Rede:
ID0313207100

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Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 9
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    9. 718!: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 132. Sitzung Bonn, den 11. November 1960 Inhalt: Abg. Lautenschlager tritt in den Bundestag ein 7541 A Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (Drucksache 1693) 7541 A Begrüßung einer Arbeitsgruppe der Beratenden Versammlung des Europarates . 7541 B Fragestunde (Drucksachen 2193, 2195) Frage des Abg. Meyer (Wanne-Eickel) : Leistungen der Versorgungsanstalt Post Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 7541 B, D Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) . . 7541 C, D Frage des Abg. Enk: Zustellung von Telegrammen an Sonntagen nach 13 Uhr Dr.-Ing. e. h. Herz, Staatssekretär 7542 A, B Enk (CDU/CSU) 7542 A Spies (Emmenhausen) (CDU/CSU) 7542 B Frage des Abg. Enk: Entscheidung über Zustellung von Telegrammen an Sonntagen nach 13 Uhr Dr.-Ing. e. h. Herz, Staatssekretär 7542 C Enk (CDU/CSU) 7542 C Frage des Abg. Enk: Zustellung von dringenden Telegrammen an Sonntagen Dr.-Ing. e. h. Herz, Staatssekretär . 7542 D Enk (CDU/CSU) . . . . . . . . 7542 D Frage des Abg. Büttner: Gesetzlich unbegründete Mieterhöhungen Dr. Ernst, Staatssekretär . . 7543 A, C, D Büttner (SPD) 7543 B, D Frage des Abg Dr. Bucher: Inanspruchnahme von Grundstücken durch die Bundesvermögensstelle Tübingen für eine Ölfernleitung Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . 7544 A, B Dr. Bucher (FDP) 7544 B Frage des Abg. Dr. Mommer: Erhöhung der Bahntarife für Arbeiterzeitkarten Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 7544 C, D Rimmelspacher (SPD) 7544 D Frage des Abg. Felder: Pegnitz als Garnisonstadt Hopf, Staatssekretär 7545 A Felder (SPD) . . . . . . . . 7545 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1960 Frage des Abg Felder: Bahnunterführung südlich des Bahnhofes Bubenreuth und Abbruch der Brücke über den Ludwig-Donau-Main- Kanal 7545 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Regelung der Sonntagsarbeit (Drucksache 2134) Lenz (Trossingen) (FDP) . 7546 C, 7564 C Blank, Bundesminister . . 7549 D, 7552 D, 7554 D Brand (CDU/CSU) . . . . . . . 7550 D Sträter (SPD) . . . . . . . . . 7551 A Mischnick (FDP) . . . . 7553 B, 7559 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 7555 A Junghans (SPD) . . . . . . . 7561 A Behrendt (SPD) 7562 D Horn (CDU/CSU) 7565 A Dr. Schellenberg (SPD) . . . . 7565 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . 7565 D Anlagen 7567 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1960 7541 132. Sitzung Bonn, den 11. November 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung Es ist zu lesen: 131. Sitzung Seite 7513 B Zeile 2 statt „21.": 31. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach 11. 11. Frau Albertz 11. 11. Dr. Atzenroth 11. 11. Bach 18. 11. Dr. Bechert 11. 11. Behrisch 11. 11. Bergmann 11. 11. Dr. Birrenbach 11. 11. von Bodelschwingh 11. 11. Dr. Böhm 11. 11. Dr. Bucerius 11. 11. Dr. Burgbacher 11. 11. Cramer 11. 11. Dr. Deist 11. 11. Demmelmeier 18. 11. Drachsler 11. 