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ID0316608600

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    Deutscher Bundestag 166. Sitzung Bonn, 30. Juni 1961 Inhalt : Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung des deutschen Weinbaues in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (Abg. Gibbert, Diel, Schlick, Leicht u. Gen.) (Drucksachen 1870, zu 1870) ; Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache 2901) — Zweite und dritte Beratung — Bauknecht (CDU/CSU) 9723 C Gibbert (CDU/CSU) . . . . . . 9723 D Kriedemann (SPD) 9724 C Mauk (FDP) 9725 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eierwirtschaft (Abg. Dr. Reinhard, Wittmer-Eigenbrodt, Bauknecht, Hesemann, Dr. Gossel, Dr. Siemer, Wehking, Dr. Pflaumbaum u. Gen.) (Drucksache 2806) ; Berichte des Haushalts- und des Ernährungsausschusses (Drucksachen 2902, 2898, zu 2898) — Zweite und dritte Beratung — Kriedemann (SPD) 9725 D, 9727 A, 9729 D, 9732 B, 9735 D Dr. Reinhard (CDU/CSU) . 9726 B, 9727 C, 9735 B Bauknecht (CDU/CSU) . . 9727 D, 9730 D Schmücker (CDU/CSU) . 9728 A, 9729 D, 9736 A Schwarz, Bundesminister . . . . . 9729 B Dr. Siemer (CDU/CSU) . 9731 B, 9734 B Bading (SPD) 9733 A Seidl (Dorfen) (CDU/CSU) . . . . 9733 C Wehking (CDU/CSU) . . . . . . 9733 D Logemann (FDP) . . . . . . . . 9736 A Schoettle (SPD) . . . . . . . . 9736 B Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (CDU/CSU) (Drucksache 2716); Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache 2909) — Zweite und dritte Beratung — Müller (Worms) (SPD) . . . . . 9736 D Dr. Pflaumbaum (CDU/CSU) . . 9738 B Schwarz, Bundesminister 9739 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Agrarpolitik in der EWG (Drucksache 2781) Mauk (FDP) 9739 D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 9741 C Schwarz, Bundesminister 9743 A Margulies (FDP) . . . . 9746 C, 9755 A Lücker (München) (CDU/CSU) . . 9749 C Frau Strobel (SPD) 9756 D Dr. Starke (FDP) 9760 C Ansprache des Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier 9762 B Anlagen 9767 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1961 9723 166. Sitzung Bonn, den 30. Juni 1961 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Berichtigungen Es ist zu lesen: 162. Sitzung Seite 9354 D Zeile 13 statt „181.9": 2819; Seite 9360 C Zeile 22 statt „tag": rat; 163. Sitzung Seite II linke Spalte statt „Drucksache 2771": Drucksache 2717; 164. Sitzung Seite IV rechte Spalte Zeile 2 statt „Hafenverordnung" : Hafenordnung; Seite 9506 D Zeile 10 statt „und Appell": und ihr Appell. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 30. 6. Altmaier 1. 7. Bazille 1. 7. Bergmann * 1. 7. Berkhan * 1. 7. Birkelbach * 1. 7. Dr. Bucerius 15. 7. Dr. Burgbacher * 1. 7. Deringer* 1. 7. Engelbrecht-Greve * 1. 7. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 1. 7. Dr. Furler* 1. 7. Geiger (München) * 1. 7. Goldhagen 1. 7. Dr. Görgen 1. 7. Hahn * 1. 7. Hauffe 1. 7. Hellenbrock 1. 7. Höhne 1. 7. Jahn (Stuttgart) 1. 7. Kalbitzer * 1. 7. Frau Klemmert 1. 7. Dr. Kopf * 1.7. Frau Korspeter 30. 6. Dr. Kreyssig * 1. 7. Lenz (Brühl) * 1. 7. Dr. Lindenberg* 1. 7. Dr. Löhr* 1. 7. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 1. 7. Margulies * 1. 7. Meitmann 1. 7. Dr. Mende 30. 6. Metzger * 1. 7. Neubauer 30. 6. Odenthal * 1. 7. Dr.-Ing. Philipp * 1. 7. Pohle 3. 7. Frau Dr. Probst * 1. 7. Rademacher 1. 7. Reitzner 1. 7. Richarts * 1. 7. Ruhnke 1. 7. Scharnowski 1. 7. Scheel * 1. 7. Scheuren 30. 6. Dr. Schild* 1. 7. Dr. Schmidt (Gellersen) * 1. 7. Schmidt (Hamburg) * 1. 7. Schneider (Bremerhaven) 30. 6. Dr. Schranz 1. 7. Schüttler 30. 6. Schütz (Berlin) 30. 6. Seither 1. 7. Stahl 30. 6. Dr. Starke * 1. 7. Storch * 1. 7. Sträter * 1. 7. Frau Strobel * 1. 7. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Struve 30. 6. Dr. Toussaint 30. 6. Weinkamm * 1. 7. Werner 30. 6. Wienand 15. 7. * für die Teilnahme an der Tagung des Europäischen Parlaments Anlage 2 Umdruck 960 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von den Abgeordneten Dr. Reinhard, Wittmer-Eigenbrodt, Bauknecht, Hesemann, Dr. Gossel, Dr. Siemer, Wehking, Dr. Pflaumbaum und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der deutschen Eierwirtschaft (Drucksachen 2806, 2898). Der Bundestag wolle beschließen: Artikel 1 wird wie folgt geändert: 1. In Nr. 5 erhält § 1 Nr. 4 Satz 1 folgende Fassung: „für Schlachtgeflügel, das an eine Geflügelschlachterei geliefert oder von einer Geflügelschlachterei in Lohn geschlachtet oder in einer Geflügelschlachterei erzeugt und geschlachtet und das in Verkehr gebracht worden ist." 2. Die Nr. 7 wird gestrichen. Bonn, den 27. Juni 1961 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 965 Änderungsantrag der Abgeordneten Bauknecht, Wehking, Hesemann, Dr. Reinhard und Genossen zur zweiten Beratung des von den Abgeordneten Dr. Reinhard, Wittmer-Eigenbrodt, Bauknecht, Hesemann, Dr. Gossel, Dr. Siemer, Wehking, Dr. Pflaumbaum und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eierwirtschaft (Drucksachen 2806, 2898). