Rede:
ID0409216700

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 1
    1. \n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 92. Sitzung Bonn, den 24. Oktober 1963 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 4231 A Fragestunde (Drucksache IV/1541) Frage des Abg. Fritsch: Familienausgleichskasse des nordwestdeutschen Baugewerbes in Berlin Dr. Claussen, Staatssekretär . 4231 B, D, 4232 A Langebeck (SPD) 4231 C Gerlach (SPD) 4232 A Frage ,des Abg. Fritsch: Erwerbsunfähigkeitsrente in der Rentenversicherung Dr. Claussen, Staatssekretär . . 4232 B Langebeck (SPD) 4232 B Frage der Abg. Frau Meermann: Teilzeitbeschäftigung und Rentenansprüche Dr. Claussen, Staatssekretär . . 4232 C, D Frau Meermann (SPD) 4232 D Frage der Abg. Frau Meermann: Informationsmappe „Schwarz auf weiß" und neues Mietrecht Lücke, Bundesminister 4232 D, 4233 B, C, D, 4234 A, B Frau Meermann (SPD) 4233 A Jacobi (Köln) (SPD) . . . . . 4233 B, C Geiger (SPD) 4233 C Börner (SPD) 4233 D Büttner (SPD) 4234 A Frau Dr. Kiep-Altenloh (FDP) . . 4234 B Frage des Abg. Hammersen: Zweites Wohnungsbaugesetz Lücke, Bundesminister . . . 4234 C, D, 4235 A, B Hammersen (FDP) . . . 4234 D, 4235 A Jacobi (Köln) (SPD) . . . . 4235 A, B Frage des Abg. Hammersen: Förderung des Fertigbaues Lücke, Bundesminister . 4235 C, 4236 B Hammersen (FDP) . . . . . 4236 A, C Frage des Abg. Jacobi (Köln) : Bestimmungen gegen Mietwucher Lücke, Bundesminister . . . . . 4236 D, 4237 C, D, 4238 A, C Jacobi (Köln) (SPD) . . 4236 D, 4237 B Hammersen (FDP) . . . . . . . 4237 C Wehner (SPD) . . . . . . . 4238 A, B Frau Meermann (SPD) . . . . 4238 C II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Oktober 1963 Frage des Abg. Jacobi (Köln) : Verhalten gegenüber Mietwucherern Lücke, Bundesminister . . . . . 4238 D, 4239 A, B, C, D, 4240 A Jacobi (Köln) (SPD) . . . . . . 4239 A Mick (CDU/CSU) . . . . . . . 4239 B Frau Berger-Heise (SPD) . . . . . 4239 C Dr. Czaja (CDU/CSU) 4239 D Büttner (SPD) . . . . . . . . 4240 A Frage der Abg. Frau Meermann: „Angemessen erhöhte" Miete Lücke, Bundesminister 4240 B Frau Meermann (SPD) 4240 B Frage des Abg. Wegener: Ehemalige Meierei-Kasernen im Landkreis Detmold Dr. Dollinger, Bundesminister . . . 4240 C Fragen des Abg. Felder: Rückgabe von Kunstschätzen Dr. Dollinger, Bundesminister . . . 4240 D, 4241 B, C Felder (SPD) . . . . . . . 4241 A, C Frage des Abg. Sander: Gutachten betr. Grundbesitz der Salzgitter-AG Dr. Dollinger, Bundesminister . . . 4241 D, 4242 A Sander (FDP) 4241 D, 4242 B Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Mehrleistungen bei der Deutschen Bundesbahn Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 4242 B, D, 4243 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 4242 D, 4243 A Frage des Abg. Regling: Eisbrecher im Ostseeraum . . . . . 4243 A Frage des Abg. Müller-Hermann: Kauf eines Eisbrechers Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 4243 B, C, D Müller-Hermann (CDU/CSU) . . . 4243 C Ritzel (SPD) . . . . . . . . . 4243 D Schriftlicher Bericht (des Außenhandelsausschusses über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats der EWG zur Änderung der Verordnung Nr. 54 des Rats in bezug auf die Festsetzung der Prämiensätze und der Abschöpfungsbeträge im voraus bei Getreideeinfuhren aus dritten Ländern (Drucksachen IV/1547, IV/1556) . . . . 4244 A Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . . 4244 B Vizepräsident Dr. Jaeger . . . 4248 A Erler (SPD) 4257 A Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 4258 B, 4274 A Dürr (FDP) (gem. § 36 GO) . . . . 4275 B Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 4275 C Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler 4284 D Nächste Sitzung 4287 C Anlagen 4289 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Oktober 1963 4231 92. Sitzung Bonn, den 24. Oktober 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Oktober 1963 4289 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt his einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aligner 8. 11. Dr. Aschoff 9. 11. Dr. Arndt (Berlin) 31. 12. Dr. Atzenroth 27. 10. Dr. Barzel 25. 10. Berlin 20. 11. Biermann 26. 10. Fürst von Bismarck 25. 10. von Bodelschwingh 26. 10. Buchstaller 31. 10. Dr. Burgbacher 31. 10. Dr.. Danz 24. 10. Deringer 25. 10. Dr. Dörinkel 25. 10. El. ren 4. 11. Eisenmann 25. 10. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 25. 10. Frau Geisendörfer 26.10. Gewandt 8. 11. Dr. Gleissner 25. 10. Goldhagen 16. 11. Haage (München) 25. 10. Hahn (Bielefeld) 8. 11. Frau Dr. Heuser 25. 10. Hoogen 25. 10. Dr. Haven 25. 10. Kahn-Ackermann 15. 11. Kalbitzer 25. 10. Dr. Kempfler 25. 10. Frau Klee 24. 10. Koenen (Lippstadt) 31. 10. Dr. Kreyssig* 24. 10. Dr. Mälzig 25. 10. Margulies 4. 11. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 25. 10. Metzger 14. 11. Missbach 25. 10. 011enhauer 31. 12. Frau Pitz-Savelsberg 25. 10. Frau Renger 24. 10. Richarts* 25. 10. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Ruland 25. 10. Schlee 25. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 25. 10. Schoettle 31. 10. Schultz 24. 10. Spitzmüller 24. 10. Frau Strobel 25. 10. Weber (Georgenau) 15. 11. Weinkamm* 25. 10. Werner 10. 11. b) Urlaubsanträge Fritsch 30. 11. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Schwarz vom 22. Oktober 1963 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Dürr zu der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Schultz **). Die Beratungen der Regierungssachverständigen der Mitgliedstaaten über eine Gemeinschaftsregelung für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete, die nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 24 vom 9. April 1962 der Rat erläßt, sind vor ca. einem Jahr aufgenommen worden. Bisher konnte jedoch über die von der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorgelegten Entwürfe nicht in allen Punkten eine Einigung erzielt werden. Nach Auskunft des zuständigen Referenten der Kommission wird diese in Kürze dem Rat einen Verordnungentwurf vorlegen. Die noch offenstehenden Fragen sollen bei der Beratung des Entwurfs vom Rat entschieden werden. Es kann daher damit gerechnet werden, daß der Rat in absehbarer Zeit eine Gemeinschaftsregelung für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete erläßt. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments. **) Siehe 84. Sitzung Seite 4103 C.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Freiherr Knut von Kühlmann-Stumm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Bundesregierung ist mit einer Erklärung vor den Deutschen Bundestag getreten, die den Aufgaben, die unserem Volke in dieser Zeit gestellt sind, voll gerecht wird. Sie findet die Unterstützung der Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei. Das Echo der deutschen Öffentlichkeit bestärkt die Fraktionen der Regierungskoalition in ihrer Auffassung, daß die von der Bundesregierung verfolgte Politik dem Willen der überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes entspricht. Die parlamentarische Opposition unterstützt nicht nur die Berlin- und Deutschland-Politik, wie das die FDP schon in ihrem Wahlaufruf des Jahres 1961 gefordert hatte, sondern auch in weiten Bereichen die Innenpolitik der Bundesregierung. Sie ist damit aus staatspolitischer Verantwortung heraus auf den von den Regierungsparteien beschrittenen und von ihr inzwischen als richtig erkannten Weg getreten. Die Ausstrahlung des Geistes partnerschaftlicher Zusammenarbeit, der von dem Herrn Bundeskanzler so eindrucksvoll dargelegt worden ist und der in den sachlichen Aussagen der Regierungserklärung sichtbaren Ausdruck findet, wird seine Wirkung nicht verfehlen.
    Die Freie Demokratische Partei begrüßt diese Entwicklung mit Genugtuung. Sie sieht in der Regierungserklärug, die sich auf die von den Koalitionsfraktionen gemeinsam erarbeiteten Grundsätze stützt, den Vollzug der Wahlentscheidung des deutschen Volkes vom Jahre 1961 bei der Bewältigung großer innen- und außenpolitischer Aufgaben. In der praktischen Politik der kommenden zwei Jahre muß der gemeinsamen Überzeugung und dem gemeinsamen Willen die gemeinsame Tat folgen. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß wir dieser Bundesregierung lieber vier statt zwei Jahre Zeit der Arbeit und der Bewährung gegeben hätten. Dennoch begrüßen wir es dankbar, daß die Neubildung der Bundesregierung sich in einer sachlichen Atmosphäre und reibungslos vollzogen hat. Die Verabschiedung des scheidenden Bundeskanzlers Dr. Konrad Adenauer durch den Präsidenten dieses Hohen Hauses ist in ihrer würdigen Form dem hohen Range des Amtes, das Dr. Adenauer



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    vierzehn Jahre innehatte, und seiner geschichtlichen Persönlichkeit gerecht geworden.
    Die Regierungserklärung hat mit Recht hervorgehoben, daß der Wohlstand eine Grundlage, nicht aber das Leitbild unserer Lebensgestaltung schlechthin ist. In einer Gemeinschaftsleistung des deutschen Volkes in allen seinen Schichten, im Rahmen der Marktwirtschaft zu höchster Effektivität gebracht, haben wir einen bei Kriegsende von niemandem erwarteten Wohlstand des deutschen Volkes erreichen können. Wenn die Bundesregierung über diese materielle Sicherung des einzelnen hinaus das Leitbild des deutschen Volkes, insbesondere der deutschen Jugend, nach den vor uns liegenden nationalen Aufgaben bestimmt, so kann sie dabei mit der besonderen Unterstützung der Freien Demokratischen Partei rechnen. Ich wiederhole in dieser Stunde das Leitwort, unter dem sich unsere Partei im März 1961 zur Übernahme von Verantwortung in der Bundesregierung bereit erklärte:
    Unser Vaterland ist geteilt. Der Gegensatz Ost-West kann jeden Tag in eine Katastrophe führen. Der Wohlstand in der Bundesrepublik verschleiert die Bedrohung unserer nationalen Existenz. Unser Volk ist auf ernste Belastungsproben nicht vorbereitet. Diese Gefahren gilt es zu erkennen.
    Was im März 1961 richtig war, ist seit der Errichtung der Mauer in Berlin unabdingbare Aufgabe
    jeder deutschen Politik geworden. Wir unterstützen
    den Appell der Bundesregierung an die Regierung der Sowjetunion, sie möge endlich der Realität des deutschen Willens zur Einheit in Freiheit und zur Sicherung des Friedens in Europa und in der Welt Rechnung tragen.
    Das größte Aktivum in der Nachkriegsentwicklung unseres Volkes ist das uneingeschränkte Bekenntnis zu Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat.

