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ID0313206700

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    Deutscher Bundestag 132. Sitzung Bonn, den 11. November 1960 Inhalt: Abg. Lautenschlager tritt in den Bundestag ein 7541 A Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (Drucksache 1693) 7541 A Begrüßung einer Arbeitsgruppe der Beratenden Versammlung des Europarates . 7541 B Fragestunde (Drucksachen 2193, 2195) Frage des Abg. Meyer (Wanne-Eickel) : Leistungen der Versorgungsanstalt Post Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 7541 B, D Meyer (Wanne-Eickel) (SPD) . . 7541 C, D Frage des Abg. Enk: Zustellung von Telegrammen an Sonntagen nach 13 Uhr Dr.-Ing. e. h. Herz, Staatssekretär 7542 A, B Enk (CDU/CSU) 7542 A Spies (Emmenhausen) (CDU/CSU) 7542 B Frage des Abg. Enk: Entscheidung über Zustellung von Telegrammen an Sonntagen nach 13 Uhr Dr.-Ing. e. h. Herz, Staatssekretär 7542 C Enk (CDU/CSU) 7542 C Frage des Abg. Enk: Zustellung von dringenden Telegrammen an Sonntagen Dr.-Ing. e. h. Herz, Staatssekretär . 7542 D Enk (CDU/CSU) . . . . . . . . 7542 D Frage des Abg. Büttner: Gesetzlich unbegründete Mieterhöhungen Dr. Ernst, Staatssekretär . . 7543 A, C, D Büttner (SPD) 7543 B, D Frage des Abg Dr. Bucher: Inanspruchnahme von Grundstücken durch die Bundesvermögensstelle Tübingen für eine Ölfernleitung Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . 7544 A, B Dr. Bucher (FDP) 7544 B Frage des Abg. Dr. Mommer: Erhöhung der Bahntarife für Arbeiterzeitkarten Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 7544 C, D Rimmelspacher (SPD) 7544 D Frage des Abg. Felder: Pegnitz als Garnisonstadt Hopf, Staatssekretär 7545 A Felder (SPD) . . . . . . . . 7545 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1960 Frage des Abg Felder: Bahnunterführung südlich des Bahnhofes Bubenreuth und Abbruch der Brücke über den Ludwig-Donau-Main- Kanal 7545 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Regelung der Sonntagsarbeit (Drucksache 2134) Lenz (Trossingen) (FDP) . 7546 C, 7564 C Blank, Bundesminister . . 7549 D, 7552 D, 7554 D Brand (CDU/CSU) . . . . . . . 7550 D Sträter (SPD) . . . . . . . . . 7551 A Mischnick (FDP) . . . . 7553 B, 7559 C Dr. Barzel (CDU/CSU) 7555 A Junghans (SPD) . . . . . . . 7561 A Behrendt (SPD) 7562 D Horn (CDU/CSU) 7565 A Dr. Schellenberg (SPD) . . . . 7565 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . 7565 D Anlagen 7567 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1960 7541 132. Sitzung Bonn, den 11. November 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 131. Sitzung Seite 7513 B Zeile 2 statt „21.": 31. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach 11. 11. Frau Albertz 11. 11. Dr. Atzenroth 11. 11. Bach 18. 11. Dr. Bechert 11. 11. Behrisch 11. 11. Bergmann 11. 11. Dr. Birrenbach 11. 11. von Bodelschwingh 11. 11. Dr. Böhm 11. 11. Dr. Bucerius 11. 11. Dr. Burgbacher 11. 11. Cramer 11. 11. Dr. Deist 11. 11. Demmelmeier 18. 11. Drachsler 11. 11. Eilers (Oldenburg) 11. 11. Dr. Franz 11. 11. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 11. 11. Funk 30. 11. Dr. Furler 11. 11. Frau Dr. Gantenberg 11. 11. Geiger (München) 11. 11. Dr. Gleissner 11. 11. Dr. Greve 11. 11. Illerhaus 11. 11. Dr. Jordan 11. 11. Dr. Kanka 11. 11. Frau Kettig 11. 11. Koenen (Lippstadt) 11. 11. Kriedemann 11. 11. Kurlbaum 11. 11. Leber 11. 11. Lücker (München) 11. 11. Maier (Freiburg) 31. 12. Frau Dr. Maxsein 11. 11. Mensing 11. 11. Dr. Menzel 31. 12. Frau Meyer-Laule 11. 11. Dr. Mommer 11. 11. Neuburger 11. 11. Dr. Philipp 11. 11. Pietscher 11. 11. Pohle 30. 11. Rademacher 11. 11. Rasner 11. 11. Dr. Rüdel (Kiel) 11. 11. Ruhnke 11. 11. Dr. Schmid (Frankfurt) 11. 11. Schneider (Hamburg) 11. 11. Schultz 11. 11. Dr. Serres 11. 11. Seuffert 11. 11. Stenger 18. 11. Wacher 11. 11. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Wagner 11. 11. Weimer 11. 11. Frau Welter (Aachen) 11. 11. Wendelborn 11. 11. Werner 11. 11. Wittrock 11. 11. Worms 11. 11. Zoglmann 11. 11. b) Urlaubsanträge Gewandt 19. 11. Stahl 18. 11. Anlage 2 Umdruck 718 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Regelung der Sonntagsarbeit (Drucksache 2134). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Sonntagsarbeit in der eisenschaffenden Industrie eingeschränkt wird. Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten: 1. Die Einschränkung der Sonntagsarbeit darf weder zu einer Arbeitszeitverlängerung noch zu einer Lohneinbuße führen. 2. Springerschichten, deren Wiedereinführung erhöhte Unfallgefahren und unzumutbare Belastungen für die beteiligten Arbeitnehmer und ihre Familien mit sich bringen würde, sind zu vermeiden. Die zur Einschränkung der Sonntagsarbeit erforderlichen Maßnahmen sollen mit den Tarifpartnern abgestimmt werden, damit sich die Anpassung im sozialen und betrieblichen Bereich reibungslos vollzieht. Bonn, den 11. November 1960 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 719 Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Regelung der Sonntagsarbeit (Drucksache 2134). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. eine Untersuchung über Art, Ausmaß und Gründe der Sonntagsarbeit in allen Bereichen 7568 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1960 von Wirtschaft, Verkehr und Verwaltung durchzuführen und dem Bundestag über das Ergebnis alsbald zu berichten; 2. dem Bundestag auf Grund der Untersuchungsergebnisse Maßnahmen zur Einschränkung der Sonntagsarbeit in den einzelnen Bereichen von Wirtschaft, Verkehr und Verwaltung vorzuschlagen. Ziel dieser Maßnahmen soll sein, die Sonntagsarbeit allgemein auf jenes Mindestmaß zu beschränken, das im Interesse des Gemeinwohls notwendig ist. Bonn, den 11. November 1960 Ollenhauer und Fraktion Anlage 4 Umdruck 720 Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Regelung der Sonntagsarbeit (Drucksache 2134). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, von einer Regelung der Sonntagsarbeit in der Eisen-und Stahlindustrie im Wege der Rechtsverordnung Abstand zu nehmen. Bonn, den 11. November 1960 Lenz (Trossingen) und Fraktion
