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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 112. und 113. Sitzung Bonn, den 7. Februar 1964 Inhalt: 112. Sitzung Erweiterung der Tagesordnung . . . . 5141 A Fragestunde (Drucksachen IV/1889, IV/1884) Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Vorstellungen gegen Erörterungen im 2. Untersuchungsausschuß Höcherl, Bundesminister . . . . 5141 C, D, 5142 A, B, C, D, 5143 A, B Dr. Müller-Emmert (SPD) 5141 D, 5142 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 5142 A, B, 5143 A Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 5142 B Erler (SPD) . . . . . . . . 5142 C, D Jahn (SPD) 5142 D Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Mitteilungen über angebliche Vorstellungen gegen Erörterungen im 2. Untersuchungsausschuß Höcherl, Bundesminister . . 5143 B, C, D, 5144 A, B Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . 5143 B, C Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . 5143 C, D Dr. Dr. Heinemann (SPD) 5143 D, 5144 A Erler (SPD) 5144 A Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Mitteilung des Bundesministeriums des Innern über die Memoranden der amerikanischen und der britischen Botschaft Höcherl, Bundesminister . . . 5144 B, C, D, 5145 A, B, C, D, 5146 A, B, C, D Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . 5144 B, C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 5144 C, D Dorn (FDP) . . . . 5144 D, 5145 A, B Jahn (SPD) 5145 B Sänger (SPD) 5145 C, 5146 D Dr. Mommer (SPD) . . . . . 5145 C, D Erler (SPD) 5145 D, 5146 A Dr. Schäfer (SPD) 5146 A, B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . 5146 B, C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Schreiben des Bundesministers des Innern an den Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses Höcherl, Bundesminister . 5147 A, B, C, D, 5148 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 5147 A, B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 5147 B, C Dr. Mommer (SPD) 5147 D Erler (SPD) 5147 D II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Veröffentlichungen über den Brief an den Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses Höcherl, Bundesminister . 5148 A, B, C, D, 5149 A, B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 5148 A, B Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . 5148 B, C Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . . . 5148 D Dr. Mommer (SPD) 5149 A Erler (SPD) 5149 B Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Mitteilung des Bundesministeriums des Innern vom 28. Januar 1964 Höcherl, Bundesminister 5149 C Vizepräsident Schoettle 5149 C Frage des Abg. Dr. Schäfer: Weitergabe von Mitteilungen über Vorstellungen der Alliierten Höcherl, Bundesminister 5149 D, 5150 A, B, C Dr. Schäfer (SPD) . . 5149 D, 5150 A, B Jahn (SPD) 5150 B, C Frage des Abg. Dr. Schäfer: Informierung über den Schritt der Alliierten Höcherl, Bundesminister . . . . 5150 C, D, 5151 A, B Dr. Schäfer (SPD) 5150 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 5151 A Frage des Abg. Erler: Weitergabe vertraulicher Anfragen von Botschaften Höcherl, Bundesminister . . 5151 B, C, D, 5152 A, B, C Erler (SPD) . . . . . 5151 C, 5152 A Dr. Schäfer (SPD) 5152 A, B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 5152 A Fragen des Abg. Dr. Ramminger: Abschöpfungsbeträge für Einfuhren von Agrarprodukten Schwarz, Bundesminister 5152 D, 5153 A Dr. Ramminger (CDU/CSU) 5152 D, 5153 A Fragen des Abg. Saxowski: Preise für Rindfleischkonserven Schwarz, Bundesminister . 5153 B, C, D, 5154 A, B Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 5153 C, D Frehsee (SPD) . . . . 5153 D, 5154 A Kurlbaum (SPD) 5154 A Frage des Abg. Leicht: Forschungsinstitut für Rebenzüchtung Geilweilerhof Schwarz, Bundesminister . . . . 5154 B Fragen des Abg. Dr. Rinderspacher: Verringerung der Zahl der Handelsplätze in Südbaden Schwarz, Bundesminister . . . . 5154 D, 5155 A, B Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 5155 A, B Fragen des Abg. Kurlbaum: Preise für Margarine Schwarz, Bundesminister . , 5155 B, C, D, 5156 A Kurlbaum (SPD) . . . . . . . . 5155 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 5156 A Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Diätengesetz 1964) (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/1893) — Erste Beratung — D. Dr. Gerstenmaier, Präsident des Deutschen Bundestages 5156 B, 5168 B Brese (CDU/CSU) . . . 5162 D, 5167 A Dr. von Haniel-Niethammer (CDU/CSU) 5164 A Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU/CSU) 5164 B Zoglmann (FDP) 5165 C Dr. Besold (CDU/CSU) 5166 A Schulhoff (CDU/CSU) 5166 B Scheppmann (CDU/CSU) 5166 D Schultz (FDP) . . . . . . . . 5167 B Dr. Mommer (SPD) 5168 A Wehner (SPD) . . . . . . . 5169 C Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Verringerung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine und einige Teilstücke von Schweinen für Einfuhren in der Zeit vom 15. Februar bis 31. März 1964 (Drucksachen IV/1880, IV/1906) . . 5169 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 III Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über die Dritte Verordnung über die Verringerung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von Eiprodukten (Drucksachen IV/1726, IV/1907) . . . . 5170 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Berufsausbildungsgesetz (Drucksache IV/1748); in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Titels VII Abschnitt III der Gewerbeordnung (Berufsausbildung) (FDP) (Drucksache IV/539) — Erste Beratung — Folger (SPD) 5170 A Schmücker, Bundesminister . . . 5174 B Dr. Imle (FDP) 5176 A Liehr (FDP) . . . . . . . . 5178 C Arndgen (CDU/CSU) . . . . . 5182 C 113. Sitzung Zur GO Dr. Kohut (FDP) 5185 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Titels VII Abschnitt III der Gewerbeordnung (Berufsausbildung) (FDP) (Drucksache IV/539) — Fortsetzung der ersten Beratung — 5173 B Zur GO Dr. Barzel (CDU/CSU) 5185 D Nächste Sitzung 5185 D Anlage 5187 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5141 112. Sitzung Bonn, den 7. Februar 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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      Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5187 Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 8. 2. Arendt (Wattenscheid) 7. 2. Dr. Aschoff 7. 2. Bauer (Wasserburg) 7. 2. Bergmann* 7. 2. Frau Beyer (Frankfurt) 13 2. Dr. Bieringer 7. 2. Dr. Birrenbach 7. 2. Böhme (Hildesheim) 7. 2. Börner 7. 2. Dr. von Brentano 21. 3. Brünen 20. 2. Dr. Burgbacher 7. 2. Corterier 8. 2. Dr. Deist 7. 2. van Delden 16. 2. Ehren 22. 2. Eisenmann 14. 2. Etzel 7. 2. Even (Köln) 29. 2. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 7. 2. Dr. Furler 8. 2. Gaßmann 22. 2. Dr. Götz 7. 2. Freiherr zu Guttenberg 7. 2. Hammersen 7. 2. Dr. Harm (Hamburg) 26. 3. Hauffe 15. 3. Hilbert 8. 2. Höhne 20. 2. Hörauf 1. 3. Dr. Huys 8. 2. Illerhaus * 7. 2. Kahn-Ackermann 7. 2. Kalbitzer 8. 2. Dr. Kempfler 7. 2. Frau Kettig 8. 2. Klinker* 7. 2. Kraus 22. 2. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Kreitmeyer 14. 2. Kriedemann* 7. 2. Lemmer 7. 2. Lenz (Bremerhaven) 15. 2. Lenz (Brühl) * 7. 2. Dr. Löhr 7. 2. Maier (Mannheim) 7. 2. Dr. Mälzig 7. 2. Dr. von Merkatz 7. 2. Merten 7. 2. Mick 7. 2. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 15. 3. Müser 8. 2. Neumann (Allensbach) 7. 2. Opitz 7. 2. Peters (Norden) 7. 2. Dr.-Ing. Philipp 8. 2. Rademacher 7. 2. Rasner 7. 2. Ruland 21. 3. Dr. Schmidt (Offenbach) 7. 2. Schneider (Hamburg) 15. 2. Seibert 7. 2. Seidl (München) 7. 2. Spitzmüller 7. 2. Dr. Stoltenberg 7. 2. Storch* 7. 2. Dr. Süsterhenn 10. 2. Theis 29. 2. Dr. Toussaint 7. 2. Dr. Vogel 7. 2. Weber (Georgenau) 7. 2. Wegener 29. 2. Weinzierl 22. 2. Frau Welter (Aachen) 29. 2. Werner 14. 2. Windelen 7. 2. Wolf 7. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Erwin Folger