11. Eilers (Oldenburg) 11. 11. Dr. Franz 11. 11. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 11. 11. Funk 30. 11. Dr. Furler 11. 11. Frau Dr. Gantenberg 11. 11. Geiger (München) 11. 11. Dr. Gleissner 11. 11. Dr. Greve 11. 11. Illerhaus 11. 11. Dr. Jordan 11. 11. Dr. Kanka 11. 11. Frau Kettig 11. 11. Koenen (Lippstadt) 11. 11. Kriedemann 11. 11. Kurlbaum 11. 11. Leber 11. 11. Lücker (München) 11. 11. Maier (Freiburg) 31. 12. Frau Dr. Maxsein 11. 11. Mensing 11. 11. Dr. Menzel 31. 12. Frau Meyer-Laule 11. 11. Dr. Mommer 11. 11. Neuburger 11. 11. Dr. Philipp 11. 11. Pietscher 11. 11. Pohle 30. 11. Rademacher 11. 11. Rasner 11. 11. Dr. Rüdel (Kiel) 11. 11. Ruhnke 11. 11. Dr. Schmid (Frankfurt) 11. 11. Schneider (Hamburg) 11. 11. Schultz 11. 11. Dr. Serres 11. 11. Seuffert 11. 11. Stenger 18. 11. Wacher 11. 11. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Wagner 11. 11. Weimer 11. 11. Frau Welter (Aachen) 11. 11. Wendelborn 11. 11. Werner 11. 11. Wittrock 11. 11. Worms 11. 11. Zoglmann 11. 11. b) Urlaubsanträge Gewandt 19. 11. Stahl 18. 11. Anlage 2 Umdruck 718 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Regelung der Sonntagsarbeit (Drucksache 2134). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Sonntagsarbeit in der eisenschaffenden Industrie eingeschränkt wird. Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten: 1. Die Einschränkung der Sonntagsarbeit darf weder zu einer Arbeitszeitverlängerung noch zu einer Lohneinbuße führen. 2. Springerschichten, deren Wiedereinführung erhöhte Unfallgefahren und unzumutbare Belastungen für die beteiligten Arbeitnehmer und ihre Familien mit sich bringen würde, sind zu vermeiden. Die zur Einschränkung der Sonntagsarbeit erforderlichen Maßnahmen sollen mit den Tarifpartnern abgestimmt werden, damit sich die Anpassung im sozialen und betrieblichen Bereich reibungslos vollzieht. Bonn, den 11. November 1960 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 719 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Regelung der Sonntagsarbeit (Drucksache 2134). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. eine Untersuchung über Art, Ausmaß und Gründe der Sonntagsarbeit in allen Bereichen 7568 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1960 von Wirtschaft, Verkehr und Verwaltung durchzuführen und dem Bundestag über das Ergebnis alsbald zu berichten; 2. dem Bundestag auf Grund der Untersuchungsergebnisse Maßnahmen zur Einschränkung der Sonntagsarbeit in den einzelnen Bereichen von Wirtschaft, Verkehr und Verwaltung vorzuschlagen. Ziel dieser Maßnahmen soll sein, die Sonntagsarbeit allgemein auf jenes Mindestmaß zu beschränken, das im Interesse des Gemeinwohls notwendig ist. Bonn, den 11. November 1960 Ollenhauer und Fraktion Anlage 4 Umdruck 720 Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Regelung der Sonntagsarbeit (Drucksache 2134). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, von einer Regelung der Sonntagsarbeit in der Eisen-und Stahlindustrie im Wege der Rechtsverordnung Abstand zu nehmen. Bonn, den 11. November 1960 Lenz (Trossingen) und Fraktion
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    Rede von Hans-Jürgen Junghans


