Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Wir freien Demokraten begrüßen diesen Gesetzentwurf. Auch wenn man nicht so vermessen ist, zu behaupten, man habe dieses große Stück Arbeit
schon in seinen letzten Auswirkungen studiert, so hat man doch das Gefühl, daß darin eine sehr verantwortungsbewußte und juristisch sehr sorgfältige Arbeit vorliegt.
Da eine Reihe wichtiger Fragen aus dem Gesamtkomplex hier in der Debatte schon sehr ausführlich erörtert worden sind, haben wir die Hoffnung, daß es trotz der Kürze der uns noch zur Verfügung stehenden Zeit gelingen wird, den Gesetzentwurf noch in diesem Bundestag zu verabschieden.
Trotzdem können wir der Bundesregierung den Vorwurf nicht ersparen, daß wir zu der ersten Lesung erst heute, im Dezember, kommen und dadurch die Zeit für die Arbeit, die uns bevorsteht, so stark verkürzt sehen. Denn schon im Mai lag doch eigentlich der große Entwurf, der sicherlich einer langen Zeit der Vorbereitung bedurft hat, in seinem wesentlichen Inhalt vor.
Auch wir sehen in diesem Gesetzentwurf in erster Linie eine wirtschafts- und gesellschaftspolitische Angelegenheit, und wir freuen uns besonders, daß nun auch der Herr Wirtschaftsminister, der gerade für diese Fragen zuständig ist, an den Beratungen teilnimmt.
Alle Parteien sind, soweit ich das jetzt übersehen kann, darin einig, daß ein Ausgangspunkt für die Vorlage dieses Gesetzes das leidige Problem der Machtkonzentration gewesen ist und noch heute ist. In der allmählich berühmt gewordenen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers aus dem Oktober 1957 wurde ja das Versprechen gegeben, auch die Frage des Aktienrechts als eines der Mittel, der Machtkonzentration entgegenzutreten, anzupacken, und wir freuen uns deswegen ganz besonders, daß es vielleicht doch noch gelingen wird, dieses Problem in diesem Bundestag zu lösen.
Meine Damen und Herren! Die Änderungen, die am deutschen Aktienrecht im Jahre 1937 vorgenommen worden sind, lagen ganz sicher nicht in den Vorstellungen der Freien Demokraten. Sie wurden von einem autoritären Staat aufgezwungen. Sie haben, wie wir fürchten, auch einen Teil unseres Gesellschaftsbildes in bezug auf die Aktiengesell-schaftgeformt und vielleicht zu ihrem Teil mit dazu beigetragen, daß die Zusammenfassung zu übergroßen Unternehmungen in den letzten zehn Jahren so starke Fortschritte gemacht hat. Deswegen ist es dringend notwendig, daß nun neue Maßstäbe an die Führung der Aktiengesellschaften gelegt werden.
Auch wir legen den Hauptwert auf die Eigentumsrechte der Aktionäre und treten dafür ein, daß ihre Stellung in der Hauptversammlung gegenüber der Verwaltung gestärkt wird. Dabei soll nicht das Streben nach höherer Dividende maßgebend sein, sondern, wie gesagt, das größere und bessere Kontrollrecht des Aktionärs.
Ich stimme mit dem Kollegen Barzel überein, wenn er der Lehre von der Aktiengesellschaft als einem selbständigen Unternehmen, losgelöst vom Eigentumsanspruch des Aktionärs, widerspricht. Ich sehe in den Ausführungen, die der Herr Kollege
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Dr. Atzenroth
Heinemann eben zu dieser Frage gemacht hat —er hat bei den großen Gesellschaften den unbedingten Eigentumsanspruch des Aktionärs zumindest in Zweifel gezogen —, doch etwas, was in die alte Tendenz der Sozialdemokratie nach Vergesellschaftung zurückgeht. Das liegt hier ganz deutlich einbegriffen. Ich glaube, der Herr Kollege Heinemann selbst hat es in diesem Augenblick nicht gemerkt. Sonst hätte er es etwas vorsichtiger formuliert in einem Zeitpunkt, wo man sich bei der SPD auf Godesberg zu berufen pflegt. Wir lehnen also die künstlichen Definitionen, die Herr Heinemann dem Eigentumsbegriff für bestimmte Gesellschaften gibt, entschieden ab.
