Rede von
Dr.
Karl
Kanka
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können dem Herrn Bundes-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Dezember 1962 2231
Dr. Kanka
justizminister für den ersten Teil seiner zweiten Ausführungen durchaus dankbar sein. Er hat uns Fälle eklatanten Mietwuchers vorgeführt, die klar erkennen lassen, daß es richtig war, wenn die Regierung in ihrer Vorlage und wenn dann auch der Wirtschaftsausschuß in den § 2 a Abs. 1 die Nr. 2 eingebaut haben. Damit wird klargestellt, daß auch gegen den Mietwucher mit aller Härte des Gesetzes vorgegangen werden kann. Gegen ihn soll auch mit aller Härte des Gesetzes vorgegangen werden. Die Vorlage, ,die ich hier vertrete, hat nichts damit zu tun, daß solchem Vorgehen auch nur der geringste Riegel vorgeschoben wird. Das wollen wir nicht. Auch wir sind der Meinung, daß der Mietwucher ganz entschieden und nachhaltig bekämpft werden muß. In Fällen so eklatanten Wuchers, wie sie von dem Herrn Minister berichtet worden sind, ist eine Abmahnung nicht vonnöten. Da wollen auch wir von einer Abmahnung nichts wissen. Das sagt der klare Wortlaut unserer Vorlage.
Herrn Professor Böhm möchte ich sagen: was er ausgeführt hat, richtet sich — das hat auch der Herr Justizminister schon klargestellt — nicht gegen den Abs. 3, den wir dem § 2 a anfügen wollen, sondern es richtet sich gegen den Abs. 1 Nr. 2, und dafür ist kein Änderungsantrag gestellt, so daß ich über diese Dinge jetzt nicht zu sprechen brauche. Herr Professor Böhm wird seine Entscheidung bei der Schlußabstimmung treffen können, indem er gegen das Gesetz im ganzen stimmt.
Aber nun zu den ersten Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers, bei denen er uns eine Stellungnahme der Referenten in seinem Hause oder in einem benachbarten Hause — im Hause des Herrn Wohnungsbauministers — vorgelesen hat. Ich kann nicht anerkennen, daß diese Stellungnahme dem sozialpolitischen und dem rechtspolitischen Bedürfnis, aus dem heraus wir den Antrag gestellt haben, auch nur halbwegs gerecht wird. Diese Stellungnahme, die die Referenten ausgearbeitet haben, liegt völlig neben der Sache.
Es ist so: es soll der Mietwucher bestraft werden können. Gegen ihn soll entweder das normale Strafverfahren nach der Strafprozeßordnung in Gang gesetzt werden können — nämlich dann, wenn der Mietwucher den Umfang einer Straftat hat —, oder es soll das Ordnungsstrafverfahren mit Bußgeldbescheid in Gang gesetzt werden können, wenn der Mietwucher jenen Umfang nicht hat. Das gilt absolut und ohne daß vorher eine Ermächtigung der obersten Landesbehörde eingeholt werden soll.
Hinsichtlich der krassen Fälle, von denen der Herr Minister gesprochen hat, sagt ja der letzte Satz unseres Vorschlages, daß es auch da einer Abmahnung nicht bedarf. Es gibt aber Fälle, die nicht so kraß liegen, bei denen die Frage besteht: ist die Miete von 100 DM noch angemessen, müßte sie nicht 95 DM oder 90 DM betragen? Solche Fälle, in denen die Frage der Angemessenheit oder Unangemessenheit sehr schwer zu entscheiden ist, können nicht einfach damit aus dem Wege geräumt werden, daß man sagt: Naja, dann wird die Behörde von sich aus die Strafverfolgung und das Ordnungsstrafverfahren gar nicht einleiten. Dieses Vertrauen sollte der Gesetzgeber denen, die sich berufsmäßig mit Mieten und mit der Durchsetzung ihrer Standpunkte über die Angemessenheit von Mieten befassen, nicht ohne weiteres entgegenbringen. Wir sollten vielmehr dafür sorgen, daß in solchen Fällen der Betroffene, der vermietet, eine Abmahnung ins Haus geschickt bekommt, damit er sich besinnt und überlegt, damit er selbst nachprüft, und daß nur dann das Strafverfahren oder das Bußgeldverfahren in Gang gesetzt werden kann, wenn diese Abmahnung nichts fruchtet. Das ist, wie mir scheint, bei diesem sehr unsicheren Rechtsgebiet, das durch den etwas dehnbaren Begriff der Angemessenheit so unsicher gemacht wird, ein durchaus sauberes und rechtsstaatlich begrüßenswertes Verfahren.