    (Beifall bei der FDP.)

    Im freien Teil Deutschlands haben die radikalen Gruppen links und rechts eine vernichtende Absage in den Wahlen erhalten. Die Bevölkerung der Sowjetzone lehnt in ihrer überwiegenden Mehrheit heute wie vor 18 Jahren das kommunistische Zwangssystem mit Entschiedenheit ab. Der Versuch Ulbrichts, am letzten Sonntag sich durch eine betrügerische Scheinwahl legitimieren zu lassen, ist der sichtbare Beweis für die ungebrochene demokratische Grundhaltung der deutschen Menschen jenseits der Zonengrenze. Ihnen gilt unser Dank in dieser Stunde.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie stellen durch ihre Haltung und ihr Opfer in schwerer Zeit ihr Bekenntnis zur Freiheit und zur Demokratie unter Beweis. Ihr Zeugnis verpflichtet uns, die deutsche Sache noch überzeugender, noch nachdrücklicher vor aller Welt zu vertreten.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir Deutschen in der Bundesrepublik werden von
    unseren Brüdern und Schwestern in der Sowjetzone,
    unsere Generation wird von künftigen Generationen
    daran gemessen, wie wir den Verfassungsauftrag des Grundgesetzes, die deutsche Einheit in Freiheit zu vollenden, verfolgt und erfüllt haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen hat die Aufgabe, den Willen des deutschen Volkes, insbesondere der deutschen Jugend, zur Wiederherstellung seiner staatlichen Einheit vor aller Welt sichtbar zu machen. Der neue Minister hat bei Übernahme seines Amtes über seine künftige Tätigkeit das verpflichtende Beispiel Jakob Kaisers gestellt. Er wird sich bei der Erfüllung seiner Aufgaben auf die Erfahrung und Hilfe von Männern wie Ernst Lemmer und Dr. Rainer Barzel, deren ritterliche Haltung wir hoch zu schätzen gelernt haben und die vor ihm dieses schwere Amt innehatten, ebenso stützen wie auf den Rat und die Hilfe, die ihm von seinen Freunden und von der parlamentarischen Opposition gegeben werden.
    Die Darlegungen der Regierungserklärung zur Außenpolitik der Bundesregierung zeigen im wesentlichen Geist von unserem Geist. Thesen, die die Freie Demokratische Partei seit Jahren unbeirrbar verficht, haben zu unserer Freude in den Erklärungen des Bundeskanzlers ihren Niederschlag gefunden.
    Wir sind in der Tat mit dem Bundeskanzler der Meinung, daß wir unseren Blick nach vorwärts zu richten haben und daß nicht nur die Bundesrepublik, sondern die ganze Welt im Begriff ist, aus der Nachkriegszeit herauszutreten. Wenn der Bundeskanzler hieraus die Folgerung zieht, daß in dieser Zeit auch die deutsche Politik zum Handeln aufgerufen ist, also nicht nur zum vorsichtigen Abwarten und zum reinen Reagieren auf die Gedanken anderer Mächte, so findet diese Auffassung unsere besondere Unterstützung.

    (Beifall bei der FDP.)

    Das gleiche gilt für die These, daß die deutsche Politik ebenso überzeugend für die Einigkeit und Stärke des westlichen Bündnisses wie auch für den Frieden und die keine langfristige Vertagung vertragende Lösung unserer nationalen Fragen einzutreten habe.
    In der Tat empfinden wir es wie eh und je als unsere Pflicht, immer erneut die Aufmerksamkeit der Welt auf die ungelöste deutsche Frage zu lenken, und wir erheben mit dem Bundeskanzler die Forderung, jede sich bietende Möglichkeit in den West-Ost-Gesprächen, die aber nicht nur andere, sondern auch wir selbst führen müssen, zu ergreifen, um hinsichtlich der Lösung des Deutschland-Problems Fortschritte zu erzielen. Das ungelöste Deutschland-Problem ist eine der Hauptursachen für die Spannungen in der Welt. Wem der Weltfrieden am Herzen liegt, der muß sich unablässig um die Lösung der Deutschland-Frage bemühen.
    Der unerträgliche Status quo wird mit Sicherheit zu einer immer größer werdenden Bedrohung des Weltfriedens führen. Keine deutsche Regierung kann seine Festigung oder gar Verschlechterung hinnehmen. Das gilt in besonderem Maße auch im



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    Hinblick auf die Lösung ides Berlin-Problems. Da eine vernünftige und endgültige Regelung der Berlin-Frage die Wiederherstellung der Einheit der Stadt, die Überwindung der Spaltung Berlins aber die Wiedervereinigung Deutschlands voraussetzt, ist jeder Versuch, die Berlin-Frage isoliert zu lösen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wer immer die Ansicht vertritt, man müsse eine umfassende und endgültige Regelung für die geteilte Hauptstadt treffen, muß sich darüber klar sein, daß er bei allen Berlin-Verhandlungen ,auf Schritt und Tritt mit dem deutschen Problem im weitesten Sinne konfrontiert werden wird.
    Dieser Tatsache eingedenk hat darum auch der Präsident dieses Hohen Hauses am 30. Juni 1961 im Namen aller Fraktionen den Vorschlag gemacht, bei künftigen Verhandlungen über Deutschland nicht nur die Frage Berlins, seines zukünftigen Status und seiner Verbindungswege zur Diskussion zu stellen, sondern die Deutschland-Frage als Ganze. In seiner Entschließung vom 12. Oktober hat die Mehrheit dieses Hauses die Bundesregierung aufgefordert, mit ihren Verbündeten in Konsultationen einzutreten mit 'dem Ziel, seitens des Westens der Sowjetunion 'den Vorschlag zu machen, entsprechend der Verantwortung der Vier Mächte eine gemeinsame ständige Konferenz zur Lösung der deutschen Frage als Voraussetzung eines 'dauerhaften Friedens herbeizuführen. Die Bundesregierung hat ausdrücklich auf diesen Bundestagsbeschluß Bezug genommen und sich hinter die Forderung des Parlamentes gestellt. Dieser Grundgedanke hat auch in einer Entschließung des diesjährigen FDP-Bundesparteitages seinen Niederschlag gefunden.
    Wir sind der Überzeugung, daß die Regierung auch die bereits im August eingeleiteten Initiativen auf dem Gebiete der Deutschlandpolitik weiter verfolgen und den Versuch machen wird, die Verbündeten für eine gemeinsame aktive Deutschlandpolitik zu gewinnen.
    Zu einer Politik des Friedens und einer gerechten Lösung Ides deutschen Problems gehören nicht zuletzt normale Beziehungen der Bundesrepublik zu den osteuropäischen Staaten. Seitdem unser verstorbener Parteifreund und Bundestagsabgeordneter Karl Georg Pfleiderer vor neun Jahren 'in einer Haushaltsdebatte dieses Parlaments auf 'die „terra incognita" der deutschen Außenpolitik, die Länder Osteuropas, hingewiesen und erklärt hat, daß mit unserer Politik gegenüber diesen Staaten auch unser 'deutsches Dasein eng verbunden sei, hat die Ostpolitik in diesem Hause oft genug im Mittelpunkt harter Auseinandersetzungen zwischen den Fraktionen gestanden. Wir haben nach der Erklärung der Bundesregierung 'den Eindruck, daß diese außenpolitischen Diskussionen für die Weiterentwicklung und Vervollständigung der deutschen Außenpolitik von großem Nutzen gewesen sind.
    Das außenpolitische Programm der Bundesregierung erscheint uns in der Tat in besonderem Maße konstruktiv, zugleich ,aber auch notwendigerweise nüchtern und illusionslos zu sein. Die von der Freien Demokratischen Partei in ihrem Berliner Programm von 1957 vertretene Auffassung, daß es die
    Pflicht der deutschen Außenpolitik sei, durch eine aktive und konstruktive Politik das Verhältnis Deutschlands zu ,den osteuropäischen Völkern friedlich zu regeln, wird von der neuen Bundesregierung geteilt. Sie wird sich für eine weitere Verbesserung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den osteuropäischen Staaten nachdrücklich einsetzen und zugleich ihre Bereitschaft erklären, mit diesen Staaten gemeinsam zu prüfen, wie man ,Schritt für Schritt auf beiden Seiten Vorurteile ,abbauen und vorhandenen Sorgen und Befürchtungen den Boden entziehen kann. Der Versuch der Bundesregierung, auf diesem Wege allmählich zu normalen Beziehungen zu allen Staaten Osteuropas zu gelangen und den — wie Pfleiderer es nannte — „weißen Fleck" auf der Landkarte unseres Auswärtigen Amtes zu beseitigen, ist zu begrüßen. Eine solche Politik könnte eines Tages dazu beitragen, die noch immer feindselige Haltung osteuropäischer Regierungen gegenüber der Forderung des deutschen Volkes nach seinem Selbstbestimmungsrecht zu korrigieren. Vielleicht wird man dann auch in Warschau, Prag und Budapest erkennen, daß Wiedervereinigung Deutschlands und Verständigung des deutschen Volkes mit den östlichen Nachbarn keine unüberbrückbaren Gegensätze darstellen, sondern dm Gegenteil untrennbarer Bestandteil einer aufrichtigen Friedenspolitik sind.
    Die Lösung der deutschen Frage ist untrennbar mit 'der weiteren Entwicklung der internationalen Lage verbunden. Jede Veränderung des Ost-West-Verhältnisses, jede Entspannung oder Verschärfung der internationalen Lage wirkt sich naturgemäß positiv oder negativ auf das geteilte Deutschland und seine ungelösten Probleme aus. Niemand wird bezweifeln wollen, daß ohne eine gewisse Entspannung der internationalen Atmosphäre, ohne die Herstellung eines Mindestmaßes an Vertrauen zwischen den beiden Blöcken durch entspannungsfördernde Abkommen eine Diskussion der Mächte über das Deutschland-Problem wenig aussichtsreich ist.
    Die deutsche Regierung wird darauf achten müssen, daß — wie es in der Regierungserklärung zu Recht heißt — solche Entspannungsmaßnahmen nicht zu einer Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen Ost und West führen und daß insbesondere bei den West-Ost-Gesprächen jede sich bietende Möglichkeit ergriffen wird, um hinsichtlich der Lösung des Deutschland-Problems Fortschritte zu erzielen. Dabei geht es nicht nur um die Wahrung der deutschen Interessen, sondern es muß auch der gefährlichen Illusion begegnet werden, Ost und West könnten ihren Frieden auf einem zerstückelten Deutschland und auf der Verweigerung des Selbstbestimmungsrechtes für das deutsche Volk aufbauen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Nicht nur im Osten, sondern auch im Westen steht die deutsche Politik gegenwärtig vor gewaltigen Aufgaben. In gleichem Maße, wie sich im Ostblock Risse zeigten und Gegensätze auftaten, die nicht nur auf die Meinungsverschiedenheiten zwischen Moskau und Peking beschränkt blieben, 'geriet auch das westliche Bündnis in eine schwierige Situation. Die Bundesrepublik, deren militärische Sicherheit in be-



