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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 111. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1960 Inhalt: Nachruf auf die Abg. Dr. Gülich und Cillien Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 6183 A Abg. Dr. Tamblé tritt in den Bundestag ein 6183 D Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Höcker, Mensing, Pietscher und Demmelmeier 6183 D Nachrücken der Abg. Dr. Weber (Koblenz) und Dr. Dittrich als Wahlmänner nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . 6183 D Begrüßung des Präsidenten Fagerholm und weiterer Abgeordneter des finnischen Reichstags . . . . . . . . . . . 6190 D Eidesleistung des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes Dr. Wilhelmi, Bundesminister . . . 6215 D Fragestunde (Drucksache 1810) Frage des Abg. Ritzel: Kapitalanlagen im Ausland Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6184 C Frage des Abg. Dr. Kohut: Mangel an Narkosefachärzten in der Bundesrepublik Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6185 A Frage des Abg. Dr. Reinhard: Schutz des Verbrauchers vor mit Antibiotica behandeltem Importgeflügel Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6185 B Frage des Abg. Dr. Arndt: Amtliche Sammlung von Fehlurteilen im Strafprozeß Schäffer, Bundesminister . . . . 6185 D Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Beschluß des 5. Gewerkschaftsjugendtages der IG Bergbau betr. Kontakte mit der Bundeswehr Hopf, Staatssekretär . . . . . . 6185 D Fragen des Abg. Dr. Rutschke: Atomreaktor Karlsruhe Dr.-Ing. Balke, Bundesminister . . 6186 B Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Freihandelszone (Drucksache 1305) verbunden mit Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Freihandelszone (Drucksache 1464 [neu] ) Margulies (FDP) 6186 D, 6191 A, 6243 C Kalbitzer (SPD) . . . . . . . . 6193 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 6197 D Dr. Birrenbach (CDU/CSU) . . . . 6205 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 Birkelbach (SPD) . . . . . . . 6211 B Dr. Starke (FDP) . . . . . . . 6215 D von Hassel, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . 6223 D Metzger (SPD) 6227 D Dr. Löhr (CDU/CSU) 6232 D Scheel (FDP) 6234 C Lücker (München) (CDU/CSU) . . 6237 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . 6244 D Brand (CDU/CSU) 6247 C Dr. Mommer (SPD) 6248 A Rösing (CDU/CSU) 6248 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kaffeesteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1441) Erste Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Teesteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1442) — Erste Beratung — Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . . . 6248 C, 6253 C Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 6250 A Scheel (FDP) 6251 D Metzger (SPD) 6253 B Entwürf eines Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) (Drucksache 1799) — Erste Beratung — Dr. Schröder, Bundesminister . . . 6254 A Frau Niggemeyer (CDU/CSU) . . . 6256 D Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . . 6259 C Dr. Rutschke (FDP) 6261 B Entschließungsantrag zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1959, hier: Einzelplan 14 (FPD); Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1784, Umdruck 281) . . . 6262 B Sammelübersicht 19 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen zu Petitionen (Drucksache 1801) . . . . . 6262 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Süßstoffgesetzes (Drucksache 1146) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1752) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . 6262 C Entwurf eines Gesetzes über die Finanzstatistik (Drucksache 1367) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 1789) — Zweite und dritte Beratung — 6262 D Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (CDU/CSU, DP) (Drucksache 1693) — Erste Beratung — 6262 D Entwurf eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfrist (SPD) (Drucksache 1738) — Erste Beratung — 6263 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Antrag auf Normenkontrolle bei dem Bundesverfassungsgericht wegen des Sammlungsgesetzes (Drucksache 1697) 6263 A Antrag betr. Beihilfe zur Beschaffung von Hausrat an Deutsche aus der Sowjetzone, die nicht die Voraussetzungen des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes erfüllen (SPD) (Drucksache 1698) 6263 B Antrag betr. Abkommen über die einheitliche Auslegung der europäischen Verträge (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksache 1731) . . . 6263 B Antrag betr. Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen.) (Drucksache 1732) 6263 C Antrag betr. Schiffbarmachung des Hochrheins (Abg. Hilbert, Dr. Furler u. Gen.) (Drucksache 1786) 6263 C Entwurf einer Zolltarif-Verordnung (Deutscher Zolltarif 1960); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1797, 1815) . . . . . . 6263 C Entwurf einer Verordnung Nr. . . . zur Durchführung einer Erhebung über die Löhne; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksachen 1809, 1818) 6263 D Nächste Sitzung 6263 D Anlagen 6265 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 6183 111. Sitzung Bonn, den 4. Mai 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.05 Uhr.
