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ID0401322000

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    Deutscher Bundestag 13. Sitzung Bonn, den 31. Januar 1962 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Meyer 335 A Die Abg. Glombig und Busch treten in den Bundestag ein 350 B Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im dritten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1961 (Drucksache IV/140) . . . . . . . . 350 C Fragestunde (Drucksache IV/148) Frage des Abg. Dr. Mommer: Anstellungsverhältnis der Pressereferenten des Auswärtigen Dienstes Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 335 D, 336 A, B, C Dr. Mommer (SPD) 336 A Ritzel (SPD) 336 B Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Kommission betr. Fragen der politischen Bildung Höcherl, Bundesminister 336 C, D, 337 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 336 C, D Dr. Schäfer (SPD) 336 D Dr. Frede (SPD) . . . . . . . 337 A Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Laufbahnen des Polizeivollzugsdienstes Höcherl, Bundesminister . . . 337 A, B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 337 B Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Jubiläumszuwendungen an Beamte Höcherl, Bundesminister 337 C, D, 338 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 337 C, D Brück (CDU/CSU) 337 D Ritzel (SPD) . . . . . . . . 338 A Fragen des Abg. Dr. Dollinger: Steuerliche Selbstveranlagung Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 338 B, D, 339 A Dr. Besold (CDU/CSU) . . . . . 338 C Dr. Koch (SPD) 338 D Fragen des Abg. Dr. Stecker: Kursmünzen Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 339 A, B Gewandt (CDU/CSU) 339 B Frage des Abg. Dröscher: Grundsteuervergünstigung für Wohnungen von Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 339 C, D, 340 A, B, C, D, 341 A Dröscher (SPD) 339 D Wittrock (SPD) . . . . . . . 340 A Dr. Brecht (SPD) 340 B, C Schmitt-Vockenhausen (SPD) . 340 D, 341 A II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1962 Frage des Abg. Dr. Mommer: Entschädigung für in den Vereinigten Staaten beschlagnahmtes deutsches Privatvermögen Dr. Hettlage, Staatssekretär 341 A, B, C, D, 342 C Dr. Mommer (SPD) 341 B Ritzel (SPD) . . . . . . . . 341 C Dr. Kohut (FDP) . . . . 341 D, 342 A Dr. Carstens, Staatssekretär . . 342 A, B Dr. Schäfer (SPD) 342 B Jahn (SPD) 342 C Frage des Abg. Dröscher: Randgemeinden der Truppenübungsplätze Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . . 342 D, 343 A, B Dröscher (SPD) 343 A, B Frage des Abg. Blumenfeld: Indonesische Staatsgesellschaften und deutscher Außenhandel Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 343 C, 344 A Blumenfeld (CDU/CSU) 343 D, 344 A Fragen des Abg. Murr: Vereinbarungen in Brüssel über Tabak und Hopfen Schwarz, Bundesminister . . . . . 344 B Murr (FDP) . . . . . . . . 344 C Frage des Abg. Sander: Schutzimpfung gegen die Maul- und Klauenseuche Schwarz, Bundesminister . 344 D: 345 A Sander (FDP) . . . . . . . . . 344 D Frage des Abg. Müller (Worms): Angestelltenrente des Rentners Hirsch aus Osthofen Dr. Claussen, Staatssekretär . . 345 B, C Matthöfer (SPD) 345 C Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Stellenangebote deutscher Firmen in österreichischen Zeitungen Dr. Claussen, Staatssekretär . . 345 D, 346 A, B Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 346 A Dr. Kohut (FDP) 346 B Frage des Abg. Ritzel: Schutz für Taxifahrer Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 346 B, C, D Ritzel (SPD) . . . . . . . . 346 C, D Memmel (CDU/CSU) 346 D Frage des Abg. Felder: Bau der Großschiffahrtsstraße RheinMain—Donau Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 347 A, B, C Felder (SPD) . . . . . . . . 347 B Bauer (Würzburg) (SPD) . . . . . 347 C Frage des Abg. Felder: Kanalbau Nürnberg-Regensburg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 347 D Frage des Abg. Felder: Autobahn Frankfurt—Nürnberg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 348 A, B Felder (SPD) . . . . . . . . . 348 B Frage des Abg. Schmidt (Kempten) : Überbreite landwirtschaftliche Maschinen im Straßenverkehr Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 348 B, C, D Schmidt (Kempten) (FDP) . . . . 348 C, D Fragen des Abg. Dr. Kohut: Gepäckabfertigung und Fahrkartenverkauf am Bahnhof Langen (Hessen) Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 348 D, 349 A Frage des Abg. Ritzel: Fernsprechanschlüsse in den Rasthäusern an den Bundesautobahnen Stücklen, Bundesminister . . . . 349 C Ritzel (SPD) . . . . . . . . 349 C, D Frage des Abg. Ritzel: Depots mit Blutplasma in Autobahnraststätten Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister .......... 349 D Frage des Abg. Gewandt: Verkauf von Arzneimitteln im freien Verkehr Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . . . . 350 A, B Gewandt (CDU/CSU) . . . . . . 350 B Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1962 III Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. von Brentano (CDU/CSU) . . 350 C Birkelbach (SPD) 354 B Freiherr von Kühlmann-Stumm (FDP) 360 D Struve (CDU/CSU) 366 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 371 C Ertl (FDP) 376 C Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 381 C Frau Strobel (SPD) 384 C Mauk (FDP) . . . . . . . . 391 B Lücker (München) (CDU/CSU) . . 394 A Schwarz, Bundesminister 399 C Antrag betr. Vorlage eines Berichtes wegen Belastung mit lohnbezogenen Abgaben (CDU/CSU, FDP), (Drucksache IV/134) Dr. Dahlgrün (FDP) 402 B Burgemeister (CDU/CSU) . . . 403 A Lange (Essen) (SPD) 403 C Nächste Sitzung 404 C Anlagen 405 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 13. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 31. Januar 1962 335 13. Sitzung Bonn, den 31. Januar 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 31. 1. Altmaier 1. 2. Dr. Atzenroth 31. 1 Dr. Birrenbach 3. 2. Fürst vom Bismarck 3. 2. Dr. Bucerius 3. 2. Dr. Burgbacher 31. 1. van Delden 1.2. Dr. Dittrich 31. 1. Dr. Dollinger 31. 1. Ehnes 1. 2. Eichelbaum 6. 2. Eisenmann 31. 1. Erler 31. 1. Dr. Franz 31. 1. Gaßmann 2. 2. Frau Geisendörfer 3. 2. Gedat 15. 2. Hellenbrock 3. 2. Hesemann 31. 1. Höfler 31. 1. Illerhaus 31. 1. Jacobs 1. 2. Frau Kettig 1. 2. Dr. Klein (Berlin) 14. 2. Dr. Kliesing (Honnef) 4. 2. Frau Krappe 1. 2. Kraus 1. 2. Leber 31. 1. Dr. Löbe 2. 2. Lohmar 1. 2. Dr. Mälzig 31. 1. Maier (Mannheim) 14. 2. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 31. 1. Merten 31. 1. Michels 2. 2. Müller (Worms) 4. 2. Neumann (Berlin) 31. 1. Rademacher 31. 1. Rasier 1. 2. Reitzner 31. 1. Dr. Schellenberg 31. 1. Scheuren 34. 1. Schmidt (Braunschweig) 2. 2. Dr. Schneider 31. 1. Schütz 31. 1. Schulhoff 3.2. SühLer 31. 1. Striebeck 18. 2. Wagner 31. 1. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 31. 1. Wehner 31. 1. Werner 15. 2. Wieninger 1. 2. b) Urlaubsanträge Frau Dr. Elsner 10.2. Horn 18.2. Oetzel 16.2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Umdruck 20 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP zur Erklärung der Bundesregierung vom 24. Januar 1962 betr. EWG Der Bundestag wolle beischließen: Der Bundestag hat die Erklärung der Bundesregierung vom 24. Januar 1962 über die Beschlüsse des Ministerrats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 13./14. Januar 1962 zur Kenntnis genommen. Er spricht der deutschen Verhandlungsdelegation, unter Führung von Bundesminister Schwarz, Dank und Anerkennung für ihren unermüdlichen Einsatz in den überaus schwierigen Verhandlungen aus. Der Bundestag ist sich bewußt, daß die deutsche Landwirtschaft vor großen Aufgaben und Schwierigkeiten steht. Er erwartet, daß ihm die Bundesregierung möglichst bald die Gesetzentwürfe vorlegt, die für eine termingerechte Anpassung der in der Bundesrepublik geltenden Gesetze und Verordnungen an die Brüsseler Beschlüsse notwendig sind. In diesen Gesetzentwürfen sund alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die berechtigten Interessen der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft und der Verbraucher zu berücksichtigen; dies gilt insbesondere im Hinblick auf die bäuerlichen Familienbetriebe und die marktfernen Gebiete. Der Bundestag erwartet, daß die Bundesregierung ihm außerdem Vorschläge für die im Sinne des Landwirtschaftsgesetzes notwendigen Ausgleichsmaßnahmen für Einkommensminderungen vorlegt, die sich aus. der Durchführung der Brüsseler Beschlüsse ergeben. Der Bundestag ist der Auffassung, daß die Brüsseler Beschlüsse nunmehr dazu zwingen, gemeinsam eine agrarpolitische Konzeption zu entwickeln, die die Lebensfähigkeit der deutschen Landwirtschaft auch im gemeinsamen europäischen Markt gewährleistet, mit den in Brüssel gefaßten Beschlüssen vereinbar ist, die Interessen der Verbraucher wahrt und zugleich finanzpolitisch tragbar ist. Für dieses Vorhaben ist Eile geboten. Die deutsche Landwirtschaft kann erwarten, daß spätestens bei der Diskussion über den neuen Grünen Bericht und den Grünen Plan die Umrisse dieser agrarpolitischen Konzeption sichtbar werden. Der Bundestag erwartet, daß die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die ihr übertragenen Zuständigkeiten in echter gemeinschaftlicher Solidarität handhabt. Diese Verantwortung wiegt um so schwerer, solange das Europäische Parlament noch kenne den nationalen Parlamenten entsprechenden legislativen Funktionen ausübt, während die nationalen Parlamente ihre Zuständigkeiten schrittweise verlieren. Bonn, den 31. Januar 1962 Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Bucher und Fraktion
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    Rede von Freiherr Knut von Kühlmann-Stumm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verlauf dieser Debatte gibt mir die Ehre, hier über Außenpolitik zu sprechen, obwohl ich in meiner Fraktion speziell wirtschaftliche, finanzielle und agrarpolitische Fragen bearbeite.
    Die europäische Idee hat seit dem Grafen Coudenhove-Kalergi ihre große Anziehungskraft nicht verloren. Nach dem Kriege hat Winston Churchill die europäischen Völker aufgerufen, sich zusammenzuschließen; dieser Zusammenschluß sollte eine Alternative zu den ungeheuren Gefahren sein, die uns aus dem Osten drohen. Die beteiligten Länder haben vor einigen Jahren mit dem Vertrag von Rom die wohl dynamischste und aktuellste Farm der europäischen Gemeinschaften gefunden. Die Freien Demokraten bekennen sich in vollem Umfange zu dem Inhalt dieses Vertrages, obwohl sie seinerzeit, als der Vertrag abgeschlossen wurde, grundsätzliche Bedenken geäußert haben.



