Rede von
Jan
Eilers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Dr. Burgbacher, ich bin der Meinung, daß wir hinsichtlich der Aufgaben des Staates, die gleichermaßen beim Bund, bei den Ländern und bei den Gemeinden liegen, zunächst einmal dafür zu sorgen haben, daß die kommunale Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht leere Proklamation bleibt, sondern daß ihre finanzielle Grundlage gesichert wird.
Ich meine, Herr Burgbacher — wenn ich das einmal weiterführen 'darf —, daß wir allen Anlaß haben, uns dieser Bestimmung des Grundgesetzes zuzuwenden, nachdem das Bundesverfassungsgericht auf sie so außerordentlich großen Wert gelegt hat. Sie alle wissen, daß das Bundesverfassungsgericht die kommunalen Wahlgesetze im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen deshalb für ungültig erklärt hat, weil das Recht der Bürger auf
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1960 7781
Eilers
Selbstverwaltung, das in Art. 28 Abs. 3 garantiert ist, nicht gewährleistet erschien. Wenn jetzt die kommunale Selbstverwaltung ihren. Boden deshalb verliert, weil ihre finanzielle Grundlage zerstört wird, möchte ich glauben, daß in diesem Falle das Bundesverfassungsgericht ähnlich entscheiden könnte. Herr Burgbacher, das sind meine Bedenken gegen eine einseitige Maßnahme.
Ich weiß, meine Damen und Herren, daß wir ja sonst, um mit dem Herrn Bundeskanzler zu sprechen, nicht gerade pingelig sind, wenn es sich um die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen handelt. Denken Sie an das Gesetz über das Verbot des Behörden- und Belegschaftshandels! Unser Rechtsausschuß, unsere Fraktionen, alle waren der Meinung, daß dieses Gesetz möglicherweise verfassungswidrig sein könne. Auch der Rechtsausschuß des Bundesrats vertritt diese Auffassung. Dennoch haben wir frank und frei das Gesetz beschlossen. Ich kann mich auf solche staatsrechltich bedenklichen Grundlagen nicht begeben und muß sie für mich persönlich ablehnen.
Wir sollten uns auch davor hüten, die parlamentarische Demokratie durch uns selber auszuhöhlen, indem wir es dem Bundesverfassungsgericht überlassen, zu entscheiden, ob unsere Gesetze verfassungsgemäß sind oder nicht.
Meine Bedenken ergeben sich auch aus dem Art. 106 Abs. 6 des Grundgesetzes. Dort steht ausdrücklich: „Das Aufkommen der Realsteuern steht den Gemeinden zu." Soll das auch nur eine Proklamation sein? Ich glaube nicht, daß das irgend jemand von uns will. Niemand von uns wird der Meinung sein, daß das, was wir selbst vor vier Jahren im Grundgesetz verankert haben, nur eine Proklamation sein soll. Der Bundesgesetzgeber darf nicht Geschenke machen auf Kosten anderer,
Geschenke, die andere zu bezahlen haben würden und bei denen er dann noch, gemeinsam mit den Ländern, selbst verdient; denn durch diese Gesetzesmaßnahme würde neben der Senkung der Einnahmen bei den Gemeinden eine Mehreinnahme — Herr Professor Hettlage hat das 'bestätigt — bei den Ländern und auch beim Bund eintreten. Wir müssen der gewerblichen Wirtschaft, besonders den kleineren und mittleren Betrieben helfen. Zur gleichen Zeit sollten wir aber den Ausgleich für die Gemeinden und Städte herbeiführen, um eine Ungerechtigkeit von vornherein zu vermeiden.
Das zu der Ziffer 1 unseres Antrags.
Nun zu Ziffer 2. Die kommunale Finanzreform, wie sie von der Bundesregierung offenbar beabsichtigt ist, kann nur im Rahmen der Änderung der Konstruktion unserer allgemeinen Finanzverfassung in der Bundesrepublik wirksam werden.