    2. folderAnlagen
      Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bauereisen 5. 5. Dr. Becker (Hersfeld) 31. 5. Blachstein 20. 5. Frau Brauksiepe 4. 5. Brüns 2. 7. Dr. Bucerius 15. 5. Bühler 4. 5. Cramer 4. 5. Frehsee 7. 5. Dr. Friedensburg 6. 5. Funk 7. 5. Dr. Furler 6. 5. Gaßmann 6. 5. Geiger (München) 6. 5. Frau Geisendörfer 6. 5. Gerns 6. 5. Dr. Görgen 20. 5. Dr. Gossel 6. 5. Häussler 4. 5. Dr. Heck (Rottweil) 6. 5. Heye 4. 5. Dr. Hoven 6. 5. Jacobs 7. 5. Keller 4. 5. Frau Kipp-Kaule 4. 5. Frau Klemmert 15. 5. Knobloch 6. 5. Köhler 6. 5. Kraft 9. 5. Krammig 4. 5. Dr. Leiske 6. 5. Müller (Worms) 7. 5. Frau Dr. Pannhoff 7. 5. Paul 6. 5. Dr. Preusker 6. 5. Pütz 4. 5. Ramms 6. 5. Rasch 20. 5. Dr. Ratzel 6. 5. Dr. Ripken 15. 5. Frau Schanzenbach 6. 5. Scharnberg 7. 5. Scheel 6. 5. Dr. Schild 4. 5. Schmücker 6. 5. Dr.-Ing. Seebohm 9. 5. Seidl (Dorfen) 6. 5. Solke 6. 5. Stahl 15. 5. Sühler 7. 5. Wehner 4. 5. Welslau 7. 5. b) Urlaubsanträge Dr. Dittrich 31. 5. Dopatka 21. 5. Erler 21. 5. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Greve 21. 5. Holla 20. 5. Hufnagel 13. 5. Jahn (Frankfurt) 2. 7. Jaksch 20. 5. Katzer 18. 6. Maier (Freiburg) 2. 7. Probst (Freiburg) 10. 5. Rasner 28. 5. Frau Dr. Rehling 12. 5. Sander 2. 7. Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn a. Rh., d. 8. April 1960 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 217. Sitzung am 8. April 1960 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 16. März 1960 verabschiedeten Gesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß Artikel 105 Abs. 3 und 135 Abs. 5 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat begrüßt die Absicht, die Erträge der „Stiftung Volkswagenwerk" zur Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre zu verwenden. Er geht bei Erteilung seiner Zustimmung davon aus, daß die nach Anwendung des § 4 Buchst. b) des Vertrages verbleibenden Erträge den Ländern zufließen. Dabei erwartet der Bundesrat, daß im Rahmen der allgemeinen Zweckbestimmung des § 3 Abs. 1 des Vertrages die Länder frei über die Verwendung dieser Mittel entscheiden können und daß mit ihrer Zuweisung keine Auflagen verbunden werden, die die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder beeinträchtigen könnten. Dr. Röder Bonn, den 8. April 1960 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 18. März 1960 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Röder 6266 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 Anlage 3 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Jahn (Marburg) betreffend Verwendung von Fahrkarten der Bundesbahn mit Symbolen des NS-Regimes (Fragestunde der 111. Sitzung vom 4. 5. 1960, Drucksache 1810). Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, die Deutsche Bundesbahn darüber aufzuklären, daß die Verwendung von Fahrkarten mit eingeprägten Symbolen des NS-Regimes im Jahre 1960 mehr ist als eine unverantwortliche Schlamperei? Ist er bereit, darauf hinzuwirken, daß sämtliche, noch im Verkehr befindlichen Fahrkarten dieser Art unverzüglich vernichtet werden? Ich bin mit Ihnen, Herr Abgeordneter, und der Deutschen Bundesbahn darin einig, daß die einem Reisebüro unterlaufene Panne nicht hätte passieren dürfen. Es ist veranlaßt, daß sämtliche etwa noch vorhandenen Fahrkartenbestände dieser Art unverzüglich vernichtet werden. Seiermann Anlage 4 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg betreffend Errichtung eines Zementschuppens an der Autobahn bei Nikolassee (Fragestunde der 111. Sitzung vom 4. 5. 1960 Drucksache 1810). Weshalb hat die Bundesautobahn-Verwaltung bei der Errichtung eines kahlen Zementschuppens an der Einfahrt der Autobahn nach Berlin bei Nikolassee alle Regeln einer ansprechenden Architekturgestaltung und alle Regeln des Landschaftsschutzes außer acht gelassen? Weshalb hat sie das Vorbild eines daneben liegenden Gebäudes übersehen, das von der früheren Reichsautobahn-Verwaltung errichtet worden ist und das dem besonders repräsentativen Landschaftscharakter des betreffenden Standortes Rechnung trägt? Was gedenkt die Bundesautobahn-Verwaltung zu tun, um den angerichteten Schaden, der in der schönen Jahreszeit täglich für Zehntausende von naturliebenden Berlinern ein Ärgernis bieten muß, zu beseitigen oder wenigstens zu mildern? Bei dem beanstandeten Gebäude handelt es sich um eine Halle zur Aufnahme von Streugut für den Winterdienst auf der Bundesautobahn Avus, die in freitragender Binderkonstruktion aus Stahlbeton mit äußeren Sichtbetonflächen hergestellt worden ist. Die Wahl des Bauplatzes auf einem an der Bundesautobahn gelegenen Grundstück der Bundesautobahnverwaltung war zweckmäßig, weil das Gebäude den Bedürfnissen des Betriebes und der Unterhaltung der Autobahn dienen soll. Das auf dem Grundstück befindliche, vor 25 Jahren von der Reichsautobahnverwaltung errichtete Wohnhaus