Trotz aller Einwände, die von draußen kommen, stimmen wir aber den neuen Bestimmungen über das Depotstimmrecht zu. Wir halten sie für richtig und zweckmäßig. Es soll eben der wirkliche Wille des Eigentümers zum Ausdruck gebracht werden. Manchmal wird auch von nichtsozialistischer Seite angezweifelt, daß ein solcher Wille überhaupt feststellbar sei. Wir sehen jedoch in dem Druck auf den Aktionär, in einer konkreten Frage eine Entscheidung zu treffen, eine Anregung, sich mit den Dingen seiner Gesellschaft näher zu beschäftigen. Wir glauben, daß der Aktionär sein Recht um so freudiger wahrnehmen wird, je größer es ist. Das ist eine Hoffnung. Vielleicht wird sie enttäuscht. Wir sollten aber diese Hoffnung unserer Haltung und unseren Handlungen zugrunde legen, und das geschieht nach unserer Meinung in diesem Gesetzentwurf in vollem Maße.
Bedeutungsvoll sind für uns die neuen Bestimmungen, durch die die Bildung freier Rücklagen in stärkerem Maße eine Angelegenheit der Gewinnverwendung wird und nicht mehr eine Sache der Gewinnermittlung bleibt. Die Vollmachten, die der Verwaltung gegeben werden, müssen beschränkt werden. Sie sollen da enden, wo die Investitionen nicht mehr aus den laufenden Abschreibungen vorgenommen werden können. Wir glauben, daß manche unzweckmäßige Vergrößerung und Betriebserweiterung durch diese neue Bestimmung des Gesetzes eventuell verhindert werden kann.
Zu dem Fragenkomplex, der in unseren Debatten über die Unternehmenskonzentration wiederholt angeschnitten worden ist, gehören auch die Bestimmungen über das Konzernrecht. Sie werden hier endlich einmal klarer gefaßt, ais das bisher der Fall war, so daß sich der Aktionär, aber auch die Öffentlichkeit ein Bild über die tatsächlichen Verflechtungen machen kann. Da, wo solche Verflechtungen aus technischen und betriebswirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt sind, braucht ja niemand die Öffentlichkeit zu scheuen. Wo es sich aber um Verflechtungen nur aus Machtgründen handelt, muß das eben offen bekannt werden.
Die meisten Einwände aus den Kreisen der Aktiengesellschaften selbst richten sich gegen die erhöhte Veröffentlichungspflicht. Dagegen wird eingewandt, daß sich ein Unternehmen dadurch zu stark der Konkurrenz offenbaren würde; besonders wird hierbei auf die ausländische Konkurrenz ver-
wiesen. Wir haben über diese Frage schon bei der kleinen Aktienrechtsreform ausführlich debattiert und damals bestimmte Milderungen in das Gesetz hineingebracht. Sie betrafen insbesondere die kleinen Aktiengesellschaften, deren Aktien nicht an der Börse gehandelt werden, und die im Familienbesitz befindlichen Unternehmungen.
Nach dem SPD-Entwurf, der hier vorgelegt worden ist, sollen in dieser Frage wieder Verschärfungen in das alte Gesetz gebracht werden. Nach ihm soll diese weite Veröffentlichungspflicht auf alle, also auch auf die kleinsten Gesellschaften erstreckt werden. Das lehnen wir entschieden ab. Für die großen Gesellschaften aber gilt es zu bedenken, daß die Öffentlichkeit aus gesellschaftspolitischen Gründen ein Anrecht darauf hat, klar zu sehen, was sich dort abspielt, wo entscheidende wirtschaftspolitische Maßnahmen getroffen werden.