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    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Nachdem in den Reden der Herren Vorredner die Debatte doch etwas über das Thema der Großen Anfrage hinaus ausgedehnt worden ist, habe ich die Ehre, im Auftrag meiner Fraktion im Zusammenhang zu diesen Fragen Stellung zu nehmen.
    Der Kollege Sträter hat mit Recht darauf hingewiesen, daß wir hier im Grunde eine Debatte über ein Stück 19. Jahrhundert führen. Das sollten wir an den Anfang stellen. Wir sollen uns dem 20. Jahrhundert mit seiner Sozialstaatlichkeit und seinem wohl doch verbesserten Verhältnis zu den immateriellen Werten stellen und dem in dieser Frage unseren Tribut zollen.
    Die hier vor allen Dingen strittigen §§ 105 ff. der Gewerbeordnung, Herr Kollege Mischnick, hat der Reichstag im Jahre 1890 debattiert. Damals hat der zuständige Ausschuß dem Plenum empfohlen, von einer Detailregelung dieser Fragen im Gesetz selbst Abstand zu nehmen und lieber der Regierung Ermächtigungen zu geben. Er hat dazu zur Begründung ausgeführt, daß diese Fragen wegen der sich wandelnden Technik immer wieder neu geprüft werden müßten und daß es zum andern undenkbar sei, daß eine aus fast 400 Mitgliedern bestehende Körperschaft wie der Reichstag sich über derart verwikkelte technische Fragen einigen werde. So damals. Ich glaube, Herr Kollege Mischnick, daß wir uns diese Auffassung des alten Reichstags ruhig zu eigen machen sollten. Es wird nicht möglich sein, durch Abstimmung irgend etwas über die unterschiedlichen technischen Verfahren in der Stahlindustrie zu entscheiden.
    Von beachtlicher Seite ist bedauert worden, daß die Diskussion um diese Frage, die Diskussion um den Sonntag, zu einer — wie es hieß — weltanschaulichen Auseinandersetzung geworden sei. Nun, was sollte sie eigentlich sonst sein? Die Frage des Sonntags ist eine Frage, die überhaupt nur von ihrem hohen ethischen Rang her beantwortet werden kann, natürlich nicht ohne die erforderlichen sozialen und wirtschaftlichen Daten mit zu berücksichtigen. Aber das erste an dieser Frage ist ihre weltanschauliche Seite.
    Natürlich können Maschinen besser ausgenutzt werden, wenn sie auch am Sonntag arbeiten. Aber der Mensch kann das nicht. Er braucht den Sonntag. Ob das geltende Recht die Sonntagsarbeit, wie immer wieder behauptet wird, nicht nur aus technischen, sondern auch aus volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Erfordernissen wirklich erlaubt, ist nicht unumstritten. Ich meine, wenn es so sein sollte, daß hier nicht alles ganz klar ist, ist es eben an der Zeit, alles neu zu überprüfen.
    Von den einzelnen Rednern, insbesondere von dem verehrten Herrn Kollegen Lenz, sind uns hier, auch aus christlichen Verlautbarungen, eine Fülle von Hinweisen gegeben worden, für die ich mich sehr herzlich bedanke. Ich darf diese Hinweise um einen Hinweis bereichern. Ich erinnere — mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten — an das Wort von Guardini: „Angenommen, die Wahrung des Sonntags brächte entscheidende industrielle oder handelstechnische Vorteile, so würde ohne jeden Zweifel ein Weg gefunden werden, sie durchzusetzen."
    Das Prinzip, die Regel ist der arbeitsfreie Sonntag. Wir freuen uns, daß der Herr Kollege Lenz und auch der Herr Kollege Sträter das in überzeugender Weise dargetan haben. Aber der Streit beginnt ja bei den Ausnahmen. Wir wollen daran festhalten, daß es eben eine Ausnahme ist, wenn sonntags gearbeitet wird.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Diese Ausnahmegenehmigungen werden um so problematischer, wie Tendenzen entstehen, die diese Ausnahmen zur Regel und zum neuen Modell machen wollen. Das ist uns nicht erlaubt; denn das wäre gegen das Grundgesetz. Darum glaube ich, daß nicht diejenigen, die an das Grundgesetz erinnern, diese Frage — wie es so schön heißt — „hochgespielt" haben, sondern diejenigen, die diese Ausnahmen zur Regel machen wollen. Ich meine im Hinblick auf die öffentliche Diskussion auch sagen zu müssen, daß derjenige die Beweislast hat, der die Ausnahme, und nicht derjenige, der das Prinzip der Verfassung durchsetzen will.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In dieser Frage das heute Mögliche zu verwirklichen, nicht das heute Unmögliche, nicht das heute Utopische, das verlangt die Verfassung. Es genügt aber vor der Verfassung nicht, nur das heute bequem Erreichbare durchzusetzen. Eine noch sorgfältigere Prüfung von Ausnahmegenehmigungen für Sonntagsarbeit

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Beim Ladenschlußgesetz und beim Jugendarbeitsschutzgesetz waren Sie leider sehr weitherzig!)

