf um die Behauptung dieses Landes wiedersehen werden und daß ich sehr heftig gegen ihre Bestrebungen kämpfen werde. Aber weil wir die Erhaltung des Landes Baden-Württemberg wünschen, müssen wir um so gewissenhafter und korrekter das Recht der badischen Bevölkerung, das ihr die Verfassung gibt, respektieren. Es war ein erfolgreiches Volksbegehren, also hat man einen Volksentscheid herbeizuführen, also muß man auch den Mut haben, sich für das eine, den alten Artikel 29, oder für den neuen zu entscheiden, aber nicht ein Quorum zu schaffen, das eine Schwäche und eine Rückversicherung ist. Ich ersehe jetzt, Herr Ministerpräsident Kiesinger, aus Zeitungsnachrichten, daß Sie sagen, über das Quorum könnten wir reden. Na schön, sind wir schon wieder einen halben Schritt weiter. Ich sprach vorhin von einem ganzen Schritt. Wenn wir darüber auch noch reden können, kommen wir im Endergebnis vielleicht doch noch zu einer guten Sache, 25 %, sagten wir, müssen sich auf jeden Fall dafür entscheiden.
    Meine Damen und Herren, das ist eine Hilfe gegen die Wahlenthaltung. Wenn nämlich nur 40 % zur Wahl gehen und man ein Quorum hat — 50 % müssen es auf jeden Fall sein —, dann können sich 35 % dafür entschieden haben, und es ist ergebnislos, weil die Neinsager, die sich Enthaltenden, die Mehrheit bilden. Das ist eine Sicherung. 25 % „Aktivbürger" — will ich jetzt einmal sagen —, also Bürger, die sich aktiv für eine Änderung des bestehenden Zustandes einsetzen, sind schon eine so beachtliche Größenordnung, daß man ihr politisch Rechnung tragen muß. Und so meinen wir, daß es richtig ist, in der Verfassung zu sagen: Das Volk ist mündig, und wenn das Volk mit mindestens 25 %, aber mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen sich entscheidet, dann hat der Bundesgesetzgeber dem Rechnung zu tragen.
    Wir meinen aber auch, daß nicht durch die Zufälligkeit, daß nur in einigen Gebieten Volksbegehren durchgeführt wurden — Herr Süsterhenn und Herr Weber, ich denke jetzt an Rheinland-Pfalz —, ein solches Land kurzerhand aufgehoben werden kann. Wenn in Montabaur und Rheinhessen daraufhin Volksentscheide durchgeführt werden, wird man nicht umhinkönnen, auch die Pfälzer zu fragen, was sie wollen, weil nämlich auch ihre Zugehörigkeit da mitbetroffen wird. Das sagen wir im zweitletzten Satz des Abs. 4. Wir sagen aber dann: Wenn der verbleibende Teil lebensfähig im Sinne des Abs. 1 ist, ist eine solche Abstimmung nicht notwendig.
    Um es auf das lebendigste Beispiel anzuwenden: wenn das badische Volksbegehren erfolgreich ist, dann ist Württemberg auch ohne Baden lebensfähig und Baden auch ohne Württemberg lebensfähig. Hier sind zwei Lebensfähige zusammengekommen, und deshalb kann man von vornherein der Bevölkerung selber mehr an Entscheidung zubilligen. Nach unserem Dafürhalten und nach dem Luther-Gutachten würden beide Teile der Anforderung des Abs. 1 genügen.
    Meine Damen und Herren, es geht uns um die Gesamtbereinigung, und deshalb haben wir, wie es auch das Grundgesetz in seinem ursprünglichen Art. 29 getan hat, Fristen genannt. Sie meinen, wie ich schon verschiedentlich hörte, das sei sehr schwierig. Ich sehe gar keine Schwierigkeit. Ich sehe nur eine Erleichterung darin, wenn die Verfassung selbst vorschreibt: Bis zu dem und dem Zeitpunkt muß das bereinigt werden. Und wenn ein Volksentscheid im Sinne der Auflösung positiv ist, — ja, glauben Sie, daß dann noch jemand Interesse hat, die Dinge zu erörtern? Glauben Sie nicht auch, daß es dann wirklich vernünftig ist, sehr schnell ein Gesetz über die Trennung zu erlassen und durchzuführen?