Wir wenden uns gegen den Eingriff der öffentlichen Hand und auch gegen Kontrollen, wie sie in den Plänen von Herrn Dr. Deist immer wieder vorgeschlagen werden. Dafür müssen solche Unternehmen ihr Geschäftsgebaren offenlegen, wie es in diesem Gesetzentwurf vorgeschlagen wird.
Ich möchte es in der ersten Lesung bei diesen allgemeinen Bemerkungen zum Inhalt des Gesetzes selbst bewenden lassen. Wir werden in den Ausschüssen noch ein großes Maß an Arbeit leisten müssen. Das zeigt sich schon an der Zahl der Paragraphen, die wir im einzelnen überprüfen müssen, um alle Einzelheiten auf ihre Zweckmäßigkeit zu untersuchen.
Ich möchte aber wie mein Vorredner einige allgemeine Bemerkungen anknüpfen. Wir stimmen mit Herrn Barzel darin überein, daß man keine Einzelstücke des Gesetzes vorwegnehmen sollte. Insofern lehnen wir die Vorschaltgesetze der SPD ab,
die zudem auch einige, wie uns scheint, nicht ungefährliche Verschärfungen enthalten. Ich habe auf einen dieser Punkte schon hingewiesen.
Herr Kollege Barzel hat in seinen Ausführungen mit beredten Worten das Eintreten seiner Fraktion für das Eigentum gepriesen. Ich gebe zu, daß der Gesetzentwurf eine Grundlage für eine solche Auffassung bildet. Aber einige Vorgänge aus der Vergangenheit und einige Bemerkungen von Ihnen, Herr Barzel, müssen uns doch dazu veranlassen, etwas wachsam zu sein. Die SPD will auch die größeren Gesellschaften mit beschränkter Haftung in das Gesetz hineinnehmen. Wir haben dagegen Bedenken. Bei der GmbH handelt es sich nicht wie bei der Aktiengesellschaft um den Schutz einer Vielzahl von Eigentümern. In ihr ist vielmehr eine verhältnismäßig kleine Zahl von Gesellschaftern mit dem Unternehmen fest verbunden. Sie können sich nicht so schnell von -dem Unternehmen lösen wie der Aktionär, der seine Aktien verkauft und für dessen Schutz wir besondere Bestimmungen in dem Gesetz wünschen. Trotzdem wollen wir nicht die Möglichkeit ausschließen, daß auch für manche GmbH eine beschränkte, aber vielleicht andersgeartete Veröffentlichungspflicht geschaffen wird. Nähere Einzel-
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heiten werden wir aber erst bei der Ausschußberatung feststellen können. Die von der SPD erstrebte Wirkung bei der Übertragung des Gesetzes auf die GmbH wird sowieso nicht sehr groß sein; denn derjenige, der sich der Publizität entziehen will, wird dann die Form der Personalgesellschaft, also z. B. die der Kommanditgesellschaft, wählen und damit ausweichen. In dieser Form soll er — in diesem Punkt befinden wir uns im Gegensatz zur SPD — geschützt sein. Wenn er die Form der Personalgesellschaft gewählt hat, hat kein Staat und keine Gesellschaft ein Recht, ihn über das hinaus besonders zu überprüfen, was allgemein jedem Bürger zugemutet werden muß. Wenn er die persönliche Haftung für sein Unternehmen übernimmt, dann haben alle diese Forderungen nach Publizität keine Berechtigung mehr. Hier muß ich also wie Sie den Ausführungen des Herrn Kollegen Heinemann widersprechen.
Herr Barzel hat angekündigt, daß seine Fraktion eine einheitliche Unternehmensform für große Gesellschaften schaffen wolle.
— Vielleicht habe ich Sie falsch verstanden.