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 erhält Nr. 8 folgende Fassung: 8. § 2 wird wie folgt geändert: a) Der bisherige Wortlaut des § 2 wird Absatz 1; Satz 3 erhält folgenden Wortlaut (Wortlaut wie Drucksache 2898) 9768 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 166. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Juni 1961 b) Folgender Absatz 2 wird angefügt: „(2) Der einzelne Erzeugerbetrieb kann Ausgleichsbeträge höchstens für 100 000 kg geschlachtetes bratfertiges Jungmastgeflügel im Kalenderjahr und höchstens für die Hälfte dieser Menge im Kalenderhalbjahr erhalten."' Bonn, den 29. Juni 1961 Bauknecht Wehking Hesemann Dr. Reinhard Wittmann Demmelmeier Bauer (Wasserburg) Hoogen Lang (München) Fuchs Bauereisen Hackethal Dr. Dr. Oberländer Meyer (Oppertshofen) von Lindeiner-Wildau Anlage 4 Umdruck 977 Änderungsantrag der Abgeordneten Schmükker, Diebecker, Illerhaus, Dr. Stecker und Genossen zur zweiten Beratung des von den Abgeordneten Dr. Reinhard, Wittmer-Eigenbrodt, Bauknecht, Hesemann, Dr. Gossel, Dr. Siemer, Wehking, Dr. Pflaumbaum und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der deutschen Eierwirtschaft (Drucksachen 2806, 2898) . Der Bundestag wolle beschließen: 1. Artikel 1 Nr. 7: In § 1 erhält Absatz 2 folgende Fassung: „ (2) Eier gelten als gekennzeichnet im Sinne des Gesetzes, wenn sie in geschlossenen Packungen, die den Anforderungen des § 3 Abs. 2 und Abs. 3 der Verordnung über eine gesetzliche Handelsklasse „Deutsches Standardei" vom 1. September 1958 (Bundesanzeiger Nr. 168 vom 3. September 1958) entsprechen, feilgehalten, angeboten, verkauft oder sonst :in den Verkehr gebracht werden." 2. Artikel 1 Nr. 10: § 4 Nr. 3 erhält folgende Fassung: „3. die Zahlung von Ausgleichsbeträgen davon abhängig zu machen, daß die Antragsteller bestimmte Bücher führen, die jederzeit übersämtliche Geschäftsvorgänge, insbesondere über die Einzelheiten der Erzeugung, des Erwerbs und des Absatzes von ungekennzeichneten, gekennzeichneten und diesen gemäß § 1 Abs. 2 gleichgestellten Eiern sowie von Geflügel Aufschluß geben;". Bonn, den 28. Juni 1961 Schmücker Diebecker Illerhaus Dr. Stecker Dr. Bergmeyer Dr. Storm (Duisburg) Dr. Serres Harnischfeger Dr. Barzel Heix Dr. Zimmermann Schlick Leonhard Kroll Koch Frau Engländer Meis Siebel Krüger (Neheim) Dr. Hesberg Scheppmann Kunst Caspers Fritz (Welzheim) Dr. Toussaint Teriete Ehren Müser Dr. Willeke Burgemeister Dr. Elbrächter Werner Oetzel Wieninger Brück Gewandt Holla Muckermann Vehar Gunther Winkelheide Anlage 5 Umdruck 992 Änderungsantrag des Abgeordneten Bauknecht zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Überleitung des deutschen Weinbaues in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (Drucksachen 1870, zu 1870, 2901) . Der Bundestag wolle beschließen: § 19 erhält folgende Fassung: „§ 19 Berlin-Klausel Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 (Bundesgesetzbl. I S. 1) auch im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes." Bonn, den 29. Juni 1961 Bauknecht
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Käte Strobel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe soeben Herrn Margulies den Vorrang gelassen, weil ich der Meinung war, es sei für uns alle recht interessant, die Auseinandersetzung zwischen den beiden Herren und den beiden Fraktionen unmittelbar zu hören. Ich glaube auch nicht, daß es sehr sinnvoll ist, daß wir uns heute darüber unterhalten, ob das englische System für die gemeinsame europäische Agrarpolitik möglich ist oder nicht. Ich bin nämlich der Auffassung, die Weichen für die gemeinsame europäische Agrarpolitik sind gestellt, und ich will mich dazu auch gar nicht mehr äußern, Herr Margulies, halben Sie keine Sorge.
    Wenn Sie sich aber — ich wende mich da gerade an die beiden Herren Kollegen — mit der letzten Entschließung befassen, die zur gemeinsamen Agrarpolitik in Straßburg gefaßt worden ist, dann halte ich es nicht für sinnvoll, daraus einzelne Punkte zu zitieren. Keine Sorge, ich will nicht die ganze Entschließung zitieren, aber ich möchte Herrn Lücker doch darauf aufmerksam machen, daß in dieser Entschließung nicht nur die hier aufgezeigten