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

      Sie finden darin auch die Aufforderung an die Leser, bestimmte Fragen an ihre Abgeordneten zu stellen.
      Nun, auch wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß die Reportage in der Illustrierten strekkenweise oberflächlich ist, daß sie etwas zu sehr dramatisiert, daß sie simplifiziert und daß sie des-halb nicht allzu schwer genommen werden muß. Aber sagen Sie bitte nicht, sie sei überhaupt nicht beachtlich. Es stehen einige richtige Einsichten darin, die wir uns zu Herzen nehmen und überlegen sollten. Ich finde es sogar ganz erfreulich, daß sich eine weitverbreitete Illustrierte einmal nicht mit Soraya oder Farah Dibah oder Romy Schneider oder der Prinzessin Irene beschäftigt, sondern mit einem ernsthaften Lebensproblem unserer Bevölkerung.
      Wenn ich auch zugebe, daß auch die SPD nicht lange und nicht energisch genug hinter der Sache her war, wissen wir uns doch gegenüber dem Vorwurf, nicht aufbegehrt zu haben, frei von Schuld. Der einstimmige Beschluß des Bundestages vom 27. Juni 1962 ist auf Initiative der SPD-Bundestagsfraktion zustande gekommen. Am 29. Januar 1963 haben die Bundesminister für Wirtschaft und für Arbeit dem Herrn Bundestagspräsidenten mitgeteilt, daß ein umfassendes Gesetz in kurzer Zeit nicht erstellt werden könne; der Gesetzentwurf werde zunächst nur die gewerbliche Wirtschaft umfassen können; sie seien bemüht, den Gesetzentwurf vor Beginn der Parlamentsferien vorzulegen. Das wäre der 1. Juli 1963 gewesen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat den Herrn Bundestagspräsidenten damals gebeten, die Bundesregierung darauf aufmerksam zu machen, daß eine solche Mißachtung des Parlaments nicht geduldet werden könne, und ihr einen kurzen Termin für die Vorlage zu stellen. Die SPD hat einige Zeit später eine Kleine Anfrage eingebracht, auf die die Bundesregierung dann geantwortet hat, sie werde den Gesetzentwurf sobald als möglich vorlegen. Da war schon kein Termin mehr genannt, sondern nur noch die vage Formulierung „sobald als möglich" gebraucht. Auf die Reklamation hin haben dann die beiden Bundesminister merkwürdigerweise dem Bundestagsdirektor geschrieben, über den Sachstand berichtet, aber überhaupt kein Versprechen mehr gemacht, wann eine Vorlage erfolge. Deshalb waren wir genötigt, jetzt die Große Anfrage einzubringen.
      Wenn man die wiederholten Begründungen der Bundesregierung liest, warum sie den Entwurf noch nicht habe vorlegen können: weil die Zeit zu kurz sei, wegen der notwendigen Vorarbeiten, der Abstimmungenmit den Ressorts und den Spitzenorganisationen, wegen der Notwendigkeit einer rechtsförmlichen Prüfung, wegen der Komplexität der Materie, dann könnte man meinen, wir hätten die Bundesregierung ganz verblüffend aus heiterem Himmel vor eine schwierige neue Aufgabe gestellt. Dem
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      Folger
      ist gar nicht so. Der alte Ben Akiba hat auch hier wieder recht: es gibt nichts, was nicht schon einmal unter der Sonne war. Die Materie ist schon ewig lange gründlich beraten und vorbereitet worden. Es gibt eine ganze Menge ausgezeichneter Arbeiten darüber, deren sich die Bundesregierung hätte bedienen können.

