Rede von
Jan
Eilers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat, glaube ich, sollten wir alle in diesem Hohen Hause sehr froh darüber sein, daß endlich der Zeitpunkt gekommen ist, über die Frage der Gemeindefinanzen im Rahmen der Finanzverfassung des Bundes, der Länder und der Gemeinden zu sprechen. Ganz so optimistisch, wie Herr Staatssekretär Professor Dr. Hettlage sich hier äußerte, vermag ich zu meinem größten Bedauern nicht zu sein.
Der Herr Bundesfinanzminister Etzel sagte nämlich bereits am 1. Juli 1958 bei der Begründung des Haushaltsplans — ich will es wörtlich sagen; Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich es zitiere —:
Ich will heute zu den Einzelheiten
— der kommunalen Finanzlage —
nicht Stellung nehmen, das wäre durchaus verfrüht. Das Problem der Deckungsmittel -sei es Bürgersteuer, sei es Umbau der Grundsteuer, in Zusammenhang mit einer Gewerbesteuerreform — ist ein ernstes Problem; wir werden es nach den Ferien sofort in Angriff nehmen.
Meine Damen und Herren, das war am 1. Juli 1958. Ein entscheidendes Ergebnis liegt uns leider bisher immer noch nicht vor!
Allerdings meine ich, daß die Auffassung des Bundesfinanzministeriums, soeben durch Sie, Herr Staatssekretär, hier interpretiert, uns einen Lichtblick geben müßte. Ich möchte nur hoffen, daß daraus in der Praxis recht bald die Folgerungen gezogen werden.
Inzwischen pfeifen es nämlich die Spatzen von den Dächern in unserer Bundesrepublik, daß der Bund, die Länder und die Gemeinden durch eine falsche Konstruktion der Finanzverfassung in unserer Bundesrepublik geradezu angereizt werden, nicht das Wohl des ganzen Staatswesens zu verfolgen, sondern im Gegenteil jeder für sich egoistische Motive als das Hauptziel für die Staatsbürger anzupreisen und zum Tragen zu bringen.
— Ich komme jetzt darauf zu sprechen. Ich bin Ihnen für diesen Hinweis außerordentlich dankbar, lieber Herr Kollege Dr. Dresbach.
Unbestritten ist, daß der Parlamentarische Rat bei den Beratungen über das Grundgesetz eine einheitliche Bundesfinanzverfassung und eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung gefordert hat. Die Einheit der Bundesfinanzverfassung und der Bundesfinanzverwaltung ist damals an dem Einspruch der Alliierten gescheitert.
— Ja, unsere brüderliche Verbundenheit mit unseren bayerischen Volksfreunden ist einfach unlösbar.
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 136. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1960 7779
Eilers
Ich bin auch überzeugt, daß Herr Dollinger, wenn er nachher dazu Stellung nehmen wird, diese unsere Auffassung unterstützen kann und wird.
Im Parlamentarischen Rat wurde die erwähnte Auffassung besonders durch den leider viel zu früh verstorbenen Kollegen Höpker-Aschoff und durch den gerade amtierenden Bundestagsvizepräsidenten Dehler vertreten. Wir können nur hoffen, daß mit der Einsicht bei der Bundesregierung endlich das Tatsache wird, was damals von den Deutschen im Parlamentarischen Rat vorgeschlagen wurde.
Die fehlerhafte Finanzverfassung, die Konstruktion unserer Finanzverfassung ist Anlaß dafür, daß wir in großem Maße bei den Reibungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden unsere Kräfte verschleißen.
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang auch den Hinweis, daß der Bundesrat nach dem Grundgesetz ein Gesetzgebungsorgan des Bundes sein soll. Was ist er aber geworden? Der Bundesrat ist leider zu einem Organ der Länder beim Bund geworden. Ich habe mich sehr darüber gefreut, daß der jetzt amtierende Präsident des Bundesrates, Herr Ministerpräsident Dr. Meyers, bei der Rede aus Anlaß der Übernahme seines Amtes gesagt hat, der Bundesrat sei ein Gesetzgebungsorgan des Bundes. Wir dürfen also hoffen, daß diese von Herrn Staatssekretär Dr. Hettlage vorhin hier genannten Pläne auch im Bundesrat eine andere, eine bessere Aufnahme finden werden. Das sei heute auch unser Wunsch an die Vertreter des Bundesrates.