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    sonderem Maße von der Geschlossenheit und Stärke der westlichen Allianz abhängt, verfolgt mit Besorgnis die noch immer nicht überwundenen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft über die künftigen Formen der politischen und militärischen Zusammenarbeit. Nachdem zunächst unsere französischen Freunde eine recht eigenwillige Verteidigungsstrategie innerhalb des Bündnisses begannen und konsequent weiterverfolgten, scheint sich auch beim amerikanischen Bundesgenossen erneut eine Wandlung im strategischen Denken zu vollziehen. Die Stärkung der konventionellen Kräfte tritt wieder hinter die Verstärkung der atomaren Feuerkraft, insbesondere bei den Gefechtsfeldwaffen, zurück. Abgesehen davon, daß jede Umrüstung hohe Kosten verursacht, sind mit ihr auch neue strategische Überlegungen und eine andere militärpolitische Beurteilung der Weltlage verbunden. Der Ort, solche Diskussionen auszutragen und zu Beschlüssen zu kommen, ist der NATO-Rat in Paris. Einsame Beschlüsse in Europa, einsame Beschlüsse in den USA gefährden den Zusammenhalt im Bündnis. Die Bundesregierung sollte nachdrücklich auf Klärung der Verhältnisse im NATO-Rat dringen und sich bei den Bündnispartnern darum bemühen, daß durch die Reorganisation der NATO das militärische Bündnis zu einem politischen werden kann. Wir unterstreichen die Auffassung des Bundeskanzlers, daß die Verteidigung des Territoriums der NATO unteilbar ist.
    Mit Nachdruck unterstützen wir den Satz in der Regierungserklärung, daß unser militärischer Beitrag zur NATO in der Konsolidierung der deutschen Streitkräfte bestehen muß. Von besonderer Wichtigkeit ist die innere Festigung der Truppe und die Gewinnung einer ausreichenden Zahl von Unteroffizieren und Offizieren. Nach fast achtjähriger Erfahrung sind die bisher beschrittenen Wege zu überprüfen und neue zu suchen, um dieses Problem zu lösen. Die Lösung ist nicht so sehr in der finanziellen Besserstellung zu finden als vielmehr in einer Anhebung des Wissens- und Ausbildungsniveaus, so daß mit dem Soldatenberuf das Ansehen des kenntnisreichen, fähigen Mitbürgers verbunden ist.

    (Beifall bei der FDP.)

    Die Bundeswehr hat ihren Platz in und nicht neben unserem demokratischen Staatswesen gefunden. Die Männer, die sich nach dem Zusammenbruch für den Aufbau der Bundeswehr zur Verfügung stellten, haben mit einem hohen Maß von Verantwortung und Opferbereitschaft die ersten Aufbaujahre durchschritten. Heute zweifelt niemand mehr an dem demokratischen Charakter unserer Bundeswehr. Ihre Bedeutung für die Verteidigung der Freiheit wird von den Menschen in der Bundesrepublik dankbar anerkannt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir stimmen mit der Ansicht der Regierung überein, daß das kritische Stadium in der europäischen Integration grundsätzlichen Charakter hat und von der — irrigen — Ansicht bestimmt wird, durch eine nur wirtschaftliche Integration ohne politische Bindungen dem praktischen Leben und den staatspolitischen Gegebenheiten der beteiligten Länder gerecht werden zu können. Die Zukunft der EWG ist, wie wir wissen, tatsächlich wesentlich von politischen Entscheidungen abhängig. Mit guten Gründen läßt sich sogar behaupten, daß es zum Zusammenbruch der Verhandlungen mit Großbritannien nicht gekommen wäre, wenn allein Urteile über wirtschaftliche Dinge den Ausschlag gegeben hätten.
    Es besteht unter den EWG-Partnern Übereinstimmung darüber, daß eine Erweiterung der Gemeinschaft nicht zu ihrer Aufweichung führen darf. Andernfalls könnte eine funktionsfähige Zollunion auf die Dauer nicht verwirklicht werden. Ein derartiges Gebilde bedarf unter den modernen Verhältnissen einer Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik im allgemeinen, einer wirksameren noch, als sie bereits verwirklicht ist.
    Es wäre gewiß verfehlt, wollten die Wirtschaftspolitiker und die Wirtschaft in der Frage der Erweiterung der Gemeinschaft warten, bis in der hohen Politik das Signal wieder auf grün gestellt ist. Angesichts des vitalen Interesses, das die deutsche Gesamtwirtschaft, aber auch die Wirtschaft anderer EWG-Staaten, an einem weltweit gestreuten Export besitzt, wie überhaupt im Interesse der Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der freien Welt, ist es notwendig, daß die EWG einen weltoffenen Charakter erhält, und zwar nicht erst in fernerer Zukunft, sondern zugleich mit ihrem Aufbau.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Bei allen Maßnahmen, die dem Ausbau der EWG dienen, wird deshalb darauf Bedacht zu nehmen sein, daß eine spätere Erweiterung nicht erschwert wird. Vor allem aber ist es wichtig, daß sich die Gemeinschaft weiterhin dynamisch entwickelt. Hiervon darf erwartet werden, daß der Erwerb der Mitgliedschaft oder eine Assoziierung für andere europäische Staaten attraktiv bleibt.
    Wir begrüßen es darum lebhaft, daß es sich die Bundesregierung zum Ziele gesetzt hat, die Einigung aller freien europäischen Völker anzustreben sowie durch die Pflege und Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen gegenüber Drittländern aufkommende Spannungen oder gar ein Auseinanderleben der Völker zu verhindern. Die Regierung darf der besonderen Unterstützung der Freien Demokraten bei ihrem weiteren Bemühen sicher 'sein, neben dem Ausbau der Beziehungen zu unseren französischen Freunden die Bande zu Großbritannien zu stärken und zugleich nach Mitteln und Wegen zu suchen, um auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu den Ländern außerhalb der EWG, insbesondere zu den Vereinigten Staaten, zu intensivieren. Der Ausgang der Kennedy-Runde wird ein Prüfstein für den Erfolg der Bundesregierung bei diesen Bemühungen sein.
    Innerhalb der EWG sollten wir unsere besondere Aufmerksamkeit auf den Umstand lenken, daß die Gemeinschaft noch immer kein demokratisches Gebilde, sondern eine nur mit Hilfskonstruktionen versehene Organisation ist, in der die Exekutive praktisch ohne jede parlamentarische Kontrolle wirken



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    kann. Nicht zuletzt von dem Wirksamwerden parlamentarischer europäischer Kontrollinstanzen wird es abhängen, ob diese Form der europäischen Zusammenarbeit für den ganzen Kontinent Vorbild und Maßstab sein kann.

    (Beifall bei der FDP.)

