Rede von
Dr.
Emmy
Diemer-Nicolaus
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, daß sich der Bundestag mit der Frage befaßt, inwieweit eine private Altersvorsorge in steuerlicher Hinsicht den Sozialversicherungen gleichzustellen ist. Bereits am 25. Juni 1957 hat der Bundestag in einer Entschließung die steuerliche Gleichstellung der Altersvorsorge der freien Berufe mit der öffentlichen Rentenversicherung der anderen Steuerpflichtigen gefordert. Erneut wurde diese Frage im Zusammenhang mit der Einkommensteuerreform 1958 behandelt. Damals hatten wir in den Beratungen des Finanzausschusses entsprechende Anträge gestellt. Leider war es uns nicht möglich, uns mit diesen Anträgen durchzusetzen. Aber später kam doch — besonders auch in einem Aufsatz unseres Kollegen Neuburger von der CDU nach dem Abschluß der Steuerreform 1958 — wieder sehr klar zum Ausdruck, daß die bisherige Regelung, also die Aufrechterhaltung der Ungleichheit, in keiner Weise befriedigt und daß doch noch entsprechende Änderungen auf steuerlichem Gebiet erfolgen müßten. Auch bei den Beratungen des Erbschaftsteuergesetzes wurde wieder darauf hingewiesen, daß eine derartige Gleichstellung erfolgen müsse.
Wir Freien Demokraten bedauern, feststellen zu müssen, daß in den Jahren seit 1957 nichts Grundlegendes hinsichtlich dieser steuerlichen Gleichstellung getan wurde. Deshalb haben wir uns veranlaßt gesehen, mit unserem Antrag auf Drucksache 2116 zu fordern, daß dem Bundestag bis zum 31. Dezember 1960 ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, durch den die private Altersvorsorge jener Steuerpflichtigen, die weder pflichtversichert noch pensionsberechtigt sind, steuerlich den gesetzlichen Versicherungen — gemeint ist: den Sozialversicherungen — gleichgestellt wird.
Ich werde die Überweisung unseres Antrages an den Finanzausschuß beantragen. Ich wäre Ihnen dankbar, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich bei den Beratungen über dieses Problem genauso aufgeschlossen zeigten wie bisher auf Tagungen. Ich erinnere an die Tagung der freien Berufe — daß es sich bei dieser freiwilligen Altersvorsorge hauptsächlich auch um die Vorsorge der Freiberuflichen handelt, ist Ihnen ja bewußt —, auf der von allen Parteien ausgesprochen wurde, daß eine derartige Gleichstellung erforderlich sei.
Auf Einzelheiten, wie diese Gleichstellung erfolgen kann, möchte ich heute nicht weiter eingehen. Ich möchte Ihnen nur ganz kurz in Stichworten die Ungleichheiten ins Gedächtnis zurückrufen, die hier bestehen. Bei den Arbeitnehmern, die sozialversicherungspflichtig sind, werden die Beiträge, die der Arbeitgeber für die Sozialversicherung leistet, dem steuerpflichtigen Arbeitslohn nicht hinzugerechnet. Eine entsprechende steuerliche Maßnahme fehlt bisher bei der privaten Vorsorge. Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß Arbeitgeber auch sonstige Versorgungszusagen machen können, ohne daß diese zunächst den Arbeitnehmer steuerlich belasten. Auch insofern besteht nach wie vor eine Ungleichheit, die beseitigt werden sollte.
Wie man das machen kann, dafür gibt es verschiedene Wege. Unser Antrag anläßlich des Steuerreformgesetzes 1958 ging dahin, daß man einen Betrag in Höhe von 14 % der Einkünfte als Betriebsausgaben zulassen sollte. Die Bestimmung wurde nachher insoweit eingeengt, als die Versicherungspflichtgrenze in der Angestelltenversicherung entsprechend als Höchstbetrag gelten sollte. Man kann auch andere Wege finden. Wir wollen es ruhig der Regierung überlassen, uns entsprechende Vorschläge zu machen, die dann im Finanzausschuß beraten werden können.