    Wenn ich mir, meine Damen und Herren — das darf ich zum Abschluß sagen —, die ganze Dis-



    Dr. Schäfer
    kussion der letzten Jahre um Baden-Württemberg — dort hat es sich besonders entzündet — ansehe, finde ich einige Gedanken, die in dem von uns vorgeschlagenen neuen Art. 29 ihren Niederschlag gefunden haben, in früheren Ausführungen von Herren aus der CDU wieder. Deshalb haben wir die Hoffnung, daß Sie unseren Gesetzesvorschlag sehr gewissenhaft prüfen und daß Sie sich überlegen werden, daß eine Annahme des von Ihnen vorgeschlagenen Art. 118 mit größter Wahrscheinlichkeit zu einem neuen Verfassungsgerichtsstreit führen würde, der zur Folge hätte, daß die ganze Angelegenheit wieder um Jahre verzögert würde. Wir aber sind der Meinung, daß in allen diesen Gebieten Ordnung und Ruhe einkehren sollen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU hat Herr Professor Süsterhenn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Adolf Süsterhenn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Schäfer hat seine Ausführungen damit begonnen, daß er sich gegen die Unterstellung verwahrte, der hier vorliegende Antrag der SPD-Fraktion auf Änderung des Art. 29 des Grundgesetzes sei in Wiesbaden geboren und verfolge kraft des Genius loci, des Geburtsortes, auch besondere Tendenzen. Ich weiß nicht, wem gegenüber er es für notwendig
    hielt, diese Feststellung ausdrücklich zu treffen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Ich habe sie ja gar nicht getroffen!)

    Ich jedenfalls beabsichtige nicht, mich auf diesen von dem Herrn Kollegen Schäfer eingeschlagenen Weg zu begeben, und dazu kann mich auch die Tatsache nicht veranlassen, daß der Herr Kollege Dr. Schäfer es für notwendig hielt, den aus dem Lande Rheinland-Pfalz stammenden Abgeordneten Dr. Weber trotz dieser Landeszugehörigkeit zu einer besonderen Objektivität und Sachlichkeit zu ermahnen. Ich kann Ihnen versichern, daß Sie dieselbe Objektivität und Sachlichkeit bei der Behandlung dieses Themas, wie Sie sie ja doch auch bei dem Herrn Kollegen Weber letzten Endes so zwischen den Zeilen voraussetzten, von mir erwarten dürfen.
    Als Beweis für diese Sachlichkeit und für den Willen zu einer objektiven Behandlung des Problems darf ich zunächst einmal die generelle Feststellung treffen, daß ich die historische Darstellung über den Werdegang des Art. 29 und seiner Behandlung in den verschiedenen Phasen und über den historischen Werdegang und die Behandlung des Art. 118 nahezu restlos akzeptieren kann. Es erscheint mir nur wichtig, folgendes noch hinzuzufügen, und zwar zunächst in bezug auf die präkonstitutionelle Zeit, als es noch keinen Parlamentarischen Rat, kein Grundgesetz, keine Bundesrepublik, ja, als es noch nicht einmal einen Verfassungskonvent von Herrenchiemsee gab. Schon damals, auf den Konferenzen der Ministerpräsidenten bei den Vorbereitungen für die Zusammenkunft des Parlamentarischen Rates, spielte dieses Problem, das materiell in Art. 29 enthalten ist, und ebenso das Problem des Art. 118 in den verfassungsvorbereitenden Diskussionen bereits eine erhebliche Rolle. Die Konferenz der Ministerpräsidenten hat auch mit den Militärgouverneuren wiederholt über die Sachproblematik des Art. 29 und des Art. 118 verhandelt, und in all den Verhandlungen vor dem Werden des Bonner Grundgesetzes, bei der Beratung des Bonner Grundgesetzes, bei der Formulierung der Artikel des Grundgesetzes, bei der späteren gesetzgeberischen Durchführung und Verwirklichung dieses Problemkreises ist immer wieder scharf und klar zwischen dem Art. 29 und dem Art. 118 unterschieden worden.