    Meine Freunde begrüßen es, daß die Bundesregierung die Bedeutung unserer Entwicklungshilfe für die freie Welt in dem gebotenen Maße gewürdigt hat. Wir billigen die Akzente, die sie der künftigen Entwicklungspolitik der Bundesregierung gesetzt hat. Wir teilen ihre Auffassung, daß eine wirksame und dauerhafte Hilfe beim Menschen ansetzen muß. Auch wir meinen, daß den Maßnahmen der Ausbildungs-, Bildungs- und Sozialhilfe besonderes Gewicht zukommt.
    Wir sind überzeugt, daß auch der Wohlstand auf die Dauer unteilbar ist und daß unser Wohlstand nur wachsen und Bestand haben kann, wenn wir den Völkern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas helfen, sich aus ihrem materiellen Elend zu befreien. Wir können uns der Entwicklungshilfe nicht entziehen. Sie liegt im wohlverstandenen wirtschaftlichen und politischen Eigeninteresse unseres Volkes.
    Wir sind uns auch mit der Bundesregierung der finanziellen Grenzen bewußt, die angesichts der großen steuerlichen Belastungen unseres Volkes unseren Entwicklungshilfeleistungen gesetzt sind. Wir meinen aber, daß gerade deswegen besonderer Nachdruck auf eine Straffung, Konzentration und Intensivierung der gesamten Maßnahmen der Entwicklungshilfe gelegt und vor allem die private Initiative für diese vielseitige Aufgabe mobilisiert werden muß. Nur so kann ein optimales und nachhaltiges Ergebnis erzielt und Geld gespart werden.
    Durch eine Hilfe von Staat zu Staat allein können die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme in den Entwicklungsländern nicht gelöst werden. Nur die Gewinnung und das Zusammenwirken aller entwicklungspolitisch aktiven Kräfte kann der Vielfalt dieser Aufgabe gerecht werden.
    Der Deutsche Entwicklungsdienst, an dem alle diese Kräfte beteiligt sind, findet unsere volle Unterstützung. Das Echo, das seine Gründung in der deutschen Öffentlichkeit gefunden hat, bestätigt unsere Erwartung, daß unsere Jugend noch bereit ist, sich für eine große Aufgabe der Gemeinschaft einzusetzen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir müssen bei den verschiedenen Maßnahmen unsere eigenen Vorstellungen weiter entwickeln und dabei vor allem die Selbsthilfekräfte dieser Völker wecken und stärken. Die nichtstaatliche Entwicklungshilfe, vor allem die Förderung der privaten Initiativen, ist hierfür ein besonders geeignetes Mittel.
    Das Entwicklungshilfe-Steuergesetz scheint mir zur Mobilisierung der privaten Initiative ein besonders geeignetes Mittel zu sein. Seine Wirkung kann und muß aber durch Parallelmaßnahmen verstärkt werden. Ich denke dabei vor allem auch an
    den Abschluß von Kapitalförderungs- und Doppelbesteuerungsabkommen mit Entwicklungsländern. Diese Abkommen bedürfen aber gleichfalls einer Straffung, Intensivierung und Beschleunigung. Sie werden jetzt benötigt, nicht erst in 10 Jahren. Ein konzentriertes, jetzt abgeschlossenes Abkommen ist mehr wert als ein perfektioniertes, dessen Abschluß erst nach Jahren möglich ist.
    Eine Verbesserung der Wirkung der Entwicklungshilfe hat aber auch Maßnahmen auf organisatorischem Gebiet zur Voraussetzung. Das Hohe Haus hat einhellig wiederholt gerade auch auf die Notwendigkeit einer baldigen Lösung dieser Frage hingewiesen. Der Wunsch und Hinweis des Herrn Bundeskanzlers, daß zu enges Ressortdenken überwunden und die Gesamtverantwortung stärker zum Durchbruch kommen möge, findet unsere volle Unterstützung. Sie geben mir und meinen Freunden gleichzeitig die zuversichtliche Erwartung, daß endlich durch eine organisatorisch zweckmäßige und einfache Zuständigkeitsregelung der entwicklungspolitischen Arbeit der Bundesregierung eine größere Wirksamkeit gesichert wird.
    Der Vorrang der geistigen Investitionen, also der Investitionen auf dem Gebiete der Wissenschaft und Forschung, ist unbestritten. Es wird wichtig sein, als Grundlage der künftigen Wissenschaftspolitik in enger Zusammenarbeit der verantwortlichen Gremien von Bund und Ländern mit dem Wissenschaftsrat vorausschauende mehrjährige Programme aufzustellen, damit ähnlich dem deutschen Atomprogramm für die Nutzung der Kernenergie zumindest für die nächsten fünf Jahre eine Richtung gewiesen ist.
    Es empfiehlt sich, daß die bewährten Selbstverwaltungsorganisationen der deutschen Wissenschaft, die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften und die deutsche Forschungsgemeinschaft, in einer Partnerschaft von Bund und Ländern zu gleichen Teilen mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden. Als Grundlage für die Zusammenarbeit mit den Ländern halten wir das vorgesehene Verwaltungsabkommen für eine gute Lösung.
    Es entspricht dem Sinn der Verfassungsvorschriften und auch den praktischen Erfahrungen, wenn große wissenschaftliche und technische Vorhaben, die die Errichtung eines eigenen Forschungszentrums notwendig machen, hauptsächlich vom Bund gefördert werden, wobei selbstverständlich je nach dem Einzelfall auch die Partnerschaft mit einem Land oder mehreren Ländern sowie mit der Wirtschaft anzustreben ist.
    Im gesamten Bereich der Bildung, der Wissenschaft und der Forschung bedarf es verstärkter internationaler Kontakte. In einer provinziellen Luft gedeihen keine wissenschaftlichen und technischen Leistungen.
    Wir begrüßen es sehr, daß die Regierungserklärung Grundfragen des Rechts und der Rechtspolitik besonders herausgestellt hat. Die Bundesregierung ist hier, wie auch auf anderen Gebieten, einen neuen Weg gegangen, indem sie sich nicht darauf be-



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    schränkt hat, lediglich Ressortgesichtspunkte zur Geltung kommen zu lassen, sondern in Zusammenarbeit mit den Ressorts zu einer umfassenden Betrachtung des Problems zu kommen. Mit Recht wird in der Regierungserklärung betont, daß das deutsche Volk für die Fragen des Rechts aufgeschlossen ist. Wenn dies in den ersten Jahren nach Schaffung der Bundesrepublik vielleicht noch bezweifelt werden konnte, so hat gerade die jüngste Vergangenheit bewiesen, welch lebhaftes Interesse die deutsche Bevölkerung den Fragen des Rechts entgegenbringt, wie sie insbesondere ein Gefühl dafür hat, daß das Grundgesetz eingehalten werden muß.
    Der Bundeskanzler hat mit Recht zum Ausdruck gebracht, daß das Vertrauen in unseren Rechtsstaat nur so lange gesichert ist, wie die politisch Verantwortlichen durch ihr eigenes Verhalten das gute Beispiel vorleben.

    (Beifall bei der FDP.)

    Die Freien Demokraten treten aus ihrer liberalen Grundhaltung heraus seit eh und je für Sauberkeit und Recht auch im staatlichen Bereich ein.

    (Erneuter Beifall bei der FDP.)

    Unsere Überlegenheit gegenüber dem Zwangssystem des Ostens und gegenüber anderen Zwangssystemen wird auch durch unser Bekenntnis zum Rechtsstaat unter Beweis gestellt. Die Aufrichtigkeit und ,der Wert dieses Bekenntnisses müssen sich täglich neu bewähren. Die Kritik an auftretenden Mißständen und die Überprüfung erhobener Vorwürfe auf ihre Berechtigung sind nicht Zeichen der Schwäche, sondern überzeugender Beweis der Stärke unseres Staates.

    (Beifall bei der FDP und der 'SPD.)

    Wir würden die Aufgabe des Parlaments verkennen und unserer Verpflichtung aus dem Grundgesetz nicht gerecht werden, wollten wir nicht Fehler, die in der Vergangenheit begangen worden sind, auf ihre Ursachen überprüfen und nach Wegen für ihre Abstellung in der Zukunft suchen. Aus diesem Grunde begrüßen wir es, daß alle Fraktionen in dem jetzt gebildeten Untersuchungsausschuß verantwortungsbewußt und tatkräftig mitarbeiten werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wenden entweder die Unrichtigkeit erhobener Vorwürfe ergeben oder uns die Möglichkeit schaffen, bestehende Mißstände zu beseitigen. Es geht in der Diskussion um den Verfassungsschutz und um andere Organe, die für unsere staatliche Sicherheit zuständig sind, nicht um Personen, sondern allein um die Sicherung der Grundwerte unserer Verfassung.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der anderen Fraktionen.)

    Am Ende müssen und werden die Stärkung des Vertrauens in unsere rechtsstaatlich-demokratische Ordnung und eine Verbesserung des Schutzes der Sicherheit unseres Landes stehen.
    Der Abgeordnete o r n meiner 'Fraktion ist hier von einem meiner Vorredner apostrophiert worden. Ich wollte :in diesem Zusammenhang nur darauf
    hinweisen, daß wir Herrn Dorn dankbar sind für die tatkräftige und konstruktive Mitarbeit in der kleinen Kommission. Ich bin überzeugt, daß unsere Fraktion Herrn Dorn in diesen Untersuchungsausschuß entsenden wird, wenn Herr Dorn selbst bereit ist, dieses Mandat zu übernehmen.

    (Beifall 'bei der FDP und bei Abgeordneten der SDP.)