    — Herr Kollege Schmitt, ich bin gerade dabei, eine
    evangelische Quelle zu zitieren — sei dringend ge-
    7556 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode --• 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1960
    Dr. Barzel
    boten. Diese Feststellung trifft der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Wir schließen uns dem an.
    Meine Damen, meine Herren, ganz wenige Worte zu dem Argument, daß es sich hier ja „nur" um 5 % der Stahlarbeiter, um 17 000 von 350 000 handelt. Ich meine, daß man hierzu einiges sagen müßte. Zunächst dieses: Der Sonntag ist für uns ein Wert in sich, er ist nicht abhängig von der Zahl. Das Zweite: Ich wünsche keinem eine Eiterbeule von 5 % seines Körpervolumens. Er würde dann feststellen, was 5 % ihn für Sorgen machen können. Drittens meine ich, daß gewisse Kreise, die von den „nur" 5 % sprechen, etwas vorsichtiger sein sollten; sie können sich hier aufs Glatteis begeben. Denn wenn es „nur" 5 % sind, sagt eben die andere Seite: „Dann gebt doch diesen nur 5 % vorab die 38-Stunden-Woche!" und weist darauf hin, daß im Bergbau an den „heißen Punkten" schon weit darunter gegangen worden ist.
    Zur Zeit gilt für die interessierten Stahlbetriebe die 42-Stunden-Woche. Das ist in der Debatte betont worden. Ich möchte aber hier doch eine grundsätzliche Bemerkung einschließen. Es wird in vier Schichten gearbeitet, 42 Stunden. Dann kommt man zu den 168 Arbeitsstunden, die in der Diskussion immer eine Rolle spielen. Nun, meine Freunde, aber nicht nur 42 mal 4 ergibt 168! Auch die 7 Tage der Woche mal die 24 Stunden eines jeden Tages, einschließlich des Sonntags, ergeben 168. Das ist das erschütternde Ergebnis: Es gibt also keine Pause mehr, keinen Rhythmus der Woche, keinen Einschnitt des Sonntags in diese 168 Stunden! In allen Stunden der Woche wird gearbeitet. Das ist der „Durchfahrbetrieb". Verschwunden ist der Sonntag als die „Norm für die Ruhe", „als ein Zeichen Gottes in der Welt der Arbeit". Ich meine, das sollte uns ein wenig nachdenklich stimmen. In einer Stellungnahme eines Gelehrten heißt es, es offenbare die tiefe Menschlichkeit der alten Lebensordnung, wenn diese in die Ruhe des Sonntags nicht nur die Freien, sondern auch die Sklaven, ja nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere einbezogen habe. Und was tun wir heute mit der Maschine? Das sollte uns wenigstens Anlaß sein, über den Fortschritt an Humanität, Menschlichkeit und Grundsätzen in diesem 20. Jahrhundert nachzudenken!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, auch wir wissen und bestreiten es nicht, daß die kontinuierliche Arbeitsweise oder der Durchfahrbetrieb — welchen Ausdruck immer Sie mögen — den Betrieben wie den Arbeitern und damit der ganzen Volkswirtschaft gewisse Vorteile bringt. Das bestreiten wir nicht. Sie haben die Erklärung von Herrn Minister Blank gehört. Wir wollen das auch nicht grundsätzlich beseitigen. Was wir wollen, ist dies: Einen Zeit- und Stufenplan, der alle Beteiligten in festen Fristen zwingt, die Fortschritte —, sei es auf dem Gebiet der Löhne und Arbeitszeiten oder der technischen Fertigungsmethoden — Herr Kollege Lenz hat auf die neue Entwicklung an der Ruhr hingewiesen —, künftig auch so zu nutzen, daß am Schluß der Entwicklung der Sonntag immer mehr zum Sonntag werden kann.
    Eine Politik abrupter und ruinöser plötzlicher Entwicklung und Entscheidung wollen wir nicht, auch nicht die Rückkehr zum „Schlafsonntag", was uns Herr Brenner vorgeworfen hat. Sie wäre kein Ideal.

    (Zuruf des Abg. Sträter.)