      (Abg. Diebäcker: Aber noch keiner hat den Stein der Weisen gefunden!)

      — Den Stein der Weisen braucht sie nicht zu finden, Herr Diebäcker. Aber eine gute Vorlage hätte in der Zeit schon gemacht werden können, wenn man sich auf die Vorlagen gestützt hätte, die es auf dem Gebiet schon gibt.

      (Beifall bei der SPD.)

      Ich werde Sie noch an ein paar dieser Vorlagen erinnern. Es hätte möglich sein müssen, wenn schon nicht termingerecht, dann wenigstens ein Jahr später die Vorlage zu machen. Ich muß sagen, wenn bei der Verteidigung auch so langsam gearbeitet worden wäre, dann hätten wir heute noch keine Bundeswehr. Aber wir haben eine, obwohl es bestimmt eine schwere Aufgabe war, die Bundeswehr aus dem Nichts heraus aufzustellen.

      (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist kein Vergleich!)

      Lassen Sie mich die Behauptung, daß die Sache schon lange behandelt worden ist, stichwortartig begründen. Am 5. Juli 1928 haben auf der Drucksache 182 der 4. Wahlperiode des Deutschen Reichstages Dr. Breitscheid und Fraktion den Antrag eingebracht:
      Der Reichstag wolle beschließen, die Reichsregierung zu ersuchen, dem Reichstag baldigst nachstehende Vorlagen zu unterbreiten:
      Da heißt es unter dem Buchstaben c) : Entwurf eines Berufsausbildungsgesetzes. Ungefähr ein Jahr später, am 29. Juli 1929, hatte die Reichsregierung dein Reichstag den Entwurf eines Berufsausbildungsgesetzes nach Zustimmung des Reichsrates und mit einem Gutachten des vorläufigen Reichswirtschaftsrates vom 9. Februar 1929 vorgelegt. Am 2. Dezember 1929 war im Reichstag dann die erste Lesung.
      . Der damalige sozialdemokratische Reichsarbeitsminister Rudolf Wissell, der vor wenigen Monaten gestorben ist, hatte dazu u. a. gesagt, daß die bisherige Reichsgesetzgebung auf dem Gebiet der Berufsausbildung zersplittert, unzulänglich, lückenhaft und zum Teil auch veraltet sei. Als ich vor ein paar Tagen die einschlägigen Reichstagsdrucksachen durchsah, war ich einfach baff darüber, daß damals nahezu wörtlich dasselbe gesagt worden ist, was auch wir bei der Begründung unseres Antrages im Jahre 1962 gesagt haben, ohne daß wir uns die Reichstagsdrucksachen damals vorher angesehen hätten. Diese nahezu geisterhafte Ähnlichkeit kommt deshalb nicht etwa vom Abschreiben, sondern davon, daß 35 Jahre später immer noch derselbe Zustand besteht.
      Der Reichsarbeitsminister Wissell hatte damals darauf hingewiesen, daß der Entwurf gemeinsam mit dem Reichswirtschaftsminister erarbeitet worden sei. Er sei der erste Versuch, das gesamte Gebiet der Berufsausbildung einheitlich zu regeln, mit Ausnahme der Landwirtschaft, für die ein Sondergesetz vorgelegt werden sollte, und mit Ausnahme der Arbeitsverhältnisse zwischen Jugendlichen und ihren Eltern. Von dem bisherigen Verfahren der Einzelregelung für besondere Berufe oder Berufsgruppen sei abgewichen worden. Damit sei aber keine schematische, gleiche Regelung für verschiedenartige Verhältnisse geschaffen. Die ins einzelne gehenden Regelungen blieben den gesetzlichen Berufsvertretungen überlassen.
      Anscheinend hat der damalige Reichsarbeitsminister auch schon gegen die Vorwürfe ankämpfen müssen, daß er oder seine Fraktion oder die Reichsregierung etwas schematisieren oder vereinheitlichen wolle, wie auch uns seit Jahren ständig vorgeworfen wird, wir wollten verstaatlichen, wir wollten schematisch vereinheitlichen, wir wollten — das hat der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Herr Wild, unlängst in einer Zeitung geschrieben — die Vielfalt von Tausenden von Berufen — die es übrigens gar nicht gibt, es gibt 600 — in ein Einheitsschema pressen.