    Der ebenfalls apostrophierte Abgeordnete Dürr
    meiner Fraktion hat in einer persönlichen Stellungnahme hier seine Meinung zum Ausdruck gebracht.
    Wir schließen uns der Regierungserklärung darin an, daß sie die allzu große Aufsplitterung unseres Rechtssystems beklagt. Die FDP will in diesem Augenblick nicht die Bundesregierung auf ihre alte Forderung, ein Rechtsprechungsministerium zu schaffen, festlegen, aber sie möchte diese Aussprache dazu benützen, diesen ihren Programmpunkt der Bundesregierung mit auf den Weg zu ,geben. Es würde sicher zu wesentlich größerer Geschlossenheit unseres Rechtslebens beitragen, wenn die rechtsprechende Gewalt nicht durch Ressortzäune ,abgeteilt wäre, sondern einheitlich in einer Spitze ressortieren würde.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir begrüßen die Forderung der Bundesregierung, die Notstandsgesetzgebung beschleunigt zu verabschieden. Gerade die im Zusammenhang mit der sogenannten Post- und Telefonaffaire erhobenen Vorwürfe zeigen, wie notwendig es ist, die Vorbehaltsrechte der Alliierten durch deutsche Gesetze abzulösen. Bei der Notstandsgesetzgebung muß vor allem darauf hingewirkt werden, daß das Schutzbaugesetz und das Selbstschutzgesetz vor den anderen Notstandsgesetzen behandelt und verabschiedet werden. Diese Maßnahmen sind sachlich vordringlich. In verschiedenen Ländern der Bundesrepublik sind in den Haushaltsplänen schon beträchtliche Summen für die Zwecke des zivilen Bevölkerungsschutzes ausgewiesen, die nach einer gesetzlichen Grundlage durch den Bundesgesetzgeber verlangen. Das Schutzbaugesetz ist auch deshalb vordringlich, weil ein späterer Einbau der erforderlichen Schutzräume in bereits fertiggestellte Häuser mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein wird. Auch die Sicherstellungsgesetze müssen ohne Verzug behandelt werden. Zu der notwendigen Änderung des Grundgesetzes und zu dem Zivildienstgesetz erwarten wir eine klare Stellungnahme der parlamentarischen Opposition, unter welchen Voraussetzungen sie bereit ist, diesen Gesetzen ihre Zustimmung zu geben.
    Ich habe eingangs auf die Bedeutung des hohen Berufsethos der Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes hingewiesen. Wir begrüßen deshalb die Erklärung der Bundesregierung, daß sie die Besoldungseinheit im öffentlichen Dienst um der inneren Gerechtigkeit willen herstellen will. Wir bitten die Bundesregierung hier vor diesem Hohen Hause, sich zu der von uns erhobenen und vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Forderung zu bekennen, daß auch der öffentliche Dienst an der



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    wirtschaftlichen Gesamtentwicklung angemessen zu beteiligen ist.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir halten es für unbedingt erforderlich, daß die Zahlung des Weihnachtsgeldes an die Bundesbeamten und Versorgungsberechtigten sichergestellt wird. Wir werden in dieser Legislaturperiode die Fragen der strukturellen Überleitung und der sogenannten Doppelversorgung ebenso einer befriedigenden Lösung zuzuführen haben wie die Probleme der 131er-Gesetzgebung durch die Vorlage einer 4. Novelle.
    Die Ordnung unserer Gesellschaft stützt sich auf alle Schichten der Bevölkerung. Dem muß die gesellschaftspolitische Konzeption der Bundesregierung Rechnung tragen. Die Gemeinschaftsleistung unseres Volkes ist undenkbar ohne den Fleiß, die Zuverlässigkeit und den Leistungswillen der Arbeiter und Angestellten, ohne die schöpferischen Kräfte in Wissenschaft und Kultur, ohne die unternehmerische Initiative der Selbständigen in Handel, Handwerk, Gewerbe, freien Berufen und Bauerntum und ohne das Berufsethos der Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes. Die unternehmerischen Impulse, die von allen Schichten unseres Volkes ausgehen, haben den Wiederaufbau nach dem Kriege ermöglicht. Vorurteile und Vorbehalte gegen die gesellschaftliche Entwicklung, wie etwa das Anwachsen der Zahl der Angestellten, sind ebenso fehl am Platze wie der Versuch, mit sozialromantischen oder gar ideologischen Vorstellungen die gesunde gesellschaftspolitische Entwicklung zu korrigieren.
    In den Gesetzen des Sozialpakets muß diese Erkenntnis sichtbaren Ausdruck finden. Die Stärkung der Selbstverantwortung in der Krankenversicherung 'ist das selbstverständlichste Gebot der Anerkennung des Willens mündiger Menschen in einer freien Gesellschaft. Die Erkenntnis, daß Selbstverantwortung nur auf der Basis sozialer Gerechtigkeit übernommen werden kann, möge alle diejenigen beruhigen, ,die ein zusätzliche Belastung kleiner und mittlerer Einkommensempfänger befürchten. Der Wille zu sozialer Gerechtigkeit wind in dem Bekenntnis der Bundesregierung zum Familienlastenausgleich deutlich. Das Kindergeldgesetz wird von vielen Familien wegen der Verbesserungen, die es mit .sich bringen wird, sehnlichst erwartet. Die vorgesehene Übernahme der Aufbringung des Kindergeldes auf den Haushalt erfüllt eine alte Forderung der Freien Demokraten. Wir alle kennen die schwere Belastung vor allem der lohnintensiven mittelständischen Betriebe mit den Abgaben an die Familienausgleichskassen.
    Die materielle Gleichstellung der Arbeiter im Krankheitsfalle ist heute schon Wirklichkeit. Sie wird von niemandem ernsthaft bestritten; es geht allein darum, sie praktikabler zu gestalten. Nach unserer Auffassung ist keinem Arbeiter damit gedient, wenn für die Lohnfortzahlung eine Form gefungen wird, die in einer ungleichmäßigen Belastung und Risikoverteilung den lohnintensiven mittelständischen Betrieben an Stelle der Abgaben an die
    Familienausgleichskassen neue Bürden zumutet. Wir halten nach wie vor eine versicherungsrechtliche Lösung für die sinnvollste, zweckmäßigste und gerechteste Form der Gleichstellung der Arbeiter im Krankheitsfalle.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es wird hier in besonderem Maße deutlich, wie notwendig die von der Bundesregierung angekündigte Durchführung einer Sozialenquete ist. Wir begrüßen diese Absicht, deren Verwirklichung wir seit langem fordern. Der Forderung nach einer Sozialenquete liegt die Erkenntnis zugrunde, daß die Leistungskraft unseres Volkes ausreicht, alle Erfordernisse sozialer Gerechtigkeit zu erfüllen, daß es allein darum geht, das Leistungsergebnis sinnvoll und von der Struktur der Gesellschaft her gesehen richtig einzusetzen. Wenn eine Sozialenquete nicht nur Tatbestandsaufnahme sein, sondern in die Zukunft hinein wirken soll, dann müssen vor jedem größeren Gesetzgebungsvorhaben Modelluntersuchungen stattfinden. Auf unsere Initiative hin ist im Frühjahr 1962 ein besonderer Kabinettsausschuß gebildet worden, der die finanziellen Auswirkungen des Sozialpakets und der Kriegsfolgelasten überprüfen soll.
    Der Wille der Bundesregierung, der von den Freien Demokraten auf das entschiedenste unterstützt wird, ist darauf gerichtet, für das Jahr 1964 einen Haushaltsplan vorzulegen, der den bestehenden Möglichkeiten Rechnung trägt und für den die Erhaltung der Kaufkraft der Währung oberstes Gesetz ist. Wir sind mit der Bundesregierung der Meinung, daß dieses Ziel nur dann erreicht werden kann, wenn Regierung und Parlament den Mut haben, sich über eine Rangordnung der Werte zu verständigen. Das deutsche Volk wird auf die Dauer einen solchen Schritt mit vollem Verständnis aufnehmen und unterstützen. Das Echo der Regierungserklärung bestärkt uns in dieser Zuversicht. Ist für die Festlegung des Haushaltsvolumens die Steigerung ' des Sozialprodukts bestimmend, so muß für die Festlegung der Rangordnung der Grundsatz der Gerechtigkeit maßgebend sein.
    Wir bekräftigen unsere Überzeugung, daß die Beseitigung der Kriegsfolgen 18 Jahre nach Beendigung des Krieges vordringlichstes sozialpolitisches Ziel ist.

    (Beifall bei der FDP.)

    Von dieser grundsätzlichen Einstellung her fordern wir eine baldige Verabschiedung des Zweiten Neuordnungsgesetzes zur Kriegsopferversorgung ebenso wie den Abbau des Unterschieds zwischen der Versorgung der Opfer des Krieges und der Unfallopfer. Wir haben in der Vergangenheit für den Berufsschadensausgleich für Beschädigte und Hinterbliebene gekämpft. Der Gedanke des Berufsschadensausgleichs — das begrüßen wir ausdrücklich — ist in den Regierungsentwurf aufgenommen worden, und er findet auch in den anderen Fraktionen dieses Hohen Hauses immer mehr Verständnis und Unterstützung. Die Übernahme des Kriegsopferhaushalts in den Verteidigungshaushalt sollte endlich vollzogen werden. Im Rahmen der Kriegsfolgengesetz-



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    gebung gilt unsere besondere Aufmerksamkeit der weiteren Eingliederung der Heimatvertriebenen, Flüchtlinge, Kriegssachgeschädigten, Kriegsgefangenen und der ehemaligen politischen Häftlinge. Es wird auch in Zukunft unser unabänderliches Ziel bleiben, die Sowjetzonenflüchtlinge im Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht den Heimatvertriebenen gleichzustellen. Wir sehen in der Förderung der Geschädigten aus dem selbständigen Mittelstand auch einen Teil unserer Gesellschaftspolitik. Ich denke hier besonders an die beschleunigte Abwicklung der Hauptentschädigung, an die neue Konzeption für die Selbständigen, den Zuschlag zur Unterhaltshilfe, an den zweiten Fünfjahresplan für vertriebene und geflüchtete Bauern, aber auch an das dem Hohen Hause vorliegende Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Deutsche aus der Sowjetzone und an das Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz.
    Unser herzlicher Dank gilt an dieser Stelle der Arbeit und dem Wirken unseres Freundes Wolfgang Mischnick an der Spitze des Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)

    Er wird sich im Deutschen Bundestag mil dem gleichen Elan und mit der gleichen Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit für diejenigen einsetzen, die an den Kriegsfolgelasten noch heute zu tragen haben. Sein Nachfolger im Amt kann seiner Unterstützung sicher sein.

    (Beifall bei der FDP.)

    Die angekündigte Sozialenquete wird an den Hinweisen auf die Veränderung der Rentensituation nicht vorbeigehen können, die sich aus der Änderung unserer Alterspyramide, dem Fortschritt der medizinischen Wissenschaft, der höheren Lebenserwartung und dem späteren Eintritt ins Erwerbsleben ergeben. Eine sachgemäße Beratung aller hiermit zusammenhängenden Fragen im Parlament erfordert eine sorgfältige Überprüfung der Entwicklung der Rentenversicherungsträger und die im Gesetz vorgeschriebene rechtzeitige Vorlage der versicherungstechnischen Bilanzen. Das Bekenntnis der Bundesregierung zur Stärkung der Selbstverantwortung, die Absicht, eine Rangordnung der Werte zu schaffen, machen es unumgänglich, daß den Versicherungsnehmern der Altlebensversicherungen, die ihren Willen zur Selbstvorsorge unter Beweis gestellt haben, eine Antwort auf die Frage nach der Aufwertung der Altlebensversicherungen gegeben wird.

