Rede von
Dr.
Gustav W.
Heinemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt ein sogenanntes Rechtsberatungsmißbrauchsgesetz aus dem löblichen Jahre 1934. Es schränkt die Vertretung fremder Personen in rechtlichen Angelegenheiten dahin ein, daß sie in der Hauptsache nur durch Rechtsanwälte erfolgen soll.
Auf Grund dieses Gesetzes sind in der jüngsten Zeit auch die Beauftragten von Vereinigungen der Wehrdienstverweigerer und der Kirchen von der Vertretung der Kriegsdienstverweigerer ausgeschaltet worden. Unser Antrag will ermöglichen, daß eine solche Vertretung durch diese Beauftragten stattfindet.
Wir wünschen sie unter zwei Begrenzungen ermöglicht: die Vertretung muß unentgeltlich geschehen, und wenn sie durch den Beauftragten einer Vereinigung erfolgen soll, muß diese Vereinigung durch eine Landesregierung anerkannt sein. Wir sind der Meinung, daß es im pflichtgemäßen Ermessen der Landesregierung stehen würde, diese Anerkennung auszusprechen oder auch nicht auszusprechen, wobei natürlich solche Betreuungen grundsätzlich möglich sein müßten.
Soweit die Betreuung durch Beauftragte der Kirchen stattfinden würde, sind wir der Meinung, daß sie den Kirchen in eigener Verantwortung überlassen werden kann. Es wird bekannt sein, daß eine Reihe von Kirchen, jedenfalls von evangelischen Landeskirchen, solche Beauftragten bestellt haben, z. B. die Evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau, in Westfalen, im Rheinland usw. Die Kirchen wollen die Betreuung sowohl der Soldaten als auch der Wehrdienstverweigerer. Sie fühlen sich nach beiden Seiten zur Betreuung verpflichtet. Wenn nun schon die Betreuung der Wehrdienstverweigerer nicht gefördert werden soll — wir verlangen das gar nicht —, so sollte sie wenigstens auch nicht gehindert werden. Die Hinderung aus dem Rechtsberatungsmißbrauchsgesetz von 1934 bitten wir deshalb aufzuheben.