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 719 hat die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem die Bundesregierung ersucht wird, Art, Ausmaß und Gründe der Sonntagsarbeit in allen Bereichen der Wirtschaft des Verkehrs und der Verwaltung zu untersuchen. Wir wollen aber dabei nicht stehenbleiben und haben deshalb in dem Antrag auch noch zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung alle Maßnahmen, nicht nur gesetzliche Maßnahmen, zur Einschränkung der Sonntagsarbeit in den einzelnen Bereichen, wo es möglich ist, ohne das Gemeinwohl zu beeinträchtigen, treffen soll.
    Bereits in der heutigen Debatte ist über die Sonntagsarbeit in allen anderen Bereichen sehr viel gesagt worden, und damit ist auch schon unser Entschließungsantrag in vielen Dingen unterstützt und begründet worden. Es ist hier auf den Art. 140 des Grundgesetzes hingewiesen worden. Herr Barzel war so freundlich, aus seinem reichen Zitatenschatz einiges zum besten zu geben. Wir können nur
    sagen: Damit haben Sie auch unseren Entschließungsantrag schon weitgehend begründet.
    Aber vielleicht notieren Sie sich in Ihrem Pflichtenbuch nachher auch einige Beispiele, die ich Ihnen einmal geben kann. Bereits im April 1957 — auch das ist schon erwähnt worden — hat es in diesem Hause eine Debatte über die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU gegeben, deren Frage 6 lautete:
    Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um
    auch sonstige unnötige Sonntagsarbeit, zum
    Beispiel im Druckereigewerbe, zu verhindern?
    In seiner Beantwortung hat der Herr Kollege Storch seinerzeit — sicherlich mit den guten Wünschen des ganzen Hauses — ausgeführt: „Das Bundesministerium für Arbeit wird nichts unterlassen, was zur Beseitigung unnötiger Sonntagsarbeit geschehen kann." Vorweg hatte der Herr Kollege Storch einige sehr aufschlußreiche Beispiele zu diesem Thema gebracht, so etwa, daß illustrierte Zeitschriften teils mit Ausnahmegenehmigung und teils mit stillschweigender Duldung am Sonntag gedruckt werden. Ich habe bis heute nichts darüber gehört, daß sich diese Zustände geändert hätten.

