Rede von
Dr.
Karl
Mommer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte ums Wort nach § 24 unserer Geschäftsordnung.
In ihm heißt es:
Vor Schluß jeder Sitzung gibt der Präsident nach Beschluß des Bundestages den Termin der nächsten Sitzung sowie die Tagesordnung, soweit sie bereits bestimmt ist, bekannt.
Ich möchte an den Herrn Präsidenten die Frage richten, wann die nächste Sitzung stattfinden soll und ob das Haus damit rechnen kann, daß in dieser nächsten Sitzung eine Erklärung der Bundesregierung zu erwarten ist.
Ich möchte zur Begründung meiner Frage folgendes sagen. Der Bundestag ist zu heute auf Verlangen des Bundeskanzlers zusammengerufen worden, um nur die Vereidigung der Bundesregierung vorzunehmen. In den drei vorausgegangenen Wahlperioden ist dieser Akt immer mit der Abgabe der Regierungserklärung der neuen Regierung verbunden gewesen, obschon auch damals die Ernennung der Bundesminister erst am Tage der Regierungserklärung erfolgte; um es genau zu sagen: das letztemal wurden die Minister einen Tag vor Abgabe der Regierungserklärung ernannt.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion bedauert es außerordentlich, daß diesmal Vereidigung und Regierungserklärung voneinander getrennt worden sind. Die Zeitnot, in die wir geraten waren, ist allein den wochenlangen Manövern der Koalitionsparteien um die Bildung der neuen Regierung zuzuschreiben.
Tatsächlich bestand aber auch jetzt noch die Möglichkeit, vor der Amerikareise des Bundeskanziers die Regierungserklärung abzugeben und die Aussprache darüber stattfinden zu lassen, zumal die Grundzüge der beabsichtigten Regierungspolitik in einer Vereinbarung der Koalitionsparteien schriftlich festgelegt waren. Der ganze Bundestag hat ein Recht darauf, vom Bundeskanzler über seine Absichten bei seiner Begegnung mit Präsident Kennedy unterrichtet zu werden.
Wir hätten Verständnis dafür gehabt, wenn die Regierungserklärung den Notwendigkeiten entsprochen hätte, die sich aus der Reise in die USA ergeben. Dabei hätte er die Möglichkeit gehabt, das Gewicht und die Einmütigkeit des ganzen neugewählten Bundestages in den entscheidenden Grundsätzen unseres Ringens um die Freiheit Berlins als schwerwiegende Argumente mit nach Washington zu nehmen.
Das Ergebnis, vor das wir gestellt wurden, kann nur als ein schlechter Beginn
für die angeblich beabsichtigte Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem Bundestag angesehen werden.
Wenn der Herr Bundeskanzler ein anderes inneres Verhältnis zur Volksvertretung hätte,
hätte er auch jetzt noch Mittel und Wege gefunden, um dem Bundestag diese peinliche Situation zu ersparen.