konnte nicht Vorbild für die Gestaltung sein, weil sich die Bauformen eines kleinen Wohnhauses nicht auf eine große stützenfreie Halle übertragen lassen. Bei der Gestaltung der Halle ist wegen ihrer Lage im Blickpunkt der Autobahnbenutzer versucht worden, eine ansprechende architektonische Gestaltung zu finden. Die Gebäudeformen sind Ausdruck der Konstruktion und entsprechen in ihrer Einfachheit der Zweckbestimmung des Gebäudes. Auch sind Klagen von anderer Seite bisher nicht bekanntgeworden. Ich darf aber bemerken, daß die Arbeiten an den Außenanlagen noch nicht abgeschlossen sind und sich deshalb dem Betrachter noch kein endgültiges und vollständiges Bild bietet. Wenn die Böschung zur Autobahn, wie vorgesehen, vollständig angelegt, befestigt und mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt ist, wird — so hoffe ich — erkennbar sein, daß auch dieses Gebäude in die Natur einwachsen und ein Bestandteil der Landschaft werden wird. Seiermann Anlage 5 Umdruck 576 Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Freihandelszone (Drucksache. 1305). Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag stellt mit Bedauern fest, daß die Bemühungen um eine europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit seit Inkrafttreten des EWG-Vertrages zu einer Spaltung Europas geführt haben, daß der Beschluß der OEEC vom 13. Februar 1957 und der Beschluß des Bundestages vom 2. Oktober 1958 bisher nicht verwirklicht worden sind, daß die Fristverkürzungsvorschläge und die Vorschläge für eine gemeinsame Agrarpolitik die Tendenz der EWG zur Abspaltung von den anderen OEEC-Staaten sichtbar machen. Er ersucht die Bundesregierung, alles zu tun, um 1. die in der OEEC erzielten Fortschritte und gefaßten Beschlüsse in ihrem Bestande zu sichern. 2. gemäß Absprache des Herrn Bundeskanzlers mit dem französischen Staatschef nunmehr vor allem anderen die Verwirklichung des Beschlusses der OEEC vom 13. Februar 1957 durchzusetzen und eine Freihandelszone in Europa einzurichten, die auf multilateraler Basis den gemeinsamen Markt der Sechs und die anderen Mitgliedsländer vereinigt. Bonn, den 4. Mai 1960 Margulies Dr. Starke Lenz (Trossingen) und Fraktion
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Hellmut Kalbitzer


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

      Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD — Drucksache 1464 - stammt schon aus dem Dezember vorigen Jahres. Ihre Behandlung war inzwischen nicht möglich gewesen, insbesondere wegen der zu bedauernden Erkrankung unseres Herrn Professor Erhard, über dessen Gesundung ich hier meine Freude zum Ausdruck bringen darf. Die Debatte mußte also fünf Monate verschoben werden.
      Seitdem hat die europäische Bürokratie nicht stillgestanden. Dennoch zeigt sich bei Überprüfung dieser Anfrage, daß die Fragen auch nach dieser langen Zeit noch aktuell sind. Das ist mir ein Zeichen dafür, daß es sich hier um die wesentlichen Fragen der europäischen Zusammenarbeit handelt, auf die unsere Große Anfrage eingeht und um deren Beantwortung wir heute bitten.
      Die erste Frage lautet:
      Welche Gründe waren für das Scheitern der
      Verhandlungen über die Bildung einer Europäischen Freihandelszone maßgebend, und was hat die' Bundesregierung getan, um durch möglichst enge Zusammenarbeit mit allen Mitgliedsländern des Europäischen Wirtschaftsrates (OEEC) dem Ziel der Bildung einer Europäischen Freihandelszone näherzukommen?
      Diese Frage möchte ich Ihnen etwas näher erläutern
      und mit einem Ausspruch des Präsidenten der Europäischen Kommission, Herrn Hallstein, beginnen. Er sagte:
      Wenn man die Freihandelszone politisch gewollt hätte, wäre sie möglich gewesen.
      Da sie nicht gekommen ist, ist die Frage: Hat man sie politisch nicht gewollt, oder welche Gegenkräfte waren stärker gegenüber der einstimmigen Meinung des Bundestages, wie sie mein Vorredner, Herr Margulies, schon zitiert hat? Wir haben in diesem Hause 1957 und zweimal im Jahre 1958 einer einmütigen Meinung dahin Ausdruck gegeben, daß wir die Freihandelszone als den Rahmen haben wollten, in dem die EWG überhaupt nur wirksam sein könnte.
      Insbesondere meine Partei hat bei der Ratifikation im Juli 1957 ausdrücklich gesagt, daß wir „das Zustandekommen der Freihandelszone für eine entscheidende Voraussetzung für ein gutes Funktionieren der EWG halten". Dies war für uns die Bedingung zur Ratifizierung des EWG-Vertrages. Das ist durch Jahre hindurch der einmütige Standpunkt unseres Hauses — also über unsere Partei hinaus des ganzen Hauses — gewesen. Auch der Entschließungsantrag der CDU spricht noch davon, daß man die „Errichtung der Freihandelszone nachdrücklich betreiben" sollte. Warum also — das ist hier die Frage - wurde nichts erreicht? Weshalb hat die Bundesregierung die gesamteuropäische Zusammenarbeit nicht gewollt?