    — Wenn die Fristen eingehalten werden, Herr Kollege Sträter, wird es keine Schwierigkeiten auf diesem Gebiete geben. Wir halten niemals etwas von einer Politik „Operation geglückt — Patient tot".
    Wir meinen aber, daß es die neue Technik möglich machen muß, weitere Schritte vom Verfassungsrecht zur Verfassungswirklichkeit zu tun. Die Stahlarbeiter — Herr Kollege Sträter hat ebenso darauf hingewiesen wie die Herren von der FDP —, die bis 1957 vielfach 56 Wochenstunden gearbeitet haben, ohne überhaupt einen freien Sonntag zu haben, haben seit 1957 13 freie Sonntage. Ich glaube, sie werden uns dankbar sein, wenn wir am Schluß dieser Stufenentwicklung zu 26, dann 39 freien Sonntagen im Jahr kommen und schließlich jeder Sonntag im Jahr für sie frei ist.
    Wenn wir so die Entwicklung steuern, dann, glaube ich, hat auch die Ausnahmegenehmigung des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 1951 einen guten Startschuß gegeben. Damals konnte niemand ahnen, welchen Fortschritt in den technischen Fertigungsmethoden und hinsichtlich der Verkürzung der Arbeitszeit wir in der kurzen Zeit erleben würden.
    In der Debatte ist von mehreren Seiten die Frage nach der Tarifvertragshoheit gestellt worden, die Frage, ob nicht diese Verordnung, wenn sie plötzlich erlassen würde — Sie wissen, daß das nicht der Fall ist —, wieder Rückschritte im sozialen oder wirtschaftlichen Bereich mit sich brächte. Ich möchte darauf hinweisen, daß damals 'die Verkürzung der Arbeitszeit von 56 auf 42 Stunden je Woche eine gute Sache war. Wir freuen uns darüber. Aber wir fragen uns doch — wir tun das mit allem. Ernst und mit aller Sorgfalt —, ob nicht der Preis damals der Sonntag war, ob es nicht ein inneres Junktim zwischen jenen Tarifverträgen und der Ausdehnung der Genehmigung zur Sonntagsarbeit gegeben hat. Ich fürchte, daß hier der Sonntag der Preis war, daß die Tarifpartner einen Dritten, nämlich die Verfassung, zahlen ließen.
    Ich bin leidenschaftlich ebenso wie die anderen Herren — Herr Sträter, Herr Mischnick und der Herr Minister haben davon gesprochen — für die Tarifvertragshoheit der Sozialpartner. Genauso leidenschaftlich weise ich aber darauf hin, daß das Grundgesetz nicht zur Disposition irgendwelcher Gruppen steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Keiner hat das Recht, dieses Grundgesetz zu irgendwelchen Zwecken außer Kraft zu setzen.
    Die alte Bundesratsbekanntmachung von 1895 — auch das zu sagen, ist, glaube ich, notwendig — sah vor, daß die Stahlerzeugung am Sonntag eine
    Deutscher Bundestag — 3 Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1960 7557
    Dr. Barzel
    Produktionsunterbrechung zu erfahren habe. Dafür waren, wie Sie wissen, gewisse Reparaturen gestattet. Nachdem wir nun aber die Erfahrungen mit der Einschränkung der Reparaturen haben — die vernünftig ist und die, das erkennen wir an, dazu geführt hat, daß am Sonntag weniger Stahlarbeiter arbeiten, wenn auch mehr Stunden gearbeitet wird —, halten wir es für an der Zeit, diese Ausnahmegenehmigung durch neue Vorschriften wieder auf die alte Regelung zurückzuführen und sie sinnvoll auf die geänderten Verhältnisse anzuwenden.
    Die wirtschaftlichen Auswirkungen brauchen wir, glaube ich, nach unserer Stellungnahme hier nicht im Detail zu diskutieren. Denn bei allen Zahlen, die man uns vorlegt, geht man davon aus, die Regierung wolle plötzlich schon morgen einen Stopp verfügen und den Ruin für Werke und Arbeiterschaft bewirken. Nach unseren Vorstellungen von Stufen und Fristen wird sich das alles ganz anders, nämlich völlig undramatisch, abspielen.
    Nun bin ich leider gezwungen, weil Sie, Herr Kollege Lenz, in Ihrer Rede so nachdrücklich einige christliche Verlautbarungen hervorgehoben haben, dazu noch etwas zu sagen. Gewiß ist der Sonntag, wenn man ihn rein ökonomisch oder technisch betrachtet, eine Zumutung oder eine „sinnlose Vergeudung". Hier müssen wir aber doch eben die Frage nach der Rangordnung der Werte stellen. Und da kommt eben erst der Mensch, der den Sonntag braucht, und dann das Ökonomische. Wir müssen uns hier entscheiden — ich formuliere jetzt ganz bewußt sehr überspitzt, damit es kurz ist —, ob wir dem Menschen, dem Inneren, dem Religiösen am Schluß nur noch das lassen wollen, „was die Wirtschaft glaubt erübrigen zu können", oder ob wir erst den Menschen und seine Würde sehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Abg. Behrendt: Wer hat denn den Kampf bisher darum geführt?)

    In der Frage der Sonntagsarbeit sind wir — Bund, Länder, Regierung, Parlament — keineswegs frei, alles zu tun. was uns beliebt. Unser Grundgesetz schreibt die sonntägliche Arbeitsruhe in unser Pflichtenbuch. Es tut es mit der Kraft der Verfassung. Dieser Artikel ist keine Floskel, keine Deklaration. Er ist, wie es in der Erklärung unserer Fraktion heißt, die Norm für unser Handeln. Durch diese Norm macht sich — und das, glaube ich, Herr Kollege Lenz, ist ein wichtiger Hinweis —, wie Anschütz in seinem Kommentar zu diesem ja noch jetzt geltenden Artikel sagt, der Staat zum „advocatus ecclesiae". So Anschütz. Er weist auch darauf hin, daß das Strafgesetzbuch die Störung der Sonntagsruhe unter Strafe stelle. Wenn also, wie Anschütz sagt, der Staat hier kraft Verfassung „advocatus ecclesiae" zu sein hat, wäre es doch bedenklich — ich freue mich, daß es im Hause nicht geschehen ist; aber es ist außerhalb des Hauses geschehen —, den Kirchen jetzt vorzuwerfen, daß sie uns in dieser Frage mahnen. Sie haben ein Recht dazu, und wir sind hier — Herr Kollege Lenz, ich bitte Sie, jetzt aufzumerken — nicht in der Pflicht der Kirchen, wir sind hier in der Pflicht der Verfassung, die uns allerdings zwingend vorschreibt, die Kirchen zu hören, und die den Kirchen das Recht gibt, uns zu mahnen.
    Das entspricht auch dem, was in diesem Hause — ich erinnere an die Debatte über den Rundfunk —
    hinsichtlich des „Öffentlichkeitsauftrages" der Kirchen, wie er im Loccumer Kirchenvertrag vom 19. März 1955 stipuliert ist, einhellige Meinung war. Wir sollten allerdings den Kirchen nicht nur erlauben, zu uns zu kommen, wenn es bequem ist. Wir sollten es ihnen auch erlauben, wenn es unbequem ist.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Wie zum Beispiel beim zweiten Fernsehprogramm!)