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    Die OEEC war eine Gemeinschaft von 17 Staaten, die außerordentlich erfolgreich arbeitete und die wesentlich dazu beigetragen hat, daß sich der Wiederaufbau unserer Bundesrepublik so günstig entwickelte. Wir hatten den Wunsch, daß neben dem Sechser-Europa eine große Freihandelszone geschaffen werde, damit die gute Grundlage, die die OEEC geboten hatte, auch für die Zukunft ausgewertet werde. Das ist damals nicht gelungen.
    Wir stellen fest, daß die wirtschaftliche Dynamik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft so gewaltig, so beeindruckend und so attraktiv ist, daß sich zahlreiche Länder der westlichen Welt dieser Gemeinschaft anschließen wollen; sie haben teils den direkten Beitritt beantragt, teils wünschen sie eine Assoziierung. Diese Bestrebungen sollten mit allen Mitteln unterstützt werden. Man sollte die weitere wirtschaftliche Dynamik sorgfältig beobachten, um zu erkennen, wie für diese Länder — ich denke besonders an Großbritannien und Dänemark — die Voraussetzungen geschaffen werden können, die notwendig sind, damit sie den Gemeinschaften beitreten können.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat vor einigen Tagen vor der Auslandspresse eine Erklärung abgegeben. Er hat den Wunsch ausgesprochen, nunmehr intensiv die politische Konzeption der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu erarbeiten. Denn diese politische Konzeption ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß die Verhandlungen mit den anderen Staaten, die jetzt nicht dem Sechser-Europa angehören, geführt werden können.
    Auch ein anderer großer Verfechter der sozialen Marktwirtschaft, Herr Professor Röpke aus Genf, hat vor einiger Zeit in einem Vortrag in Hannover energisch gefordert, die wirtschaftliche Beschleunigung, die wirtschaftliche Dynamik etwas einzudämmen und eine behutsamere Behandlung dieser Fragen Platz greifen zu lassen, damit man sich zunächst über die politische Konzeption Klarheit verschaffen könne.
    Hier liegen zwei Aussagen von sehr beachtlichem Gewicht vor, und man sollte diesen Anregungen meines Erachtens Folge leisten.
    Wir sind überzeugt, daß wir es, wenn diese Voraussetzung erarbeitet worden ist und man in der Frage der weiteren wirtschaftlichen Dynamik der Sechs behutsam vorgeht, in absehbarer Zeit erleben werden, daß eine große Anzahl von anderen Staaten, die sich jetzt außerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zum Teil wieder zu Blöcken zusammengeschlossen haben, endgültig ihren Beitritt vollziehen. Wir hoffen, daß die verantwortlichen Stellen alles dazu beitragen werden, was ihnen möglich ist, um die Verhandlungen über den Beitritt bzw. die Assoziierung dieser Staaten beschleunigt vonstatten gehen zu lassen.
    Das Ziel — auch das außenpolitische Ziel — aller dieser Bestrebungen muß eine möglichst große Gemeinschaft sein. Wir wünschten, daß es die 17 Nationen werden, die einst in der OEEC zusammengeschlossen waren.
    Es gibt eine sehr enge Wechselwirkung zwischen wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten. Man hat bei dem Vertrag von Rom den wirtschaftlichen Weg gewählt, weil man glaubte, die wirtschaftliche Dynamik werde so beeindruckend sein, daß sie letzten Endes auch zu einer politischen Einigung führen könne.
    Das letzte Hindernis, das sich einer solchen wirtschaftlichen Einigung entgegenstellte, war die Agrarpolitik, die in diesem Sechser-Europa Zug um Zug koordiniert werden sollte. Erst als der einstimmige Beschluß vorlag, nach Schaffung der notwendigen Voraussetzungen auch auf dem Gebiete der Agrarpolitik in die zweite Stufe einzutreten, war diese Europäische Wirtschaftsgemeinschaft wirklich erfolgreich und attraktiv. Alle Bedenken und alle Kritik, die an diesen Agrarverhandlungen geübt worden war, wurden schließlich Lügen gestraft, weil man sich eben doch, wenn auch mit einer kurzen Verzögerung, auf eine gemeinsame Agrarpolitik geeinigt hat. Es wird mir nachher noch obliegen, zu dieser Frage etwas zu sagen. Sie kann als der letzte entscheidende Schritt auf dem Wege zur zweiten Stufe angesehen werden.
    In den Verträgen von Rom war eine so weitgehende Einigung auf dem Gebiete der Landwirtschaft nicht vorgesehen. Auch hier ist wieder die wechselseitige Wirkung zwischen Wirtschaftspolitik und Außenpolitik zu erkennen. Die Franzosen haben in einer sehr wohlabgewogenen Erklärung verlangt, die zweite Stufe nur dann zu beschließen, wenn auch in der Agrarpolitik eine weitgehende Einigung erzielt worden sei. Ich glaube, wir müssen den Franzosen letzten Endes für diese eindeutige Haltung dankbar sein. Denn das Problem wird nicht dadurch besser gelöst, daß man seine Erörterung hinausschiebt. Vielmehr sollte man dieser Entwicklung getrost ins Auge sehen. Je früher man mit der gemeinsamen Agrarpolitik beginnt, desto besser kann man sich innerhalb der vorgesehenen Übergangszeit auf sie einstellen.
    Auch andere wichtige Entscheidungen sind in der nächsten Zeit notwendig, wenn wir die mit dem Eintritt in die zweite Stufe gefundene Gemeinschaft erhalten wollen. Wir haben auch hier Ausführungen namhafter Persönlichkeiten zu verzeichnen, die im Zusammenhang mit dem Schritt in die zweite Stufe erfolgt sind. Ich darf zunächst auf die Amerikaner eingehen, die die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft in einer ganz energischen Formgefördert haben, die immer das politische Moment bei der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Auge hatten. Jetzt plötzlich erkennen sie, daß sich in diesem Sechser-Europa eine gewisse Selbstversorgung abzeichnet und daß sie damit rechnen müssen, Waren nicht mehr in dem bisherigen Umfang in den Raum der Sechs hineinliefern zu können.
    Die amerikanische Landwirtschaft befindet sich in einer katastrophalen Situation. Sie leidet seit Jahren unter einer Überproduktion größten Ausmaßes. Die Amerikaner haben die höchsten Agrarsubventionen der westlichen Welt. Ich darf dabei darauf hinweisen, daß alle Länder der westlichen Welt ihre Landwirtschaften in dieser oder jener