      Lassen Sie mich zu der zweiten Frage übergehen:
      Wie steht die Bundesregierung zu den Bestrebungen der kleinen Europäischen Freihandelszone,
      - das ist die gestern ratifizierte sogenannte EFTA der Länder Skandinaviens, Englands, der Schweiz, Osterreichs und Portugals —
      mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) über einen einheitlichen Abbau der Handelsschranken zu verhandeln? Welche Initiative gedenkt die Bundesregierung auf diesem Gebiet zu ergreifen, um den Schaden abzuwenden, der für die Bundesrepublik und ihre Nachbarn durch das Scheitern der Europäischen Freihandelszone zu entstehen droht?
      Ich möchte Ihnen sagen, daß das europäische Gewissen gebietet, nicht nur auf die bundesdeutschen Interessen in dieser Frage Rücksicht zu nehmen, sondern auch zu überlegen — und darauf möchte ich dann näher eingehen —, was das wirtschaftliche und schließlich das politische Schicksal unserer kleinen Nachbarn in Skandinavien und im Süden sein wird, wenn es nicht zu dieser Zusammenarbeit kommt.

      (die Große Anfrage, wie gesagt, bisher schmorte, war die Europäische Kommission tätig und faßte einen Plan, der die Beschleunigung der Fristen des EWG-Vertrages vorsieht. Was man für diese Beschleunigung anführt, ist typisch für den politischen Geist, der in der Hallstein-Kommission existiert. Man argumentiert nämlich ausschließlich damit, die Sechs befänden sich gegenwärtig in einer so günstigen ökonomischen Position, daß man jetzt beschleunigen könne. Das wäre zweifellos richtig, 6194 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 Kalbitzer wenn die EWG ein Ding an sich, ein Selbstzweck wäre, wenn sie von der übrigen Politik in Europa und in der Welt isoliert wäre; dann wäre die Beschleunigung richtig, durchaus logisch, sinnvoll, zweckmäßig; jeder müßte sie unterstützen. Aber in Wirklichkeit ist eben weder die Bundesrepublik Deutschland noch sind die. Sechs allein auf der Welt. Damit entsteht das Problem: Wie soll das Verhältnis zur Umwelt aussehen? Der Beschleunigungsvorschlag an sich wäre also sinnvoll, wenn die EWG allein auf der Welt wäre. Aber so, wie die Wirklichkeit ist, bedeutet die Beschleunigung eine Sabotage der Zusammenarbeit des freiheitlichen Europas. Die EFTA hat als nachträgliche Gegenkonstruktion zur EWG die Termine für die eigenen Maßnahmen mit den vorn EWG-Vertrag vorgesehenen Terminen synchronisiert, sich also darauf eingerichtet, sich nicht weiter von der EWG zu entfernen. Die Partner der EFTA haben eben ,,nachgeklappt". In demselben Augenblick versucht die EWG, sich von der EFTA zu distanzieren, also den entstandenen Graben zu vertiefen. Die politische Logik würde es dagegen erfordern, daß man den Graben, der bedauerlicherweise entstanden ist, möglichst zuschaufelt. In den letzten Tagen hat man gehört, die Bundesregierung wolle die Beschleunigung, deren Beginn auf den 1. Juli 1960 angesetzt ist, um einige Monate verzögern. Nun, das würde der Bundesregierung die Möglichkeit geben, in der so gewonnenen Zeitspanne aktiv zu werden und der Forderung nach Zusammenarbeit zur Erfüllung zu verhelfen. Meine Frage, die sich aus dein Gang der Dinge der letzten Monate ergibt, lautet deshalb: Ist die Bundesregierung bereit, die Beschleunigung, wie sie von der Hallstein, Kommission vorgeschlagen ist, nicht in dieser Form mitzumachen? Sieht sie einen späteren Zeitpunkt vor? Welche Initiative gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um in der Zwischenzeit politisch aktiv zu werden und sich mit der EFTA zusammenzuraufen? Id' darf Ihnen einige Beispiele dafür bringen, um welche Punkte es bei dem Verhältnis zu dritten Ländern geht. Der eine ist in der Presse schon einmal kurz erwähnt worden. Wenn der Beschleunigungsplan von Herrn Hallstein in Kraft tritt und in der Zwischenzeit kein Arrangement mit der EFTA zustande kommt, dann wird ein Auto mit einem Wert von beispielsweise 10 000 DM, welches aus Schweden eingeführt wird, in der ersten Phase gleich mit 690 DM Zoll mehr belastet als ein gleichwertiges Auto aus, sagen wir, Frankreich oder Italien. In einer späteren Phase, etwa 1970, wird ein gleichwertiges Auto, das aus Schweden importiert wird, 2900 DM mehr Zollbelastung haben als ein Auto des gleichen Wertes aus Italien oder Frankreich. Das bedeutet, daß der Handel — in diesem Beispiel mit Schweden — aufs allerschwerste geschädigt, in wesentlichen Punkten einfach unmöglich gemacht wird. Durch die nun heraufkommenden Zölle auf