    Frau Strobel
    Widersprüche sind, sondern noch ganz andere. Denn es steht in dieser Entschließung ja auch in etwa, daß die Preispolitik zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage führen soll. Das ist gerade der Punkt, weswegen Herr Mansholt der Meinung war, daß sich das Parlament selber in Widerspruch zu seinen Thesen zur Preispolitik verwickelt habe. Also von einer absoluten Klarheit dieser Entschließung kann man wirklich nicht sprechen.
    Nun aber zurück zur Großen Anfrage der FDP und dem, was heute zur Debatte steht. Ich war immer der Meinung, daß sich die Große Anfrage der FDP eigentlich in eine Frage zusammenfassen ließe: Hat die Bundesregierung eine klare und realisierbare Gesamtkonzeption für die gemeinsame europäische Agrarpolitik und in diesem Rahmen für die deutsche Landwirtschaft? Ich muß Ihnen ehrlich sagen, auch nach .der heutigen Antwort der Bundesregierung bin ich der Meinung, sie hat sie nicht; sie versucht nur, möglichst ungeschoren über die Wahlrunden zu kommen,

    (Beifall bei 'der SPD und der FDP)

    und das leider zum Schaden der deutschen Landwirtschaft. Es ist auch ohne Zweifel richtig, daß die Bundesregierung und die verantwortliche Regierungspartei die deutsche Landwirtschaft völlig unvorbereitet dem größeren Wettbewerb in der EWG ausgesetzt haben.
    So richtig es ist, daß wir heute nach vorn schauen, so wenig können wir am letzten Tag dieser Legislaturperiode bei dieser Aussprache darauf verzichten, festzustellen: Man kann nicht einfach die Tore für einen größeren Markt öffnen, ohne gleichzeitig dafür zu sorgen, daß unsere Landwirtschaft auf diesem größeren Markt auch die gleichen Wettbewerbschancen wie die anderen Landwirtschaften hat. Und in dieser Beziehung ist bisher sehr viel versäumt worden.
    Wir Sozialdemokraten haben uns, insbesondere bei der Vorlage der Grünen Pläne und den Maßnahmen dazu, immer wieder darum bemüht, echte Maßnahmen zu erreichen, die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft steigern. Daß man unseren Vorschlägen nur zögernd, nur sehr spät und nur sehr unvollkommen gefolgt ist, das muß heute die deutsche Landwirtschaft büßen. Aus dieser Verantwortung kann man die Mehrheitspartei dieses Hauses nicht entlassen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Heute ist hier verschiedentlich davon gesprochen worden, unter welchen Voraussetzungen die französische Landwirtschaft in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegangen ist. Ich möchte meine Kollegen aus dem Landwirtschaftsausschuß bitten, noch einmal ganz kurz an unsere Frankreichreise vor einigen Jahren zu denken und sich daran zu erinnern, wie eindrucksvoll es auch für sie war, feststellen zu müssen — das haben wir damals in Gesprächen geklärt —, daß die franzöische Regierung Maßnahmen für die französische Landwirtschaft ergriffen hatte, die eine eindeutige Vorbereitung auf die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und auf die Eroberung des Marktes in der
    Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft waren. Ich hatte nicht den Eindruck, daß unsere Kollegen aus der CDU/CSU sehr befriedigt darüber waren, daß sie nicht sagen konnten: Unsere Regierung und wir haben das zu Hause auch getan. Sie mußten ja wohl selber feststellen, daß da bei uns einiges unterblieben ist.
    Ich meine, man mußte von vornherin wissen, daß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, daß der größere Markt bedeuten würde, daß sich der Wettbewerb für die Landwirtschaft verschärfen, daß die Agrarerzeugnisse aus ,den Überschußländern der EWG auf den deutschen Markt drängen würden und daß sie dort unmittelbar mit den deutschen Erzeugnissen würden konkurrieren müssen. Daraus ergibt sich doch ganz klar und deutlich: Man muß eben heute Agrarpolitik vorausschauend machen. Und das ist in der Bundesrepublik versäumt worden.
    Das zeigt sich, glaube ich, ganz besonders deutlich an der Produktionsorientierung und beim Wettbewerb um den Marktanteil. Wir haben heute früh einen kleinen Ausschnitt daraus erlebt. In der EWG wird immer wieder gesagt: Die Landwirtschaft muß für ,den Markt und darf nicht am Markt vorbei produzieren. Nun, es war immer bekannt — auch in der Bundesrepublik —, daß es in der Ernährung Gruppen gibt, bei denen eine Ausweitung des Konsums möglich ist, und Gruppen, bei denen der Konsum mit steigendem Lebensstandard nicht in dem gleichen Maße auszuweiten ist. Eine Ausweitung des Konsums ist immer möglich, und der ganze Trend geht dahin, insbesondere bei den Veredelungsprodukten.
    Wir wußten auch immer, daß das ganz besonders beim Schlachtgeflügel der Fall ist. Ich will dieses Beispiel, um nur ganz kurz aufzuzeigen, daß es der Regierungspolitik auf diesem Gebiet an den Konsequenzen gefehlt hat, noch ein bißchen deutlicher machen. Die Einfuhr von Schlachtgeflügel ist liberalisiert worden. Herr Bundesminister Schwarz hat dargelegt, warum das notwendig war. Die deutschen Bauern waren — nicht durch ihre Schuld — mit den Einfuhrländern nicht konkurrenzfähig. Sie sind sicherlich nicht weniger tüchtig. Das haben wir oft betont. Vielmehr sind sie deswegen nicht konkurrenzfähig, weil die Einfuhrländer wesentlich niedrigere Futtermittelpreise und damit wesentlich bessere Wettbewerbschancen haben.
    Wir haben heute früh ein Gesetz verabschiedet, das diesen Unterschied in den Futtermittelpreisen zugunsten der deutschen Schlachtgeflügelproduktion beseitigen bzw. vermindern soll. Aber, verehrte Damen und Herren, ich glaube, wir sollten uns doch noch einmal ins Gedächtnis rufen — nur daran sieht man nämlich, wie ungeheuer groß ,die Wettbewerbsverzerrung bei uns zu Hause und nicht nur in anderen Ländern ist —, daß z. B. in Holland heute noch der Maximumpreis für ein ,so wichtiges Futtermittel wie Mais bei 260 Gulden oder 286 DM liegt. In der Bundesrepublik lag der Marktpreis für Mais am gleichen Tag bei 430 bis 460 DM. Das ist beinahe zweimal so viel. Das kann man auch nicht durch die Rückvergütung, die heute beschlossen ist, vollkommen ausgleichen.