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    Form subventionieren, wobei das Ausmaß der Subventionen sehr oft nicht in vollem Umfange zu erkennen ist.
    Die Amerikaner haben auch in Brüssel bereits Teilerfolge auf dem Gebiete des Zolls zu verzeichnen. Für einige Waren wurde eine beiderseitige 20 %ige Zollsenkung vereinbart. Aber die Amerikaner wollen natürlich mehr. Sie wollen ihre Produkte in vollem Umfang in das Gebiet der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft liefern. Sie stellen aber mit Schrecken fest, daß das nach der bisherigen Konzeption nur sehr schwer möglich sein wird. In den jüngsten Abmachungen hat man an einer Fülle von diskriminierenden Maßnahmen festgehalten. Besonders auf dem Gebiete der Landwirtschaft werden sich diese Maßnahmen in aller Kürze in noch größerem Umfange auswirken. Ich spreche hier nicht nur vom Zoll, ich spreche auch von den Präferenzen, die gegenüber Drittländern eingegangen worden sind, und ich spreche davon, daß die Franzosen gerade in der Tatsache, daß um die Sechs ein Außenzolltarif herumgelegt wird, die große Chance für ihre Landwirtschaft und ihre Wirtschaftspolitik sehen.
    So glaube ich, daß in sehr kurzer Frist erneute Verhandlungen zwischen den Amerikanern und der EWG stattfinden werden. Es wird sich dann wieder um wirklich politische Fragen handeln. Die Amerikaner werden einfach nicht zulassen, daß ihnen auf die Dauer dieser große, dynamische und in seinem Ausmaß ständig wachsende Markt verschlossen wird. Ich glaube, daß hier die erste Bewährungsprobe der Gemeinschaft zu erwarten ist, und bin überzeugt, daß die Kommission und letzten Endes auch der Rat den Wünschen der Amerikaner nicht die kalte Schulter zeigen werden, wie wir das schon in den Anfängen feststellen konnten. Die Amerikaner haben auch ein völlig neues Außenhandelsprogramm vorgelegt. Sie haben angeboten, ihre Einfuhrpolitik zu revidieren. Sie haben lange in Genf bei der sogenannten Dillon-Runde darum gerungen. Der amerikanische Präsident wird nun versuchen, in seinem eigenen Lande die Widerstände auszuräumen, um letzten Endes zu erreichen, daß die Einfuhrzölle in Amerika in maßgeblichem Umfang abgebaut werden. Das kann aber nur geschehen, wenn auch die Europäische Gemeinschaft ihre diskriminierenden Maßnahmen Schritt für Schritt beseitigt.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister, der ja in Amerika gewesen ist, hat dem amerikanischen Präsidenten nahegelegt, auf diesem Wege zügig voranzugehen, wobei er sich vielleicht nicht in vollem Umfange darüber im klaren war, was das für die Agrarpolitik der Bundesregierung und für die Agrarwirtschaft des Bundesgebietes bedeuten wird!
    Die Amerikaner haben auch eine völlig neue Landwirtschaftspolitik im Auge. Sie gehen heute schon so weit, daß sie den Nichtanbau von landwirtschaftlichen Nutzflächen sehr hoch prämieren. Sie wollen unter allen Umständen die Überproduktion eindämmen. Sie wollen verhindern, daß jährlich riesige Beträge an Steuergeldern für die Bevorratung verbraucht werden müssen. Sie wollen versuchen, ihre landwirtschaftlichen Überschüsse mit Hilfe einer liberalen Einfuhrpolitik in andere Länder abzusetzen. Dabei ist interessant, daß die Amerikaner im Rahmen der Entwicklungshilfe bezüglich der Nahrungsmittelhilfe schon eigene Wege gegangen sind. Wenn man von einer Getreideüberproduktion im späteren europäischen Raum vielleicht einmal spricht, sollte man sich die Erfahrungen zunutze machen, die die Amerikaner bisher auf diesem Gebiete besitzen.
    Das aktuellste Problem für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist die Einbeziehung Englands. Herr von Brentano hat schon gesagt, daß dieser Entschluß der Briten, sich der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft anzuschließen, wohl als historisch zu bezeichnen ist. Es ist vielleicht der wichtigste Schritt, den die Engländer nach dem Kriege getan haben. Sie geben dabei viel auf, sie wollen aber auch etwas von ihren eigenen Gedanken in diese Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hineinbringen. Sie wollen Verschiedenes von dem, was sie an Erfahrungen gesammelt haben, auch erhalten wissen. Die Engländer haben, durch schlechte Erfahrungen gewitzigt, unter großer Belastung der öffentlichen Hand und der Steuerzahler eine eigene landwirtschaftliche Produktion aufgebaut. Die Engländer produzieren heute etwa 50% ihres Bedarfs im eigenen Land, wir in der Bundesrepublik etwa 75 %. Die Engländer haben ein eigenes System entwickelt, wonach sie sämtliche landwirtschaftlichen Güter zu Weltmarktpreisen einführen und dem Verbraucher somit die Möglichkeit geben, billige Nahrungsmittel zu kaufen. Sie subventionieren ihre eigene Landwirtschaft. Sie zahlen den in England lebenden Bauern die Differenz zwischen den Weltmarktpreisen und den in England entstehenden kostendeckenden Preisen und geben dafür ebenfalls erhebliche Beträge aus.
    Sie werden natürlich, wenn sie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beitreten, die Verbraucherfrage besonders in den Vordergrund stellen; denn sie wollen ihren Beitritt ja nicht mit einem höheren Niveau der Lebenshaltungskosten und mit teureren Nahrungsgütern bezahlen. Sie haben auch noch andere sehr entscheidende Wünsche, die man bei den Commonwealth-Ländern suchen muß. Diese Länder, besonders Neuseeland, Australien und Kanada, genießen starke und nachdrückliche Präferenzen bei der Lieferung ihrer Produkte nach Großbritannien. Diese Präferenzen zu erhalten, wird ein Hauptanliegen der Engländer bei den Verhandlungen über den Eintritt in die EWG sein. Hier ergeben sich wiederum Schwierigkeiten. Wenn man nämlich den englischen Wünschen nachgeben will, wird die zwangsläufige Folge sein, daß eben auch diese Waren in den Raum der EWG hineinfließen werden. Da die Bundesrepublik das einzige Land der EWG ist, das einen landwirtschaftlichen Importmarkt zu verzeichnen hat, d. h. das einzige Land, dessen eigene Produktion die Nachfrage nicht deckt, sondern eine erhebliche Menge von landwirtschaftlichen Produkten im Wert von insgesamt etwa 10 Milliarden DM pro Jahr einführen muß, wird sich der Beitritt Englands entscheidend für die deutsche Landwirtschaft bemerkbar machen.
    Es ist daher unvermeidlich, daß sich sowohl die amerikanischen Bestrebungen als auch die Bestre-



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    bungen der Engländer und der Commonwealth-Länder ausschließlich auf den Agrarmarkt der Bundesrepublik auswirken werden. Es ist sehr fraglich und es würde eigentlich jeder politischen Logik widersprechen, wenn nicht genau wie bei dem Abschluß der Agrarverhandlungen in Brüssel so auch bei den Verhandlungen mit Amerika und England von beiden Seiten Konzessionen gemacht würden. Ohne gegenseitiges Nachgeben wird eine Vereinbarung über diese Fragen besonders aber auf dem Gebiet der Agrarmärkte nicht zu erreichen sein.
    Es ist mir nicht bekannt, ob die Engländer die Absicht haben, auf der Beibehaltung ihres Systems zu bestehen. Dieses System ist sehr attraktiv, und Sie wissen, daß verschiedene deutsche Agrarpolitiker den Wunsch geäußert haben, es auf die deutschen Verhältnisse zu übertragen. Ich glaube, daß diese Diskussion nach dem Abschluß der Agrarverhandlungen in Brüssel beendet ist und daß wir uns hierüber keinen Gedanken mehr zu machen brauchen, es sei denn, die Engländer bestehen darauf, die Frage der Überleitung ihres Systems nach Europa bei den Verhandlungen noch einmal aufzuwerfen.
    Es gibt aber noch weiter Länder auf dieser Welt, die der Frage, ob es ihnen in der Zukunft möglich sein wird, Nahrungsgüter in die EWG hineinzuliefern, eine große, eine entscheidende Bedeutung beimessen. Ich denke in erster Linie an Dänemark. Es ist bekannt, daß nur auf Grund der Zollmaßnahmen, die wir zum 1. Januar 1962 beschlossen haben, dänische Butter derzeit hier nicht abzusetzen ist. Für viele andere dänische Waren gilt das gleiche. Sie erinnern sich an das sehr interessante Gespräch der Journalisten am Fernsehschirm, wo sich der dänische Vertreter sehr energisch dagegen verwahrte, daß man in Brüssel zu endgültigen Beschlüssen gekommen ist, ohne die Dänen in diese Verträge einzubeziehen.
    Die deutschen Bauern haben diese Dinge sehr aufmerksam verfolgt, und es ist ganz selbstverständlich, daß auch die Dänen anstreben werden, möglichst bald an die EWG angeschlossen zu werden, um ihrerseits nun wieder ihre Agrarprodukte in den Raum der EWG, besonders aber in die Bundesrepublik, liefern zu können.
    Dänemark produziert in der Hauptsache Veredelungsgüter. Auf diesem Gebiet hat die EWG bereits einen Selbstversorgungsgrad von über 100 % erreicht. Die jährliche Steigerung wird dadurch aufgefangen, daß sich die Einkommensverhältnisse im EWG-Raum laufend verbessern, wodurch die Möglichkeit gegeben ist, die Mehrproduktion auch abzusetzen. Wenn sich die Dänen diesem europäischen Markt anschließen und dieselben Vorzüge genießen, die jetzt den Sechs zugestanden sind, so wird sich das Volumen der Veredelungsprodukte in diesem Raum auf 110 % steigern, und es ist deswegen, glaube ich, müßig, die deutschen Bauern immer wieder anzuregen, noch mehr Veredelungsgüter herzustellen; denn bekanntlich bricht ein Markt in dem Moment zusammen, wo das Angebot die Nachfrage wesentlich übersteigt und der Markt nicht mehr in der Lage ist, die produzierte Ware aufzunehmen.
    Eine große Aufmerksamkeit sollten wir, glaube ich, auch den südamerikanischen Staaten widmen, die ja davon leben, landwirtschaftliche Güter zu exportieren. Wenn sie ihre eigene Industrie und ihre eigene Wirtschaft aufbauen, wenn sie die hierzu nötigen Devisen gewinnen wollen, ist das nur durch einen intensiven Export von landwirtschaftlichen Gütern möglich, wobei sie natürlich besonders an die europäischen Länder denken. Sie haben ja erfahren, daß gerade aus der südamerikanischen Ecke besonders kritische Stimmen zu den Brüsseler Agrarbeschlüssen zu hören sind. Ich glaube, auch die Nordamerikaner werden die südamerikanischen Wünsche sehr stark unterstützen. Wir müssen also damit rechnen, daß auch von dieser Seite Wünsche an die EWG gerichtet werden.
    Ferner denke ich an die Entwicklungsländer überhaupt. Diese Länder bekommen ja nicht nur von der Bundesrepublik, sondern auch von anderen westlichen Ländern ganz erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt, mit denen sie ihre Entwicklung steigern, ihre Industrie aufbauen, aber auch ihre eigene Landwirtschaft fördern sollen. Die Länder sind nicht in der Lage, die gegebenen Gelder fristgemäß zurückzahlen, wenn sie nicht in die Lage versetzt werden, ihre Produkte — und das sind überwiegend Agrarprodukte — in die Länder abzusetzen, von denen sie nun einmal die Kredite und die Hilfsmittel erhalten haben. Wir haben bei der Kaffeesteuer über diese Frage diskutiert. Sie gehört nicht direkt hierher. Es gibt aber andere Ernährungsgüter, die für den Export der Entwicklungsländer eine entscheidende Rolle spielen.
    Den Entwicklungsländern wird es am schwersten fallen, die Zollmauern zu überspringen. Die Amerikaner können das, die Engländer durch Vertragsbeitritt vielleicht auch.
    Aber wir haben auch deutsche Stimmen gehört — und zwar sehr gewichtige —, die die agrarpolitischen Beschlüsse von Brüssel einer kritischen Betrachtung unterzogen haben. Der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbandes hat sich vor kurzem in Bonn dahin gehend geäußert, daß er in dem angestrebten Konzept der Selbstversorgung auf agrarischem Gebiet in der EWG eine große Gefahr auch für die deutsche Ernährungswirtschaft sieht. Wir exportieren etwa zwei Drittel unserer Wirtschaftsgüter in sogenannte Drittländer. Diese werden natürlich in dem Umfang weniger deutsche Waren abnehmen, wie wir Agrarprodukte von ihnen zu übernehmen nicht bereit sind.
    Wenn nun schon bei wichtigen Grundnahrungsmitteln die Unterschiede erheblich sind — wie es z. B. jetzt beim Vergleich dänischer Butter mit Butter aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist —, besteht die Gefahr, daß die Handelsströme umgeleitet werden und wir einen großen Teil unseres Exports an die Drittländer verlieren. Das ist die andere, hier sehr wichtige Frage.
    In diesem Zusammenhang sollte man ganz offen auch ein Wort über die Handels- und Zahlungsbilanzen sagen. Die Amerikaner haben große Sorgen mit ihrer Handelsbilanz. Dasselbe gilt für die Engländer,