    (Hört! Hört! bei ,der SPD.)

    Sollte es anders sein, werde ich mich gerne berichtigen lassen.
    Aber, Herr Kollege Barzel, zwischenzeitlich ist mir sogar bekanntgeworden, und zwar in einem sehr aufschlußreichen Fall, daß sich die Sonntagsarbeit im Druckereigewerbe vermehrt hat. Ich denke hier z. B. an die inzwischen in das Druckprogramm aufgenommenen Sonntagsausgaben der „Kölner" und „Bonner Rundschau",

    (Beifall bei der SPD)

    eine Zeitung, Herr Kollege Barzel, die Ihnen sicherlich nicht fernsteht.

    (Abg. Dr. Barzel: Seit Nellen in der NRZ schreibt, kommt die auch sonntags!)

    Es ist vielleicht gar nicht ausgeschlossen, daß gerade in diesen beiden Zeitungen, Herr Kollege Barzel, angesichts Ihres Pflichtenbuches besonders bemerkenswerte Artikel gegen das Überhandnehmen der Sonntagsarbeit geschrieben worden sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Kollege Barzel, das ist zu begrüßen. Aber vielleicht wäre es sogar möglich — und das wäre meine herzliche Bitte —, daß für den Druck solcher Artikel künftig nicht mehr der Sonntag in Anspruch genommen wird.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Ich darf noch etwas wiederholen, was ,der damalige Bundesarbeitsminister gesagt hat: „Die Bundesregierung ist bereit, dahin zu wirken, daß der verfassungsmäßige Schutz von Sonn- und Feiertagen gewährleistet wird." Das zweite Beispiel, das er nannte, betraf die Toto- und Wettzettel, die in den Abendstunden des Sonntags und in der Nacht zum Montag ausgewertet werden. Herr Kollege Storch führte damals aus, daß das Bundesministerium für Arbeit nichts unterlassen werde, was zur Beseitigung unnötiger Sonntagsarbeit geschehen könne. Er kündigte sogar eine stehenden Fußes folgende Besprechung mit den Länderarbeitsministern an, die in Kiel stattfinden sollte. Auch hier haben wir von der Wirksamkeit entsprechender Maßnahmen bis heute nichts gemerkt.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Hört! Hört!)

    Es gibt aber noch andere Bereiche der Wirtschaft und des Verkehrs, die man hier auch einmal ansprechen sollte. Ich denke hier z. B. an die 30 000 Tankstellen in der Bundesrepublik, in denen, soweit ich unterrichtet bin, zu über 80 % Sonntagsarbeit geleistet wird. Niemand wird verlangen, daß alle Tankstellen sonntags zumachen. Ich will hier auch die rechtliche Frage nicht erörtern; sie hat ja auch schon einmal einigen Ausschüssen vorgelegen, wurde ihnen aber nicht von der Bundesregierung vorgelegt. Die Bundesregierung hat sich hierüber meines Wissens noch keine Gedanken gemacht. Aber hier gibt es doch einen sehr einfachen Weg, z. B. 20 000 Beschäftigten im Tankstellengewerbe einschließlich der Inhaber sonntags einen freien Tag zu geben.
    Wir haben in unserem Entschließungsantrag ausdrücklich davon abgesehen, wirtschaftliche oder artverwandte Maßstäbe zu nennen. Das steht uns in diesem Fall auch nicht zu, ist auch niemals unsere Tradition gewesen. Wir haben uns mit Absicht auf den Maßstab des Gemeinwohls für die unvermeidliche Sonntagsarbeit bezogen, und wir legen Wert darauf, daß hierin besonders auch die Bedürfnisse