    Frau Strobel
    Aber mir kommt es vor allen Dingen darauf an, an diesem Beispiel zu zeigen, daß die Agrarpolitik in der Bundesrepublik immer viel zu spät reagiert. Heute haben die Einfuhrländer schon einen großen Teil des Marktes für Schlachtgeflügel erobert, und es ist sehr viel schwieriger, sie von diesem Markt wieder zu verdrängen, als wenn wir von vornherein den deutschen Bauern die Chance gegeben hätten, diesen ständigen Konsumzuwachs sozusagen zu ihrer Einkommensverbesserung zu benützen.
    Ich meine, es ist auch durch die Antwort, die Herr Pflaumbaum heute früh auf die Frage von Herrn Müller gegeben hat, sehr deutlich geworden, daß eine solche Politik in ,die Sackgasse führen muß. Das wollte ich nur noch unterstreichen.
    Ich wollte auch noch einmal unterstreichen, daß wir alle wissen, daß die deutsche Agrarpolitik nicht mehr isoliert betrieben werden kann. Wir haben immer gewußt, daß es spätestens mit dem Abschluß der Römischen Verträge damit zu Ende ist. Jede Verzögerung in der Einstellung darauf bedeutet für die deutsche Landwirtschaft auch ein Stück Marktanteilverzicht.
    Wenn man aber nun die Frage stellt, wer denn verzögert hat, dann muß man leider darauf antworten: bis jetzt ,die deutsche Bundesregierung; denn so, wie die Regierung zunächst den Bauern gegenüber getan hat, als könnte man sich um die Konsequenzen des Gemeinsamen Marktes drücken, ihnen ausweichen, so ist es eben nicht. Sie hat auch immer wieder den Eindruck erweckt, als könne man von den deutschen Bauern die Konsequenzen der Beschleunigung fernhalten. Mir kommt es sehr darauf an, daß wir heute alle deutlich sehen und das auch ehrlich sagen: Es gibt keine gespaltene Beschleunigung, es gibt nur eine Beschleunigung für alle Produkte — Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft —, oder es gibt keine Beschleunigung. So zu tun, als ob es eine gespaltene gäbe, ist nicht ehrlich und auch gefährlich.
    Herr Lücker hat darauf aufmerksam gemacht — und das scheint mir richtig zu sein —, daß einer der Angelpunkte für die Ingangbringung der gemeinsamen Agrarpolitik ,die Abschöpfung ist. Aber, Herr Lücker, ist nicht gerade das Mißtrauen der französischen Landwirtschaft und auch das Mißtrauen unserer Kollegen im Europäischen Parlament, das damals sehr stark zum Ausdruck kam, durch den Nachsatz, den sie bei dem Bericht des Kollegen Schmidt über die Wettbewerbsverzerrungen angebracht haben, in erster Linie darauf zurückgegangen, daß der Vorschlag der Kommission über die Ingangsetzung der Abschöpfung von der Bundesregierung sehr, sehr zögernd, zunächst sogar ein bißchen ablehnend behandelt worden ist? Mindestens sind in dieser Frage durch die Haltung der Bundesregierung und durch die Äußerungen verschiedener Minister Zweifel entstanden. Ich bin gar nicht erstaunt darüber, daß bei den französischen Kollegen Zweifel entstanden sind; denn ich muß sagen, heute war in der Äußerung des Herrn Landwirtschaftsministers Schwarz auch wieder ein Passus, der Zweifel aufkommen lassen muß. Herr Minister Schwarz hat nämlich davon gesprochen, daß die Bundesregierung der Koordinierung der Marktordnung zustimmen würde. Jeder Eingeweihte weiß, daß der Voschlag der Kommission und auch der Vorschlag des Parlaments lautet: eine gemeinsame Marktordnung und nicht eine Koordinierung der einzelstaatlichen Marktordnungen.
    Herr Minister Schwarz hat heute darauf doch eine Antwort gegeben, die Zweifel aufkommen lassen muß, ob die Bundesregierung nicht nur im Comité special, sondern vor allen Dingen im Ministerrat der gemeinsamen Marktordnung zustimmen wird. Wenn sie das nicht tun würde — und es gibt ja solche Äußerungen von Herrn Sonnemann —, dann würde das ja wieder einen neuen Riegel bedeuten. Wir Sozialdemokraten . waren immer der Meinung —wir betonten, daß wir das Ziel der EWG-Agrarpolitik, wie isie in den Verträgen niedergelegt ist, hundertprozentig bejahen—, daß die landwirtschaftliche Bevölkerung durch Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens eine angemessene Lebenshaltung bekommen soll.
    Erstaunt war ich heute, als Herr Minister Erhard auf die Frage 6 — politisch ohne Zweifel sehr klug und sehr vorsichtig — geantwortet hat, die Bundesregierung werde keine Einkommensminderung der deutschen Landwirtschaft hinnehmen. Ich war noch erstaunter, daß Sie alle dazu geklatscht haben; denn bisher ging es ja immer um eine Erhöhung des Einkommens der deutschen Landwirtschaft,