    — Sie wissen, diese Frage ist erledigt, die Kirchen haben sich daran beteiligt, verehrter Herr Kollege Schmitt.

    (Lachen bei der SPD.)

    In überzeugender Form hat Bischof Lilje uns allen unlängst ins Gewissen geredet. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten würde ich gern einige Sätze vorlesen. Bischof Lilje sagt:
    Du sollst den Feiertag heiligen. Das ist genauso ein Gebot Gottes wie: Du sollst nicht töten. Ein Christ weiß, daß er keinen anderen Menschen morden darf. Ebensowenig darf er die Hand dazu bieten, daß der Sonntag gemordet wird.
    Das Argument eines Verlustes von 10 % der Produktion sei unzureichend zur Begründung von Sonntagsarbeit. Der Gesichtspunkt wirtschaftlichen Nutzens reiche niemals aus, Gottes Gebot außer Kraft zu setzen.
    So Bischof Lilje. Er hat damit bekräftigt, was seit Jahren in der Evangelischen Kirche hierzu gesagt wird. Wir stimmen dem zu, — und wir würden diese Lektüre dringend der Redaktion des „Industrie-Kurier" empfehlen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Abg. Schmitt-Vockenhausen: Seien Sie vorsichtig, die Herren brauchen Sie im nächsten Jahr wieder!)

    — Ach, Herr Kollege Schmitt, das werden wir schon schaffen.
    Es ist nicht angängig, von den Prinzipien unserer Ordnung sich nur eines herauszupicken, nämlich das des Eigentums. Das darf man nicht tun. Unsere Prinzipien kann man nur alle auf einmal haben. Wer zum Eigentum ja sagt, muß auch zum Sonntag ja sagen, sonst könnte er einmal von anderer Seite etwas gleiches, wie wir es zum Teil beim Sonntag erleben, selbst beim Eigentum erleben.
    Die Stellungnahmen der Katholischen Kirche sind wohl bekannt. Ich möchte aber doch darauf hinweisen, daß diese Mahnungen, Herr Kollege Lenz, nicht nur in Deutschland erhoben werden. Ich bin gern bereit, Ihnen einige Unterlagen zu geben, die mir zugegangen sind aus Belgien, Kanada und so fort; ich will jetzt nicht die Debatte im einzelnen damit belasten.
    Ich will aber doch ein Wort zitieren, das ich für sehr gut halte. Der Schweizer Pater Mario von Galli



    Dr. Barzel
    nennt den Sonntag ein „Zeichen Gottes in der Welt der Arbeit". Ich glaube auch, daß die Schrift von Guardini hierzu vieles sagt. Oder wie Professor Höpfner sagt: So wie die Menschen immer aus dem Raum der Welt einen Platz für Gottesdienste und Kultstätten ausgespart hätten, so hätten sie auch immer aus der Zeit einen Tag zu eben diesen Zwekken ausgespart, und hieran könne man messen, wie es in der Gesellschaft mit Grundsätzen, mit Religiosität bestellt sei.
    Der Mensch braucht den Sonntag. Er braucht ihn möglichst gemeinsam mit allen anderen. Er lebt weder allein vom Brot noch nur für die Arbeit. Ich meine, daß auch der Staat und auch die Gesellschaft diesen gemeinsamen Ruhetag brauchen als einen Kraftquell und als ein Zeichen immaterieller Werte in der Zeitlichkeit. Kein Staat kann schadlos auf diese Reverenz vor dem Immateriellen, auf diesen kulturell bestimmten Rhythmus des Lebens verzichten. Sonntagspolitik ist für uns ein Stück Gesellschafts- und Familienpolitik, auch ein Teil der Kulturpolitik. Das müssen wir bei aller Anerkennung sozialer und wirtschaftlicher Momente betonen.
    „Das wollen wir ja auch", wenden nun viele — und eigentlich alle — ein. „Aber die bösen anderen erlauben uns das nicht", ist dann die Ausrede. Ich glaube, daß diese Ausflucht ein wenig billig ist. In einer Stellungnahme in der Vordiskussion zu dieser Debatte ist eine Rechtfertigung der Sonntagsarbeit mit dem Hinweis auf den Produktionswettlauf zwischen Ost und West versucht worden. Meine Damen und meine Herren, was soll das? Sollen wir etwa im Kampf um unsere Ordnung deren Inhalte preisgeben?

    (Abg. Schütz: Sehr gut!)