    Junghans
    aller arbeitenden Menschen und ihrer Familien, den Sonntag in Ruhe und Erholung zu verbringen, einbegriffen sind. Hiermit knüpfen wir an eine alte Tradition der Sozialdemokraten an, die auch in diesem Hause schon öfter erwähnt wurde. Bei der Neuregelung der Gewerbeordnung von 1895 war es dem Zusammenwirken der protestantischen, katholischen und sozialdemokratischen Kräfte zu verdanken, daß gegen den Willen Bismarcks die Sonntagsarbeit zumindest in einem gewissen Maß eingeschränkt wurde. Wir haben immer die Auffassung vertreten, daß der Sonntag den religiösen und kulturellen Bedürfnissen der breiten Bevölkerung erhalten beziehungsweise, um es besser zu sagen, für sie wieder freigestellt werden sollte. Millionen von Menschen arbeiten noch heute sonntags in der Versorgung, im Nachrichtenwesen, im Verkehrswesen, im Gaststättengewerbe, in Vergnügungsbetrieben, ohne daß dazu vom Gemeinwohl her immer eine zwingende Notwendigkeit besteht. Ich nannte vorhin das Tankstellenbeispiel.
    Meine Damen und Herren, ich darf hier auch noch ein Wort zum technischen Fortschritt sagen. Wir Sozialdemokraten begrüßen den technischen Fortschritt und halten ihn für notwendig, um unseren Lebensstandard zu verbessern. Aber nach Auffassung der Sozialdemokratischen Partei können Technik und Wirtschaft nicht Selbstzweck sein, sondern sie sind den Bedürfnissen des Menschen unterzuordnen. Das gilt im übrigen für viele Bereiche der Wirtschaft. Wir leben nämlich nicht nur hinsichtlich der Frage der Sonntagsarbeit im 20. Jahrhundert, Herr Kollege Barzel, sondern auch noch hinsichtlich sehr vieler anderer sozialer Fragen, und Ihr Wort werden wir gern in unser Pflichtenbuch eintragen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es gilt im 20. Jahrhundert, das heute Bestmögliche zu verwirklichen. Wir meinen, daß gerade auf dem Gebiet der Sonntagsarbeit hier noch sehr viel zu tun ist.
    Die Produktion um ihrer selbst willen kann niemand gutheißen, und ich denke, darin sind wir in der Mehrheit dieses Hauses einig. Aber hier setzt auch die Verpflichtung der Bundesregierung ein. Es müssen Zielsetzungen gegeben werden, um die Technik in den Dienst der Verminderung der Sonntagsarbeit zu stellen und nicht in den Dienst einer Vermehrung der Sonntagsarbeit. Man kann sich durchaus vorstellen, daß eine Reihe von Verfahren, die die Technik durch Automation und andere Rationalisierungsmaßnahmen heute möglich macht, dahin gehend ausgenutzt werden sollten, die Sonntagsarbeit weitgehend einzuschränken. So sollte man sich z. B. überlegen, daß unter Umständen Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten in vielen Industriezweigen nicht gerade auf den Sonntag verlegt werden müssen. Man weiß, daß diese Arbeiten, gemessen an der automatisierten durchlaufenden Produktion, ein Vielfaches an Arbeitskräften erfordern.
    Hier haben wir die Hoffnung, daß die Bundesregierung in der Lage ist, die Tatbestände in einer entsprechenden Untersuchung offenzulegen. Auch sollte man in diese Untersuchung soziologische
    Untersuchungen, wie die von der Sozialforschungsstelle Münster — sie ist heute bereits erwähnt worden—, einbeziehen. Es war ja bisher leider nicht möglich, diese Veröffentlichung freizubekommen; aber ich habe einige Auszüge gelesen und vor allem einen bemerkenswerten Satz gefunden, den ich hier zitieren und der Bundesregierung in dieser Frage mit auf den Weg geben möchte. Da wird nämlich gesagt, daß die einseitigen Beurteilungen in der Frage der Sonntagsarbeit immer wieder auf das gleiche zurückzuführen sind, auf den Mangel an Detailkenntnissen und an umfassender Betrachtungsweise. Ich bitte die Bundesregierung sehr, sich diese Sätze zu merken. Wir möchten bei dieser Untersuchung nicht stehenbleiben und hoffen, daß bei offenliegenden Tatbeständen die Bundesregierung noch diesem Bundestag entsprechende Maßnahmen vorschlagen wird, die wir sicherlich einstimmig begrüßen würden.
    Noch etwas zu dem Entschließungsantrag selber. Ich möchte gar nicht unterstellen, daß es in diesem Hause jemanden geben könnte, der sich dem Begehren dieses Entschließungsantrages verschließen möchte. Aber damit ist auch eine gewisse Vertrauensfrage verbunden, nämlich die Frage: Wie haltet ihr es denn nun wirklich mit der Sonntagsarbeit in allen Bereichen der Wirtschaft?
    Aus diesem Grunde beantrage ich, hier und heute über unseren Antrag direkt abzustimmen und nicht erst eine Überweisung an den Ausschuß vorzusehen. Der Antrag ist so eindeutig und klar formuliert, daß es gar keiner Ausschußarbeit mehr bedarf. Er würde dadurch vielleicht nur noch verschlechtert werden.
    Ich bitte, dem Antrag in sofortiger Abstimmung zu folgen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgegordneter Behrendt zur Begründung des Antrags Umdruck 718!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Behrendt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben mit großem Interesse vom Herrn Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung gehört, daß bei einer Neuregelung der Sonntagsarbeit in der Eisen- und Stahlindustrie sowohl die Interessen der Betroffenen als auch volkswirtschaftliche Interessen berücksichtigt werden sollen. Wenn die Bundesregierung die Interessen der Betroffenen berücksichtigen will, so ist das, was bisher an Vorstellungen der Bundesregierung über die Rechtsverordnung an die Öffentlichkeit gedrungen ist, um so unverständlicher. Nach diesen Vorstellungen würde den Tarifpartnern die Grundlage für ihre bisherigen speziellen Tarifvereinbarungen der Eisen- und Stahlindustrie über Arbeitszeit und Lohn der Warmbetriebe entzogen. Herr Minister, darüber gibt es doch sicherlich keine Meinungsverschiedenheit: durch eine Inkraftsetzung der bekanntgewordenen Rechtsverordnung hätte die Bundesregierung Tarifvertrag und materielles Recht der Arbeitnehmer geändert. Darüber herrscht besonders bei den Arbeitnehmern in der Eisen- und Stahlindustrie Unruhe,