      Die SPD-Fraktion hat bisher gar nichts getan, was einen solchen Vorwurf rechtfertigen würde. Im Gegenteil, wir haben bei jeder Gelegenheit versichert, daß wir selbstverständlich die Möglichkeit offenhalten wollen, die notwendigen Einzelregelungen durch die Träger der Berufsausbildung auch weiterhin durchführen zu lassen. Wir sind der Meinung, daß die ständige Wiederholung dieses Vorwurfs trotz besseren Wissens direkt als bösartig bezeichnet werden muß. Sie kommt uns genauso vor wie der üble Trick, jede Kritik an der Regierung oder an unserer bestehenden Ordnung als kommunistisch abzutun. Wir können uns das nur so erklären, daß da Kräfte am Werk sind, die im trüben fischen wollen und weiter schludern wollen; sonst wäre es einfach nicht möglich, uns wider besseres Wissen dauernd derartige Vorwürfe zu machen.
      Der Geltungsbereich des damaligen Reichstags-entwurfs erstreckte sich nicht nur auf Lehrlinge, sondern auch auf die An- und Ungelernten, damit die Arbeitgeber nicht von Lehrverhältnissen auf andere Arbeitsverhältnisse mit Jugendlichen ausweichen konnten. Der Entwurf war für die Beschäftigung aller Jugendlichen gedacht. Dafür sollten gewisse Mindestvorschriften gelten. Der wichtigste Grundgedanke in dem damaligen Entwurf war, daß eine ordnungsgemäße Berufsausbildung, die den Absichten des Gesetzes und den Bedürfnissen der Wirtschaft entspricht, nur in Betrieben erfolgen kann, die von vornherein nach Art und Umfang als Lehrbetriebe geeignet sind und deren Inhaber selbst die Reife und die berufliche Befähigung besitzen, die unerläßlich sind, wenn junge Menschen zu Facharbeitern und Berufsgenossen herangebildet werden sollen. Diese Vorschrift — dieser Meinung war Wissell damals — liege im Interesse jeder Berufsgruppe. Es sollten keine neuen Behörden geschaffen werden. Es sollte an das Bestehende angeknüpft werden. Die bestehenden gesetzlichen Berufsvertre-
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      Folger
      tungen sollten zu Trägern des Verfahrens gemacht und die Durchführung den paritätischen Selbstverwaltungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung anvertraut werden.
      In der Begründung heißt es noch: Der bisherige Zustand genüge den Ansprüchen weder der Wirt- schaft noch der Gesellschaft. Es sei eine umfassende gesetzliche Ordnung der Berufsausbildung im Betriebe notwendig. Aus dieser Erkenntnis sei der Entwurf entstanden. Eine geordnete Berufsausbildung werde bisher nur einem beschränkten Ausschnitt von Jugendlichen zuteil. — Das gilt auch heute noch.
      Der Sozialpolitische Ausschuß des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates hat eine Empfehlung eines Arbeitsausschusses, den Geltungsbereich auf gewerbliche Lehrlinge zu beschränken, abgelehnt und den Standpunkt vertreten, die Einbeziehung der gesamten erwerbstätigen Jugendlichen entspreche den wirtschaftlichen Notwendigkeiten und werde gutgeheißen. Die für die Landwirtschaft vorgenommene Ausnahme sei sachlich nicht berechtigt. Die Landwirtschaft solle einbezogen werden, und die Möglichkeit, für Bergbau und Hauswirtschaft abweichende Regelungen zu treffen, sei nicht notwendig.
      Eine Delikatesse im Zusammenhang mit der ersten Lesung des Entwurfs im damaligen Reichstag ist, daß der kommunistische Abgeordnete Blenkle gesagt hat, die SPD sei keine revolutionäre und keine kämpferische Partei mehr. — Das ist mir vorhin auch eingefallen, als der Herr Bundestagspräsident Dr. Gerstenmaier von der hundertjährigen Geschichte unserer Partei gesprochen hat. — Blenkle hat behauptet, der Entwurf, den die Reichsregierung vorgelegt habe, sei reaktionär und gehe in Wirklichkeit ,auf die vorhergegangene sogenannte Bürgerblockregierung zurück.

      (Abg. Diebäcker: Nicht so viel Geschichte!)

      Heute können wir sagen: wir könnten froh sein, wenn dieser sogenannte reaktionäre Entwurf Gesetz geworden wäre oder wenn er es wenigstens heute werden würde.