    Geht es in diesem Kampf nicht um mehr als um Produktionswettlauf, der auch erforderlich ist? Darf ich jetzt einmal ganz überspitzt eine Konsequenz ziehen, die entstünde, wenn wir östliche Sonntagsarbeit mit westlicher Sonntagsarbeit beantworteten: Dann würde uns am Schluß auf diesem Wege der Osten seine Gesellschaftsform aufzwingen können. Wir müßten die Abschaffung des Streikrechts mit der Abschaffung des Streikrechts, staatlichen Dirigismus mit staatlichem Dirigismus usf. beantworten. Das sollte nicht der Weg sein, den wir gehen. Ich freue mich, daß dieses Argument hier im Hause nicht wiederholt worden ist.
    „Aber die anderen!" Das ist doch innerhalb der westlichen Welt nur eine bedingte Rechtfertigung der Sonntagsarbeit. Das möchte ich sagen, weil diese Frage von vielen Vorrednern in die Debatte geworfen ist. Ist es nicht so, daß wir sagen, wir müßten sonntags produzieren, weil es z. B. die Franzosen tun? Gut. Aber sagen nicht die Franzosen, sie müßten sonntags arbeiten, weil ihnen die deutsche Industrie diese fürchterliche Konkurrenz mache? Wann endlich wird die EWG — ich unterstütze, was Sie sagen —, aber auch die Internationale Arbeitsorganisation diesen Circulus vitiosus gegenseitiger Aufrechnungen und Entschuldigungen in der Frage der Sonntagsarbeit durchbrechen?!
    Wir müssen an dieser Stelle aber auch sagen, daß der Sonntag für den Menschen dazusein hat. Von dieser Sinngebung her ist es unstatthaft, alle Sonntagsarbeit in einen Topf zu werfen, wie es zwar nicht hier im Hause, aber in der Vordebatte geschehen ist. Krankenpflege, Arbeit in Notfällen usf. müssen auch am Sonntag sein, ebenso die Dienstleistungen, soweit sie der sonntäglichen Erholung und Erbauung dienen. Ich würde die Kollegen alle gern einmal zu einem Gespräch darüber einladen, ob alle unsere Reden am Sonntag der Erbauung und Erholung der Menschen in so hohem Maße dienen, daß sie wirklich notwendig sind, abgesehen davon, daß sie uns alle schneller ruinieren.
    Die allgemeine Hektik, die den Sonntag von einem Tag der Muße und Besinnung zu einem Tag von „überschäumendem" Leben macht, von dem sich dann manche erst wieder in der Woche erholen müssen, ist ein Problem, mit dem sich die Gesetzgebung, die hierzu kommen wird, zu beschäftigen haben wird.

    (Zurufe.)

    Ich möchte, weil auch das hier angeklungen ist, betonen, daß ich England ausgesprochen liebe, ausgenommen allerdings den dortigen Sonntag. Ich glaube nicht, daß meine Freunde diese Zustände hier haben wollen.
    Der Herr Bundesminister für Arbeit hat von der Rechtsunsicherheit gesprochen. Es sind zahlreiche Ausnahmegenehmigungen vom Verbot der Sonntagsarbeit — verstreut über Deutschland und auch quer durch die Branchen — auf Grund des § 28 der Arbeitszeitordnung von den Landesbehörden erteilt worden. Ob und inwieweit diese Ermächtigung, die aus dem Jahre 1938 stammt, noch Rechtsgrundlage dieser Ausnahmegenehmigungen sein kann, ist höchst zweifelhaft. Es kommt hinzu, daß diese Rechtsnorm von den Ländern unterschiedlich gehandhabt wird. Die Rechtsunsicherheit und die Unterschiedlichkeit der Handhabung zwingen den Bund dazu, Normen zu setzen, um die Rechts- und Wirtschaftseinheit ebenso wie die „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus" zu wahren.
    Wir wissen allerdings, daß in der Frage der Sonntagsruhe und Sonntagsheiligung die Länder einen wesentlichen Teil der Gesetzgebungskompetenz haben, und bitten deshalb, nicht übertriebene Erwartungen an das, was der Bund in dieser Frage machen kann, zu knüpfen.
    Von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei ist, wenn ich den Antrag, den ich noch nicht lesen konnte, Herr Kollege Mischnick, den ich nur gehört habe, richtig verstanden habe, beantragt worden, jetzt nichts zu tun, sondern dem Hause einen Gesetzentwurf vorlegen zu lassen, um erst dann eine Entscheidung zu treffen. Sie nehmen es mir sicher nicht übel, wenn ich die Befürchtung ausspreche, daß das eine Verzögerung bedeutet, wenn das vielleicht auch nicht gewollt ist. Ich meine, daß wir bis zum Erlaß genereller Vorschriften über die Sonntagsarbeit dabei bleiben müssen, daß, da das geltende Recht, nämlich die Gewerbeordnung, eine zweifelsfreie Ermächtigung gibt, die Bundesregierung hier ordnend eingreift. Es kann daher heute nicht unsere Aufgabe sein, technische und so-