    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    die auf dem Gebiet der Wirtschaft bereits sehr schwere Zeiten hinter sich haben. Auch bei den Franzosen zeichnet sich eine rückläufige Ausfuhr ab. Bei uns ist diese Entwicklung noch nicht zu verspüren. Aber wir müssen damit rechnen, daß bei sich laufend steigernden Kosten die aktive Handelsbilanz auch bei uns eine gewisse Beeinträchtigung erfahren wird.
    Nachdem wir in der Bundesrepublik zur Zeit im Gegenwert von etwa 10 Milliarden DM Nahrungsgüter einführen, sollte man sehr sorgfältig prüfen, inwieweit man von einer starken Eigenproduktion auf dem Gebiete der Landwirtschaft abgehen sollte. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß man diesen Weg nicht beschreiten sollte. Maßgebliche Stimmen haben erklärt, es müßten noch 1 Million Menschen aus der Landwirtschaft in andere Berufe abwandern; der Rest, der dann in der Landwirtschaft verbleibe, solle die Fläche, die frei werde, bearbeiten und werde dann ein größeres Einkommen haben. Auch hier möchte ich nachdrücklich Bedenken anmelden. In manchen anderen Staaten, wo ähnliche Tendenzen bestanden, sind Schwierigkeiten aufgetreten, und die Entwicklung ist zum Teil umgekehrt gelaufen. Es ist eben nicht gelungen, bei der Abwanderung von Menschen aus der Landwirtschaft dieselbe Produktion zu erhalten. Ich möchte auf diese Dinge nicht im einzelnen eingehen, denn die Fachfragen werden ja in der weiteren Debatte besprochen. Ich möchte nur zu einigen grundsätzlichen Fragen des Vertrages Stellung nehmen.
    Der Agrarvertrag von Brüssel hat meiner Ansicht nach drei wichtige Kristallisationspunkte, und diese sollten hier herausgestellt werden. Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß in dem Konkurrenzunternehmen der EWG, der EFTA, das in seiner Entwicklung keineswegs glücklich gewesen ist und das im Gegensatz zur EWG nur sehr wenig attraktiv war, über die Landwirtschaft überhaupt nicht gesprochen worden ist. Die Agrarpolitik. in der EFTA war völlig ausgeklammert. Ich darf auch darauf hinweisen, daß es den drei Benelux-Ländern Holland, Belgien und Luxemburg in fünfzehn Jahren nicht gelungen ist, eine gemeinsame Agrarpolitik zu finden. Man kann daraus ermessen, welch großen Erfolg es für die Verhandlungskommissionen bedeutet, daß sie es erreicht haben, in so kurzer Frist — wenn auch unter großem Zeitdruck — in Brüssel eine gemeinsame agrarpolitische Konzeption zu erarbeiten. Auch unsere Fraktion schließt sich den anerkennenden Worten an, die hier über unsere deutsche Verhandlungskommission gesprochen worden sind. Im Rahmen des Möglichen ist Erhebliches geleistet worden. Ich glaube auch, daß den Richtlinien, die der Kommission vom Kabinett mitgegeben worden waren, in vielen Punkten entsprochen werden konnte. Natürlich stand der Kompromiß über all diesen Fragen, und bei einem Kompromiß kann eben nicht alles erreicht werden.
    Auf einem wichtigen Gebiet ist aber, Gott sei Dank, möchte ich sagen, noch alles offen. Es ist von den Investitionen und von der Strukturverbesserung in der Landwirtschaft gesprochen worden, von den großen Anstrengungen, die die Landwirtschaft in den nächsten Jahren zu unternehmen hat. Ich möchte
    darauf hinweisen, daß für jede wirtschaftliche Investition, für jede wirtschaftliche Planung der Preis entscheidend ist. In der Landwirtschaft ist das Preisgefüge nun einmal im Getreidepreis verankert. Der Getreidepreis ist der Angelpunkt der gemeinschaftlichen Landwirtschaftspolitik überhaupt. Über den Getreidepreis ist in dem Bericht von Herrn Minister Schwarz ja gesagt, daß er erst in absehbarer Zeit gefunden werden soll und daß dieser Getreidepreis an den jetzigen deutschen Getreidepreis angelehnt werden wird.
    Wir haben in der Vergangenheit aus berufenem Munde gehört, daß sich auch in Bereichen, von denen wir bisher nicht annehmen konnten, daß sich bei ihnen diese Erkenntnis durchsetzte, eine Tendenz bemerkbar macht, die uns hoffen läßt, daß wir mit dem jetzigen deutschen Erzeugerpreisniveau durchkommen werden. Ich glaube auch — und das ist vorhin schon gesagt worden —, daß eine Senkung des Getreidepreises beim Erzeuger keine großen Auswirkungen haben würde. Denn wir haben in der Vergangenheit erlebt, daß in der Bundesrepublik die Erzeugerpreise relativ stabil, ja zum Teil sogar rückläufig gewesen sind und daß sich trotzdem die Verbraucherpreise auf Grund der laufenden Kostensteigerungen langsam, aber stetig nach oben entwickelt haben. Wir hoffen also, daß der Getreidepreis in einer für Deutschland erträglichen Form ausgehandelt wird. Wir glauben auch, daß es auf die Dauer nicht möglich sein wird, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nur Aufgaben der Veredelungsproduktion zufallen zu lassen, sondern daß es notwendig sein wird, einen großen Teil der Bodenproduktion auch im Raum der EWG weiterzuführen.
    Die zweite Frage ist die des Überganges. Es ist kein Zweifel, daß ein großer Erfolg unserer Kommission darin zu sehen Ist, daß es ihr gelungen ist, die Übergangszeit auf siebeneinhalb Jahre festzusetzen. Siebeneinhalb Jahre sind für sine landwirtschaftliche Entwicklung nur eine sehr kurze Zeit, aber wir wollen froh sein, daß der Landwirtschaft wenigstens diese Übergangsfrist gegeben wird. Allerdings müssen wir uns vom ersten Tage an energisch auf die Fragen vorbereiten, die auf die Landwirtschaft zukommen, wenn diese Übergangsfrist einmal beendet sein wird.

    Die dritte Frage, die am ernstesten überprüft werden muß, ist die Frage der Schutzklauseln. Als die Montanunion und der Vertrag über Kohle und Stahl in diesem Hause verhandelt wurden, hat ein Abgeordneter erklärt, es könne doch einmal der Moment eintreten, in dem zuviel Kohle in dem Raum der Montanunion vorhanden sei. Das wurde damals verneint. Es wurde erklärt, das sei eine Utopie, es werde in den nächsten fünfzig Jahren immer Kohlemangel herrschen. Die Entwicklung hat sehr schnell einen anderen Weg genommen. Wir stellen heute fest, daß es kaum möglich erscheint, das Überschuß-problem bei der Kohle zu lösen. Die Bundesregierung und die Verbände haben verschiedene Vorschläge gemacht. Aber es scheint sich zunächst keine Möglichkeit anzubahnen, dieses Dilemmas Herr zu werden. Wir hoffen, daß die Bundesregierung sehr bald ein grundsätzliches Konzept zu der Frage der Energiepolitik entwickeln wird.