      (für den Entwurf eines Berufsausbildungsgesetzes. Es gibt dais Berliner Berufsausbildungsgesetz von 1950. Es gibt ein Sachverständigengutachten der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder aus dem Jahre 1952, die damals der Meinung war, in dem Berufsausbildungsgesetz müsse eine möglichst breite menschliche und fachliche Basis geschaffen werden. Auch den Jugendlichen ohne Lernund Anlernverhältnisse müsse eine Grundausbildung gegeben werden, damit sie zu guten und tüchtigen Mitgliedern der Gesellschaft erzogen würden. Die Ausbildung der jungen Menschen sei für die Allgemeinheit zu wichtig, als daß sie der Wirtschaft allein überlassen werden könne. Sie sei eine Aufgabe des Gesetzgebers, Ein weit vorausschauendes Berufsausbildungsgesetz sei unerläßlich. Im März 1953 hat mein Fraktionsfreund Erwin Lange bei der zweiten und dritten Lesung der Handwerksordnung u. a. gesagt, aus 'den Auseinandersetzungen über die Handwerksordnung sei die Überlegung geboren worden, daß wir sobald wie möglich auch im Rahmen der Bundesgesetzgebung zu einem umfassenden Berufsausbildungsgesetz kommen sollten, das die Berufsausbildung für die gesamte Wirtschaft einheitlich regelt. Um diese als notwendig erkannte umfassende Neuregelung nicht vorwegzunehmen und damit der Reform teilweise den Boden zu entziehen, hätten die Unterkommission und der Ausschuß für Wirtschaftspolitik ein paar Pflöcke zurückgesteckt und sich mit dem begnügt, was die Gewerbeordnung im Augenblick bietet. Der Herr Bundesarbeitsminister hat im März 1955 einer Konferenz Grundzüge für den Entwurf eines Gesetzes für betriebliche Berufsausbildung vorgelegt. Die Grundsätze sind so, 'daß man gut über einen Gesetzentwurf diskutieren könnte, der auf diesen Grundsätzen beruht. Aber sie sind wieder in der Versenkung verschwunden. Im Juli 1958 hat der Herr Bundesarbeitsminister Blank auf eine Anfrage geantwortet, daß die Frage der Berufsausbildung Gegenstand von Verhandlungen sei, die er vereint mit dem Bundeswirtschaftsminister wieder aufgenommen habe. Im November 1960 und im Mai 1962 haben die Minister und Senatoren für Arbeit der Länder ein umfassendes Gesetz gefordert, und der Herr Bundesarbeitsminister hat es versprochen. Im Mai 1962 hat das Bundeskanzleramt an den DGB u. a. geschrieben, es bestehe begründete Aussicht, daß die im Gang befindlichen Vorarbeiten der Bundesressorts zu Ergebnissen führten, die es der Bundesregierung ermöglichten, den gesetzgebenden Körperschaften in absehbarer Zeit den Entwurf von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Berufsausbildung vorzulegen, die den heutigen Bedürfnissen entsprächen. Jetzt ist der Februar 1964, und immer noch nicht ist der Entwurf vorgelegt, der uns schon x-mal versprochen wurde. Oder soll vielleicht der Schlenker in der Regierungserklärung 'des Herrn Bundeskanzlers Dr. Erhard vom 18. Oktober 1963 ein Ersatz für den Entwurf sein, in dem er gesagt hat: Ich erinnere nur an unsere Berufsausbildungssystem, das als mustergültig bezeichnet werden kann. Das ist meines Erachtens eine nicht mehr zu überbietende Verallgemeinerung. Unser Berufsausbildungssystem ist nicht durchweg mustergültig, sondern teilweise ungenügend. Vielfach mangelt es an der Intensität der Berufsausbildung, wir haben teilweise zu lange Ausbildungszeiten, wir haben viel zu viele Ungelernte, insbesondere unter den weiblichen Arbeitskräften; schon die ehrenwerte frühere Alterspräsidentin dieses Hauses, Frau Dr. Lüders, hat im Reichstag 1930 auf diesen unbefriedigenden Zustand hingewiesen, daß wir viel zu viele ungelernte weibliche Arbeitskräfte haben. Aber immer Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5173 Folger noch ist vom Gesetzgeber her praktisch nichts geschehen, um diesem Mißstand abzuhelfen. Der amerikanische Experte George W. Ware hat unser Berufsausbildungssystem ein „System der billigen Arbeitskräfte" bezeichnet. Ich will mich damit nicht identifizieren, aber ich meine, auch dieser Ausspruch sollte uns zu denken geben. Wir haben in unserer Großen Anfrage auch die Frage gestellt, in welcher Weise die Bundesregierung die allgemeinen Grundsätze der EWG ihrem Entwurf zugrunde legen wird. Ich könnte Ihnen auch wieder mit vielen Beispielen beweisen, daß da anscheinend nicht das Notwendige getan wird. Ich will mich auf die Bemerkung beschränken, daß der uns unter der Hand bekanntgewordene Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums — Referentenentwurf vom März 1963 über die vorläufige Regelung der Berufsausbildung — keine Konzeption aus europäischer Sicht enthält, obwohl das eigentlich eine Verpflichtung aus dem Art. 128 der Römischen Verträge wäre. Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Es tut mir leid, daß wir mit dieser wichtigen Frage wieder unter Zeitdruck gekommen sind, so daß man eigentlich nicht alles das vorbringen kann, was im Interesse der Sache zu sagen notwendig wäre. In der von der Wirtschaftsvereinigung Bergbau herausgegebenen „Bergbau-Presseschau" vom 21. Januar 1964 heißt es, daß nach Informationen aus Koalitionskreisen die Bundesregierung einen Entwurf in dieser Periode nicht mehr vorlegen werde. Wir verlangen, daß die Bundesregierung endlich ihre inneren Schwierigkeiten überwindet und dem Bundestag den Entwurf eines den Erfordernissen der Gegenwart und der nahen Zukunft entsprechenden Gesetzes vorlegt. Die jungen Menschen, die jetzt und in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren ausgebildet werden, werden das Kernstück der deutschen Volkswirtschaft im Jahre 2000 sein, und der Kern sollte gut sein. Die Große Anfrage der SPD ist begründet. Sie wird beantwortet vom Herrn Bundesminister für Wirtschaft. Er hat das Wort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 27. Juni 1962 hat der Deutsche Bundestag einstimmig beschlossen, die Bundesregierung solle ein Berufsausbildungsgesetz vorlegen. Die Bundesregierung hatte sich bereits seit längerer Zeit sehr intensiv mit den Problemen einer Neufassung des Berufsausbildungsrechts beschäftigt. Alle Möglichkeiten, die sich dem Gesetzgeber auf dem Gebiete der Berufsausbildung eröffnen, sind seit diesem Zeitpunkt in zahlreichen Besprechungen eingehend erörtert worden. Insbesondere haben sich die beiden hauptsächlich beteiligten Minister, der Bundesminister für Wirtschaft und der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, in gemeinsamer Arbeit um die Klarstellung und Lösung der zahlreichen sachlich und politisch schwierigen Probleme bemüht. Im Laufe der zahlreichen Verhandlungen und Besprechungen bis auf die Ebene der beteiligten Minister hat sich jedoch eine Fülle von offenen Fragen ergeben. Als ich das Amt des Bundesministers für Wirtschaft übernahm, habe ich mich bemüht, eine beschleunigte Vorlage des Entwurfs entsprechend dem Beschluß, an dem ich selber mitgewirkt habe, durchzusetzen. Aber wenn man in die Einzelheiten dieser Materie einsteigt, stellt sich eben die Fülle der Schwierigkeiten dar. Bei der Frage, ob man einen Entwurf, der nicht ganz durchdiskutiert ist, vorlegen soll oder ob man warten soll, bis der Entwurf ausreichend vorbereitet ist, habe ich mich im Einvernehmen mit dem Bundesarbeitsminister entschlossen, Sie zu bitten, uns noch eine weitere Zeit der Vorbereitung einzuräumen. Herr Kollege Folger, es wäre jederzeit möglich, dem Hause eine sogenannte kleinere Lösung vorzuschlagen. Ich frage mich aber, ob das zweckmäßig ist. Sie selber haben, nachdem Sie in allgemeiner Formulierung gesagt haben, es solle gar nicht so viel geändert werden, zu einigen konkreten Punkten ausgeführt, daß Sie beispielsweise mit dem Referentenentwurf in keiner Weise einverstanden sind. Damit haben Sie den Gegensatz der Diskussion aufgezeigt, der sich in der Fraktion, der ich angehöre, aber meines Wissens auch in Ihrer Fraktion findet. Die Organisationen haben sich zu diesen Entwürfen geäußert, und Parlamentsvertreter, Angehörige aller Fraktionen, haben dazu Stellung genommen. Das ist in einer solchen Art und Weise geschehen, daß ich sagen muß: die Meinungen sind sehr, sehr geteilt. Ich habe aber persönlich die Bitte, Herr Kollege Folger, dieses Verfahren — schließlich ist eine Kleine Anfrage beantwortet worden —, das Sie beanstanden können, daß wir bis heute zugewartet haben, nicht als Mißachtung des Parlaments auszulegen. Ich gehöre diesem Parlament selber an, und ich habe viermal in Wahlkämpfen darum gerungen, dieses Mandat zu bekommen. Es widerstrebt mir einfach, es mir bieten zu lassen, daß jemand sagt, ich mißachtete dieses Parlament, dem ich selber leidenschaftlich angehöre. Ich bitte Sie also recht herzlich, eine solche Auslegung nicht vorzunehmen. Was nun den Beschluß vom 27. Juni und Ihre Große Anfrage angeht, so muß ich darauf aufmerksam machen, daß der Beschluß vom 27. Juni folgenden Wortlaut hat: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Deutschen Bundestag bis zum 1. Februar 1963 den Entwurf eines Gesetzes über die Berufsausbildung während die erste Frage Ihrer Großen Anfrage lautet: Wann wird die Bundesregierung ihre Vorarbeiten für ein umfassendes Berufsausbildungsge5174 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 Bundesminister Schmücker setz abschließen, um endlich den einstimmig gefaßten Beschluß des Deutschen Bundestages vom 27. Juni 1962 zu erfüllen? Die Frage ist inhaltlich nicht richtig; denn sie nennt einen Beschluß, der in dieser Weise nicht gefaßt worden ist. Logischerweise können Sie auch nicht die Erfüllung in dem von Ihnen vorgetragenen Sinne verlangen. Ich möchte mit diesem Unterschied zwischen dem tatsächlich gefaßten Beschluß und dem Beschluß, wie Sie ihn in Ihrer Großen Anfrage anführen, nur noch einmal deutlich machen, wie hier die Meinungen noch auseinandergehen, was durchaus nicht politisch begründet zu sein braucht, sondern nur im Sachlichen, so will ich einmal sagen, seine Gründe hat. Bei eingehender Überprüfung — ich habe mir die Dinge von meinen Mitarbeitern wirklich ausführlich darstellen lassen — komme ich zu der Auffassung, daß zur Zeit — und damit beantworte ich Ihre Frage — eine umfassende Vorlage noch nicht möglich ist. Wenn ich aber die Möglichkeit einer umfassenden Vorlage immerhin offenlassen will, dann wäre es innerlich unwahr, wenn ich jetzt mit einer kleinen Vorlage in dieses Haus käme. Ich bitte, das freundlichst bedenken zu wollen. Ich bestreite gar nicht, meine Damen und Herren, daß das gegenwärtige Berufsausbildungsrecht nicht befriedigend ist. Aber so schlecht, daß von heute auf morgen in aller Eile etwas, an dem schon viele Jahre gearbeitet wird, geändert werden muß, ist es auch nicht. (Zuruf von der CDU/CSU: Das kann man wohl sagen!)