— Desto besser; denn ich wollte Sie gerade fragen, wie eine solche Gesellschaftsart aussehen soll. Ich freue mich, daß wir darin einer Meinung sind; denn wir könnten ja kein Unternehmen verpflichten, eine bestimmte Unternehmensart zu wählen.
— Herr Heinemann — das ist richtig — ist in dieser Richtung natürlich wesentlich weitergegangen, einen Weg, auf dem wir ihm nicht folgen wollen.
Herr Barzel, Sie haben in Ihrer Kontroverse mit der SPD erklärt, daß Sie das Eigentum schützen wollen, und zwar das ungeschmälerte Eigentum. Wir hören das gern. Wenn Sie aber Vorwürfe gegen Herrn Deist wegen dessen Eigentumsvorschläge in Hannover erhoben haben, denen wir nicht zustimmen, dann dürfen Sie es nicht übelnehmen, daß wir uns auch mit Forderungen befassen, die in Ihrer Fraktion, in Ihrer Partei laut geworden sind und immer wieder laut werden. Auch wir halten die künstlichen Konstruktionen, die die SPD in Hannover zu dem Begriff „Eigentum -- Volkseigentum — Volksaktie" geschaffen hat, mit unseren Vorstellungen von Eigentum für nicht vereinbar. Aber auch Ihre Vorstellungen, meine Herren von der CDU, entbehren der Klarheit und Eindeutigkeit. Sie haben gesagt, Herr Barzel — ich wiederhole es —, Eigentum müsse unteilbar sein und als ein Ganzes gesehen werden. Wir glauben Ihnen das für Ihre Fraktion erst dann, wenn andere Kollegen, z. B. Ihr Kollege Katzer, diese Ansicht bestätigen. Ich darf hier auf Ihr berühmt-berüchtigtes Ahlener Programm zurückgreifen, aber in anderer Richtung als der Kollege Heinemann. Kollege Heinemann wollte Sie darauf festlegen: Ihr habt das damals beschlossen, und euer Herr Albers hat es kürzlich bei der Versammlung der Preußag-Aktionäre wieder bestätigt! Herr Heinemann wollte Ihnen sagen: Nun bleibt doch endlich dabei! Wir wollen Ihnen sagen: Nun erklärt endlich einmal, daß das nicht mehr die Ansicht der CDU und der CSU ist, versichert uns das mit aller Deutlichkeit, versichert uns, daß die Worte, die Herr Barzel zum Eigentumsbegriff gefunden hat, die Auffassung der ganzen CDU wiedergeben! Erst dann können wir Ihnen in vollem Umfang glauben.
— Nein, Herr Barzel, das habe ich nicht. Ich habe sie sogar als eine Einschränkung des Eigentumsbegriffs aufgefaßt, der wir eine Reihe von Vorbehalten gegenüberzusetzen haben. Aber Sie haben einmal gesagt, das Eigentum müsse unteilbar sein.
— Gut! In dieser Formulierung stimme ich mit Ihnen überein, und wenn diese Formulierung die Meinung der gesamten CDU wiedergibt, dann sind wir voll und ganz einig.
Ich darf zusammenfassen. Wir begrüßen das Gesetz, weil es unseren Anschauungen von Eigentum und Rechten des Eigentümers ebenso entspricht wie unseren Forderungen nach Verhinderung von unzulässigen und gefahrdrohenden Wirtschaftskonzentrationen. Wir werden deshalb in den Ausschüssen so intensiv mitarbeiten, daß das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann. Hier muß ich noch einmal den Worten des Kollegen Heinemann folgen: Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben die Verantwortung, Sie werden die Entscheidung treffen, welcher Ausschuß federführend sein soll, und von dieser Entscheidung, der wir uns ohne weiteres fügen, wird es abhängen, ob das Gesetz noch verabschiedet werden kann. Wir werden daran mitarbeiten.