Wenn mir nun von der Bürokratie das Argument serviert wird, daß die Abmahnung noch nicht in einem Gesetze stehe, so muß ich sagen: das stimmt gar nicht. Gerade im Mieterschutzgesetz haben wir in § 2 die Vorschrift, daß abgemahnt werden muß. Da liegt sie allerdings auf dem zivilrechtlichen Gebiet. Warum soll ich aber nicht im Verkehr zwischen der Behörde und dem „Untertanen", dem Bürger, dem ein Verfahren droht, die Wohltat der Abmahnung einbauen? Die Tatsache, daß etwas neu ist, besagt doch nicht immer, daß es auch schlecht sei, und so müssen die Herren in den Ministerien auch einmal einen neuen Gedanken prüfend zur Kenntnis nehmen. Die Abmahnung ist also gerade auf dem Gebiet des Mietrechts etwas durchaus Legitimes.
Nun kommt man mir sogar mit dem Grundgesetz und sagt, daß die Vorschrift, wonach die Abmahnung nicht selbständig angefochten werden kann, gegen Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verstoße. Man soll das Grundgesetz sehr genau beachten und soll sich sehr davor hüten, daß man mit einem Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht kommt. Aber dieser Einwand ist hier völlig fehl am Platze. In der Strafprozeßordnung, um deren Änderung wir uns schon seit längerer Zeit bemühen, und auch in der Zivilprozeßordnung gibt es eine ganze Anzahl von Vorschriften, wonach gewisse Zwischenentscheidungen nicht selbständig angefochten werden können, sondern erst nachher, wenn es zur Hauptentscheidung über die Berufung oder über das Rechtsmittel der Revision kommt. Der Einwand, daß gegen Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verstoßen werde, ist also völlig fehl am Platze.
Um es noch einmal zu sagen: Wir wollen, daß gegen überhöhte Mietpreise vorgegangen wird, und zwar nicht nur, wenn es sich dabei um eklatante Fälle offensichtlichen krassen Mietwuchers handelt, sondern auch in den anderen Fällen. Wir sind aber der Meinung, daß zwischen diesen beiden Gruppen des eklatanten, ganz groben Mietwuchers und den Fällen, die man nicht in diese Kategorie einreihen muß, eine gerechte Unterscheidung zu treffen ist, daß nur in den erstgenannten groben Fällen die Bürokratie gleich mit allen Mitteln des Bußgeldbescheids oder, wenn der Fall schlimm genug liegt, auch der Abgabe ins Strafverfahren vorgehen soll. In den anderen Fällen aber soll die Abmahnung vorangehen, damit die schwierige Entscheidung nicht auf dem Rücken des Bürgers ausgetragen wird.
2232 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Dezember 1962
Dr. Kanka
Von der Ministerialbürokratie ist weiter noch gerügt worden, daß neben den Begriff der Unangemessenheit jetzt durch uns noch der Begriff einer groben Unangemessenheit, einer verstärkt schlimmen Unangemessenheit gesetzt werde. Das ist auch im Gesetz geschehen. Auch nach dem Gesetz, wie wir es jetzt haben, muß bei unangemessenen Preisen unterschieden werden zwischen den weniger schlimmen Fällen und den schlimmeren Fällen. Die weniger schlimmen Fälle werden im Ordnungsstrafverfahren durch Bußgeldbescheid erledigt, und die schlimmeren Fälle kommen in das ordentliche Strafverfahren und werden dann mit Strafen erledigt. Wir fordern hier eine Unterscheidung, und diese Unterscheidung muß gemacht werden, wenn wir den Tatbeständen des Lebens gerecht werden wollen. Das ist doch die Aufgabe des Gesetzgebers. Wir sollen doch die Dinge nicht alle über einen Kamm scheren, sondern wir müssen sauber unterscheiden. Diese Unterscheidung ist durchaus angebracht, und ich glaube deshalb, daß diese Vorlage es verdient hätte, daß sich die gesamte Ministerialbürokratie für sie eingesetzt hätte. Daß sie es nicht getan hat, ist, glaube ich, kein schlechtes Zeugnis für die Vorlage.