Ich bin mit Ihnen völlig der Ansicht, daß das eine sehr gesunde und notwendige Entwicklung ist. Ich habe auch keineswegs den Eindruck, daß das auf dem Wege über die heutigen Besitzstruktur und über die heutigen Wirtschaftsgrundsätze im Ruhrgebiet und in anderen Gebieten dadurch verhindert würde. Wir sind doch im Begriff, eine sehr gesunde Entwicklung nach dieser Richtung einzuleiten. Jedenfalls möchte ich feststellen, daß der Steinkohlenbergbau, so sehr er uns Sorge bereitet — und ich bin keineswegs geneigt, diese Sorge zu verkleinern —, innerhalb Europas immer noch einen ausgezeichneten, ich möchte sogar sagen, den führenden Platz einnimmt.
Ich habe aber dann noch ein Wort an den Herrn Bundeswirtschaftsminister zu richten. Herr Bundeswirtschaftsminister, wir sind mit Ihrem Programm voll einverstanden. Wir sind glücklich, daß das verkündet worden ist. Herr Kollege Deist, ich weiß nicht, was Sie sich an Programm gedacht haben. Herr Kollege Burgbacher hat schon versucht, von Ihnen eine Erklärung darüber zu bekommen, was Sie sich eigentlich vorstellen. Sie sind doch in der glücklichen Lage, daß Sie ruhig Pläne machen können. Sie können schöne Programme entwerfen und brauchen nachher nicht die Verantwortung für die Ausführung zu tragen. Ich habe deshalb geradezu mit der Brille und mit dem Mikroskop gesucht, was nun an Vorschlägen da ist. Ich habe allerlei wunderschöne Ausdrücke gehört, was alles an Maßnahmen notwendig ist: sie sollen gesund sein, sie sollen normal sein, sie sollen zumutbar sein, sie sollen erträglich sein, sie sollen sinnvoll sein, sie sollen herzhaft sein, sie sollen vernünftig sein, sie sollen planmäßig sein — aber worin sie bestehen, Herr Kollege Deist, darüber sind Sie und Kollege Arendt uns den Nachweis völlig schuldig geblieben.
Es war auch von Ihrem Standpunkt aus so wesentlich einfacher. Ich muß sagen, ich beneide Sie beinahe um die Rolle der Opposition, die so schön Pläne machen und sagen kann: Soundso soll es geschehen. Sicher, auch wir würden gern sehen, daß die Regierung eine schönes Konzept auf 20, 30 Jahre hinaus entwickelte. Aber wir haben andere Erfahrungen gemacht, die auch vom Bundeswirtschaftsminister mit Recht hervorgehoben worden sind. Er hat Ihnen die Irrtümer, die nicht n u r von Ihnen — ich weiß das genau —, aber auch von Ihnen begangen worden sind, nicht vorgehalten. Aber er hat Ihnen eine Vorhaltung auf Grund der Vorwürfe gemacht, die Regierung plane nicht genug. Da hat er Ihnen vorgehalten, daß der Wechsel in den Auffassungen eine langfristige Planung nicht gut gestattet und nicht gut verantworten läßt. Deshalb möchte ich die Bundesregierung durchaus loben, daß sie nicht mit einem starren Programm in eine Entwicklung hineinstößt, von der niemand hier im Saal sagen kann, was
sie in den nächsten fünf oder zehn Jahren bringen wird.
Zum Schluß noch eine Bemerkung, die sich auf das Wort des amerikanischen Bergarbeiterführers John Lewis bezieht, das, glaube ich, Herr Kollege Arendt zitiert hat und nach dem er in die Kirche gehen würde, wenn es gelänge, durch irgendeine technische Erfindung die Steinkohlenbergleute von ihrer Arbeit zu entbinden. Ich bin gewiß, Herr Kollege Arendt, daß Sie es richtig und gut gemeint haben. Aber das Wort kann herzlich leicht mißverstanden und mißdeutet werden. Ich glaube, wir sollten uns weniger darum kümmern, daß der letzte Bergmann aus der Grube herausgeht, als dafür sorgen, daß der letzte Bergmann unter menschenwürdigen Umständen arbeitet und die Sicherheit seines Arbeitsplatzes behält. Das wäre eine wesentlich bessere Auffassung. Dann wollen wir uns klar sein, daß das, was wir hier besprechen, nicht Wirtschaftstheorien und seelenlose Zahlen sind, sondern daß es sich um das Schicksal von 400 000 Menschen handelt, daß es darum geht, für sie zu sorgen, ihnen zu ersparen, daß sie dort weggehen, und ihnen die Freude an diesem schönen und anständigen deutschen Beruf zu erhalten. Ich glaube, das ist unsere Aufgabe hier.