    (Beifall bei der SPD)

    und die Einkommensminderung stand überhaupt nicht zur Debatte. Wir wissen doch schließlich alle, daß in der Bundesrepublik das Einkommen vieler Bauernfamilien und das Einkommen der Landarbeiter hinter dem anderer vergleichbarer Berufsgruppen zurückgeblieben ist. Ich muß auch hier wieder sagen: nicht zuletzt ist daran die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung schuld;

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    denn die ständige Steigerung der Produktionsmittelkosten ist auch offensichtlich.
    Es sind heute schon statistische Zahlen genannt worden. Ich darf hier einige der neuesten Zahlen nennen. Der Index der landwirtschaftlichen Betriebsmittel war im Oktober 1959 130 und im März 1961 135. Der Index der Betriebsmittel ist also von 1959 bis 1961 um 5 Punkte gestiegen. Der Index der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise war im Oktober 1959 138 und im März 1961 123;

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    er ist also in derselben Zeit, in der der Index für Betriebsmittel um 5 Punkte gestiegen ist, um 15 Punkte gefallen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren von der CDU, das ist das Ergebnis Ihrer Agrarpolitik und Ihrer Wirtschaftspolitik.

    (Beifall bei der SPD und der FDP.)

    Dazu kommt, daß die Verbraucher von diesem Fallen des Erzeugerpreisindexes gar nichts profi-

    Frau Strobel
    tiert haben; sie müssen mindestens die gleichen Preise wie vorher zahlen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir haben darauf wiederholt hingewiesen; aber Sie haben es anscheinend immer nicht so wichtig genommen, daß die Kostensenkung in der Landwirtschaft unbedingt notwendig ist und daß die Wirtschaftspolitik dafür sorgen muß, daß die Rationalisierungsgewinne in Gestalt niedrigerer Preise auch an die Landwirtschaft weitergegeben werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Nehmen wir ein anderes Beispiel! Ich meine die Spannen. Ich nehme an, daß Sie als Abgeordete alle eifrige Zeitungsleser sind. Einem eifrigen Zeitungsleser konnte gestern nicht entgehen, daß auf der ersten Seite der „Welt" ein Beispiel für eine unmögliche Situation in der Bundesrepublik angeführt war. Da stand, daß ein Bauer aus Hochheim Erdbeeren in den Rhein geschüttet hat, weil er verbittert darüber war, daß er am Großmarkt für 1 Pfund Erdbeeren 19 Pf bekommen hat, während am selben. Tage wenige Stunden nachher die gleichen Erdbeeren dem Verbraucher für 1 DM verkauft worden sind.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wenn ich so etwas lese, dann frage ich mich, warum eigentlich die CDU-Fraktion mit ihrer absoluten Mehrheit in diesem Hause noch nicht an das Problem der Vermarktung, der Verteilung, der Spannen und all diese Dinge herangegangen ist, die diesen unerfreulichen Zustand sowohl zugunsten der Verbraucher als auch zugunsten der Landwirte ändern könnten.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Bauknecht: Wie war es bei den Konsumgenossenschaften?)

    — Entschuldigen Sie, in der „Welt" stand weder, wer diese Erdbeeren für eine Mark gekauft hat, noch wer sie für 19 Pfennig abgekauft hat usw. Ich weiß auch nicht, ob es in Hochheim überhaupt einen Konsumladen gibt. Ich kann Ihnen diese Frage also nicht beantworten.

    (Zurufe von der CDU/CSU und Gegenrufe von der SPD.)

    — Ich glaube, es hat keinen Sinn, sich auf diese Weise mit dieser Frage auseinanderzusetzen.
    Mir kommt es darauf an, Sie darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig es wäre, durch eine entsprechende Förderung des Genossenschaftswesens und der Initiative auf diesem Gebiet die Landwirtschaft in die Lage zu versetzen, einen größeren Anteil am Endverbraucherpreis zu bekommen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie wissen auch, daß es darauf ankommt.Darf ich ein drittes Beispiel nennen: Wo bleibt eigentlich das Investitionshilfegesetz für die Landwirtschaft? Das hätten Sie doch ebenfalls längst beschließen können, ein Investitionshilfegesetz, das mit individueller betriebswirtschaftlicher Beratung verbunden sein muß und das dazu hätte führen
    können, alle Voraussetzungen betriebswirtschaftlicher Natur zu schaffen, um die Landwirtschaft wettbewerbsfähig zu machen.
    Die deutsche Landwirtschaft hat in einer ungeheuren Anstrengung ihre Betriebe technisiert — auch Herr Minister Schwarz hat das angesprochen —, oft in einem Mißverhältnis zur Betriebsgröße und zur Betriebsstruktur. Sie ist durch die Abwanderung dazu gezwungen worden. Das hätte doch alles vermieden werden können, wäre man unseren Anträgen rechtzeitig gefolgt, z. B. denen, die überbetriebliche Maschinennutzung besser zu fördern und besser auszustatten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein anderer Zusammenhang!)

    — Es gibt viele Zusammenhänge. Einer davon ist dieser: wenn man rechtzeitig die überbetriebliche Maschinennutzung mit den Mitteln des Grünen Plans gefördert hätte, so wie es Herr Kollege Bading immer vorgeschlagen hat, hätte man viele Fehlinvestitionen in kleineren Betrieben vermeiden können.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das geschieht auch!)

    — Das geschieht jetzt, Herr Pflaumbaum, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist.

    (Abg. Dr. Pflaumbaum: Ich habe nichts gesagt!)