    Dr. Barzel
    ziale Detailfragen abschließend zu erörtern; denn wir wollen die Prärogative der Regierung, die gesetzlich verankert ist, nicht einschränken, zumal wir wissen, daß die Bundesregierung der Frage der Sonntagsarbeit seit langem ihre Aufmerksamkeit zuwendet. Wir wissen, daß sie die Norm der Verfassung hierzu achtet und sich bemüht, Schritt für Schritt vom Verfassungsrecht zur Verfassungswirklichkeit zu kommen. Wir hoffen und wünschen, daß sie alles tut, was in ihrer Macht wie ihrer Pflicht steht, um das Prinzip der Verfassung in dieser Frage und in den anderen Fragen im Alltag einer sich wandelnden Welt weiter zu verwirklichen. Der Bundestag hat unlängst durch die Abschaffung der verkaufsoffenen Sonntage vor Weihnachten einen Schritt zum Sonntag hin getan. Schon früher ist durch die Neuregelung des Sonntagsbetriebs der Lastkraftwagen einiges getan worden. Übrigens sind die damals befürchteten schlimmen Folgen nicht eingetreten. So kommen wir Schritt für Schritt dem Ziel der Verfassung näher.
    Wir müssen aber auch anerkennen, daß der Kampf um den Sonntag ein Kampf um die Grundordnung ist. Erlauben Sie mir auch, daran zu erinnern, was in unserem Grundgesetz steht. Unser Grundgesetz sagt, wo die Ordnung, die wir hier verantwortlich zu gestalten haben, letztlich gegründet sein muß: in der Verantwortung vor Gott. Der Sonntag gehört deshalb nicht zu den Requisiten, er gehört zur christlichen Grundsubstanz unseres Volkes. Sie zu stärken, nicht sie zu schwächen, ist unsere Pflicht.
    Lassen Sie mich mit folgenden Sätzen schließen, die mir notwendig erscheinen. Der Herr Kollege Lenz hat — wenn ich es richtig verstanden habe — nicht selber von den „autonomen eigenen Gesetzen der Technik" gesprochen; er hat aber ein Zitat aus dem Gutachten verlesen, soweit es ihm zugänglich war. Ich möchte deshalb nicht gegen Herrn Kollegen Lenz, sondern gegen dieses Zitat noch einiges sagen.
    An der Achtung, die wir dem Sonntag zu zollen bereit sind, läßt sich ablesen, welches Maß an Gesundheit wie an Menschlichkeit wir besitzen. Es gibt keinen Zwang der Technik, der nicht durch den Menschen dazu gemacht würde. Die Technik ist des Menschen Kind, bleibt von ihm leitbar; sie kann keinen eigenen Willen entwickeln, es sei denn, ein Mensch stünde dahinter.
    Was also wollen wir? Wollen wir den Sonntag? Dann können wir ihn erhalten. Mit ernstem und gutem Willen lassen sich alle Schwierigkeiten meistern. Wir werden Zeit brauchen und Stufenpläne verwirklichen müssen. Alle technischen Schwierigkeiten aber sind Menschenwerk; sie sind nicht autonom, nicht unüberwindbar. Also haben wir auch Macht, sie zu beseitigen, wenn wir es nur redlich wollen. Über Zeit- und Stufenpläne lassen wir mit uns reden, — über das Prinzip nicht.
    Die Fraktion der CDU/CSU würde bereit sein, der Überweisung der Anträge — der Anträge der SPD-Fraktion auf den Umdrucken 718 und 719; der Antrag der FDP liegt mir bis jetzt noch nicht vor — an die zuständigen Ausschüsse zuzustimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Barzel hat darauf hingewiesen, daß die gesetzlichen Grundlagen zum Erlaß von Verordnungen praktisch seit 70 Jahren bestehen. Er hat mit Recht gesagt, daß es gewisse Dinge geben werde, die man einfach in einem Gesetz nicht fassen könne; deshalb müsse der Regierung das Recht zum Erlaß von Verordnungen gegeben werden.
    Das bestreiten wir nicht. Sie werden aber mit uns doch einer Meinung sein, daß die Voraussetzungen, die 1890 zur Gesetzesfassung geführt haben, heute nicht mehr gegeben sind. Inzwischen sind so viele Änderungen eingetreten, daß es sinnvoll erscheint, zu überprüfen, inwieweit die Ermächtigungen, die damals berechtigt waren, es heute noch sind, ob vielleicht neue Ermächtigungen ausgesprochen werden müssen oder andere wegfallen sollen. Aus diesem Grunde ist die Überlegung aufgetaucht, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn man — wie Sie es jetzt betont haben— zu einer grundsätzlichen Regelung kommen will, diese mit der Überprüfung der gesetzlichen Voraussetzungen zu beginnen.
    Sie sprachen davon, daß Ausnahmeregelungen möglich seien und daß jetzt praktisch mit den Ausnahmeregelungen für die Stahlindustrie eine Erweiterung getroffen sei, die nicht mehr dem entspreche, was man sich dabei ursprünglich vorgestellt habe. Sie sprachen dann davon, daß es doch gefährlich sei, davon zu sprechen, daß es nur 5 % betreffe. Völlig richtig! Es kommt nicht darauf an, daß es nur 17 000, es kommt nicht darauf an, daß es nur 5 % sind.
    Wir meinen, daß bei der Überlegung, wo man beginnen sollte, auch die wirtschaftlichen und technischen Fragen berücksichtigt werden müssen. Es gibt eine ganze Reihe von Bereichen, wo ich erwartet hätte, daß man heute gesagt hätte, hier müsse begonnen werden. Ich meine z. B. die Vergnügungsindustrie. Wenn man daran gedacht hätte, hätte ich gesagt: in Ordnung; hier ist ein Punkt, wo wir uns unterhalten müssen, ob Einschränkungen richtig sind oder nicht. Aber wenn man ausgerechnet bei der Stahlindustrie anfängt — wo man den wirtschaftlich schwerwiegendsten Effekt, aber für die Sonntagsheiligung den geringsten Effekt erzielt — und alles andere, was sonst in Betracht kommt, außer acht läßt, zäumt man, so scheint uns, das Pferd von der falschen Seite auf.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Es ist hier in einem Zwischenruf gesagt worden: „Auch die politischen Versammlungen!" Es wäre z. B. eine ausgezeichnete Sache, wenn sich sämtliche Fraktionen dieses Hauses einigen würden, grundsätzlich am Sonntag keine Versammlungen mehr abzuhalten,

    (Beifall)




    Mischnick
    sonntags grundsätzlich zu keinen Veranstaltungen mehr zu gehen und dadurch, daß wir uns eine Beschränkung auferlegen, auch eine Beschränkung der sonntäglichen Veranstaltungen der vielen Verbände und Vereine anregen und damit den Sonntag wirklich zum Sonntag zu machen.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Dazu brauchen wir weder eine Verordnung noch ein Gesetz.

    (Zuruf von der FDP: Vor allem keine Ministerreden am Sonntag!)

