Rede von
Dr.
Otto
Schmidt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Ihnen bei der Durchsicht der Begründung der beiden Vorlagen aufgefallen ist, daß ein ganz neuer Stil in die Sprache unserer Begründungen gekommen ist. Unter Punkt 4 heißt es: „Allgemein: Mehr Lebensfreude für die Kaffeetrinker!" Und unter Punkt 4 der Begründung der Teevorlage heißt es: „Man soll auch den Teetrinkern etwas mehr Lebensgenuß gönnen."
Als wir im Dezember 1958 hier versammelt waren, um zu einer ähnlichen Vorlage Stellung zu nehmen, hat uns Frau Beyer empfohlen, doch zu Weihnachten etwas gebefreudiger zu sein. Sie entsinnen sich, daß wir auch da eine kleine Kontrahage hatten. Ich muß sagen, gnädige Frau, wir wären gerne bereit, den Weihnachtsmann zu spielen oder in diesem Falle, da wir nicht Weihnachten haben, Freudenbringer und Sorgenbrecher zu sein.
Aber das ist leider nicht die Aufgabe des Parlamentariers, insbesondere nicht desjenigen, der auch noch die Verantwortung für die Finanzen mitträgt; denn Steuern bestehen zu lassen oder gar aufzuhalsen, das ist nun einmal keine Sache des Weihnachtsmannes und keine des Freudenbringers und des Sorgenbrechers.
Infolgedessen müssen wir doch als erstes folgende Frage stellen. Sie erlauben sich, eine Verminderung der Einnahmen vorzuschlagen, ohne zu sagen, woher die Deckung der 129 Millionen DM kommen soll, die ihr Antrag kostet.
— Darüber werden wir uns gleich noch unterhalten. — Hinzu kommen die anderen Anträge, die die Ausgabenseite ausweiten sollen. Darin ist Ihre Fraktion auch nicht gerade sehr zurückhaltend. Ich will nicht sagen, daß nicht auch die CDU bezüglich der Ausgabenseite noch zurückhaltender sein müßte.
Insofern ist das Haus in gleicher Verdammnis.
Aber da Sie nicht zurückhaltend sind, können diejenigen, die sich für den Haushalt in besonderer Weise verantwortlich fühlen, angesichts der wirklich angespannten Haushaltslage nicht darüber hinwegsehen, daß der Antrag rund 120 Millionen DM erfordert.
Frau Beyer, Sie haben den Bundesfinanzminister beschuldigt, er habe uns falsche Auskünfte gegeben, er habe insbesondere behauptet, eine Ausweitung des Verbrauchs werde nicht stattfinden. So ist das vom Finanzminister nie behauptet worden. Es ist behauptet worden, daß sich eine wesentliche Ausweitung des Verbrauchs dadurch, daß man die auf dem Kaffee und Tee lastende Steuer senke, nicht ergeben werde.
Wenn Sie die Entwicklung seit 1953 ansehen, stellen Sie fest, daß sich der Kaffeeverbrauch erheblich erhöht hat. Aber 1953 hatten wir einen Haushalt, der etwa 28 Milliarden DM umfaßte, und nun haben wir einen Haushalt, der 42 Milliarden DM umfaßt. Durch die Erhöhung des Bruttosozialproduktes ist der Haushalt gestiegen, aber auch die Ausgabenseite. Es ist also nicht möglich zu sagen: wir brauchten nur die Verbrauchsteuer zu senken oder gar wegfallen zu lassen, dann würde sich der Kaffeeverbrauch entsprechend erhöhen. Das wird nicht geschehen. Wir haben 1953 eine erhebliche Kaffeesteuersenkung durchgeführt. Es hat über fünf Jahre gedauert, bis — selbst unter Berücksichtigung des steigenden Verbrauchs infolge der Einkommensvermehrung — der Ausfall infolge dieser Kaffeesteuersenkung wieder hereingebracht war.
Wenn Sie hervorheben, Frau Beyer, Deutschland stehe an einer zu niedrigen Stelle im Pro-Kopf-Verbrauch, so darf ich demgegenüber auf unser Nachbarland die Niederlande verweisen. Die Niederlande haben einen Pro-Kopf-Verbrauch, der nicht wesentlich höher ist als in Deutschland, nämlich von 3,7 kg.
— Keine Spur! Die Niederländer haben einen Verbrauch von 3,7 kg,
— 3,7 kg pro Kopf der Bevölkerung, gegenüber 3 kg in der Bundesrepublik. Aber, Frau Beyer, die Niederlande haben überhaupt keine Kaffeesteuer. Nach Ihrer Theorie müßte also der Kaffeeverbrauch in den Niederlanden vielleicht dem amerikanischen Bedarf von 6 kg — oder was weiß ich — entsprechen. — Nein, die Argumentation ist falsch.
Großbritannien hat einen Pro-Kopf-Verbrauch von 0,85 kg.
— Das ist gerade das, was ich sagen will. Eine ganz entscheidende Rolle spielen doch die Verbrauchsgewohnheiten. Angesichts der Verbrauchsgewohnheiten ist doch nicht eine entsprechende Steigerung des Kaffeeverbrauchs dann gewährleistet, wenn die Kaffeesteuer gesenkt wird.