    (Beifall bei der FDP.)

    Die Unabhängigkeit des einzelnen, seine Freiheit in der Gesellschaft und die Stärkung seines Willens zur Selbstverantwortung können am besten gesichert werden durch die Förderung einer breit gestreuten Eigentumsbildung. In der Bildung von Eigentum in der Hand der Bürger wird der Leistungserfolg des einzelnen am deutlichsten sichtbar. Hier hat der Staat eine große gesellschaftspolitische Aufgabe. Ihre erfolgreiche Lösung sichert die heute schon für jeden sichtbare Überlegenheit unserer
    differenzierten Leistungsgesellschaft über jede Form des Kollektivismus.
    Die schon erwähnte Sozialenquete wird zeigen, wo das Einkommen gerade der kleinen und mittleren Einkommensempfänger unnötig mit Sozialabgaben belastet isst. Die Bundesregierung hat recht, wenn sie unterstreicht, daß jede Bildung von Eigentum Sparen und Konsumverzicht voraussetzt. Die Sparfähigkeit darf aber nicht durch eine fortschreitende Sozialisierung des Lohnes beeinträchtigt werden. Die von den Freien Demokraten seit langem geforderte und jetzt vor ihrer Verwirklichung stehende Beseitigung des sogenannten Mittelstandsbogens bei der Einkommensteuer wird die Sparfähigkeit breiter Schichten unseres Volkes verstärken. Sie kommt allen, unabhängig davon, ob sie selbständig oder nicht selbständig tätig sind, in gleicher Weise zugute. Darum werden wir die von dem Bundesfinanzminister beabsichtigte Reform des Lohn- und Einkommensteuertarifs nachdrücklich unterstützen. Hier wird ein in hervorragendem Maße gesellschaftspolitisches Anliegen erfüllt.
    Die Harmonisierung der verschiedenen Sparförderungen muß unbedingt noch in dieser Legislaturperiode vorgenommen werden. Jede Eigentumsförderung muß für den, der bereit ist, zu sparen und Konsumverzicht zu leisten, in gleicher Weise zugänglich sein. Die Bundesregierung wird dieser Erkenntnis Rechnung tragen müssen, wenn sie die möglichen Formen der Sparförderungen gegeneinander abwägt. Die Gesetze über Bausparprämien und Sparprämien entsprechen in ihrer Anlage und im Grundsatz dieser Forderung.