    In der deutschen Landwirtschaft wie in der Landwirtschaft auf der ganzen Welt vollzieht sich ein ungeheurer Wandlungsprozeß. Wir sind uns immer einig gewesen, daß er sehr behutsam gesteuert werden muß, daß man soziale Hilfen geben muß usw. Aber man kann nicht die Augen davor verschließen und den Bauern weismachen: Es bleibt alles beim alten; denn das geht zum Schluß in ihr Auge.
    Wir haben uns bemüht, durch einen Antrag, den der Kollege Junghans gestellt hat, rechtzeitig darauf aufmerksam zu machen, welch große Bedeutung in diesem Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung zukommt. Wir haben erreicht, daß für die regionale Wirtschaftsförderung ganze 10 Millionen bereitgestellt worden sind. Heute zeigt sich noch viel deutlicher als damals schon, daß die wirtschaftlichen Ballungsräume die Menschen anziehen und sie aus den landwirtschaftlich strukturierten Gebieten abziehen. Von diesen Ballungsräumen geht ein ungeheurer Sog aus, der zu einer Entvölkerung des Landes führt. Es besteht die Gefahr, daß von dort mehr Menschen abgezogen werden, als die Landwirtschaft tatsächlich freisetzen kann. Es ist ohne Zweifel richtig, daß es die jüngsten und die beweglichsten Arbeitskräfte sind, die auf diese Weise vom Land weggenommen werden.
    Weil es unbedingt dazugehört, möchte ich noch einmal sehr deutlich machen, daß in diesem Rahmen eine vernünftige, weitschauende Raumordnung als Gesamtkonzeption und eine echte Strukturanalyse unbedingt notwendig ist. Man kann den Problemen nicht gerecht werden, wenn man sich nicht



    Frau Strobel
    ernsthafter, als es bisher geschehen ist, mit ihnen befaßt.
    Es ist mir heute aufgefallen, daß einige Gedanken in die Debatte getragen worden sind, die recht erstaunlich waren. So hat z. B. Herr Kollege Lücker etwa gesagt: Wir wollen mit Rücksicht darauf, daß es den Menschen in der sowjetisch besetzten Zone noch schlechter geht als den deutschen Bauern — wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Lücker — —

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ich habe Sie so verstanden, daß man mit Rücksicht darauf, daß es den Bauern in der Zone so viel schlechter geht als den Bauern in der Bundesrepublik, zufrieden sein solle,

    (lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU)

    und daß Sie an uns alle appellieren, sich zu bescheiden. Ich meine — —

    (Erneute Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Entschuldigung; das war also mindestens sehr mißverständlich von Herrn Lücker ausgedrückt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben es mißverstanden!)

    Wenn er es nicht auf die deutschen Bauern bezogen hat, dann will ich mich auch nicht dazu äußern.
    Ich meine allerdings, es ist unbedingt notwendig, zu sagen, daß die Demokratie in der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus sich ständig als bessere Heimstätte für den Menschen, auch als bessere Heimstätte für den Bauern, bewähren muß und daß wir nicht darauf verzichten dürfen, um Notwendigkeiten und Möglichkeiten zu ringen, die zu dieser besseren Heimstätte führen. Aus diesem Grunde bitte ich Sie also nochmals, ernsthaft zu prüfen, ob es nicht unbedingt notwendig ist, das ganze Gebiet der Strukturpolitik — nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in der Industrie, also das Gesamtgebiet der Raumordnung — sehr viel ernsthafter anzupacken, als das bisher geschehen ist.
    Ich muß aber auch sagen, daß in der Anfrage der FDP und in der Art, wie sie behandelt worden ist, doch ein bißchen zum Ausdruck kam, die ganze Misere sei nur durch die EWG entstanden und es wäre so einfach, sie durch höhere Preise zu lösen. So einfach ist es eben leider nicht. Auf die Dauer kann die Landwirtschaftspolitik nur dann erfolgreich sein, wenn sie ein harmonischer Bestandteil der gesamtwirtschaftspolitischen Konzeption ist. Ich habe manchmal den Eindruck, daß da auch in der FDP eine gewisse Lücke klafft zwischen dem, was sie bezüglich der Landwirtschaft vertritt, und dem, was sie wirtschaftspolitisch vertritt.
    Meine Damen und Herren, wir alle wissen, wie notwendig die Weiterentwicklung der wirtschaftspolitischen Einigung Europas ist. Wir Sozialdemokraten wollen nicht — das möchte ich zum Abschluß sehr deutlich sagen —, daß in der größeren europäischen Gemeinschaft wie in der -Bundesrepublik die Nutznießer des wirtschaftlichen Aufschwungs die industrielle und kommerzielle Großwirtschaft sind, während die Bauern und die Verbraucher von den Vorteilen des größeren Marktes ausgeschlossen werden. Deshalb ist eine Gesamtkonzeption so wichtig, in die alle Maßnahmen eingeordnet sind und bei der es insbesondere darauf ankommt, daß alle an dem steigenden Wohlstand teilnehmen können.
    Deshalb habe ich sehr bedauert, daß die Antwort der Bundesregierung so unbefriedigend war und eine solche Konzeption völlig vermissen ließ.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Starke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinz Starke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist vielleicht gut, wenn man jetzt noch einmal herausstellt, warum wir diese Große Anfrage gestellt haben. Es ist ja von den verschiedensten Rednern heute gefragt worden, ob wir es aus diesem oder jenem Grunde getan hätten.
    Wir sind uns doch über eines alle gemeinsam klar: Es kam bei dieser Großen Anfrage hier und heute nicht darauf an, die gesamten agrarpolitischen Fragen zu lösen, sondern es kam bei dieser Großen Anfrage selbstverständlich — selbstverständlich! — darauf an, die Entscheidungen gegebenenfalls zu beeinflussen, die in Kürze — ob das nun in den nächsten Tagen ist oder ob es nun wieder verschoben ist — in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft anstehen und von deren Bedeutung viele in diesem Hohen Hause, nun, sagen wir einmal, nicht ganz überzeugt sind oder von denen sie nicht wissen, von welcher Bedeutung sie sind.
    Ich kann es eigentlich nicht ganz verstehen — und das soll der erste Punkt sein, den ich hier kritisch beleuchten möchte —, daß uns ein Vorwurf daraus gemacht wird, daß wir die Große Anfrage vor diesen Entscheidungen gestellt haben. Sollen wir denn die Entscheidungen abwarten? Um sie gegebenenfalls zu beeinflussen, haben wir doch die Große Anfrage gestellt.
    In den anderen Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, meine Damen und Herren, ist man keineswegs so bescheiden bei der Behandlung solcher Fragen in den nationalen Parlamenten. Dort werden vielmehr vor schwerwiegenden Entscheidungen in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft immer Debatten in den nationalen Parlamenten abgehalten. Wenn Sie einmal an das denken, was sich jetzt in Frankreich abgespielt hat — das haben Sie auch in den Zeitungen gelesen —, und an die Erklärungen, die dort nicht nur der Landwirtschaftsminister, sondern auch der Ministerpräsident Debré abgegeben hat, dann werden Sie sehen, daß es gut ist, wenn auch im deutschen Parlament eine Debatte über solche Fragen zur rechten Zeit stattfindet.
    Nun möchte ich auf das, was Sie, Herr Kollege Lücker, gesagt haben, ein wenig eingehen. Angriff ist die beste Verteidigung. Sie sind es doch gewesen, der im Februar plötzlich diesen Angriff gegen die Freie Demokratische Partei geführt hat! Sie hahen ihn ohne jede Provokation geführt; Sie haben ihn an eine Kritik der Sozialdemokratischen