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    Ebenso sollte man auf dem Gebiet der Landwirtschaft nicht die augenblickliche Situation als Ausgangspunkt nehmen. Wir wissen alle nicht, was in siebeneinhalb Jahren in der Bundesrepublik und im Raum der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sein wird. Wir wissen nicht, wie sich die Dinge entwickeln. Die Wirtschaftsprobleme sind auch hier sehr eng mit den außenpolitischen verknüpft. Die Schutzklauseln, die eingeführt warden sind, scheinen mir nicht genügend wirksam zu sein. Die Bürokratie, die dabei in Gang gesetzt werden muß, ist zu kompliziert und zu schwerfällig. Ich glaube, daß diese Schutzklauseln in der Praxis nicht erfolgreichsein werden.
    Wenn die Bundesregierung schon selbst 'erkennt, daß nach ihren Erfahrungen das Abschöpfungssystem nicht ausreicht, um Störungen des Marktes zu beseitigen, wie sie gelegentlich auftreten, dann sollte man doch versuchen, das System der Schutzklauseln zu verbessern, zu konkretisieren, — wobei natürlich am Ende immer der Beschluß des Ministerrats steht. Der Ministerrat wird mit Mehrheit beschließen, so daß man sich ausrechnen kann, wie die Wünsche der Bundesrepublik, die das einzige Einfuhrland der EWG ist, in diesem Ministerrat behandelt werden. Ein wirksamer Schutz der Bundesrepublik ist so nicht gegeben.
    Ich möchte noch ein Wort zur Finanzbelastung sagen. Diese Belastung ist in ihrer Größenordnung völlig offen. Niemand weiß, welche Summen von den Ländern der Gemeinschaft in den Fonds einbezahlt werden müssen. Für die Verteilung des
    Fonds ist ein Schlüssel gefunden worden, der für die Bundesrepublik meines Erachtens tragbar ist. Aber niemand weiß, welche Mittel z. B. notwendig sein werden, um die Exportvergütungen zu bezahlen, welche Mittel notwendig sein werden, um die Strukturmaßnahmen der Gemeinschaft zu fördern und zu unterstützen, und schließlich welche Mittel notwendig sein werden, um andere Maßnahmen, die für diesen Fonds vorgesehen sind, zu treffen.
    Ich bin nicht sicher, mit welcher Größenordnung wir in Zukunft zu rechnen haben. Diese Frage ist sehr wichtig; denn wir befinden uns ja in einer Haushaltslage, die keineswegs einfach erscheint. Sie macht unserem Herrn Finanzminister große Sorgen.
    Auf der anderen Seite stellen wir fest, daß die Mittel für den Grünen Plan, nämlich für die Überführung der deutschen Landwirtschaft in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, jährlich größer werden, so daß für die Steuerzahler und die öffentliche Hand, zumindest während der Übergangszeit, ohne Zweifel eine doppelte Belastung entstehen wird, die in ihrer Größenordnung nicht zu übersehen ist. Ich hoffe, daß sehr bald die genauen Unterlagen über das in Brüssel Vereinbarte vorliegen werden, damit man erkennen kann, welche Lasten in Zukunft für die Bundesrepublik ins Auge gefaßt werden müssen.
    In der Regierungserklärung ist mehrfach von der Tatsache gesprochen worden, daß auch für die Verbraucher im Zuge der weiteren Entwicklung eine Erleichterung geschaffen werden soll. Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, daß sehr prominente
    Sprecher der Bundesregierung anerkannt haben, die Landwirtschaft sei in den letzten zwei Jahren der einzige Stabilisierungsfaktor der deutschen Wirtschaft gewesen. Trotzdem konnte nicht verhindert werden, daß die Lebensmittelpreise beim Verbraucher laufend anstiegen. Ich glaube, das wird auch in der EWG so bleiben, wenn wir nicht lernen maßzuhalten. Man kann eine Marschkolonne nicht bei der Feldküche aufhalten, und es nützt gar nichts, daß die Landwirtschaft stillhält — was sie seit Jahren tut —, wenn auf der anderen Seite durch kostensteigernde Faktoren auf dem Gebiet der Sozialpolitik, der Lohnpolitik usw. eben die Spitze davonläuft. Dadurch entsteht für die Landwirtschaft eine sehr schwerwiegende Wechselwirkung, indem nämlich nicht nur der Abstand ihres Lohnes von dem Lohn der vergleichbaren gewerblichen Industrie immer größer wird, sondern auch die Produkte, die die Landwirtschaft einkaufen muß, weil sie sie benötigt, um ihre Erzeugnisse zu erstellen, durch die Kostensteigerung immer teurer werden. Die Landwirtschaft wird also durch diese Entwicklung in zwei Fällen sehr maßgeblich beeinflußt.
    Die Verbraucher werden nur dann einen Vorteil von der Entwicklung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft haben, wenn es gelingt, die gesamte Kostenstruktur maßvoll zu gestalten. Laufen die Kosten weiterhin in einem solchen Umfang den Erzeugerpreisen der Landwirtschaft davon, so werden allerdings die Verbraucher nur einen geringen Anteil haben und vielleicht erst nach der endgültigen Übergangsphase wirklich zu einer spürbaren Erleichterung gelangen.
    Für die Bauern, die jetzt mit großer Sorge auf die Entwicklung innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft blicken, entstehen entscheidende Fragen, die ich schon in den drei Punkten angesprochen habe. Die Bauern sind aber insofern zuversichtlich, als sie die Gewißheit haben, daß die Bundesregierung alles daransetzen wird, um die Nachteile und die Preiseinbußen, die ihnen während der Übergangszeit entstehen, auszugleichen. Das ist für die Bauern eine sehr wichtige Erkenntnis, weil sie nämlich davon überzeugt sind, daß das, was in dieser Frage versprochen worden ist, auch in der Zukunft gehalten werden wird.
    In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal das Landwirtschaftsgesetz ansprechen. Es ist, wie die Bundesregierung selbst erklärt hat, ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Beschlüsse. Sinn des Landwirtschaftgesetzes war es, die Einkommensstruktur der Landwirtschaft an die der vergleichbaren gewerblichen Wirtschaft heranzuführen. Dasselbe Ziel haben auch die Paragraphen des Vertrages von Brüssel.
    In der Zwischenzeit und in der Übergangszeit werden vielleicht Fragen auftauchen, die die Bauern in ganz erheblichen Rückstand bringen könnten und die Einbußen an ihrem Einkommen nach sich ziehen. Wir sind aber davon überzeugt, daß die Bundesregierung alles tun wird, diese Einkommenseinbußen auszugleichen. In der Erklärung des Bundesernährungsministers sind Anhaltspunkte dafür vorhanden. Wir hoffen, daß die Zusagen, die einmal



    Freiherr von Kühlmann-Stumm
    gemacht worden sind, in vollem Umfange eingehalten werden. Denn neben der großen Zahl der Werktätigen waren es die Bauern, die nach dem Kriege dazu beigetragen haben, die große wirtschaftliche Expansion und die gute Entwicklung unserer Wirtschaft zu tragen, die geradezu die Voraussetzungen für den großen Erfolg geschaffen haben. Sie haben nach dieser Entwicklung stillgehalten, sie haben nicht an den Preisen manipuliert. Sie haben in sehr geringem Umfange an den Einkommenssteigerungen der übrigen Wirtschaft teilgenommen. Dem sollte man Rechnung tragen.
    Ich hoffe, daß das Ziel des Vertrages von Rom letzten Endes mit dem Ziel des Landwirtschaftsgesetzes in Übereinstimmung gebracht werden kann. Dabei darf ich noch einmal darauf hinweisen, daß mit Subventionen allein keiner Landwirtschaft geholfen werden kann, sondern daß eine gesunde Synthese zwischen Preis- und Subventionspolitik gefunden werden sollte.
    Auch aus dieser Sicht sind einige Vorschläge gemacht worden. Ich kann Ihnen sagen, daß jedes Preisproblem der Landwirtschaft mit dem Qualitätsproblem verbunden ist. Ich glaube, jeder deutsche Verbraucher wird ohne weiteres bereit sein, einen höheren Preis für landwirtschaftliche Produkte zu zahlen, wenn man ihm eine bessere Qualität anzubieten in der Lage ist. Darüber besteht kein Zweifel, wenn man die Erfahrungen des letzten Jahres in vollem Umfange berücksichtigt.
    Ich möchte nicht weiter auf Einzelheiten eingehen, sondern zum Schluß nur noch einmal sagen, daß auch meine Fraktion den Wunsch hätte, zu sehen, daß das Europäische Parlament in seinen Möglichkeiten und in seinen Kompetenzen gestärkt werden könnte. Aber auch das Parlament der Bundesrepublik sollte bei den Fragen, die jetzt in 'Brüssel verhandelt worden sind, und bei den Ausführungsbestimmungen, die sich im Zusammenhang mit diesen Fragen ergeben, nicht ausgeschlossen sein. Die Bundesregierung hat in ihren Erklärungen einige Andeutungen gemacht, wonach sie für gewisse Übergangsbestimmungen Vollmachten wünscht. Bei diesen schwerwiegenden Fragen, von denen die Existenz so vieler Menschen abhängt, sollte man 'zunächst die letzte Instanz doch bei den nationalen Parlamenten belassen, ebenso wie man in Zukunft alles daran setzen sollte, die demokratische Kraft des Europäischen Parlaments zu fördern und zu steigern. Hier ist ja mit Recht der Gedanke angeklungen, daß man im Laufe der Zeit von den nationalen Parlamenten zu einer europäischen Regierung und zu einem Europäischen Parlament langsam überleiten müsse.
    Ich hoffe, daß unser Wunsch, den wir seinerzeit bei der Gründung des Vertrages von Rom deutlich ausgesprochen haben, der Wunsch nach einem größeren Europa und nach einer Einbeziehung der westlichen Welt in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft erfüllt wird und daß es gelingt, alle die Vorstellungen, die im Vertrag von Rom niedergelegt sind, zu verwirklichen. Ich versichere im Namen der Fraktion, daß die Freien Demokraten an allen diesen Fragen energisch mitarbeiten werden,
    um letzten Endes auch auf dem politischen Weg zum Ziel zu kommen und diesem neuen Europa, das sich so dynamisch zeigt und das mit dem Übergang zur zweiten Stufe einen so wichtigen Schritt vorwärts getan hat, weiterhin zum Erfolg zu verhelfen. Denn letzten Endes sind wir uns alle bewußt, daß die Nationalstaaten allein nicht mehr in der Lage sein werden, die Dinge zu meistern. Deswegen hoffe ich, daß dieser dynamischen Wirtschaftskonzeption sehr bald auch eine politische folgen wird, die dann die Möglichkeit gibt, dieses Europa so weit auszudehnen, wie wir freien Demokraten es immer gewünscht haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Struve.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Detlef Struve


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verlauf der Debatte zeigt, wie stark auch die europäische Agrarpolitik unter dem Gebot der politischen Notwendigkeit steht.
    Der Herr Kollege von der SPD ist neben einer politischen Würdigung vor allen Dingen auch auf die vorbereitenden Arbeiten der Bundesregierung eingegangen. Ich erachte es nicht als meine Aufgabe, diese kritischen Bemerkungen zu widerlegen. Aber ich glaube, Herr Kollege, wir werden den Dingen doch wohl nur dann gerecht, wenn wir festhalten, daß die ganzen Arbeiten im Ministerrat zusätzlich auch dadurch belastet wurden, daß immer neue Probleme von seiten der Partnerländer auf den Tisch gelegt wurden und zum Teil neue Verordnungen in die Beratungen hineinkamen, so daß zeitweise durchaus der Eindruck entstand, daß die einzelnen Delegationen und insbesondere auch die deutschen Delegationen überfordert seien.
    Ich meine, daß die Leistung unserer deutschen Delegation — wie das auch hier schon von den Sprechern zum Ausdruck gebracht worden ist — anerkannt werden muß; ich glaube, sie hat unter der Führung unseres Bundesministers Schwarz den deutschen Standpunkt gut verteidigt und gut vertreten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Öffentlichkeit, weit über die Grenzen Deutschlands hinaus, hat es miterlebt, wie Sie, Herr Bundesminister, sich Ihrer schwierigen Aufgabe entledigt haben. Ihr Name wird mit einem bedeutsamen Stück deutscher Geschichte verbunden sein — mit einem bedeutsamen Stück europäischer Geschichte dürfen wir hinzufügen. Ich darf Ihnen deshalb auch im Namen unserer politischen Freunde dafür Dank und Anerkennung sagen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Römischen Verträge, meine Damen und Herren, gingen von der Überzeugung aus, daß das soziale Gleichgewicht und die politische Stabilität sich nur erreichen und erhalten lassen, wenn in größerem Raum ausreichende Absatzmöglichkeiten für die wachsende Produktion zur Verfügung stehen. Diese Ziele sind umfassend. Ihre Verwirklichung darf keinen Wirtschaftszweig und keine Land-