Ich habe soeben bereits auf die Zwischenfrage von Herrn Professor Burgbacher gesagt, daß nach meiner Meinung alle öffentlichen Aufgaben, die des Bundes, der Länder und der Gemeinden, im Range gleichbehandelt werden müssen. Wir alle wissen, welche ungeheuren Aufgaben die Gemeinden noch zu erfüllen haben. Ich möchte jetzt nicht bereits die Aussprache eröffnen, habe mir aber im Hinblick auf die Ausführungen von Herrn Professor Hettlage vorgenommen, darauf hinzuweisen, daß es angesichts der Verkehrsverhältnisse in der gesamten Bundesrepublik wenig Sinn hat, nur Fernstraßen, nur Bundesstraßen und nur Bundesautobahnen zu bauen, sondern daß wir im gleichen Atemzuge das Verkehrsnetz in den Gemeinden und Städten leistungsfähig machen müssen.
Die Verkehrsteilnehmer auf den Bundesfernstraßen, auf den Bundesstraßen haben Ziel und Ausgangsort in den Gemeinden und Städten. Was für einen Sinn hätte es, wenn die großen Straßen leistungsfähig, in den Flaschenhälsen der Gemeindestraßen die Verkehrsteilnehmer aber einfach nicht mehr in der Lage wären, sich flüssig zu bewegen?
Dieselben Verkehrsteilnehmer, die sich auf den Bundesfernstraßen bewegen, bewegen sich auch in den Gemeinde- und Stadtstraßen und versuchen, von Ort zu Ort zu kommen. Schauen Sie sich doch einmal die Verhältnisse in München, Stuttgart, Mannheim, Ludwigshafen, Köln, Düsseldorf oder Hamburg an!
— Natürlich auch Bonn! Wie konnte ich die Bundeshauptstadt vergessen! Wir haben in verhältnismäßig kurzer oder längerer Zeit die Bundeshauptstadt angesteuert. Um dann aber zu unserem Ziel in der Hauptstadt zu gelangen, brauchen wir manchmal die gleiche Zeit.
— Nein, es fehlt nicht an dem notwendigen Geld, sehr verehrter Herr Rösing!
— Nein, es liegt daran, daß der Bund bisher die Einnahmen aus den Kraftverkehrsabgaben, aus der Kraftfahrzeugsteuer, aus der Mineralölsteuer und aus den Mineralölzöllen, nicht völlig für den Straßenbau verwendet.
Vielmehr werden immer noch 600 Millionen DM als Sockelbetrag, als allgemeine Deckungsmittel im Bundeshaushalt verwendet.
— Erfreulicherweise! Aber auch das ist ja bisher leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Wenn die Verkehrsverhältnisse in den Städten und Gemeinden in absehbarer Zeit einfach unhaltbar geworden sein werden,
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ergibt sich eine Hinderung, eine Erschwernis für die gesamte deutsche Wirtschaft, für das gesamte deutsche Leben. Deshalb kann, meine ich, die Regelung dieser Verkehrsverhältnisse, kann der Straßenbau in den Gemeinden und Städten nicht allein eine Aufgabe der Gemeinden und Städte sein, sondern hier handelt es sich, wie der hochachtbare Herr Bundeskanzler in der Besprechung mit den kommunalen Spitzenverbände in Bad Godesberg sagte, urn eine wesentliche Aufgabe des Bundes. Ich bin außerordentlich froh gewesen, diese Aussage von Herrn Bundeskanzler Adenauer zu hören. Zur gleichen Zeit — das muß ich Ihnen sagen — hat er ganz eindeutig zum Ausdruck gebracht — Sie von der CDU/CSU-Fraktion waren ja dabei —, daß die Gemeinden nicht in der Lage seien, einen solchen Ausfall bei der Gewerbesteuer hinzunehmen, sondern daß hier ausgleichende Maßnahmen des Bundes und der Länder notwendig seien.
— Ja, ich möchte es, da ich nicht die Ehre habe, der Regierungskoalition anzugehören, noch einmal als Mitglied der Opposition feststellen.