Nun möchte ich auf die Begründung im einzelnen eingehen. Es ist doch in der Tat so, daß die Gewerbesteuer seit ihrer Einführung im Jahre 1810 in Preußen immer im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen um die Steuereinnahmen gestanden hat. Leider hat sich die Bedeutung der Gewerbesteuer für die Gemeinden inzwischen völlig geändert. Die Gewerbesteuer gibt es im übrigen — auch das darf bei dieser Erörterung nicht vergessen werden — nur in Deutschland und in Osterreich. In den anderen Ländern kennt man eine Gewerbesteuer dieser Art nicht.
Lassen Sie mich auch noch einmal in unsere Erinnerung zurückrufen, daß auch schon 1926 die Abzugsfähigkeit von Miet- und Pachtzinsen, Schulden und Schuldzinsen erörtert wurde. Damals ist diese Abzugsfähigkeit an dem Charakter der Gewerbesteuer als einer Realsteuer gescheitert. Damals wurde die Abzugsfähigkeit abgelehnt, und der Charakter als Realsteuer blieb erhalten.
Bereits im Jahre 1926, also vor 34 Jahren, schlug der damalige Ministerialdirektor Hog aus dem Preußischen Finanzministerium vor, man möge die eigene Finanzhoheit der Gemeinden im Deutschen Reich verbessern. Er sagte, er sehe diese Verbesserung darin, daß den Gemeinden ein Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer gegeben werde. Ich erwähne das nur deshalb, damit wir diese Fragen in ihrer Gesamtheit sehen.
Die tatsächliche Entwicklung ist aber trotz all dieser Bemühungen so gewesen, daß die Gemeinden immer mehr zu finanziellen Kostgängern beim Reich, beim Bund und bei den deutschen Ländern wurden. Während der Anteil der Gemeinden an eigenen Steuereinnahmen 1914 noch 37 % betrug, war er 1960 nur noch 14,7 %. Die Gewerbesteuer — Herr Staatssekretär Professor Hettlage sagte es vorhin — machte 1935 27,5 % der Gemeindeeinnahmen aus; heute beträgt der Anteil 75 % während der Anteil der Grundsteuer nur noch 18 % gegenüber 32 % im Jahre 1935 ausmacht. Gerade das muß die Gemeinden so außerordentlich ängstlich werden lassen, wenn es nun daran geht, die Gewerbesteuer, diese Grundlage der gemeindlichen Einnahmen, etwa einzuschränken.
Meine Damen und Herren, es liegt auch — ich will es kurz machen und versuchen, die Dinge in Stichworten darzustellen — eine gewisse Tragik in der Durchführung des sozialen Wohnungsbaues der letzten zehn Jahre. Während der Bund und die Länder inzwischen Gläubiger von Milliardenforderungen geworden sind, sind die Gemeinden Schuldner von Milliardenbeträgen.
— Ja, davon bin ich überzeugt, und das begrüßen wir alle sehr, daß dadurch der allgemeinen deutschen Volkswirtschaft, der Bauindustrie und dem Baugewerbe als Schlüsselgewerbe eine Hilfe gegeben wurde. Aber — auch das lassen Sie uns noch einmal feststellen — diese zehnjährige Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grundsteuer ist von den Gemeinden gern getragen worden, weil sie eine zusätzliche Hilfe für den sozialen Wohnungsbau darstellte.
— Natürlich, Herr Dr. Willeke, einstimmig beschlossen. Auch ich würde es heute gemeinsam mit Ihnen einstimmig beschließen, weil ich es für eine absolute Notwendigkeit halte und gehalten hätte. Aber daß der Ausfall von rund 3 Milliarden DM Grundsteuer bei den Gemeinden zu verkraften war, das soll man in diesem Zusammenhang nicht vergessen. Diese Bemerkung soll nicht als eine Kritik angesehen werden, sondern nur als eine Feststellung der Tatsache schlechthin.
Es ist von den Einheitswerten gesprochen worden. Sie sind in diesem Jahr 25 Jahre alt; also ein seltenes Jubiläum. Wir haben keinen Grund, dieses Jubiläum feierlich zu begehen. Denn auch darin liegt ja, wie Herr Professor Hettlage als Vertreter der Bundesregierung zum Ausdruck brachte, eine Schmälerung der Gemeindeeinnahmen um Milliarden.