Bezüglich der Ungleichheit darf ich weiterhin auf folgendes hinweisen. Gerade bei den freien Berufen ist es so, daß ein Geschäftskapital etwa in Maschinen oder in einem wertvollen Inventar nicht vorhanden ist, sondern daß das Wichtigste die Arbeitskraft des freiberuflich Tätigen ist. Er hat
7536 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 131. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den .9. November 1960
Frau Dr. Diemer-Nicolaus
eine sehr lange Ausbildungszeit. Er fängt erst spät mit seiner Berufsausübung an. Er hat es schwer, sich eine selbständige Existenz auszubauen. Die Zeit, die er beruflich tätig sein kann, ist deshalb sehr verkürzt. Daher wurden auch schon Vorschläge gemacht, für derartige Berufsgruppen besondere Abschreibungen zuzulassen. Das ist ein Gedanke, der neu ist, weil wir bisher die Abschreibung nur an Sachgegenständen gewöhnt sind, aber nicht gewissermaßen an einem geistigen Wert, wie ihn die qualifizierte geistige Arbeit dieser Berufsstände darstellt. Aber diese Dinge sollten mit überlegt und beraten werden, um hier einen Ausgleich zu finden.
Dafür spricht auch folgendes. Sie wissen, daß die Eigentumsbildung immer wieder im Gespräch ist und daß schon seit Monaten besondere Maßnahmen erwogen werden, um die Eigentumsbildung bei den Arbeitnehmern zu begünstigen. Entsprechende Vorschläge sollen in nächster Zeit auch hier im Bundestag behandelt werden. Wir dürfen aber die Eigentumsbildung nicht auf Arbeitnehmer beschränken, sondern wir müssen darauf sehen, daß auch die anderen Selbständigen entsprechende Möglichkeiten haben. Gerade bei den freien Berufen müssen wir die Möglichkeit schaffen, daß auch sie so viel Vermögen erwerben können, um aus eigener Kraft die notwendige freie Altersvorsorge treffen zu können.
Meine bisherigen Ausführungen haben sich im wesentlichen mit Änderungen 'des Einkommensteuergesetzes befaßt. Aber auch bezüglich vermögensteuerlicher Vorschriften bestehen Ungleichheiten. Die Rentner aller Rentenversicherungen sind von der Vermögensteuer freigestellt. Eine Gleichstellung könnte dadurch erfolgen, daß man private Rentenversicherungen in gleichem Umfange von der Vermögensteuer freistellt, wie das bei den anderen Rentenversicherungen der Fall ist.
In diesem Zusammenhang muß im Ausschuß auch die weitere Frage erörtert werden — weil ja selten bei einer privaten Altersvorsorge reine Rentenversicherungen abgeschlossen werden, sondern meistens kombinierte Kapital- und Rentenversorgung —, ob man nicht auch bei den Kapitalversicherungen, besonders bei den kombinierten, zugunsten der privaten Vorsorge Erleichterungen in steuerlicher Hinsicht schaffen kann.
Noch etwas anderes. Bei den freien Berufen soll die Möglichkeit geschaffen werden, durch Pflichtversicherungen innerhalb der Berufsstände eine Altersvorsorge zu treffen. Wenn derartige Vorsorgeeinrichtungen geschaffen werden oder schon geschaffen sind, sollten sie aber auch in bezug auf Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Vermögensteuer den entsprechenden Pflichtversorgungswerken gleichgestellt werden. Diese sind, soweit es sich um öffentlich-rechtliche Körperschaften handelt, was nahezu immer der Fall ist, heute von diesen Steuern befreit.
Ich habe Ihnen in aller Kürze die vorhandenen Ungleichheiten in einem Blütenstrauß zusammengestellt. Diese Ungleichheiten sollten in den Ausschußberatungen beseitigt werden. Ich bitte, der
Überweisung des Antrags an den Finanzausschuß zuzustimmen.
Falls Sie sich daran stoßen sollten, daß wir für die Vorlage den Termin des 31. Dezember 1960 gewählt haben, darf ich Sie darauf hinweisen, daß bereits seit mindestens zwei Jahren beim Arbeitsministerium sehr eingehende Verhandlungen über eine Gleichstellung geführt wurden. Ich glaube deshalb, daß nicht nur beim Finanzministerium, sondern auch beim Arbeitsministerium schon ganz konkrete Vorstellungen — wie ich hoffe — über eine wirksame steuerliche Gleichstellung vorhanden sind. Es wäre daher durchaus möglich, diesen, wie ich ohne weiteres zugebe, kurzen Termin des 31. Dezember 1960 einzuhalten. In dieser Hinsicht lassen wir Freien Demokraten aber durchaus mit uns reden. Wenn uns eine verbindliche Zusage für einen etwas späteren Termin gegeben würde, wären wir auch hiermit einverstanden; der Termin dürfte allerdings nicht so spät liegen, daß diese wichtige Steuervorlage in diesem Bundestag überhaupt nicht mehr behandelt werden könnte. Die Zeit von 1957 bis 1960 war lang; wir sollten die Regelung dieser Frage nicht länger verzögern.