    Struve
    schaft ausschließen, wenn nicht Unruheherde entstehen sollen, die das gemeinsame Werk dann gefährden würden.
    Es ist unsere Pflicht, mit diesem Maßstab sehr sorgfältig und sehr kritisch zu messen, was in Brüssel beschlossen worden ist. Dabei kann es allerdings weniger um den Inhalt als vielmehr um die Auswirkung dieser Beschlüsse gehen, sofern wir uns der Meinung des Herrn Ministers anschließen, das in Brüssel europäisches Recht gesetzt wurde; und ich glaube, diese Meinung gilt.
    Das aber bedeutet, daß wir uns heute nicht mehr über das Für und Wider des Abschöpfungssystems, über das System der Getreiderichtpreise oder auch darüber, ob die Schutzklausel besser anders ausgesehen hätte, zu unterhalten haben. Diese Themen sind im Grundsatz entschieden. Aber die Durchführungsbestimmungen und die praktische Handhabung stehen aus. Schon diese Tatsache gibt unserer heutigen Diskussion ihre besondere Bedeutung. Meine Herren Vorredner haben schon auf diesen Umstand hingewiesen. Ich glaube, wir alle müssen dazu beitragen, daß die Ausführung der Brüsseler Beschlüsse von Anfang an auf den guten Willen derjenigen Rücksicht nimmt, ohne die das Werk nicht gelingen kann; eine übersteigerte Theorie könnte viel Unheil anrichten.
    Die Kommission sollte die Auswirkungen der Verordnungen in den einzelnen Partnerländern sehr sorgfältig verfolgen. Natürlich kann man innerhalb und außerhalb der Landwirtschaft verschiedener Meinung sein, z. B. ob die natürlichen Produktionsbedingungen und der günstige Standort allein die Erzeugung bestimmen.
    Ich war doch etwas überrascht, daß der Herr Kollege von der SPD in diesem Zusammenhang so selbstverständlich nur noch dem besseren Standort, dem besseren Klima, dem besseren Boden und in Verbindung damit dem besseren Wert die Chance gibt.
    Meine Damen und Herren, das ist ohne Zweifel ein Geist, der in den Verordnungen und auch in den Römischen Verträgen einen sehr starken Niederschlag gefunden hat. Aber ich darf doch auch darauf hinweisen, daß neben diesen wirtschaftlichen Zielen die Erhaltung des bäuerlichen Familienbetriebes ein erklärtes Ziel der europäischen Agrarpolitik ist. Meine politischen Freunde stehen zu dieser Ansicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Abg. Birkelbach: Da müßt Ihr aber eine andere Subventionspolitik treiben!)

    Sie sind der Auffassung, daß wir den Weg zu suchen haben, auf dem ihm seine Existenzgrundlage gesichert ist. Das schließt nicht aus — und in diesem Punkt sind wir uns einig —, daß auch innerhalb der Landwirtschaft bei gleichen Wettbewerbsvoraussetzungen am Ende die Leistung in Europa entscheiden wird und soll.
    Ich meine aber, wir sollten dieses Problem sehr ernst und bis zum Ende durchdenken. Täuschen wir uns nicht: wirtschaftliche Überlegungen allein führen zwangsläufig zur Farm, einer Entwicklung, die meine politischen Freunde nicht wollen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Wir sind der Auffassung, daß man hier nicht allein nach ökonomischen Gesichtspunkten entscheiden kann und daß die Rechnung fehlerhaft sein muß, wenn man sie ohne den Menschen macht. Gerade die menschliche Seite sollte auch bei diesem Agrarproblem nicht zu kurz kommen, weil sonst die Folgen unübersehbar wären und nach meiner Überzeugung auch das ganze europäische Gebäude auf schwachen Füßen stünde.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Ich glaube, daß unser Bundesminister auch diese Problematik im Auge hatte, als er feststellte, daß am Ende der Übergangszeit auch .der Landwirtschaft Vorteile erwachsen werden. Das beinhaltet, daß wir während der Übergangszeit, also während der nächsten 7 1/2 Jahre, noch eine ungeheure Arbeit vor uns haben, daß vor allen Dingen die praktische Landwirtschaft noch einen schweren Weg vor sich hat. Wenn diese Wirtschaftsgemeinschaft einmal vollständig verwirklicht sein wird, dann muß doch als Resultat dieses Werkes der Freiheit — darüber dürfte auch in diesem Hohen Hause Einigkeit bestehen — eine breite Schicht selbständiger bäuerlicher Betriebe erhalten bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Weg bis dahin ist jedoch sehr schwer. Täuschen wir uns nicht: es kommen große Umstellungen auf uns zu. Der Herr Minister hat schon davon gesprochen. Ich glaube, daß die Umstellungen, die uns bevorstehen, noch schwieriger zu bewerkstelligen sein werden als die, die wir schon hinter uns haben.
    Seit 1950 sind aus der Landwirtschaft von 3,7 Millionen Menschen 1,2 Millionen ausgeschieden; das sind etwa 30 % der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung. In Gebieten mit günstiger Agrarstruktur liegt .der Prozentsatz noch höher; wegen des höheren Technisierungsgrades sind dort über 40 % der Arbeitskräfte freigesetzt worden. Zu gleicher Zeit ist die Produktion in der Landwirtschaft um über 40 % gestiegen; zu gleicher Zeit — diese Zahlen stammen von wissenschaftlichen Instituten und vom Bundeswirtschaftsministerium — ist die Produktivität in der Landwirtschaft um über 100 % gestiegen. Diese Ziffern müssen einmal herausgestellt werden, um zu zeigen, daß die Landwirtschaft nicht der Bremser bei den EWG-Verhandlungen war, daß die Landwirtschaft in der Bundesrepublik nicht rückständig ist, sondern daß sie sich, wie der Entwicklungsprozeß der letzten zehn Jahre zeigt, vollgültig neben alle anderen Wirtschaftszweige stellen kann.

    (Beifall bei der ,CDU/CSU.)

    Die Produktions-, Absatz- und Arbeitsverhältnisse haben sich also verändert; die Arbeitsverhältnisse werden sich noch weiter verändern. Das Vertragswerk wird noch einschneidendere Maßnahmen bringen. Die Landwirtschaft wird, man kann sagen, in eine noch schärfere Konkurrenz hineingeraten. Die