      (Beifall bei der SPD.)


    Rede von Dr. Thomas Dehler
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Dr. Kurt Schmücker


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Die gegenwärtige Form der Berufsausbildung muß hingenommen werden, bis die Grundlagen einer Lösung erarbeitet sind, die der Sache gerecht wird. Dabdei — ich sage es noch einmal, Herr Kollege Folger — müssen Sie natürlich ungeduldig mahnen, daß wir weiterkommen. Aber die Bundesregierung muß ebenso sorgfältig alle Bestrebungen und alle Gesichtspunkte prüfen, die von allen Seiten, nicht nur von den Gewerkschaften, sondern auch von den Kammern, aus dem politischen Raum und von den Jugendverbänden, an uns herangetragen werden.
      Im einzelnen — um Ihnen darzutun, daß das nicht allgemeine Reden sind, um zu später Vormittagsstunde am Freitag schnell über die Hürden zu kommen — sind es folgende Fragen, in denen — ich sage noch einmal: aus guten Gründen — gegensätzliche Auffassungen vertreten werden können. Offengeblieben ist erstens hinsichtlich ides sachlichen Umfanges der Regelungen, Welche Ausbildungsbereiche einzubeziehen sind. Sie selber haben darin einige Unterscheidungen gemacht. Es bieten sich an: Industrie, Handel, Handwerk, Banken, Versicherungen, Verkehr, Bergbau, Seeverkehr, Hochseefischerei, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Hauswirtschaft, Ausbildung für die Laufbahnen im öffentlichen Dienst einschließlich Bundesbahn, Bundespost und Bundeswehr, Gehilfen der im freien Beruf Tätigen, z. B. Gehilfen- bei Notaren und Rechtsanwälten, Gehilfen in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen, ärztliche und zahnärztliche Helferinnen.
      Dann die Frage: Welche Ausbildungsverhältnisse sind einzubeziehen: Lehrlinge, Anlernlinge, Praktikanten, Volontäre? Soll die Ausbildung jugendlicher Hilfsarbeiter und die Fort- und Weiterbildung Erwachsener mit einbezogen werden?
      Das Gewicht, das dem sachlichen Umfang der Regelung zukommt, darf nicht unterschätzt werden. Es handelt sich um mehr als 500 Ausbildungsberufe, die auf mehr als 20 000 verschiedene Erwerbstätigkeiten vorbereiten sollen. Allein die Zahl der Jugendlichen, die in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden, beträgt jährlich über 1,2 Millionen.
      Nun die Frage: Welche Bedeutung haben für eine Gesamtregelung die unterschiedlichen organisatorischen Voraussetzungen der vielfältigen, in sich aber organisch gewachsenen Ausbildungsbereiche? Ich darf hierzu darauf hinweisen, daß in einzelnen Ländern keine Landwirtschaftskammern vorhanden sind und daß für andere Ausbildungsbereiche — wie z. B. die Hauswirtschaft — die institutionellen Voraussetzungen fehlen.
      Die dritte Frage entsteht hinsichtlich verfassungsrechtlicher Probleme: Wie weit reicht die Zuständigkeit des Bundes insbesondere mit Rücksicht auf die Kulturhoheit der Länder in Fragen des berufsbildenden Schulwesens? Auf welche Rechtsgrundlagen kann die Bundeskompetenz für Regelungen der betrieblichen Berufsausbildung in Landwirtschaft und Hauswirtschaft und anderen Bereichen gestützt werden? Wie ist eine gesetzliche Regelung der betrieblichen Berufsausbildung mit den noch nicht ausdiskutierten Reformbestrebungen im gesamten Bildungswesen in Einklang zu bringen? Welchen Anteil an einer Gesamtkonzeption sollen wirtschaftspolitische, welchen Anteil sollen sozialpolitische Überlegungen haben?
      In welchem Umfange kann und soll die Selbstverwaltung der Wirtschaft und der sonst beteiligten Kreise durch eine gesetzliche Regelung der Berufsausbildung betroffen werden? Man sollte anerkennen, welche positiven Leistungen die Wirtschaft auf dem Gebiete der Berufsausbildung in Selbstverwaltung und unter Aufbringung erheblicher Mittel erbracht hat. Es wäre nicht ratsam, hier über Gebühr durch Gesetze in organisch gewachsene und gut funktionierende Ordnungen einzugreifen. Ein solches Vorgehen würde die Ausbildungsfreudigkeit hemmen und sich letztlich zum Nachteil für die Jugend auswirken.

      (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

      Welche Möglichkeiten bestehen für eine Gesamtregelung, wenn etwa die Berufsausbildung im Handwerk nicht mit einbezogen werden kann? Ich möchte hier einfügen: Es erscheint mir persönlich unzweckmäßig, daß die Berufsausbildungsvorschriften aus der Handwerksordnung herausgelöst werden, da sie ein wesentlicher Bestandteil des handwerklichen Berufsrechtes sind und eng mit den übrigen Bestimmungen des Handwerksrechtes verzahnt
      Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5175
      Bundesminister Schmücker
      sind. Im übrigen sind abwertende Pauschalurteile über die Berufsausbildung im Handwerk nicht gerechtfertigt. Ich folge damit ausdrücklich den Bemerkungen, die Sie, Kollege Folger, gemacht haben. Sicherlich ist auch im Handwerk manches verbesserungsfähig; wo ist das nicht der Fall? Daher wird eine Novelle zur Handwerksordnung vorbereitet, durch die eine Modernisierung der Berufsausbildungsvorschriften erreicht werden soll. Aber ich möchte ausdrücklich das unterstreichen, was der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung gesagt hat: Das gewerbliche Ausbildungswesen in Deutschland ist vorbildlich.

      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Wir sollten nicht ohne Not von diesem System und von dieser Art abgehen. Wenn wir etwas ändern oder auf gesetzliche Grundlage stellen wollen, wenn wir Berufe, die noch nicht ausreichend betreut werden, einbeziehen wollen, dann muß das so behutsam geschehen, daß der hohe Rang der deutschen gewerblichen Berufsausbildung — „vorbildlich" nicht nur als allgemeines Prädikat, sondern: von den anderen als Vorbild anerkannt! — nicht gefährdet wird.