    Behrendt
    nicht nur bei den 17 000 direkt betroffenen Arbeitnehmern, sondern bei allen Arbeitnehmern der eisenschaffenden Industrie; denn die Arbeitsbedingungen derjenigen Arbeitnehmer, die in den Betrieben der ersten Hitze beschäftigt sind, tangieren auch die Arbeitsbedingungen der anderen Arbeitnehmer in der Eisen- und Stahlindustrie.
    Der Sprecher der CDU, Herr Dr. Barzel, hat hier als erster von einem Stufenplan gesprochen. Damit haben Sie, Herr Kollege Barzel, mehr gesagt, als uns der Herr Minister heute erklärt hat. Wir sind selbstverständlich bereit, darüber zu reden.
    Ich komme zu dem ersten Grundsatz unseres Antrags Umdruck 718. Im Jahre 1956 wurde die Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 56 bzw. 531/2 Stunden auf 42 Stunden bei fast vollem Lohnausgleich tariflich vereinbart. Dieser Vereinbarung lag und liegt die kontinuierliche Arbeitsweise zugrunde. Hier muß ich auf etwas hinweisen. Der Kampf gegen die kontinuierliche Arbeitsweise wird mit der Forderung nach mehr Sonntagsruhe geführt. Nun, mit der Forderung nach Einschränkung der Sonntagsarbeit, also der selbstverständlichen Wahrung der Sonntagsruhe, finden diese Rufer in uns die besten Mitstreiter. Mir scheint aber, daß hierbei eine wesentliche Unterscheidung übersehen wird: die kontinuierliche Produktionsweise und die kontinuierliche Arbeitsweise. Der bekanntgewordene Entwurf der Rechtsverordnung hätte zwar eine Unterbrechung der kontinuierlichen Produktionsweise — das muß man den Rufern gegen die kontinuierliche Arbeitsweise einmal sagen —, aber keine Unterbrechung des kontinuierlichen Arbeitseinsatzes der Belegschaften gebracht. Hier liegen die entscheidenden Fehlschlüsse und Irrtümer.
    Dafür haben wir auch heute noch ein klassisches Beispiel: Die Thomas-Stahlwerke unterliegen nicht der kontinuierlichen Produktions- und Arbeitsweise. Für sie besteht zur Zeit sonntags eine Produktionsunterbrechung von 6 bis 18 Uhr. Die meisten Thomas-Stahlwerke in der Bundesrepublik beginnen ihre Produktion sonntags wieder um 18 Uhr. Was geschieht aber in der Zeit von 6 bis 18 Uhr, ohne daß für diese Betriebe eine kontinuierliche Arbeitsweise besteht? Erstens werden in dieser Zeit Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten durchgeführt, und zweitens werden die Vorbereitungen zur Wiederaufnahme der Produktion eingeleitet. Es besteht also keine kontinuierliche Produktion, wohl aber ein kontinuierlicher Arbeitseinsatz der Belegschaft.
    Hinzukommt, daß die technischen Stabsabteilungen in die Sonntagsarbeit mit einbezogen werden. Sie wissen sicherlich selbst, daß bei der komplizierter werdenden Regeltechnik die technischen Stabsabteilungen personell stärker werden. Ich denke hier an die elektrotechnischen Abteilungen, an die Wärmestellen, an die Rohrschlossereien, die Eisenbahn und vor allem an die Techniker und Ingenieure, die in immer größer werdender Zahl notwendig sind, um die komplizierten technischen Einrichtungen zu überwachen und zu überprüfen.
    In dieser Form erfolgte bis zum Jahre 1956 der — also tatsächlich kontinuierliche — Arbeitseinsatz der Belegschaften in den anderen Warmbetrieben der Eisen- und Stahlwerke. Ab 1957 aber, als in den Betrieben die vereinbarte kontinuierliche Arbeitsweise eingeführt wurde, ging die Sonntagsarbeit dort um rund 50 °/o zurück. Das, Herr Dr. Barzel, wurde erreicht, und nicht die Sonntagsarbeit als Preis dieser Vereinbarung hingenommen.
    Wenn die Sonntagsarbeit effektiv eingeschränkt werden soll, dann muß — ich hoffe, daß Sie mir darin zustimmen — eine echte Produktions- und Arbeitsruhe von wenigstens 16 Stunden, also von 6 bis 22 Uhr, eintreten. Jede andere Regelung würde wieder zum Einsatz der Belegschaften zu Vorbereitungs-, Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten und zum Einsatz der technischen Stabsabteilungen führen. Es würde genau das Gegenteil des gesteckten Zieles erreicht: statt einer Einschränkung würde eine Ausweitung der Sonntagsarbeit erfolgen.
    Die Ziffer 1 unseres Antrags auf Umdruck 718 enthält die Forderung, daß eine Neuregelung der Sonntagsarbeit zu keiner Arbeitszeitverlängerung und zu keiner Lohneinbuße führen darf. Nach den bekanntgewordenen Vorstellungen wäre das eingetreten. Für die Betriebe mit kontinuierlicher Arbeitsweise ist eine Arbeitszeit von 42 Wochenstunden vereinbart. Für alle sonstigen Betriebe in der eisenschaffenden Industrie besteht, wie schon gesagt worden ist, die 44-Stunden-Woche. Ich kann nur noch einmal fragen: Will man wirklich den Stahlarbeitern zumuten, ihre Wochenstundenzahl von 42 wieder auf 44 heraufzusetzen? Das ist sicher von niemandem beabsichtigt, aber angesichts der bestehenden tariflichen Vereinbarungen wäre das die Folge.
    Die Beseitigung der kontinuierlichen Arbeitsweise hätte im Augenblick auch eine Lohneinbuße zur Folge, da die Entlohnung bei kontinuierlicher Arbeitsweise bestimmte Zuschläge enthält. Die Lohneinbußen würden je nach der dann zu verfahrenden Wochenarbeitszeit — die ja noch nicht feststeht — zwischen 30 und 132 DM monatlich liegen. Aber auch die Verdienste der meisten übrigen Stahlarbeiter würden eine Einbuße erleiden. Durch progressive Akkorde, die an die Tonnenproduktion gebunden sind, würden Verdienstminderungen entstehen.
    In der Ziffer 2 unseres Antrags wenden wir uns gegen die mögliche Wiedereinführung des Springer-systems. Bei Aufhebung des Vierschichtensystems müßte ein ständiger Personalwechsel in den Arbeitsgruppen vorgenommen werden. Möge sich jedes Mitglied dieses Hohen Hauses einmal selbst die Frage beantworten, wie auf ihn der ständige Wechsel seiner Tätigkeit am Arbeitsplatz wirken würde.
    Aber abgesehen davon frage ich: was sind die weiteren Folgen? Zunächst würde sich in diesen Betrieben die schon bestehende Unfallgefahr weiter erhöhen. Ein zusätzlicher sozialer Zündstoff entstünde dadurch, daß laufend unterschiedliche Arbeit unterschiedlichen Lohn bedingt. Schlechtere Qualität durch nicht eingespielte Arbeitsgruppen wäre eine weitere Folge. All diese Tatbestände stellen selbstverständlich auch eine erhebliche Belastung