Apfelsinen, die wir als ein selbstverständliches und notwendiges Volksnahrungsmittel betrachten, werden die Länder, aus denen wir traditionsgemäß Apfelsinen bezogen haben und die ihrerseits von dem Apfelsinenexport nach Zentraleuropa leben und die eine schwerere wirtschaftliche eine schwerere politische Existenz haben als wir, erheblich benachteiligt. Lassen Sie mich die Länder nennen, um die es sich handelt. Es handelt sich um Marokko, und es handelt sich um Israel, die auf diese Weise gegenüber der Apfelsinenlieferung aus Italien benachteiligt werden, Ich frage Sie: welches ist Ihre politische Überlegung, die Länder Israel und Marokko schlechter zu behandeln als z. B. Italien? Zu welchen, ich muß sagen, überspannten Vorstellungen dieses Auseinanderfallen zwischen EWG und EFTA bei Teilen der EWG-Länder bereits geführt hat, zeigt nichts besser als eine Kleine Anfrage, die dieser Tage den Mitgliedern des Europäischen Parlaments in Straßburg auf den Tisch gelegt wurde. In dieser Anfrage ist auf die Handelsverhandlungen zwischen uns und den Dänen Bezug genommen. Die Dänen, die einen wesentlichen Teil ihrer Agrarprodukte an uns, den großen industriellen Nachbarn, absetzen, haben in ihrer schwierigen Lage versucht — und die Bundesregierung ist, so hoffe ich wenigstens, auch einigermaßen positiv darauf eingegangen —, sich trotz dieser Spaltung Agrarlieferungen nach Deutschland zu sichern. Da. heißt es in der Anfrage aus Holland: „Stimmt es, daß kürzlich Besprechungen zwischen Vertretern der deutschen und der dänischen Regierung über die Ausfuhr dänischer Agrarprodukte in die deutsche Bundesrepublik stattgefunden haben?" Dann geht es weiter: „Stimmt es, daß, wie es heißt, Westdeutschland Dänemark derartige Zusagen über die Abnahme von Agrarprodukten gemacht hat, daß dadurch die Erfüllung von Verpflichtungen, die der genannte Mitgliedsstaat gegenüber den anderen Mitgliedsstaaten übernommen hat, erschwert wird? — Zum Schluß heißt es: „Sollte die Bundesrepublik Deutschland der dänischen Regierung diese Zusagen tatsächlich gemacht haben — wir vermuten, daß es geschehen ist — ohne irgendwelche Vorbesprechungen? Kann die Europäische Kommission dann den politischen Mut aufbringen" es geht also darum, ob Herr Hallstein den Mut aufbringen kann -, „unumwunden ihre Mißbilligung über diese deutsche Verfahrensweise auszusprechen?" Ich muß meinerseits sagen, es gehört Mut dazu, daß ein Holländer an uns die Forderung stellt, wir sollten unsere traditionellen und notwendigen freundschaftlichen Beziehungen zu Dänemark aufgeben, um die bekannten und zum Glück ebenso freundschaftlichen Beziehungen zu Holland noch mehr zu intensivieren. Das ist und das kann politisch nicht der Sinn dieses Vertrages sein, daß man sich Feinde schafft, um denen, mit denen man sowieso befreundet ist, noch mehr in den Hals zu stecken. Aber ich darf Sie auf die prekäre Situation auch anderer kleiner Nachbarländer Deutschlands hinweisen. Österreich ist politisch von den EWG-Staaten sozusagen eingeklemmt: das wirtschaftlich Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Mittwoch, cien 4. Mai 1960 6195 Kalbitzer große Italien im Süden, die Bundesrepublik Deutschland im Norden; im Osten aber liegt der Gürtel der sowjetisch beeinflußten Zone. Österreich hat bisher etwa 50 % seines Außenhandels mit den EWG-Staaten gehabt. Es wird nun durch die EWG wirtschaftlich auf das schwerste benachteiligt. Aber was das Besondere ist: Die politische Lage Österreichs gestattet es ihm nicht, sich seinerseits der EWG anzuschließen. Einerlei, was die österreichische Koalitionsregierung denkt, ob sie möchte oder nicht möchte, sie kann laut ihrem Staatsvertrag, der eine Folge des schrecklichen und verlorenen Krieges ist, diesen Anschluß nicht vollziehen. Österreich ist auch in dieser Beziehung ein direktes Opfer des Krieges und wird nun von uns nochmals gestraft. Es wird von der EWG abgestoßen, es wird fortgedrängt und der sowjetischen Einflußsphäre, an der es mit breiter Grenze liegt, wirtschaftlich in die Arme getrieben. Noch schwieriger liegt der Fall Finnlands. Meine Damen und Herren. Sie haben dem finnischen Volk gerade vor wenigen Minuten durch Ihren Beifall eine so warme Sympathie bezeugt. Hier ist ein Fall, wo man der Sympathie für Finnland in der Sache und nicht im Applaus Ausdruck geben kann. Auch Finnland gehört zu den Ländern, die nach dem verlorenen Krieg das Schwerste haben auf sich nehmen müssen. Es grenzt in breitester Front