    (allen Fraktionen unterstützte Bemühen der Bundesregierung um eine Stabilisierung unseres Preisniveaus findet in der deutschen Öffentlichkeit mehr und mehr Resonanz. Mit dem Bundeskanzler begrüßen wir die sich abzeichnende neue Entwicklung auf dem Gebiet der Lohnpolitik. Die Tarifpartner zeigen hier ein hohes Maß an Verantwortungsbewußtsein bei der Ausübung ihrer im Grundgesetz verankerten, von uns unterstützten Rechte. Diese Entwicklung entspricht den Erwartungen, die wir Liberalen an eine wachsende Einsicht in wirtschaftliche Zusammenhänge immer geknüpft haben. Die Einsicht der Tarifpartner muß ihre Ergänzung finden durch das Verhalten von Parlament und Regierung. Die Bundesregierung hat ihre feste Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, den Zuwachs der öffentlichen Ausgaben auf den Zuwachs des Sozialprodukts zu beschränken. Sie wird dabei unsere volle Unterstützung finden. Haushaltspolitik und Steuerpolitik sind die bedeutsamsten Teile des konjunkturpolitischen Instrumentariums, wobei nicht übersehen werden darf, daß der Erfolg davon abhängig ist, daß Bund, Länder und Gemeinden zusammenwirken. Hier ist ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Bund und Ländern ebenso notwendig wie bei der Verteilung der Finanzmasse. Wir wissen, daß das Steueraufkommen in Bund, Ländern und Gemeinden ausreicht, um alle vor uns stehenden Aufgaben zu erfüllen. Die Bundesregierung ist gut beraten, wenn sie sich um eine rasche Freiherr von Kühlmann-Stumm Übereinkunft über die Verteilung von Aufgaben und Steueraufkommen mit den Ländern bemüht. Eine Fortsetzung der Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern wird von der Öffentlichkeit nicht mehr verstanden. Die Bundesregierung hat ihren Willen, hier langfristige und dauerhafte Lösungen zu finden, durch die Aufnahme der Arbeit der Kleinen Kommission für die Finanzreform zum Ausdruck gebracht. Wir werden uns mit Entschiedenheit gegen jeden Versuch wenden, vernünftige Lösungsmöglichkeiten zwischen den Interessen von Bund und Ländern durch eine Ablehnung der vom Bundesfinanzminister vorgesehenen Steuersenkung zu ersetzen. Die Erfahrung lehrt im übrigen, daß Steuersenkungen auf die Dauer nicht zu Steuermindereinnahmen führen. Der neue Wirtschaftsminister übernimmt sein Ministerium in einer Zeit, in der die Marktwirtschaft von allen Fraktionen als sinnvollste und effektivste Wirtschaftsform anerkannt wird. Das ist ein Erfolg des Bundeskanzlers und der Kräfte in diesem Hohen Hause, die von Anfang an mit ihm die Marktwirtschaft durchgesetzt haben. Wir betonen auch an dieser Stelle mit Genugtuung und Freude den Sieg liberaler Ideen. Im Rahmen der Wirtschaftspolitik sind noch große Probleme zu lösen. Das gilt für die Energiepolitik und die Verkehrspolitik ebenso wie für die Strukturpolitik, die schon immer ein besonderes Anliegen des neuen Wirtschaftsministers gewesen ist. Die Verkehrspolitik hat außer Fragen des Wettbewerbs zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern die Gegenwartsund Zukunftsaufgabe eines schnellen und leistungsfähigen Straßenbaus zu bewältigen. Hier können die notwendigen Leistungen nur mit Aufgeschlossenheit für moderne und konstruktive Lösungen vollbracht werden. Die Bundesregierung hat sich mit unserer Unterstützung für eine schrittweise Übernahme marktwirtschaftlicher Grundsätze im Bereich der Wohnungswirtschaft entschieden. Am Ende dieser Entwicklung wird sich zeigen, daß auch hier die Marktwirtschaft allen Betroffenen am besten gerecht wird. Ein ungelöstes Problem ist die Überführung des Wohnungseigentums der öffentlichen Hand in Privathand. Auch auf dem Baumarkt hat sich erwiesen, daß dirigistische Eingriffe nicht zum Erfolg führen, sondern im Gegenteil unerwünschte Nebenergebnisse zeigen, indem sich das Bauvolumen der öffentlichen Hand ausweitet. Dem Baustoppgesetz war ebenso wenig Erfolg beschieden wie der Einführung der eigentumsfeindlichen Grundsteuer C. Die Absicht der Bundesregierung, längerfristige Haushaltsüberlegungen anzustellen, läßt den Willen zu einer vorausschauenden Wirtschafts-, Konjunkturund Haushaltspolitik im allgemeinen erkennen. Damit rückt die Verwirklichung eines von uns seit langem vertretenen Vorschlags in greifbare Nähe. Sollen diese Bemühungen Erfolg haben, so müssen unabhängige Persönlichkeiten von hohem Rang und Ansehen schnellstens in das vom Bundestag beschlossene Gutachtergremium berufen werden. Der Herr Bundeskanzler hat mit den Richtlinien für die Agrarpolitik in der Regierungserklärung den Rahmen für die Arbeit des Kabinetts abgesteckt. Wir Freien Demokraten werden tatkräftig mitarbeiten, diesen Rahmen auszufüllen. Wir haben dem Herrn Bundeskanzler unsere Vorstellungen in mehreren Gesprächen übermittelt. Die Bundesregierung ist jetzt an dem Punkt angelangt, wo endlich die notwendigen Konsequenzen aus der grundsätzlichen Feststellung der Regierungserklärung gezogen werden müssen, wonach die Landwirtschaft ein notwendiger Teil der gesamten Wirtschaft ist. Den Verpflichtungen, die der Landwirtschaft in dieser Position auferlegt werden, ist sie nach besten Kräften nachgekommen. Sie deckt bei ständig gestiegener Nachfrage rund 70% des Nahrungsmittelbedarfs. Sie hat diesen hohen Leistungsstandard durch eine Produktivitätssteigerung um 100% in den letzten 10 Jahren erreicht. Dies ist auch von dem Herrn Bundeskanzler bei früheren Gelegenheiten —als er noch das Wirtschaftsministerium führte — als ein Leistungsrekord bezeichnet worden, der sogar die Rationalisierungserfolge der Industrie teilweise übertroffen hat. Seit 1950 hat die Landwirtschaft 1,6 Millionen Arbeitskräfte an die übrige Wirtschaft abgegeben und auch damit einen sehr wertvollen Beitrag für die allgemeine Leistungssteigerung der Bundesrepublik erbracht. Mit einer Kaufkraft von mehr als 18 Milliarden DM pro Jahr für Güter und Dienstleistungen ist sie ein gewichtiger Auftraggeber. In der Gesamtschau von Leistung und Ertrag der deutschen Wirtschaft darf man wohl feststellen, daß — und ich bitte, dabei auf die Erzeugerpreise zu sehen, nicht auf die Ladenpreise — im Bereich der Landwirtschaft die Parole, Maß zu halten, sehr energisch praktiziert worden ist. Mit dem Lob, das den Bauern dafür zuteil wurde, sollte nun aber auch die verbindliche Zusage Hand in Hand gehen, daß man ihnen den Anschluß an eine ständige Aufwärtsentwicklung in der übrigen Wirtschaft ermöglicht. Die deutschen Landwirte haben einen unternehmerischen Geist und Wagemut bewiesen, der sehr hoch bewertet werden muß. Sie hatten keineswegs die Garantie, daß sich ihre Investitionen in einer angemessenen Rentabilität niederschlagen würden. Das Gegenteil war der Fall. Die Disparität in der Aufwands-Ertrags-Rechnung wuchs von Jahr zu Jahr. Kann man einer Wirtschaftsgruppe, deren Leistung und Risikobereitschaft bisher so schlecht belohnt wurde, heute noch weitere Einkommensverschlechterungen zumuten? Verträgt es sich mit dem Geist einer sozialen Marktwirtschaft, die Landwirte mit neuen Unsicherheitsfaktoren zu belasten? In der Regierungserklärung wird mit bemerkenswerter Deutlichkeit der jetzige Getreidepreis als kostenrichtig bezeichnet, und es wird weiter gesagt, daß das Niveau nicht zu beanstanden sei und mit Freiherr von Kühlmann-Stumm gutem Gewissen vertreten werden könne. Ein Einkommensverlust bei der Bodenproduktion läßt sich nicht ausgleichen durch eine Steigerung der Veredelungsproduktion, die im Rahmen der EWG ohnehin die Tendenz zur Überproduktion zeigt. Der Bauer muß für die Zukunft auf einer sicheren Getreidepreisbasis kalkulieren können. Wir dürfen dieses Problem nicht nur im Hinblick auf den Zeitpunkt sehen, an dem die Einstimmigkeit im Ministerrat endet, sondern weit darüber hinaus. Die Landwirtschaft denkt und plant in großen Zeiträumen. Die Bundesregierung ist im Wort und kann Maßnahmen nur dann ergreifen, wenn gewährleistet ist, daß der Landwirtschaft keine weiteren Einkommenseinbußen zugemutet werden. In diesem Zusammenhang weise ich nachdrücklich darauf hin, daß die Produktionskosten der Bauern durch die Dynamik der Löhne und Preise für sächliche Betriebsmittel, die im Sog der allgemeinen Vollbeschäftigungskonjunktur liegen, entscheidend bestimmt werden. Ähnliche Verhältnisse entwickeln sich in den anderen EWG-Staaten zum Teil erheblich schneller als bei uns. Darum sollte bei den künftigen internationalen Verhandlungen der Grundsatz gelten, daß an dem deutschen Getreidepreis solange festgehalten wird, bis die Wettbewerbsverzerrungen im gemeinsamen Markt abgebaut sind und eine Harmonisierung der Kosten erfolgt ist. Wir weisen darauf hin, daß die Schwierigkeiten im Handelsverkehr mit dritten Ländern durch eine Senkung des deutschen Getreidepreises nicht behoben werden können. Die Kernfrage ist hier, wie sich die Wünsche unserer Handelspartner außerhalb der EWG in Einklang bringen lassen mit den Verpflichtungen, die der EWG-Vertrag der Bundesregierung auferlegt. Man sollte auch überprüfen, ob nicht das marktpolitische Instrumentarium der EWG durch Wiedereinführung von Importkontingenten ergänzt werden könnte. Damit müßte man zu einem vernünftigen Interessenausgleich mit den Handelspartnern nicht zuletzt auch im Ostblock gelangen. Wir begrüßen es, daß unsere alte Forderung nach einem Kurswechsel in der EWG-Agrarpolitik bei den jüngsten Verhandlungen im Ministerrat in Brüssel zum Durchbruch kam. Die Erklärungen, die Staatssekretär Hüttebräuker und Staatssekretär Lahr im Namen der Bundesregierung ‘abgegeben haben, finden unsere volle Zustimmung. Diese eindeutige deutsche Willenserklärung mag bei dem einen oder anderen Partner Aufsehen erregt haben. Aber sie wird dazu beitragen, daß man in Brüssel endlich nach dem Grundsatz des EWG-Vertrages von einer wirklichen Partnerschaft bei gleichen Rechten und Pflichten verhandelt und beschließt. Wir glauben, daß das Landwirtschaftsgesetz überprüft werden muß. Dabei muß auch die Möglichkeit des produktneutralen Einkommensausgleichs ernsthaft erwogen werden. Wir haben dem Koalitionspartner einen Gesetzentwurf zur Mitwirkung vorgelegt. Der Bundestag wird sich weiter mit idem von uns bereits angekündigten EWG-Anpassungsgesetz und einem landwirtschaftlichen Investitionshilfegesetz zu befassen haben. Wir unterschätzen keineswegs die Bedeutung und die Notwendigkeit .der auch in der Regierungserklärung erwähnten Strukturverbesserung in der Landwirtschaft und haben auch dafür erfolgversprechende Vorschläge gemacht. Wir sind allerdings der Meinung, daß die Erfahrungen aus acht Grünen Plänen den Nachweis erbringen, daß die Strukturpolitik in ihrer Auswirkung ,auf die Einkommensentwicklung der Landwirtschaft überschätzt worden ist. Der Rationalisierungseffekt ist in vielen Fällen nicht zum Tragen gekommen. Bei allem Nachdruck, den die Strukturverbesserung verdient, sehen wir das Schwergewicht der deutschen Agrarpolitik in Maßnahmen, die die Einkommensverhältnisse der bäuerlichen Familien mit idem Einkommen vergleichbarer Berufsgruppen zumindest schrittweise in Einklang bringen. Wir sind überzeugt, daß es der Bundesregierung gelingen wird, gerade auf diesem Gebiet erfolgreiche Maßnahmen in den nächsten zwei Jahren zu beschließen. Meine 'sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle werden mit mir der Meinung sein, daß sich die sehr langwierigen und sorgfältigen Vorbereitungen dieser Regierungsbildung gelohnt haben. Sie haben in der Regierungserklärung ihren sichtbaren Ausdruck gefunden. Die Zustimmung der Koalitionsfraktionen und die Anerkennung der Opposition geben der neuen Regierung ein festes Fundament für ihre verantwortungsvolle Arbeit. Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei wünscht der neuen Bundesregierung Glück und Erfolg bei ihrer Arbeit für das ganze deutsche Volk. Ich hoffe, daß ein guter Stern über der Arbeit dieser Regierung und über der Zusammenarbeit der beiden Koalitionsfraktionen stehen wird. Wortmeldungen aus dem Hause liegen nicht mehr vor. Das Schlußwort hat der Herr Bundeskanzler. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke den Sprechern aller Fraktionen dieses Hohen Hauses für die Zustimmung oder für die gerechte Würdigung, die meiner Regierungserklärung zuteil geworden ist. Es ist ja selbstverständlich, daß die Opposition das gute Recht für sich in Anspruch nimmt, eine Regierungserklärung vielleicht noch kritischer unter die Lupe zu nehmen, als das von seiten der Koalitionsparteien geschieht. Um so dankbarer stelle ich fest, daß Sie Es wäre gut, wenn wir angesichts der Schwere der vor uns liegenden Aufgaben dahin kommen könnten, unsere Standpunkte einander anzunähern. Denn ich bin kein Freund von bloßen DeklamaBundeskanzler Dr. Dr. h. c. Erhard tionen. Wir werden sehr schnell vor eine handfeste Arbeit gestellt sein, wenn die Bundesregierung Ihnen den Haushalt 1964 vorlegt. Sie sagten am Anfang Ihrer Rede, es wäre eine lange Liste der Versäumnisse in meiner Regierungserklärung enthalten. Ich würde das anders deuten; ich meine, es wäre falsch, nur rückwärts zu schauen und etwa die lange Liste der Erfolge hier aufzuzeigen. Das wissen wir alle, das weiß vor allem das deutsche Volk zu würdigen. Daß noch nicht alles bis zum letzten vollendet ist, das wissen wir auch. Aber ich glaube, man sollte das nicht als eine Liste der Versäumnisse bezeichnen. Es ist nun einmal meine Art, vorauszuschauen. Wenn Sie meinen, ich wäre mitverantwortlich für das, was die Regierung Adenauer getan und geleistet oder auch nicht vollbracht habe, dann habe ich diese Verantwortung nicht zu scheuen. Und gerade wenn Sie mich bei meiner persönlichen und unmittelbaren Verantwortung als Wirtschaftsminister ansprechen, dann habe ich ganz bestimmt keinen Grund, etwa nicht stolz zu sein auf das, was mit dieser Politik erreicht wurde. Im übrigen wollen Sie zur Kenntnis nehmen: ich stehe hier nicht in meiner Eigenschaft als früherer Wirtschaftsminister, sondern ich stehe hier als Bundeskanzler mit einer originären Verantwortung. Sie meinten selbst, daß in den zwei Jahren bis zum Jahre 1965 nicht alle Blütenträume reifen können. Der Meinung bin ich auch, aber ich glaube, meine Regierungserklärung hat es deutlich gemacht, daß ich nicht nur in der Zeitkategorie von zwei Jahren denke, sondern weiter vorausblicke. Das ist doch einer Ihrer Wünsche, daß ich planen solle. Das war immer meine Meinung, daß man in diesen Dingen, d. h. in den Fragen der Politik, nicht allein das Heute, sondern auch das Morgen, ja sogar das Übermorgen bedenken müsse. Das Leitbild, das ich entwickelt habe — und das war ja der wesentliche Inhalt meiner Regierungserklärung —, ist also in seiner Gültigkeit nicht auf zwei Jahre beschränkt. Aber wenn Sie wollen, dann habe ich damit auch deutlich gemacht, daß ich vor dem Jahre 1965 keine Angst habe und mich auch durchaus nicht als Übergangskanzler fühle. Sie dürfen mir nicht unterstellen, daß ich keine echte staatspolitische Befriedigung darüber empfinde, wenn wir uns in manchen Fragen nähergekommen sind. Sie sprachen vom Regierungsprogramm der SPD vom Jahre 1961 und stellten es so hin, als ob dieses für mich sozusagen die Grundlage meiner Regierungserklärung gewesen wäre. In Ihrem Pressedienst lese ich z. B., daß die Gemeinschaftsaufgaben, die ich vorgezeigt habe, mit dem politischen Profil Willy Brandts unlösbar verbunden seien und daß ich mich quasi auf das ureigenste Gebiet Willy Brandts begäbe. Dazu sage ich — nicht um einer Polemik willen — meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition! Ihr Regierungsprogramm vom Jahre 1961 war ja keine Urzeugung, sondern da haben viele mitgewirkt, -nicht zuletzt ich selbst und viele meiner politischen Freunde. (Heiterkeit und Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD.)