    Dr. Starke
    Partei angehängt: „ ... und das gilt in demselben Maße oder sogar noch mehr für die Freie Demokratische Partei." Beschweren Sie sich doch nicht hinterher, wenn darauf eine Antwort erfolgt!

    (Abg. Lücker [München]: Ich habe mich ja nicht beschwert!)

    Sie haben diesen Angriff vorgetragen. Warum? Weil Sie gemerkt haben, daß Unruhe in der bäuerlichen Bevölkerung besteht.

    (Abg. Lücker [München] : Wenn Sie mich meinen, brauchen Sie doch nicht die Regierung zu fragen!)

    Deshalb ist die Debatte damals in Gang gekommen. Wir haben daraus ersehen, wie notwendig es ist, eine solche Große Anfrage zu stellen.
    Heute haben Sie, Herr Lücker, gesagt, es sei jemand aus einem Saulus zum Paulus geworden. Ich möchte Ihnen darauf nur das eine erwidern: Im Mai 1960 haben wir auch über ,die europäischen Agrarfragen gesprochen, und im Mai 1960 haben Sie nicht zugegeben, daß es Schwierigkeiten gibt. Im Mai 1960 haben Sie mit einem ungeheueren Elan, ich möchte beinahe sagen, mit einem noch größeren Stimmaufwand als heute gesagt: Wir werden Lösungen finden. Damals ging es um die erste Beschleunigung, und heute fragen wir wegen der zweiten Beschleunigung an.
    Ich möchte noch auf ein zweites eingehen, nämlich die Frage, ob es denn notwendig ist, daß man bei der Erörterung einer solchen Anfrage in einem Beitrag — und das war Ihr Beitrag, Herr Lücker -
    die deutsch-französische Verständigung sozusagen für Teile dieses Hauses in Frage stellt. Die Notwendigkeit einer Verständigung mit Frankreich — und selbstverständlich auch auf agrarpolitischem Gebiet —wird doch von uns genauso bejaht wie von Ihnen. Die Debatte hier findet ganz jenseits dieser Frage statt.
    Sie haben dann zu dem Stellung genommen, was sich in diesem Hohen Hause bei der Verabschiedung des Vertrages über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft abgespielt hat. Bei dieser Verabschiedung war es so — ich glaube, daran kann kein Zweifel bestehen—, daß das ganze Haus einstimmig eine Resolution faßte, die sich darüber ausließ, daß dieses Europa der Sechs ein erster Schritt zu einer größeren europäischen Zusammenarbeit sein soll. Das wurde in der Resolution gesagt, und sie wurde einstimmig angenommen! Es kann keine Rede davon sein, daß wir — wie Sie, zu uns gewandt, gesagt haben — das gewollt hätten, sondern das war eine einstimmige Resolution.

    (Beifall bei der FDP.)