direkt an die Sowjetunion und ist in große innere Schwierigkeiten verstrickt. Dieses Land hat allmählich etwa 30 % seines Außenhandels — das ist der Anteil im Jahre 1959 — mit den westeuropäischen EWG-Staaten aufgebaut. Die Tendenz der Zusammenarbeit besonders mit der Bundesrepublik ist weiterhin steigend. Die Bundesrepublik ist inzwischen der stärkste Handelspartner Finnlands geworden, vor der Sowjetunion und vor England! Alles, ehe der Vertrag über die EWG in Kraft trat. Wenn man nun Finnland isoliert, wenn man es nur EFTA-Ländern überläßt, d. h. in diesem Falle Schweden, das sich, wie jeder weiß, als direkter Nachbar für Finnlands Schicksal mitverantwortlich fühlt, wenn man die EFTA-Länder gegenüber unseren EWG-Partnern diskriminiert, dann heißt es, daß man Finnland die kalte Schulter weist, daß man Finnlands Handel mit uns erschwert und daß man ihn den Russen geradezu aufnötigt. Ich habe oft das politische Argument gehört, daß die EWG ein Mittel zur politischen Stabilisierung des europäischen Westens gegen kommunistische Infiltration sei. Meine Damen und Herren, der Vertrag bewirkt für diese Länder — Österreich und Finnland — das genaue Gegenteil, er läuft darauf hinaus, diese Länder wirtschaftlich an den Ostblock heranzutreiben. Das kann und darf nicht sein. Wir haben mit den Herren der Europäischen Kommission, in ,diesem Punkt insbesondere mit Herrn Marjolin, über die Sondersituation zum Beispiel Österreichs gesprochen. Darauf wurde uns die Antwort, selbstverständlich könne die EWG mit Österreich Sonderabmachungen treffen, um diese anerkannten — von Herrn Marjolin wenigstens anerkannten — Schwierigkeiten zu überwinden. Aber auf die Nachfrage: Bereiten Sie denn solche Sonderabmachungen mit Österreich zum Beispiel vor?, war betretenes Schweigen. In Wirklichkeit werden diese von Herrn Marjolin zugesagten Möglichkeiten nicht ausgenutzt. Das heißt, man versucht nicht, mit Osterreich ins reine zu kommen, wenn man von dem Husarenritt des Herrn Hallstein absieht, der es vor einiger Zeit für witzig hielt, nicht mit der österreichischen Regierung, sondern mit dem österreichischen Industriellenverband zu verhandeln. Dier österreichische Industriellenverband in allen Ehren! Er ist aber nicht der Partner für ,die EWG. Das kann nur, da es sich hier um Staatsverträge handelt, die österreichische Regierung sein. Ich frage also zu diesem Punkt abschließend: Will die Bundesregierung sich für Verhandlungen dieser Art zwischen EWG und EFTA ,einsetzen, und will die Bundesregierung insbesondere die politisch außerordentlich komplizierte Lage z. B. Österreichs und Finnlands in Rechnung stellen und sich daran klarmachen, daß es hier um mehr als Wirtschaftspolitik, daß es hier um ,große Politik geht? Ich darf nun zu der dritten Frage kommen. Sie lautet: Unterstützt die Bundesregierung Bestrebungen, die EWG zu einem politischen Block zu machen? Ist sich die Bundesregierung der Gefahr bewußt, ,daß es hierdurch zu einer Spaltung der freien Welt kommen kann? Das von meinem Vorredner wie von mir wiederholt festgestellte Fehlen einer Initiative oder, ich will mich ganz vorsichtig ausdrücken, daß bisher nichts bekanntgeworden ist über eine Initiative der Bundesregierung zur Überbrückung der Gegensätze — trotz ,der ewigen Forderungen dieses Hauses, zwischen EWG und EFTA nicht die Spaltung eintreten zu lassen — hat uns aus England und aus anderen Ländern im Laufe der ersten Monate dieses Jahres bereits eine solche Menge von Unfreundlichkeiten eingetragen, daß man von einer an Isolierung grenzenden Situation unserer Politik, z. B. gegenüber unserem westlichen Verbündeten Großbritannien, sprechen muß. Die Bundesregierung hat in der englisch-französischen Eifersüchtelei über die erste Rolle in Westeuropa für Frankreich und gegen England Partei ergriffen. Wir Sozialdemokraten lehnen eine solche Alternative ab. Wir sind nicht für eine Politik, die uns zwischen der Freundschaft mit England und einer Freundschaft mit Frankreich wählen läßt. Wir lehnen es ,ab, den einen zu kujonieren, dem einen alle seine Schwächen vorzuhalten und bei idem anderen stets durch die Finger zu sehen. Wir lehnen es auch ab, den einen besonders herauszuheben und uns dem anderen gegenüber in eine kühle Reserve zu vergraben. Denn einmal ist Europa, das westliche Europa als Ganzes, überhaupt zu klein für eine solche Blockbildung innerhalb Westeuropas, das ja nur ein kleiner Zipfel unserer Landkarte ist. Zum anderen können im Hinblick auf