      (Beifall bei der CDU/CSU.)

      Bei allen bisherigen Verhandlungen ergab sich, daß über diese offenen Fragen nicht nur in der Öffentlichkeit und in den interessierten und betroffenen Kreisen, sondern, wie ich vorhin schon sagte, auch innerhalb der Fraktionen dieses Hauses recht unterschiedliche Meinungen bestehen.
      Nun könnten wir ja so verfahren, daß wir eine Vorlage machen, und das Raufen geht hier los. Meine verehrten Kollegen, ich selber habe einen Ausschuß dieses Hauses zwei Jahre geführt; ich erinnere daran, daß ich Abgeordneter dieses Hauses bin. Ich richte mich in meiner Arbeit daher auch nach der Geschäftslage des Hauses. Ich habe nichts davon, wenn ich voreilig einen Gesetzentwurf vorlege, der nicht mehr verabschiedet werden kann; und ich weiß, wie es im Wirtschaftsausschuß und in den anderen Ausschüssen aussieht. Daher ist es zweckmäßiger, die vorbereitenden Beratungen, bei denen ich auch Ihre Beteiligung wünsche — und diese Aussprache kann ja Hinweise geben —, werden so sorgfältig geführt, daß wir nachher in den Ausschüssen zügig beraten können.
      Die Bundesregierung hat die Erwägung angestellt, ob angesichts dieser Situation eine Novelle zur Gewerbeordnung vorgeschlagen werden kann, durch die wenigstens dringliche rechtliche Fragen für einen wesentlichen Teilbereich gesetzlich geregelt werden können. Sie hat aber vorerst davon Abstand genommen, weil sie es für richtiger hält, das Gesamtproblem in seiner ganzen Breite weiter zu behandeln. Es liegen mehrere Entwürfe vor, die im einzelnen zunächst weiterverfolgt werden können. Ich bin gern bereit, Ihnen diese einzelnen Entwürfe — die ja mehr oder weniger bekannt sind, Sie haben sie auch schon zitiert — zur Kenntnisnahme zur Verfügung zu stellen.
      Ich möchte es noch einmal ausdrücklich begrüßen, daß diese Große Anfrage Ihnen und der Bundesregierung die Gelegenheit gibt, die Problematik zu behandeln. Ich begrüße es, daß sich aus den Gesprächen vielleicht neue Möglichkeiten ergeben, hier zu einer Gesamtregelung zu gelangen.
      Die Bundesregierung glaubt, ein für die Zukunft der Wirtschaft und der Gesellschaft, insbesondere für das berufliche Fortkommen der heranwachsenden Jugend, so bedeutsames Gesetz, wie es hier gewünscht wird, dem Parlament baldigst vorlegen zu sollen. Sie haben hier — ich bestreite gar nicht: recht eindrucksvoll — an Daten dargestellt, wie die Zusagen immer schwächer geworden sind. Das liegt aber nicht etwa an bösem Willen, wie man so schnell unterstellen könnte, sondern es liegt an der unerhörten Schwierigkeit der Materie. Glauben Sie mir bitte, daß ich mich bemüht habe, möglichst rasch nach meiner Amtsübernahme einen Entwurf vorzulegen. Aber die Vielfalt der Probleme ließ es mir doch geraten erscheinen, den Vorschlägen zu folgen, hier noch eine gründliche Vorbereitung durchzuführen.
      Die zweite Frage lautet:
      In welcher Weise legt die Bundesregierung die „Allgemeinen Grundsätze zur 'Durchführung einer gemeinsamen Politik der Berufsausbildung", die für die Mitgliedstaaten der EWG verpflichtend sind, dem verlangten Entwurf zugrunde?
      Ich antworte darauf namens der Bundesregierung:
      Die in der zweiten Frage erwähnten Allgemeinen Grundsätze sind vom Ministerrat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am 2. April 1963 in Ausführung des Artikels 128 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beschlossen worden. Diese Vorschrift ermächtigt und verpflichtet den Rat, in bezug auf die Berufsausbildung solche allgemeinen Grundsätze zur Durchführung einer gemeinsamen Politik aufzustellen, die zu einer harmonischen Entwicklung sowohl der einzelnen Volkswirtschaften als auch des Gemeinsamen Marktes beitragen können.
      Der Ratsbeschluß enthält im wesentlichen allgemeine Zielsetzungen, die darauf ausgerichtet sind, die Berufsausbildungspolitik in den einzelnen Mitgliedstaaten aufeinander abzustimmen. Die Bundesregierung hat diese Ziele stets bejaht. Das ist ihr um so leichter gefallen, als die deutschen Vorstellungen vom Sinn und Zweck der 'Berufsausbildung im wesentlichen hiermit übereinstimmen.
      Die Bundesregierung legt die angeführten Allgemeinen Grundsätze ihren Überlegungen für die gesetzliche Regelung der Berufsausbildung mit zugrunde.
      Meine Damen und Herren, darf ich zum Schluß noch einmal in Erwiderung auf Ihr — ich wiederhole: verständliches — Drängen folgenden Satz sagen: Jeder, der über Berufsausbildung eine fertige Meinung hat und die Argumente des anderen ablehnt, ist natürlich in der Lage, hier einen Vorschlag zu machen. Einen Gesamtentwurf, für den alle Argumente geprüft sind, kann heute niemand machen. Ich würde Ihnen lieber eine andere Antwort geben.
      5176 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112, und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964
      Bundesminister Schmücker
      Aber die Tatsachen sind stärker als die Wünsche. Ich bitte dafür um Ihr Verständnis.

      (Beifall in der Mitte.)