Immer wieder hat man nicht die Gemeinden gefragt, ob sie es tun möchten. Durch den Bundesgesetzgeber sind diese Ausfälle, sind diese Leistungen der Gemeinden hervorgerufen worden. In der gleichen Zeit, wo Milliarden nicht eingingen, wurde die Verschuldung der Gemeinden auf 13 Milliarden gesteigert. Die Gemeinden konnten diesen Aufgaben einfach nicht ausweichen. In der Wirtschaft, aber
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auch in der Bevölkerung ist leider nicht immer das Verständnis dafür vorhanden, daß diese Verschuldung unausbleiblich war.
Durchaus, Herr Professor Burgbacher. — Deshalb möchte ich hier als Kommunalpolitiker und Bundespolitiker sagen, daß in den Gemeinden und Städten durchaus Verständnis dafür vorhanden ist, wenn jetzt die gewerbliche Wirtschaft, wenn Wirtschaftspolitiker hier in diesem Hohen Hause der Meinung sind, daß man diese ungerechte Gewerbesteuer nun in ihren Spitzen abschleifen sollte. Wir sind in den Gemeinden und Städten weit entfernt davon, uns gegen eine solche Änderung der Gewerbesteuer zu wenden.
Ja, ich stimme völlig mit Ihnen überein. Nur möchten wir im gleichen Zuge die Neuordnung des kommunalen Finanzsystems erreichen. Insofern können wir, glaube ich, allen denen nur dankbar sein, die von einer solchen Änderung der Gewerbesteuer überhaupt gesprochen haben, entsprechende Anträge hier im Bundestag einbringen, diese Frage in der Regierungskoalition oder auch im Bundeskabinett erörtern oder aber, wie der Herr Bundeswirtschaftsminister in seinem Bericht über die Lage der gewerblichen Mittelschichten zum Ausdruck brachte, zur Debatte stellen.
Meine Damen und Herren! Solange den Gemeinden für diesen Ausfall an Gewerbesteuer nicht eine andere Einnahme gegeben werden kann, ganz gleich, worin sie zunächst finanziell bestehen würde, so lange wird man hier sehr vorsichtig vorgehen müssen.
Deshalb auch der Antrag der Freien Demokratischen Partei, der besagt, daß die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen möge, der die Erstattung des Ausfalls, der den Gemeinden durch diese Gewerbesteueränderung entsteht, vom Bund und von den Ländern fordert.
Warum ein Gesetzentwurf? Meine Damen und Herren, erinnern Sie sich noch der Änderung der Gewerbesteuer bei der Erhöhung des Freibetrages von 1200 auf 2400 DM. Damals hat dieses Hohe Haus — ich glaube, einstimmig — eine Entschließung gefaßt, die besagte, daß die Länder diesen Ausfall finanziell auszugleichen hätten. Was ist aus dieser Entschließung geworden? Die meisten Länder haben einmalig einen gewissen Ersatz gegeben. Einige Länder haben sich allerdings den Gemeinden etwas mehr verbunden gezeigt. Weil ich also der Meinung bin, daß mit einer Entschließung nichts zu erreichen ist, sollten wir, was nach Art. 107 Abs. 2 des Grundgesetzes möglich ist, von der Bundesregierung die Vorlage eines Gesetzentwurfs verlangen. In Art. 107 Abs. 2 heißt es nämlich:
Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, ist ein angemessener finanzieller Ausgleich zwischen leistungsfähigen und leistungsschwachen Ländern sicherzustellen;
hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden zu berücksichtigen.
— Lieber Herr Dresbach, Sie heben den Finger mahnend.
— Herr Dresbach, ich bin der Meinung, man sollte nicht so sehr auf Krakeeler achten, sondern auf jene, die sich um eine konstruktive Neuordnung bemühen.
— Es sei ferne von mir, Ihnen das unterstellt zu haben! Ich weiß, Sie sind unser Bundesgenosse, und ich freue mich auch darüber.
Meine Damen und Herren! Wenn eine Änderung in der Gewerbesteuergesetzgebung eintritt, müssen wir bereit sein, sofort eine ausgleichende Maßnahme seitens des Bundes und der Länder herbeizuführen. Ich glaube, daß nur auf diese Weise die kommunale Selbstverwaltung, die in Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes garantiert ist, auch in der Zukunft lebensfähig bleibt.