    Diese Unterscheidung war nicht etwa eine willkürliche, sondern sie beruhte auf folgender Erkenntnis, die auch in präkonstitutionellem Stadium von allen Beteiligten nicht bestritten wurde. Diese Erkenntnis bestand in folgendem. Das, was die Besatzungsmächte im Südwestraum gemacht haben, indem sie die zwei alten Länder Baden und Württemberg zerrissen und daraus drei Länder bildeten, wurden von allen, auch von den Südbadenern und auch von dem manchmal so viel gelästerten Herrn Wohleb grundsätzlich abgelehnt. In all den Diskussionen stand überhaupt nur die Frage zur Entscheidung: Wie soll diese Dreiteilung des Südwestraums beseitigt werden; entweder durch die Zusammenfassung der drei Länder zu einem Staat, zum Südweststaat, zum jetzigen Lande Baden-Württemberg, oder durch die Wiederherstellung der beiden alten Länder Baden und Württemberg.
    Diese Fragestellung war für alle Beteiligten selbstverständlich, und es war auch selbstverständlich, daß sowohl die Lösung Baden-Württemberg wie die Wiederherstellung der beiden alten Länder Baden und Württemberg dem Richtbegriff des Art. 29 Abs. 1 entsprach, so daß man sich also um diese speziellen Dinge eigentlich gar nicht mehr zu kümmern brauchte. Es ist ja interessant, daß beispielsweise auch der Luther-Ausschuß, also der von der Bundesregierung eingesetzte SachverständigenAusschuß zur Neugliederung des Bundesgebietes — dessen stellvertretender Vorsitzender zu sein ich immerhin einige Jahre die Ehre hatte —, fast einstimmig in seinem Gutachten festgestellt hat, daß sowohl die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Landes Baden-Württemberg als auch die Teilung des Landes Baden-Württemberg und die Wiedererrichtung der beiden alten Länder im wesentlichen den Richtbegriffen des Art. 29 Abs. 1 — und zwar in vollem Umfange — entsprechen würde. Infolgedessen ist festzuhalten — darin stimmen wir vollständig überein, Herr Kollege Schäfer; es freut mich, unter zahlreichen sonstigen Übereinstimmungen auch diese feststellen zu können —, daß von dem Augenblick an, wo dieses Problem erörtert wurde, die scharfe isolierte Trennung und Sonderbehandlung der Südwestraum-Frage von allen Beteiligten seit dem Jahre 1947, seit den Ministerpräsidentenkonferenzen, die damals zusammengetreten waren, bis auf den heutigen Tag immer bewußt hervorgehoben worden ist.



    Dr. Süsterhenn
    Ich möchte hier schon einmal sagen: Die von Herrn Kollegen Schäfer geäußerte Befürchtung, eine Sonderbehandlung des Falles Baden-Württemberg, wie sie in dem Antrag der CDU/CSU vorgeschlagen ist — daß nämlich die Wiederinkraftsetzung durch eine ergänzende Neuformulierung des Art. 118 dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen könne und vom Verfassungsgericht eventuell beanstandet werden könne —, wird durch die ganze historische, politische und juristische Entwicklung der Sachproblematik widerlegt.
    Nun die Frage: Ist Art. 118 verbraucht? Sie haben in Übereinstimmung mit dem Herrn Innenminister Filbinger, den Sie zitiert haben, diesen Standpunkt vertreten. Aber Herr Kollege Dr. Hauser hat den Zwischenruf gemacht: Die Sache steht nicht fest.