    — Sehr richtig; das wäre die Nebenwirkung, von der ich nicht so deutlich sprechen wollte. Die Sonntagsreden entfielen, und wir hätten dann weniger Arbeit, etwas gegen die Sonntagsreden zu sagen.
    Es ist aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, etwas gesagt worden, das meiner Auffassung nach doch den Tatsachen nicht ganz entspricht. Herr Kollege Barzel äußerte die Befürchtung, daß die Vereinbarungen in der Stahlindustrie — mit ihrer kontinuierlichen Arbeitsweise — auf Kosten des Sonntags gegangen seien. Die Zahlen widersprechen dem ganz deutlich. Bevor diese Vereinbarungen kamen, waren für jeden in der Stahlindustrie in den bestimmten Bereichen — ich brauche nicht immer wieder einzeln aufzuführen, um welche es sich handelt — bestenfalls neun Sonntage im Jahr arbeitsfrei. Nach diesen Vereinbarungen sind es 13, 13 Sonntage, die eingebettet sind in eine Gesamtfreizeit von 72 Stunden. Das scheint mir ein
    Vorteil zu sein, und wir gehen mit Ihnen einig, danach zu streben, aus den 13 Sonntagen 26, 39 und 52 werden zu lassen. Ein Stufenplan, von dem Sie sprechen, ist durchaus richtig! Wenn wir richtig unterrichtet sind, rechnet man in der Industrie damit, etwa bis 1965 in der technischen Entwicklung so weit zu sein, daß die Bedenken, die heute noch da sind, dann entfallen. Wäre das nicht für uns Veranlassung, zu sagen: Wir, der Gesetzgeber und die Regierung, wollen diese Entwicklung fördern, aber nicht eingreifen und damit abrupt andere Situationen eintreten lassen, die nicht in unserem gemeinsamen Interesse liegen können?
    Wenn die Regierung die Absicht haben sollte, ihren Stufenplan, von dem Sie sprachen, darauf abzustellen, dann wäre das durchaus überlegenswert. Wir bedauern nur, daß man das hier nicht gesagt hat, ,daß man uns hier nicht klipp und klar sagte: „Unsere Vorstellungen gehen in der und der Richtung; damit wird das und das eintreten, und wir können über die Schwierigkeiten, von denen hier gesprochen worden ist, hinwegkommen."
    Herr Kollege Barzel, Sie haben weiter davon gesprochen, welche Gefahr darin liege, daß durch Ausnahmegenehmigungen der Grundsatz der Verfassung verletzt werde, und Sie haben gesagt, daß doch im Vordergrund nicht die Ausnahmegenehmigung, sondern der Verfassungsgrundsatz der Sonntagsheiligung stehen müsse. Völlig richtig, von uns akzeptiert. Nur eines ist dabei interessant. Sie glauben erst durch diesen Eingriff in die bisherige Ausnahmegenehmigungspraxis eine richtige, eine vollendetere, eine bessere Sonntagsregelung einführen zu können. Da kommt einem so ein bißchen der Gedanke: Sind eigentlich die in Osterreich, in Spanien, in Frankreich politisch tätigen Katholiken schlechtere Katholiken, weil sie alle genau das machen, was wir bisher gemacht haben? Ich glaube doch nicht, daß wir den Eindruck erwecken wollen — wir sollten es auch nicht tun —, daß wir hier Vorbild sein, das Vorbild geben müßten. Wenn Vereinbarungen zustande kommen, wenn man sich untereinander dahin abstimmt, daß eine gemeinsame Regelung zustande kommt, und dabei all die Fragen, die wir vorhin behandelt haben, berücksichtigt werden — nichts dagegen! Daß aber hier wieder durch ein Vorprellen der Harmonisierung im EWG-Raum, der Sie das Wort reden, praktisch entgegengearbeitet wird, ist durch Ihre Darlegungen nicht widerlegt worden.
    Herr Kollege Barzel, Sie haben ein Wort von Bischof Dibelius erwähnt, der Sonntag müsse mehr als bisher geheiligt werden. Ich darf aber noch einmal auf das verweisen, was Herr Kollege Lenz zum Ausdruck gebracht hat: Die evangelischen Kirchen haben es immer wieder albgelehnt, eine Entscheidung darüber zu fällen, welche Gründe im einzelnen zwingend sein könnten, die vollkontinuierliche Arbeitsweise aufrechtzuerhalten. Das heißt doch, daß wir uns darüber unterhalten müssen, denn wir sind die Zuständigen, sei es das Parlament, sei es die Regierung, seien es diejenigen, die als Vertragspartner über diese Fragen sprechen.
    Der Antrag unserer Fraktion wird Ihnen inzwischen vorliegen. Sie glauben befürchten zu müssen, daß durch unseren Antrag eine Verzögerung eintritt. Herr Kollege Barzel, wenn in den nächsten Tagen keine Verordnung kommt — nach Ihrer Rede muß ich annehmen, daß noch längere Zeit verstreichen wird, bis eine Entscheidung fällt —, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß diese Zeit genützt werden könnte, sich darüber Gedanken zu machen, wo wir mit der größten Wirkung ansetzen können, um die Arbeit am Sonntag überall da, wo es geht, praktisch auszuschalten?
    Da, meine ich, sollten wir uns doch finden, nicht um der Zahl willen, nicht dessenthalben, weil die 17 000 Stahlarbeiter nicht wichtig sind, sondern weil wir dem Grundsatz, der in der Verfassung steht, auf breiter Basis zum Durchbruch verhelfen wollen. Uni das zu erreichen, bedarf es einer gründlichen gemeinsamen Überlegung. Diese Überlegung sollte nicht dadurch belastet werden, daß vorweg in einem Bereich eine Entscheidung getroffen wird, die vielleicht bei der endgültigen Beratung nach Bedenken aller Gesichtspunkte wieder geändert werden muß. Der SPD-Antrag soll ja an den Ausschuß überwiesen werden; dort werden gewisse Untersuchungen verlangt, und deren Ergebnis wird vielleicht eine ganz andere Betrachtungsweise erfordern.
    Ist es da nicht sinnvoll, daß Sie auf unsere Anregung eingehen, von einer Rechtsverordnung Abstand zu nehmen, dem Vorschlag der Sozialdemokratie zu folgen, jetzt Untersuchungen anzustellen und dann gemeinsam zu beraten, wie wir Ihren Stufenplan überall durchsetzen? In diesem Sinne



    Mischnick
    bitte ich, auch unserem Antrag die Zustimmung zu geben.

    (Beifall bei der FDP.)