Das Bundesfinanzministerium hat das IFO-Institut in München damit beauftragt, einmal genau unter allen Gesichtspunkten feststellen zu lassen, in welchem Umfange sich der Verbrauch durch eine Senkung der Kaffee- bzw. Teesteuer ausweiten würde. Das Institut kam zu dem Ergebnis — wohlgemerkt: nicht etwa unter dem Gesichtspunkt der Erhöhung
Dr. Schmidt
der Einkommen und der Ausweitung des Lebensstandards im allgemeinen, sondern unter dem Gesichtspunkt der Verbrauchsteuer —, daß bei einer Senkung um die Hälfte — nicht etwa bei einer Senkung des bescheidenen Ausmaßes, wie Sie sie hier vorschlagen — eine Ausweitung des Verbrauchs von nur etwa 4 % eintreten würde.
— Wir werden uns im Ausschuß mit diesen Unterlagen beschäftigen müssen und dort die angeführten Argumente nachprüfen, aber sie sind Grund genug, hier sehr vorsichtig zu sein und unter gar keinen Umständen nun unter einem mehr propagandistischen Gesichtspunkt zu einer Kaffeesteuersenkung zu kommen.
Die vorgeschlagene Senkung macht für eine Tasse Kaffee — Verbrauch 5 g die Tasse schont Herz und Kasse — einen halben Pfennig und bei der Tasse Tee etwa 1/4 Pfennig aus. Bei dem Gaststättengewerbe wird sich das selbstverständlich nicht in irgendeiner Weise für den Verbraucher auswirken.
— Möglicherweise in der Qualität.
— Ich glaube das nicht.
Sie haben dann, Frau Beyer, auf die soziale Seite hingewiesen. Wenn wir die Möglichkeit hätten, im Rahmen des Haushalts Verbrauchsteuern zu senken, würden wir zunächst einmal an die Umsatzsteuer für lebensnotwendige Bedarfsgegenstände denken müssen.
Diese Steuersenkung würde jedenfalls bei mir vor der Senkung der Steuer für Kaffee und Tee rangieren. Dann würde man wirklich sozial denken. Wer sich aber nun einmal 9 DM pro Pfund Kaffee leisten kann, der kann auch die 40 Pf schlucken.
Wir können meines Erachtens nicht jedes Jahr dieselbe Debatte führen. Wir haben sie damals im Zusammenhang mit der vorweggenommenen Zollsenkung bis zum 1. Juli 1962 sehr eingehend und sehr gründlich geführt. Damals haben wir uns auch mit den EWG-Argumenten auseinandergesetzt. Ich darf noch einmal auf Art. 17 Abs. 3 des EWG-Vertrages verweisen. Herr Präsident Hallstein hat in der Juni-Sitzung des Parlaments in Straßburg ausdrücklich anerkannt, daß das Verhalten Deutschlands in der Frage der Umwandlung eines Finanzzolls in eine inländische Verbrauchsteuer sowohl mit dem Buchstaben als auch mit dem Geist des Vertrages zu vereinbaren war.
— Von unserem Standpunkt aus ist es jedenfalls deshalb richtig, weil wir für die Einnahmenseite verantwortlich sind.
Das Argument der Entwicklungsländer, Frau Beyer, zieht eben leider gar nicht.
— Ich werde versuchen, das Problem darzustellen, wenn Sie mir nur einen Augenblick zuhören wollen. Das IFO-Institut hat errechnet, daß 'die durch die Senkung der Verbrauchsteuer hervorgerufene Verbrauchsvermehrung tatsächlich für alle Kaffee und Tee einführenden Länder nur 30 Millionen DM ausmacht. Wenn das aber einem Ausfall von in Ihrem Falle etwa 129 Millionen, aber nach der Berechnung des IFO-Instituts einem Ausfall von etwa 450 Millionen bei der Senkung der Verbrauchsteuer gegenübersteht, dann frage ich- mich, ob es nicht klüger ist, dieses Aufkommen von 450 Millionen bei der Kaffeesteuer zur Verfügung zu haben, um es den Entwicklungsländern zuzuwenden, statt daß die Entwicklungsländer eine um 30 Millionen höhere Ausfuhr haben. Eine Erhöhung der Ausfuhr um 30 Millionen macht für die Bilanz der südamerikanischen und afrikanischen Kaffee und Tee ausführenden Länder praktisch gar nichts aus.
Wie gesagt: wir dürfen nicht dazu beitragen, daß die Konkurrenz zwischen den südamerikanischen und den afrikanischen Entwicklungsländern zu Lasten der einen oder anderen Gruppe ausgetragen wird. Das gegenwärtige System hat jedenfalls den einen Vorteil, daß alle einführenden Länder zu den gleichen Bedingungen arbeiten müssen und daß eben ein Wettbewerb im Preis und in der Qualität nach Deutschland hin darüber entscheidet, ob nun die südamerikanischen Länder im Geschäft bleiben oder ob ihnen die afrikanischen Länder einen Teil des Marktes abnehmen werden.
Wir beantragen die Überweisung der Anträge an die zuständigen Ausschüsse, also an den Finanzausschuß und an den Haushaltsausschuß.