— Lieber Herr Dollinger, darüber sprechen wir am besten nach der Wahl.
Noch einmal ein Hinweis auf die Verhältnisse in Österreich! Es ist davon gesprochen worden, daß die Gewerbesteuer nur in Deutschland und in Osterreich existiere. Lassen Sie mich die Ausführungen von Herrn Keuning ergänzen: In Osterreich sind die Gemeinden gegenwärtig mit 20 % an ,der Einkommen- und Körperschaftsteuer, mit 19 % an der Weinsteuer und mit 17 % an der Umsatzsteuer beteiligt. Ich glaube, Herr Staatssekretär Hettlage wird nicht in der Lage sein, auch den Gemeinden in der Bundesrepublik eine solche Beteiligungsquote anzubieten.
— Ja, meine Damen und Herren, ich bin nun einmal von Natur aus ein Optimist. Man sollte der, Blick nicht immer so sehr nach rückwärts, sondern lieber vorwärts in eine von uns besser zu gestaltende Zukunft wenden. Ich glaube, es nützt nicht viel, das, was 1955, 1958, 1959 oder 1960 falsch gemacht wurde, heute zu kritisieren. Wir sollten nachdrücklich versuchen, aus diesen falsch angelegten Konstruktionen zu lernen, um eine bessere Lösung für die Zukunft zu schaffen.
— Sehr verehrter Herr Dresbach, ich habe doch, wie ich meine, unsere Freunde vom Bundesrat vorhin schon einigermaßen ermuntert und sie gebeten, die Dinge in der Zukunft doch ein wenig positiver anzusehen. Ich hoffe, daß die heutige Aussprache mit dazu beitragen kann, ein besseres, ein einsichtsvolleres Verhältnis zwischen Bund und Ländern herbeizuführen. Lassen Sie mich dieser Hoffnung hier noch einmal nachdrücklich Ausdruck geben.
Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß die Finanzmasse aller Steuern und Abgaben ,in der Bundesrepublik, also beim Bund, bei den Ländern und bei den Gemeinden, neu verteilt werden sollte, wie es auch der Herr Bundeskanzler — ich glaube, in der Besprechung in Bad Godesberg schlug .sein altes Oberbürgermeisterherz besonders kräftig — schon zum Ausdruck gebracht hat. Er war der Meinung, die Gemeinden könnten den Ausfall in der Gewerbesteuer nicht tragen. Er empfahl
ich erinnere mich dessen noch genau —, daß Sie in der CDU einen Ausschuß bilden sollten, der 'sich der Neuordnung der Gemeindefinanzen im Rahmen der Konstruktion einer allgemeinen neuen Finanzverfassung annehmen solle. Lassen Sie den heutigen Tag auch in Ihrer Fraktion einen weiteren Anlaß sein, dieser Anregung, dieser Mahnung Ihres hochverehrten Parteichefs und unseres Regierungschefs, des Bundeskanzlers, nachzukommen.
— Meine Damen und Herren von der CDU, ich könnte Sie noch weiter aufmuntern. Sie wissen, daß Ihnen der Herr Bundeskanzler auf Ihrem letzten Karlsruher Parteitag gesagt hat: Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist nötig, daß Sie sich den Nöten der Gemeinden mehr zuwenden als bisher.
Das war eine Anregung des Herrn Bundeskanzlers
— sich habe das damals mit sehr großer Aufmerksamkeit —
— Sie haben den zweiten Halbsatz meines Satzes noch nicht vernommen. Weil wir von der Freien Demokratischen Partei in unserem Antrag unter Ziffer 2 eine umfassende Reform verlangen und die Regierung ersuchen, einen solchen Entwurf möglichst bald vorzulegen, möchten wir Sie bitten, dieser Anregung Ihres Parteivorsitzenden und des Bundeskanzlers Dr. Adenauer eingedenk zu sein und ihm diesen Entwurf bereits am 5. Januar als ein Geburtstagsgeschenk zu überreichen.