    Behrendt
    für die Familie dar. Das von allen Fachleuten, Technikern und Wissenschaftlern bejahte und in den letzten Jahren bewährte Vierschichtensystem darf nicht durch das rückschrittliche Springersystem beseitigt werden.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Im übrigen sind wir in bezug auf die Einschränkung der Sonntagsarbeit der Meinung, daß sich auf dem bisher beschrittenen Weg in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern auf einen absehbaren Zeitpunkt eine für alle befriedigende Lösung finden läßt. In der für eine reibungslose Anpassung, von der wir in dem letzten Absatz unseres Antrags sprechen, erforderlichen kurzen und absehbaren Zeitspanne werden die technischen Voraussetzungen für eine weitere Ausdehnung der Sonntagsruhe geschaffen werden können.
    Meine Damen und Herren, bei Beachtung der Grundsätze, die wir in unserem Antrag Umdruck 718 aufgeführt haben und die ich soeben erläutert habe, muß man sagen, daß darin sowohl die Interessen der Arbeitnehmerschaft und der Wirtschaft als auch besonders die des Gemeinwohls berücksichtigt werden.
    Die Tarifvereinbarung von 1956 war ein echter sozialer Fortschritt. Sie brachte den Stahlarbeitern der Warmbetriebe erstmalig seit Jahrzehnten 13 arbeitsfreie Sonntage. Jede weitere Entwicklung in dieser Richtung wird von uns und der zuständigen Gewerkschaft, der Industriegewerkschaft Metall, begrüßt, gefördert und auch gefordert. Es ist daher völlig abwegig, Herr Dr. Barzel, hier von der kontinuierlichen Arbeitsweise als Regel auch für andere Wirtschaftszweige zu sprechen.
    Sollte jedoch die Bundesregierung heute schon der Meinung sein und dafür verbindliche Zusagen geben können, daß schon jetzt eine vollständige 16stündige Betriebsruhe in den erwähnten Warmbetrieben der Eisen- und Stahlindustrie möglich ist, unter Berücksichtigung der Forderungen, daß keine Verlängerung der Arbeitszeit eintritt, der notwendige Lohnausgleich erfolgt und keine Rückkehr zum Springersystem stattfindet, wird die Bundesregierung zu einer solchen Regelung selbstverständlich die Zustimmung aller betroffenen Arbeitnehmer finden. Eine Regelung aber, die noch schlechter als die Bundesratsverordnung von 1895 ist — so sah das aus, was uns bisher bekannt wurde —, weil 8 bzw. 16 Arbeitsstunden Ruhe nur optisch angeordnet werden sollten, wird selbstverständlich auf den Widerstand aller Beteiligten stoßen. Eine solche Regelung würde soziale und volkswirtschaftlich schädliche Auseinandersetzungen zur Folge haben.
    Wir stimmen daher dem Antrag der FDP auf Überweisung zu. Ich bitte das Hohe Haus, unseren Antrag Umdruck 718 an den Ausschuß für Arbeit — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft zur Mitberatung zu überweisen.

    (Beifall bei der SPD.)