unsere Situation nach dem Kriege, auf unsere Beziehungen zum Kalbitzer Westen, unsere Bemühungen nur darauf hinauslaufen, daß man mit allen westlichen Verbündeten gleiche freundschaftliche Beziehungen herstellt und, wenn man sie hergestellt hat, sie zu dem einen nicht nachträglich wieder zerstört, um mit dem anderen zu einem bündnisähnlichen Sonderstatus zu kommen. Ich würde es ,ebenso ablehnen — das sage ich, um von den Vertretern ,der Regierung nicht mißverstanden zu werden —, daß man sich einseitig an England anschlösse und dann gegenüber Frankreich die kalte Schulter zeigte. In diesem Zusammenhang darf ich auch eine politisch noch delikatere Frage anschneiden, nämlich die der demokratischen Stabilität innerhalb EWG und EFTA. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich nach dem Kriege mit guten Erfolgen für die parlamentarische Demokratie entschieden. Aber jeder von uns — links wie rechts — wird selber kritisch eingestehen, daß diese Erfolge Anfangserfolge sind, die es für uns jeden Tag zu untermauern, jeden Tag zu stabilisieren gilt. Unsere großen Partner innerhalb der EWG, Italien und Frankreich, sind in parlamentarisch-demokratischer Hinsicht in außerordentlich prekären politischen Situationen. Das wissen wir alle, das bedauern wir alle; niemand empfindet darüber Schadenfreude, jeder nur Bedauern. Von den EWG-Mitgliedern sind es nur die kleineren Länder — Holland, Belgien und Luxemburg —, bei denen man von einer parlamentarisch-demokratischen Stabilität schlechthin sprechen kann. Eine wesentlich größere Stabilität zeigen die Mitgliedsländer .der Freihandelszone der EFTA. England, die skandinavischen Staaten, die Schweiz sind ,die klassischen demokratischen Länder und auch die stabilisiertesten auf unserem Kontinent. Aus diesem Grunde halte ich es für sehr nachteilig und geradezu gefährlich, sich durch eine Blockbildung in Europa — und das heißt: Spaltung — von den klassischen europäischen Demokratien entfernen zu lassen. Der frühere bundesdeutsche Staatssekretär Hallstein hat bisher die naturgemäß sehr viel schwieriger herzustellenden Beziehungen zu unseren unmittelbaren östlichen Nachbarn zu verhindern gewußt. Diese Politik Hallsteins gilt heute in der Welt als Hallstein-Doktrin. Außerhalb der CDU wird sie heute nur bedauert. Aber wir wollen darüber nicht zuviel rechten. Es zeigt sich jetzt, daß wir in Verfolg der Hallstein-Doktrin außer zu einer solierung gegenüber unseren östlichen Nachbarn auch zu einer Verkrüppelung unserer Politik gegenüber den westlichen Nachbarn kommen. Der Aufbau der EWG ohne Rücksicht auf ,die übrigen westlichen Länder bedeutet die zweite Hallstein-Doktrin, bedeutet, daß man nun, nachdem man gar nicht erst ernstlich das Gespräch mit ,dem Osten aufgenommen hat, auch seine Freundschaften im Westen selber aufspaltet. Die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten bestehen für Bundesdeutschland in viel stärkerem Maße als für die übrigen EWG-Nachbarn. Die EWG ist zwar nach außen hin eine Einheit, aber Länder wie Frankreich, Holland, Belgien haben viel tiefergehende Wurzeln der Freundschaft zu den übrigen westlichen Mächten als wir Bundesdeutsche. Das ergibt sich aus der Geschichte. Wir werden erst auf unsere Zuverlässigkeit, auf unseren westlichen Freiheitswillen getestet; wir sind sehr viel mehr dem Mißtrauen und dem Mißverstehen der übrigen Welt ausgesetzt. Ich komme zur vierten Frage. Sie lautet: Ist die Bundesregierung bereit, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um in Abstimmung mit den Partnern in der EWG und insbesondere durch entsprechende Einwirkung auf die französische Regierung zu erreichen, daß der EWG-Außenzolltarif das Niveau des deutschen Zolltarifs nicht übersteigt? Mit anderen Worten: Wird sich die Regierung dafür einsetzen — inzwischen müßte man wohl auch sagen: hat sich die Regierung dafür eingesetzt —, daß die faktisch bei uns in der letzten Zeit erhobenen Zölle nicht erhöht werden, daß also die EWG nicht zu einer Erhöhung unserer Zölle gegenüber England und den skandinavischen Ländern führt? In bezug auf die Vertragszölle und die Nichterhöhung der bestehenden deutschen Zölle muß die Frage nach der Haltung der Bundesregierung bis heute — wenn Sie, Herr Minister, uns hier nicht über neue Tatsachen berichten können — leider negativ beantwortet werden. Wir müssen das — ich will mich hier kurz fassen — auf das tiefste bedauern. Wir halten es für wirtschaftlich unklug und politisch verfehlt, deutsche