    Struve
    moderne industrielle Entwicklung, die wir in den letzten Jahrzehnten durchgemacht haben, wird an Tempo, aber auch an Intensität zunehmen. Wir würden uns gegenüber der arbeitenden bäuerlichen Bevölkerung ins Unrecht setzen, wenn wir heute diese Dinge nicht ganz klar herausstellten.
    In wenigen Wochen werden wir von der Bundesregierung wieder einen Grünen Bericht erstattet bekommen; wir werden über seine Aussagen diskutieren. Wir wissen jedoch heute schon: das seit Jahren bekannte Bild wird sich kaum stark verändert haben. Die Fähigkeit der Landwirtschaft zur Bildung von Eigenkapital ist nach wie vor zurückgeblieben. Die Mittel für unsere Institutionen aus Eigen- und Fremdkapital stehen in einem schlechten Verhältnis zu den Erfordernissen. Der europäische Markt — das müssen wir mit aller Deutlichkeit sagen — wird die Investitionsforderungen der deutschen Landwirtschaft noch erheblich steigern. Darum ist es mit eine der ersten Fragen, die uns in diesem Zusammenhang beschäftigen müssen, welche Auswirkungen die Brüsseler Beschlüsse auf die Finanzkraft unserer Landwirtschaft haben werden. Wird diese Finanzkraft stark beeinträchtigt, oder wird das nicht der Fall sein? Greifbare Tatsachen stehen uns eigentlich nur in einer Hinsicht zur Verfügung. Das mit dem 1. Juli dieses Jahres beginnende Getreidewirtschaftsjahr wird uns den Getreiderichtpreis bringen. Dieser bricht kraft Brüsseler Verordnung deutsches Recht, und wir werden unser Getreidepreisgesetz ohne Zweifel an diese Verordnung anpassen müssten.
    Bei allen übrigen Produkten sind wir vorläufig auf Vermutungen und auf Schätzungen angewiesen. Der Trend ist jedoch offensichtlich. Die Hartnäckigkeit der Brüsseler Verhandlungen ist nach meiner Überzeugung weitgehend mit dem Wunsch der Partner zu erklären, ihre von Jahr zu Jahr steigenden Überschüsse im agrarischen Bereich verstärkt auf dem deutschen Markt unterzubringen. Die hier schon ausgesprochene Sorge, ob die Schutzklauseln in dieser Beziehung ausreichen werden, ist auch unsere Sorge. Es wird nicht einfach sein, das nach meiner Überzeugung unbedingt erforderliche Aufrechterhalten des deutschen Erzeugerpreisniveaus erfolgreich zu verteidigen. Nicht zuletzt aus diesen Gründen bangt die deutsche Landwirtschaft um eine europäische Entwicklung. Darum ist es nötig, daß wir ihr von Anfang an die Gewißheit geben, daß wir sie in dieser Lage nicht im Stich lassen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Schon anläßlich der neuen Getreidemarktregelung wird sich das Hohe Haus mit diesem besonderen Problem beschäftigen. Wir wissen, daß die neue Regelung einen entscheidenden Wechsel gegenüber der bisherigen Situation darstellt. Während sich die Preisbildung bisher auf der Grundlage des garantierten Erzeugermindestpreises vollzog, müssen die Getreidepreise bekanntlich vom 1. Juli dieses Jahres an im ganzen Bundesgebiet an den Preis, der sich im größten Verbrauchsgebiet, also praktisch im Ruhrgebiet, bildet, angepaßt werden. Das ist sehr viel mehr als nur ein Wechsel im äußeren System. Die Produktionsvoraussetzungen werden sich dadurch völlig ändern. Nach der neuen Preisregelung sinkt nämlich der Erzeugerpreis des Brotgetreides
    mit der Entfernung von dem preisbestimmenden Preiszentrum, dem sogenannten Paritätspunkt, und der Preis des Futtergetreides steigt mit der Entfernung von diesem preisbestimmenden Ort.
    Ich glaube, daß der Herr Bundesminister vor allem an diese Widersprüche dachte, als er von den kommenden Schwierigkeiten insbesondere für die marktfernen Gebiete sprach. Ohne Zweifel werden diese beim Brotgetreide in Zukunft weniger erzielen als bisher, und die Kosten .der Veredelung werden höher sein, als es im Augenblick der Fall ist.
    Nun muß anerkannt werden, daß die Bundesregierung diese bedenklichen Folgen nicht nur angesprochen, sondern Frachtbeihilfen des Bundes in Aussicht gestellt hat, die den Ausfall mildern sollen. Aber ein Rest zu Lasten der Landwirtschaft wird unter allen Umständen bleiben. Dieser Rest kann unter dem Druck der hohen Kosten sehr leicht zu einer größeren Produktionsmenge führen. Schon dies allein bedeutet mit Sicherheit eine steigende Produktion in der ganzen Veredelungswirtschaft. Aber auch diese größere Menge wird den Ausgleich für den Erlösausfall im Getreidebereich nicht bringen, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt. Damit muß man leider rechnen, wenn unsere Partner in Zukunft auf Grund des Fortfalls der mengenmäßigen Beschränkung bei der Einfuhr allzu stark in den deutschen Markt eindringen. Wir wissen, daß Zölle und Einfuhrbeschränkungen fallen. Es ist wohl entscheidend, daß in diesem Zusammenhang die Dinge nicht allein aus der agrarischen Sicht und vom Agrarpreis her behandelt werden. Von unserem Herrn Fraktionsvorsitzenden wurde schon angedeutet, daß man überall, nicht nur in der Agrarpolitik, sondern auch in der Wirtschafts-, Verkehrs-, Finanz- und Steuerpolitik zu einer Harmonisierung kommen muß. Mit anderen Worten: man muß in einen wirklichen Wettbewerb eintreten. Diesen echten Wettbewerb wird auch die deutsche Landwirtschaft in ihre Rechnung einbeziehen.
    In diesem Zusammenhang darf ich mir ein Wort an die Verbraucher erlauben. Auch von ihren Interessen war heute schon die Rede. Wir wissen, daß sich der zuständige Minister nicht nur um die Fragen der Landwirtschaft, sondern auch um. die der Ernährung zu kümmern hat. Wir als große Fraktion innerhalb der CDU/CSU wissen aber auch, daß jede einseitige Betrachtung den Weg in ein geeintes Europa erschweren müßte. Wir sind deshalb nicht minder an einem gerechten Ausgleich interessiert. Im gewerblichen Sektor wird das vielseitige Angebot ohne Zweifel noch größer, noch vielfältiger und — davon sind wir überzeugt — in manchen Bereichen noch preisgünstiger ausfallen. Auch das Angebot an Nahrungsmitteln wird größer und vielfältiger sein. Die Qualitäten werden besser sein, die Sortierungen noch sorgfältiger. Man darf aber nicht vergessen, in welcher Lage wir uns befinden. Man darf deshalb nicht erwarten, daß in diesem Augenblick zusätzlich auch noch große Preissenkungen für die Verbraucher 'eintreten können.
    In diesem Zusammenhang war schon einmal vom Getreidepreis und seinen Auswirkungen die Rede. Ich darf auf diesen Punkt zurückkommen. Wir alle



    Struve
    miteinander sollten nicht vergessen, daß wir noch eine Übergangszeit von siebeneinhalb Jahren vor uns haben. In dieser Übergangszeit müssen wir vor allen Dingen die wirtschaftliche Produktionskraft unserer Landwirtschaft entwickeln. Diese Entwicklung — ich darf darauf zum Schluß zurückkommen — muß mit einer besonderen Intensität vorangetrieben werden. Am Ende der Übergangszeit aber — wir zweifeln nicht daran — werden sich gemäß den Vermutungen, die unser Bundesminister Schwarz zum Ausdruck brachte, für alle am Wirtschaftsprozeß interessierten Gruppen Vorteile ergeben. Wie ich schon andeutete, mag es feststehen, daß dieses Ziel in gewissen Zweigen der gewerblichen Wirtschaft schneller erreicht wird. Das hängt damit zusammen, daß der Umstellungsprozeß hier sehr viel schneller vor sich geht und eine gesteigerte Nachfrage infolgedessen sehr viel schneller befriedigt werden kann. Umgekehrt folgen bei einem gewissen Nachlassen der Nachfrage auch sehr schnell Produktionseinschränkungen. Die Landwirtschaft hat es hier sehr viel schwerer, und sie braucht dringend die ihr nunmehr bewilligte achtjährige Übergangszeit.
    Ich glaube, wir sollten uns in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß dieses ganze Werk der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft doch kein Produkt einseitiger Tagespolitik ist und — hier darf ich sinngemäß auf die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers zurückkommen — daß es in erster Linie eine politische Tat erster Ordnung zunächst für die sechs Mitgliedsländer ist. Wir alle wissen aber, daß mit dieser Einigung im Herzen Europas das europäische Werk nicht vollendet ist. Ich unterstreiche nachdrücklichst die Ausführungen meines Fraktionskollegen von Brentano, daß diese Gemeinschaft größer werden muß. Wir wissen auch, daß diese Einigung uns und allen mit uns verbündeten Völkern die Freiheit erhält. Diese Tatsache sollte nach meinem Dafürhalten jede überspitzte und einseitige Betrachtungsweise irgendeiner Gruppe, irgendeines Standes — auch der Landwirtschaft — ausschließen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich möchte hinzufügen, daß eine gewisse Unsicherheit in der Landwirtschaft nun nicht etwa einer negativen Einstellung zu diesem sich vereinenden Europa gleichzusetzen ist. Gewiß spielen auch rein persönliche Sorgen eine Rolle. Diese Sorgen gelten etwa dem, was am Jahresschluß unter dem Strich steht, vielmehr gelten sie der bangen Frage, ob in diesem größeren Raum nicht allzu einseitig die standortbegünstigte Konkurrenz oder das günstige Klima einen Vorsprung erhält. Auch gewisse kapitalistische Zusammenballungen schon innerhalb der Erzeugungsstufe in der Landwirtschaft lassen uns aufhorchen und bergen eine Gefahr für die Existenz des bäuerlichen Familienbetriebes in sich.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Endgültig beantworten kann diese Frage bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge wohl kaum jemand. Wir müssen diese Frage aber ernst nehmen. Sie muß uns Veranlassung geben, die jetzt begonnene Entwicklung behutsam und sorgfältig, wie das auch in der Regierungserklärung zum Ausdruck kommt,
    weiter voranzubringen. Auf alle Fälle ergibt sich daraus eine besonders große Verantwortung für die Kommission. Bei ihr liegt die Entscheidung darüber, was praktisch in der Zukunft geschehen soll. Wir brauchen nur an den Mechanismus der hier schon besprochenen Schutzklausel zu denken; er erfordert lebensnahe, unmittelbare Kenntnisse des praktischen Geschehens, wenn Ungerechtigkeiten und Fehlentscheidungen vermieden werden sollen. Daher scheint der Wunsch berechtigt, daß die Kommission sich nicht isolieren möge. Übertriebene Bürokratie müßte unheilvolle Wirkungen haben.
    Ohne auf Einzelheiten einzugehen, möchte ich die berechtigten Belange der großen Zahl intensiver Obst- und Gemüseanbauer ansprechen. Die einsetzende Neuordnung muß praxisnah erfolgen. Trotz weitgehend günstiger Boden- und guter Klimaverhältnisse sind Umstellungen hier kaum möglich, weil auf kleinen Flächen intensiver Ackerbau — für viele Familien möchte man sogar sagen: regelrechter gärtnerischer Anbau — betrieben wird. Diese Bauern müssen wir schützen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Weiterhin erscheint es mir notwendig zu sein, die Frage des zukünftigen europäischen Getreidepreises noch einmal sehr gründlich zu durchdenken, nachdem die grundsätzlichen Entscheidungen getroffen sind. Eine übersteigerte Eile dürfte nun nicht mehr angebracht sein. Statt dessen ist es wichtiger, erst einmal Erfahrungen zu sammeln, die den Streit um den Getreidepreis von dem Beigeschmack des allzu Theoretischen befreien.
    Ich treffe diese Feststellung nicht in der Furcht davor, daß die Bundesregierung ihren erfreulich klaren Standpunkt in dieser Frage aufgeben könnte. Sie wird — so sind wir überzeugt — das niemals im Ernst erwägen. Meine politischen Freunde stehen in diesem Fragenkomplex jedenfalls eindeutig zu den Äußerungen unserer politischen Freunde im Europäischen Parlament, und wir sind der Überzeugung, daß auch unsere Partner alle diese Dinge auf Grund der jetzt getroffenen Entscheidungen noch einmal durchdenken müssen; denn — auch das wurde hier schon angeführt — die Meinungen, die in der Bundesrepublik eigentlich sehr eindeutig in eine andere Richtung liefen, werden in zunehmendem Maße revidiert. Das gilt nicht nur im Bereich der einzelnen großen wirtschaftlichen Organisationen, es gilt auch im Bereich der Wissenschaft und auch, wie es scheint, in zunehmendem Maße bei den Parteien, die in dieser Frage in der Vergangenheit etwas anderer oder gar entgegengesetzter Auffassung waren. Es scheint, daß auch bei den anderen Parteien neue Überlegungen in dieser Frage angestellt werden.
    Lassen Sie mich zusammenfassen. Der europäische Weg ist beschritten, und er muß mit aller Konsequenz, um unserer freien Existenz willen, weitergegangen werden. Diese unerschütterliche Überzeugung schließt nicht aus, daß dort geholfen werden muß, wo sich auf diesem Wege nicht vertretbare Schäden ergeben. Ich glaube, wenn auch die deutschen Bauern in ihren berufsständischen Organisa-