    Meine Damen und Herren, es ließe sich manches Interessante zu dieser Frage vom Standpunkt des Staatsrechts aus sagen. Aber ich glaube, wir wollen darauf verzichten. Weil wir von der CDU/CSU die Dikussion dieses Problems überhaupt gar nicht aufkommen lassen wollten, haben wir einen Antrag auf Verfassungsänderung gestellt. Art. 118 soll neu gefaßt werden im Wege einer Verfassungsänderung oder Verfassungsergänzung. Auf diese feinen Unterschiede will ich mich im Augenblick nicht einlassen, das mag der Ausschußbehandlung überlassen bleiben. Jedenfalls ist das kein Vorschlag, von dem man sagen könnte, daß hier willkürlich und ohne einen vernünftigen und gerechten Grund differenziert würde zwischen der Lösung des SüdwestraumProblems und den Lösungen der anderen Probleme im übrigen Bundesgebiet, wie es sich aus der Anwendung und Verwirklichung des Art. 29 ergibt.
    Befürchten Sie nicht, meine Damen und Herren, daß ich hier die Interessen des Landes Rheinland-Pfalz vertreten werde, sondern ich nehme, da ich mich bemühe, objektiv zu sein, den Text des Antrages der SPD-Fraktion so, wie er vor uns liegt. Dazu möchte ich folgendes sagen:
    In Art. 29 Abs. 3 des SPD-Entwurfs heißt es:
    Ist ein Volksbegehren nach Absatz 2 zustande gekommen, so ist in dem betreffenden Gebietsteil bis zum 31. März 1965 ein Volksentscheid über die angestrebte Änderung der Landeszugehörigkeit durchzuführen. Stimmt eine Mehrheit, die mindestens ein Viertel der zum Landtag wahlberechtigten Bevölkerung umfaßt, der Änderung zu, so ist die Landeszugehörigkeit des betreffenden Gebietsteiles durch Bundesgesetz innerhalb eines Jahres ... zu regeln.
    Und jetzt kommt Abs. 4:
    Das Bundesgesetz nach Absatz 3 darf von dem Ergebnis des Volksentscheides nur abweichen, soweit dies durch Absatz 1 geboten ist
    — also durch die Richtbegriffe des Art. 29 Abs. 1 —
    und wenn die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zustimmt. ...
    Meine Damen und Herren, Herr Kollege Schäfer hat mit Recht hier bereits von der konstitutiven — nicht nur präjudizierenden — Wirkung eines sol-
    chen Volksentscheids gesprochen. Nehmen Sie einmal an, in irgendeinem kleinen Gebietsstreifen haben vielleicht 100 000 oder 200 000 Wahlberechtigte — so viel kommen nach meiner Kenntnis der Verhältnisse, wenn wir vom Sonderfall Südwestraum Baden absehen, überhaupt nirgendwo in Frage
    — beim Volksentscheid konstitutionell festgestellt

    (Abg. Dr. Schäfer meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — ich bin sofort mit einer Frage einverstanden, wenn ich nur erst einmal diesen Satz zu Ende sagen darf —: Der Landesteil X wird von dem gegenwärtigen Land Y abgetrennt. Dieser Volksentscheid wird von vielleicht 100 000 Wahlberechtigten ausgeübt. Er ist dann für den- Deutschen Bundestag, für die Organe der Gesetzgebung, bindend und kann vom Bundestag nur noch mit qualifizierter Mehrheit, nämlich mit den Stimmen der Mehrheit seiner Mitglieder, überwunden werden. Damit dankt der Bundestag ab und hört auf, der verantwortliche Gesamtordner und •Gesamtplaner dieser wichtigen Aufgabe des Art. 29 zu sein, und überträgt dieses Recht — allerdings noch mit einer qualifizierten Mehrheit revisibel — zunächst einmal einer kleinen Anzahl von Menschen, die sich in irgendeinem Grenzgebiet im Wege eines Volksentscheids für die Abtrennung dieses Grenzgebietes aussprechen.
    Bitte, Herr Kollege Schäfer!