    (Beifall bei der FDP.)


    (Beifall bei der FDP.)


    (Beifall bei der FDP.)





    (Beifall bei der FDP.)


    (Beifall bei der FDP.)


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)


Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

(Zuruf von der SPD: Schlußwort?)

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)





    (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    (Lachen in der Mitte)

    Sie meinen, ich hätte in der Regierungserklärung keine präzisen Aussagen geleistet,

    (Zuruf des Abg. Wehner)

    aber ich habe z. B. zu der Sozialgesetzgebung ganz deutlich jene Grundsätze herausgestellt, die ich bei der Behandlung und Verabschiedung dieser Gesetze berücksichtigt sehen möchte. Und, Herr Erler, es ist Ihnen ja auch nichts anderes übrig geblieben — hier sind wir in der gleichen Situation —: Sie haben sich ja auch damit begnügen müssen, Thesen vorzutragen. Wir leben eben in keinem kommunistischen Staat, wo man sechs Stunden sprechen kann.
    So ergab sich die Beschränkung von selbst und das auch aus dem Respekt vor den notwendigen Abklärungen, die erst noch erfolgen müssen, sei es zwischen der Koalition, sei es in diesem Hohen Hause überhaupt.
    Es sind nicht in allen Dingen präzise Aussagen zu leisten. Wenn ich mir Ihren Katalog ansehe, den Sie für das, was an Gemeinschaftsaufgaben vor uns liegt, vorgetragen haben und mit dem ich einverstanden sein kann, dann kann ich nur sagen: das war auch kein Katalog von zwei Jahren, sondern ein Programm, das auch in weitere Ferne zielt,
    Lassen Sie mich noch etwas ganz deutlich sagen. Wenn wir alle die Gemeinschaftsaufgaben bzw. die gemeinsamen Aufgaben so stark in den Vordergrund stellen, dann spüren wir wohl alle, gleich, ob Koalition oder Opposition, etwas davon, daß wir alle in der Vergangenheit vielleicht allzusehr nur in Gruppenegoismen gedacht und sie vertreten haben. Das mag entschuldbar und auch aus der Situation wohl zu begründen sein, wie sie sich aus dem Aufstieg vom Punkt Null an ergeben hat. Aber es wäre wirklich gut, wenn wir es alle verspüren würden, daß die Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben eben auch einmal das Zurückstellen des Einzelinteresses und der Gruppeninteressen im ganzen erfordert.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich glaube, mehr Mut kann ich nicht aufbringen, als zu sagen: Wenn all das, was auch Sie aufgezeigt haben, all das, was uns bewegt — und ich rechne sogar all das dazu, was noch an Beseitigung von menschlichen Notständen erforderlich ist —, verwirklicht werden soll, dann werden wir — ich zitiere mich jetzt selbst — entweder uns bescheiden oder mehr arbeiten müssen. Ich sage es noch einmal! Glauben Sie denn, daß dies das deutsche Volk nicht



    Bundeskanzler Dr. Dr. h. c. Erhard

    (glaube, es will es sogar hören. Ich bin davon überzeugt, daß das deutsche Volk sehr wohl weiß, daß wir, wenn wir neben dem individuellen Wohlergeben und neben der Mehrung des Wohlstandes auch die Allgemeinheit und das im Auge haben, was der einzelne für sich nicht besorgen kann — das haben Sie sehr plastisch herausgearbeitet —, vor Alternativen stehen, die zwingend sind, gleichgültig, ob für Regierung oder Koalition oder für Opposition. Wenn ich bedenke, daß wir mit 23% Anteil sozialer Leistungen am Bruttosozialprodukt ganz kurz hinter Schweden, das kein so tragisches Schicksal zu tragen hatte, vor allen europäischen Ländern stehen, so glaube ich sagen zu dürfen, daß an dem guten Willen und an dem sozialen Gewissen dieser Regierung kein Zweifel mehr bestehen kann. Nun stehen wir ja — ich möchte fast sagen, Gott sei Dank — sehr schnell vor der Situation, daß wir uns bei der Verabschiedung des Haushalts 1964 darüber klarwerden müssen: Was ist dringlicher und was ist wichtiger? Denn daß wir nicht alle Anliegen zugleich erfüllen können, das hat sich schon herumgesprochen und das ist auch schon in unseren Kabinettsberatungen ganz deutlich geworden. Es wird ein höchstes Maß an Disziplin und an Verantwortungsbewußtsein dazu gehören, einen Haushalt zu verabschieden, der das oberste Gebot der Aufrechterhaltung der Stabilität unserer Wirtschaft nicht verletzt und damit die Grundlagen unserer sozialen Sicherheit nicht gefährdet. Hier kommt es zum Schwur vor dem ganzen Hohen Haus. Und da ich für Wettbewerb bin, würde ich es als eine schöne Sache empfinden, wenn wir im edlen Streit wetteiferten, möglichst viel für die Allgemeinheit und möglichst wenig für das Gruppeninteresse zu tun. (Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Leistungen im Wohnungsbau sind meiner Ansicht nach von Ihnen nicht voll gewürdigt worden. Mehr konnte einfach technisch nicht herausgearbeitet werden, als wir erfüllt haben. Und über die Wirkungen dieser oder jener Maßnahme — wie z. B. der Freigabe der Altbaumieten — wollen wir uns einmal im Jahre 1965 unterhalten. Ich habe so etwas schon einmal erlebt, im Jahre 1948.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Im übrigen habe ich nicht daran gedacht, etwa das bestehende gemeinnützige Wohnungseigentum anzutasten. Man kann aber wohl darüber sprechen, ob man dabei für die Zukunft nicht mehr das individuelle und private Wohnungseigentum fördern oder berücksichtigen könnte.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Und die materielle Grundhaltung unseres Volkes? Ja, Herr Kollege Erler, wem sagen Sie das? Ich spreche das nicht erst seit dem Jahre 1961 aus, sondern mahnte schon sehr viel früher. Sie können es in meinen Büchern nachlesen, daß ich schon, beginnend ab 1957, diese Gefahren aufgezeigt und immer wieder den Finger erhoben habe. Ich habe mir sogar manchen Spott gefallen lassen müssen — mit „Seelenmassage" und dergleichen mehr. Aber das hat mich alles nicht angefochten; denn das, was Sie dazu sagten, ist wahr. Problematisch ist, was Sie dazu ausführten: „Es War gerade die bisherige Regierungspolitik, die zu dieser materiellen Grundhaltung beigetragen und das Geldverdienen als wesentliches Zeichen des Wohlstandes ideologisch aufgewertet hat." Ja, um zu Wohlstand zu gelangen, muß man Geld verdienen, und um Geld zu verdienen, muß man arbeiten. Diese Dinge hängen unlösbar zusammen, sie bringen Sie nicht auseinander. Es kommt bloß darauf an, aus welcher geistigen und moralischen Einstellung heraus Sie an die Probleme herangehen. Ich glaube und hoffe, daß wir uns da näherkommen.
    Ich spiele nicht gern Pharisäer und klage irgend jemanden an, bloß weil er Geld verdient hat. Nein, das war sein gutes Recht. Wenn wir aber nicht Geld verdient hätten, wären wir ja auch nicht zu Wohlstand gekommen, hätten wir die sozialen Leistungen nicht tätigen können und hätten nicht Sicherheit gewonnen und alles, was sich daran knüpft.
    Und nun ein Satz — es ist ein klassischer Satz, er könnte von mir sein;

    (große Heiterkeit)

    — nicht daß er deshalb klassisch ist, um das zu sagen —,

    (erneute Heiterkeit)

    nämlich: Die moderne Sozialpolitik ist keine Notstands-, sondern eine Wohlstandspolitik. Hundertprozentig einverstanden und richtig! Aber das hat auch Konsequenzen!

    (Abg. Dr. Deist: Sehr richtig!)

    Denn eine soziale Notstandspolitik ist anders ausgerichtet, muß nach anderen Regeln und nach anderen Gesetzen und Maßstäben handeln als eine soziale Wohlstandspolitik. Zur Wohlstandspolitik gehört es, dem Menschen, der es vermag und der gerade über wachsenden Wohlstand zum Bewußtsein seiner Kraft und auch seiner Würde gekommen ist, dann auch ein Mehr an Verantwortung aufzubürden und ihn Gewissen bezeugen zu lassen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)

    Wenn wir uns darüber einig sind, dann werden wir uns in vielem verständigen können.
    Sie sagten, Sie wünschten dem Bundeskanzler Erfolg in seinen Bestrebungen im Interesse des deutschen Volkes.

    (Richtig! bei der SPD.)

    Seien Sie auch überzeugt: ich wünsche mir keine Niederlage der Opposition, bloß weil sie Opposition ist. Ich habe das Verhältnis von Opposition und Regierung und Koalition ja schon gewürdigt. Meine Damen und Herren, über die Wahrung der demokratischen Grundregeln haben meiner Ansicht nach wir alle zu wachen: Regierung und alle Frak-



    Bundeskanzler Dr. Dr. h. c. Erhard
    tionen, gleichgültig ob Koalition oder Opposition. Aber sie hat hier auch keinen höheren Rang. Wenn es um die Wahrung der Verfassung geht, um die Wahrung des Grundgesetzes, um die Wahrung der Gesetze und um die Erhaltung der staatsbürgerlichen Rechte, dann wollen wir auch hier wetteifern, Gesetz und Recht zu respektieren. Ich versichere Ihnen noch einmal, daß ich als Chef dieser Regierung alles, aber auch alles tun werde, um die Überzeugung in die Rechtsstaatlichkeit und in die Gerechtigkeit in diesem Lande zu festigen.

    (Allseitiger Beifall.)