    Struve
    tionen so geschlossen zu diesem geeinten und kommenden Europa stehen, dann tun sie das einmal, weil sie wissen, daß die Freiheit nicht teilbar ist. Sie werden aber auch in ihre Überlegungen einbeziehen, daß die Übergangszeit der Landwirtschaft in der Bundesrepublik Ertragseinbußen bringt. Ja, ich glaube, wir können festhalten: Die deutsche Landwirtschaft wird auch dann Ertragseinbußen erleiden, wenn wir unsere Partner davon überzeugen, daß der derzeitige Getreidepreis in Deutschland auch europäischer Getreidepreis wird.
    In diesem Zusammenhang müssen wir noch einmal auf die großen und sich steigernden Investitionen zu sprechen kommen, die uns einmal in der Landwirtschaft, also in der Erzeugerstufe, begegnen. Sie werden aber nicht minder in der Be- und Verarbeitungsstufe, sie werden in dem ganzen Fragenkomplex der Vermarktung auf uns zukommen. Ich glaube, der sich schon zeigende Wandel wird auch hier durch die europäische Entwicklung in ein schnelleres Tempo hineinkommen. Vor allen Dingen in den marktfernen Gebieten werden sich große zusätzliche finanzielle Anforderungen stellen.
    In dieser Gegensätzlichkeit liegt ohne Zweifel eine gewisse Gefahr für die Erhaltung der selbständigen Betriebe, weil hier unter Umständen eine finanzielle Belastung entsteht, die einfach .den tragbaren Rahmen sprengt. Niemand aber in diesem Hohen Hause wird den auf Eigentum begründeten Berufsständen die Hilfe versagen.
    Ich glaube vor allen Dingen, daß sich die zukünftige Agrarpolitik der Bundesregierung in der Übergangszeit ganz besonders der Probleme des Ausgleichs annehmen muß. Dazu gehört auch, der Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus Drittländern vermehrte Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist nicht denkbar, daß sich die gewohnten Warenströme in der neuen Situation weiterhin auf der bisherigen Höhe halten. Einschränkungen dort, wo sie möglich und vertretbar sind, müssen uns helfen, die agrarpolitische Aufgabe zu meistern.
    Das Schwergewicht der zukünftigen Agrarpolitik ist nach Ansicht meiner politischen Freunde besonders bei anderen Maßnahmen zu sehen. Dabei dürfte es im Hinblick auf die zu erwartende Marktsituation vor allem darauf ankommen, das Kostengefüge in der Landwirtschaft zu verbessern. Diese Aufgabenstellung ist für uns nicht neu.
    Wir haben im Sinne des Landwirtschaftsgesetzes, zu dessen Gültigkeit auch für ,die Zukunft sich der Herr Bundesernährungsminister in der Regierungserklärung erfreulicherweise erneut ausdrücklich bekannt hat, der Aufwandsseite in der landwirtschaftlichen Betriebsrechnung schon seit langem unsere besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Strukturmaßnahmen standen dabei an erster Stelle. Auf diesem Wege ist zweifelsohne auch schon Bedeutsames erreicht. Aber die neue Situation erfordert gebieterisch ein größeres Tempo. Die gesetzliche Förderung der Strukturverbesserung muß wesentlich erweitert werden. Darüber hinaus müssen die Zins- und die Tilgungsbedingungen für den großen
    Kapitalaufwand, der dem einzelnen trotzdem verbleibt, günstiger gestaltet werden. Das landwirtschaftliche Strukturprogramm muß von einem den ganzen ländlichen Raum erfassenden Investitionsprogramm ergänzt werden.
    In der Regierungserklärung sind beim Zusammentritt des Hohen Hauses in diesem Zusammenhang wertvolle Hinweise gegeben worden, in denen von dem ländlichen Wohnungsbau die Rede war, ebenso in bezug auf die Frage der Steuerverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Die Landgemeinden, vor allen Dingen die sogenannten Haufendörfer, werden sich völlig verändern. Die Dorfsanierung oder, sagen wir: die Dorferneuerung muß vorangetrieben werden. Dabei wollen wir nicht vergessen, daß zu der Landwirtschaft das ganze mittelständische Gewerbe, besonders das Ernährungshandwerk, die Ernährungsindustrie, gehört. Gerade diese Zweige werden durch den Wandel in der Vermarktung landwirtschaftlicher Veredelungsprodukte besonders stark in eine Umstellung hineingezwungen. Es gilt hier, das Eigentum von Bauern und Mittelständlern zu verteidigen. Wir wollen im Dorf aber auch neues Eigentum für unsere Arbeiter und Angestellten begründen. Wir sind daher der Auffassung, daß diese Dinge verstärkt im ganzen Bereich zum Durchbruch kommen müssen.
    Für die Landwirtschaft sind Grundsteuer und Lastenausgleich große Belastungen, die auf der Kostenseite ein bedeutendes Gewicht haben. In diesen Zusammenhang gehört auch die Neufestsetzung der Einheitswerte. Wenn sie kommt, so darf sie unter gar keinen Umständen zusätzliche steuerliche Belastungen für die Landwirtschaft zur Folge haben. Die Bundesregierung, aber auch das Hohe Haus werden darüber hinaus bei der Gesetzgebung nicht zuletzt auch im sozialen Bereich prüfen müssen, ob weitere Belastungen der Landwirtschaft vertretbar sind.
    Wir von der CDU/CSU unterstreichen die Kostenseite so stark, weil zur Zeit über den Preis, von jahreszeitlich bedingten Schwankungen abgesehen, mit Ausnahme der Trinkmilch keine wesentlichen Mehreinnahmen zu erzielen sind. Unsere Fraktion befürwortet eine Erhöhung des Trinkmilchpreises um 6 Pf einschließlich der Handelsspanne. Bekanntlich sind seit 1956 die Erzeugungskosten und die Kosten in der Molkereistufe um über 31/2 Pf je Kilogramm gestiegen. Die Handelsspanne wird in Zusammenhang mit einer Trinkmilchpreiserhöhung mit angehoben werden müssen. Den dann für den Erzeuger verbleibenden Mehrpreis sollte das Hohe Haus eigentlich geschlossen befürworten. Der Landwirtschaft sind nämlich große Kosten durch die Sanierung der Tierbestände entstanden. Die Qualität der Milch wurde und wird laufend verbessert. Durch amtliche und berufsständische Kontrollen bei Milchvieh, aber auch in der Molkereistufe ist sichergestellt, daß der Verbraucher stets ein hochwertiges Nahrungsmittel bester Qualität geliefert bekommt. Wenn ich mir dann noch den Hinweis erlauben darf, daß innerhalb der EWG der deutsche Trinkmilchpreis am niedrigsten ist, so glaube ich ausreichend begründet zu haben, daß der Mehrerlös,



    Struve
    den die deutsche Landwirtschaft durch eine solche Trinkmilchpreiserhöhung erzielen würde und der auf 140 Milionen DM jährlich zu veranschlagen ist, durchaus zu vertreten ist.
    Die Ertrags- und die Aufwandsseite der Landwirtschaft sind uns durch das Landwirtschaftsgesetz geläufig. Die Grundgedanken dieses Gesetzes finden wir auch im Vertrag von Rom. Ich darf darauf hinweisen, daß in allen Ländern der westlichen Welt erhebliche zusätzliche Ausgleichszahlungen an die Landwirtschaft geleistet werden. Weder im EWG-Raum noch im größeren Raum des geeinten Europa wird auf diese Ausgleichszahlungen verzichtet werden können. Über die Form müssen wir unter uns, aber auch mit unseren Partnern sprechen. Meine politischen Freunde glauben, daß diese Hilfen nach Möglichkeit keinen produktionsfördernden Charakter haben sollten.
    Ich komme auf meine einleitenden Bemerkungen zurück, daß die Ziele der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft keinen Wirtschaftszweig und keine Landschaft ausschließen dürfen, wenn das große Werk gelingen soll. Bedenken wir doch, daß hinter der EWG die gebieterische Notwendigkeit steht, die Widerstandskraft gegen den angreifenden Osten so stark wie möglich zu machen. Die Bereiche unseres gequälten Vaterlandes, in denen Freiheit und Unfreiheit am unmittelbarsten aufeinanderstoßen, sind vorwiegend agrarisch genutzte Gebiete, von der Flensburger Förde bis zu den Alpen. Hier müssen die Kräfte des Widerstandes am stärksten und am überzeugendsten sein, wenn die europäischen Erwartungen sich voll und ganz erfüllen sollen. Gesunde Familien müssen auf eigenem Grund und Boden in würdigen wirtschaftlichen Verhältnissen ihre Kraft entfalten und über die Mauer hinweg Vertrauen und Hoffnung ausstrahlen. Sie müssen lebendiges Zeugnis ablegen für die innere Ordnung und die soziale Ausgeglichenheit im freien Teil unseres Vaterlandes.
    Darum darf es auch in den schwierigen Übergangsjahren bis 1970 keine wirtschaftlichen Schwächeerscheinungen geben, die sich vermeiden lassen. Die eigene unmittelbare Verantwortung für die Anpassung an die sich verändernden Verhältnisse kann und darf auch in der Landwirtschaft niemandem abgenommen werden. Aber ich füge hinzu: die Landwirtschaft wird es in diesem Umstellungsprozeß am schwersten haben. Darum kann sie bei der vor ihr liegenden großen Aufgabe die helfende Hand des Staates nicht entbehren. Jeder einzelne von uns sollte daran mitwirken, oder wir belasten das lebensnotwendige Werk der europäischen Vereinigung mit unübersehbaren Schwierigkeiten, bevor das Werk überhaupt seine Wirkung getan hat. Meine politischen Freunde sind entschlossen, die besonders aus dem Vertragswerk entstehenden Probleme anzupacken und zu lösen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)