    Ich komme nun zu den einzelnen Begründungen, die Herr Lücker zu geben versucht hat; ich darf vielleicht zunächst einmal bei Ihnen bleiben, Herr Lücker. Nach allgemeinen Sätzen darüber, daß Sie wüßten, wie sich alles zum Guten entwickeln werde, sind Sie zu den Dingen übergegangen, auf die ich auch bei der Antwort der Bundesregierung noch einmal kurz eingehen werde. Sie haben dann über die
    Freiheit gesprochen, als ob wir uns mit ,dieser Anfrage sozusagen außerhalb der westlichen Welt und außerhalb freiheitlicher Vorstellungen stellten.
    Was das englische System betrifft, auf das ich hier nicht mehr eingehen will, so möchte ich nur folgendes sagen. Herr Lücker, dieses englische System als Grundbegriff ist doch von uns heute nicht angeführt worden, weil wir damit eine endgültige Lösung geben wollten. Es kam auch gar nicht darauf an, ,daß Sie hier diese oder jene Berner-kung gegen dieses System vorbrachten. Worauf es einzig und allein ankommt, war, daß auch Sie uns keine Antwort auf unsere Große Anfrage gegeben haben. Die Ablehnung einer Anregung, die wir gaben, ist keine Antwort auf unsere Anfrage.
    Ich kann Ihnen in dem nicht zustimmen, was Sie zu der Frage 'der agrarischen Wettbewerbsverzerrungen und ihrer Beseitigung in Europa gesagt haben. Bisher haben wir keine Gewißheit und Gewähr dafür, daß eine solche Entwicklung auch nur parallel mit dem späteren Wegfall der Abschöpfungen verlaufen wird.
    Ich darf noch einmal ganz allgemein sagen, was uns veranlaßt hat, diese Große Anfrage zu stellen; das heißt, gestellt hatten wir sie schon vor längerer Zeit. Es war die Sorge, die gerade ich für meine Fraktion hier schon wiederholt zum Ausdruck gebracht habe: daß sich in den Mittelschichten unserer Bevölkerung — dazu gehören nun einmal die Bauern — nachteilige Veränderungen vollziehen, denen wir keine genügende Aufmerksamkeit zuwenden. Das war der Hauptgrund. Wir halten diese Mittelschichten für einen staatspolitisch so notwendigen und wertvollen Bestandteil unserer Bevölkerung, daß man den Gefahren rechtzeitig wehren muß.
    Wir sind uns alle gemeinsam darüber klar, daß die Bundesregierung in den europäischen Agrarfragen vor außerordentlich großen Schwierigkeiten steht, die sich aus der Erfüllung ,des Vertrages über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ergeben. Wir haben uns heute noch einmal ausdrücklich dazu bekannt, daß dieser Vertrag erfüllt werden muß, gleichgültig ob das ganze Haus oder nur ein Teil dieses Hauses ihm zugestimmt hat. Gerade weil wir auf ,dem Standpunkt stehen, daß dieser Vertrag geschlossen ist, daß er existiert und erfüllt werden muß, gerade ,deshalb haben wir diese Große Anfrage eingebracht.
    Der zweite Grund, weshalb wir es getan haben, ist der, daß wir bisher keine Antwort darauf bekommen haben, welche Konzeption die Bundesregierung hat, welche Agrarpolitik sie im Sinne und Interesse ,der ,deutschen Landwirtschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft führen will.
    Ich möchte mich nun mit wenigen Sätzen dem zuwenden, was die Bundesregierung geantwortet hat, und zwar sowohl der Antwort ides Herrn Bundeswirtschaftsministers als auch der des Herrn Bundesernährungsministers. Ich muß betonen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Konkretes ist nicht gesagt worden. Ich glaube, es ist nicht angängig und möglich, daß man die konkreten Einzel-



    Dr. Starke
    heften, zu denen sich dann auch Herr Lücker nicht geäußert hat, einfach unter den Tisch fallen läßt, weil wir vor Entscheidungen in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft stehen.
    Eines dagegen — hier möchte ich mich Ihnen, Herr Bundesernährungsminister, zuwenden —haben wir als sehr bedauerlich empfunden, daß Sie nämlich diese Große Anfrage zum Anlaß genommen haben, eingangs Ihrer Ausführungen zu erklären, daß ,die Opposition leicht ohne Verantwortung handeln könne. Inwieweit eine Verantwortungslosigkeit gegeben ist, wenn man eine solche Große Anfrage stellt, auch als Opposition, ich glaube, das zu beantworten, bleibt Ihnen, Herr Bundesminister, vorbehalten.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir sind selbstverständlich mit der Bundesregierung und mit Ihnen, Herr Bundesminister, der Auffassung, daß dieser Vertrag im Interesse der westlichen Freiheit und im Interesse einer Freiheit, die auch wir bejahen und anerkennen, abgeschlossen worden ist. Aber das ist doch keine Antwort auf unsere Große Anfrage. Auch das, was sich in dieser freiheitlichen westlichen Welt abspielt, ist doch Gegenstand von Einzelheiten, über die man sich rechtzeitig eine Gewißheit verschaffen muß.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte nur noch zu einem Punkt — ich bin sofort fertig — etwas sagen. Die Frage der Wettbewerbsverzerrungen, von denen wir sprachen — lassen Sie mich das hier noch einmal zum Ausdruck bringen —, können wir nicht einfach unter den Tisch fallen lassen. Wir haben Zweige in der deutschen Wirtschaft, insbesondere die Ernährungswirtschaft, die zwischen den sich senkenden Zöllen und dem vollen Wettbewerb auf der einen Seite und den hohen Preisen für die Vorerzeugnisse auf der anderen Seite stehen. Wir müssen an diese Wirtschaftszweige denken. Wir dürfen sie nicht ohne Grund schwächen, bevor es zu dem eigentlichen großen Wettbewerb in Europa kommt.
    Ich möchte nun zum Schluß kommen und möchte Ihnen noch einmal sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir wollten mit dieser Anfrage zum Ausdruck 'bringen, daß wir, nachdem die Verträge geschlossen sind, eine gesunde europäische Entwicklung wollen. Zu dieser gesunden europäischen Entwicklung gehört eine gesunde Landwirtschaft. Wenn die Landwirtschaft gesund sein soll, muß sie das nicht nur in einem Teil der Länder, sondern auch bei uns in Deutschland sein.
    Diese Überlegung, die sehr wohl eine europäische Überlegung ist, hat uns veranlaßt, die Große Anfrage zu stellen, und ich muß noch einmal sagen: Weder die Bundesregierung noch Sie, Herr Lücker, haben unsere Fragen beantwortet.

    (Beifall bei der FDP.)