Zölle gegenüber dritten Ländern zu erhöhen, anstatt die Märkte weltweit zu öffnen und die Zölle abzubauen. Lassen Sie mich zur fünften Frage übergehen. Sie lautet: Wird die Bundesregierung darauf hinwirken, daß den assoziierten Gebieten der EWG durch die wirtschaftliche Unterstützung der Gemeinschaft die politische Entscheidungsfreiheit auch hinsichtlich ihrer Beziehungen zur EWG ermöglicht wird? Das ist — konkret gesprochen — die Frage nach den Beziehungen der EWG zu Ländern wie z. B. Marokko, Tunesien oder Guinea. Diese Länder gehören oder gehörten zur Franc-Zone — darüber ist die Welt nicht ganz genau informiert —, als der Vertrag 1957 geschlossen wurde. Damals glaubte Frankreich, auf diese Länder ganz oder jedenfalls großenteils noch einen nachhaltigen politischen Einfluß weiter ausüben oder eine direkte Kolonialherrschaft aufrechterhalten zu können. In der Entwicklung Afrikas ist in den letzten Jahren und in den letzten Monaten ein so rapider Trend zu verzeichnen — in diesem Jahre müssen wir sagen: pro Monat ein neues freies Land in Afrika —, daß der Vertrag in bezug auf die Beziehungen zu diesen Ländern einfach überholt ist. Heute kann es politisch nicht mehr hingenommen werden, daß die französische Regierung diese Länder durch ihre Unterschrift von 1957 bindet oder sagt: Wenn diese Länder die Zwangsbindungen nicht akzeptieren, ist der Trennungsstrich endgültig. Wir wollen — ich hoffe, das Haus will es auch —, daß diese Länder Afrikas — es werden weitere folgen, wie z. B. die neue Föderation Mali — aus freier, völlig unabhängiger Initiative sich entschei Kalbitzer den können, ob sie sich mit der EWG assoziieren wollen oder nicht. Wir halten es bei einer antikolonialen Politik nicht für tragbar — ich hoffe, auch diese Regierung nicht —, daß frei gewordene frühere französische Kolonien oder Halbkolonien in Afrika vor die Entscheidung gestellt werden: Friß Vogel oder stirb, sondern wir fordern für diese Länder die Möglichkeit, aus Eigenem zu sagen, ob und in welcher Form sie die Assoziation mit uns aufrechterhalten wollen. Der Vertrag selber enthält eine entscheidende Klausel. Sie hat bei der Ratifikation schon eine Rolle gespielt, ich meine die Klausel, die sich auch in der Grundsatzerklärung der Vereinten Nationen findet, nach der die Politik der früheren Kolonialund Industriestaaten in Europa und Nordamerika gegenüber diesen neuen Staaten darauf abzielen muß, ihnen die Unabhängigkeit zu geben und nicht neue Bänder und neue gewaltsame Schlingen auszulegen, um sie entweder an uns zu ketten oder sie in ihrer neu errungenen Unabhängigkeit dem Elend preiszugeben. Wir bitten auch, im Ministerrat dahingehend zu intervenieren, den Ländern Afrikas die Möglichkeit zuzubilligen, frei und unabhängig zu erklären, ob und wie sie mit uns assoziiert sein wollen. Ich darf nun zur sechsten und letzten Frage übergehen. Sie lautet: Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die wirtschaftlichen und finanziellen Hilfen für die assoziierten Gebiete der EWG nicht zu einer Diskriminierung der übrigen Entwicklungsländer in Afrika, Asien und Amerika werden zu lassen? Hierbei handelt es sich darum, daß laut Vertrag die Kolonien oder früheren Kolonien vor allem von Frankreich — weniger von Holland und Belgien — nicht in einer Form mit uns assoziiert werden, daß man die Gebiete, die sich ökonomisch und gesellschaftlich im Entwicklungsstadium befinden, diskriminiert. Mit anderen Worten: wir halten die interessante Methode der Assoziierung in dem Augenblick für verfehlt, in dem wir Gebiete wie z. B. Madagaskar — Sie können auch FranzösischKamerun oder sonst ein Gebiet nehmen, das jetzt unabhängig wird — in einer Weise handelsund zollpolitisch bevorzugen, daß andere Gebiete, die außerhalb liegen, nehmen wir Kenia, Tanganjika oder das größte dieser Länder, Indien, geschädigt werden. Was indem Assoziierungsvertrag an finanziellen und wirtschaftlichen Unterstützungsmaßnahmen vorgesehen ist, um diese Associés aufzubauen, ist gut. Es wäre schlecht, wenn sich dieser Aufbau dadurch zum Schaden der anderen auswirkte, daß wir Kaffee oder Tee künftig nur noch aus dem Kongo oder aus anderen früheren französischen Kolonialgebieten beziehen könnten und damit der Handel zwischen Indien und uns erschwert oder gar verteuert würde. Ich bin bereit, Besonderes für die Associés zu tun. Ich hielte es für außerordentlich verfehlt, diese Unterstützung auf der anderen Seite damit zu quittieren, daß wir Länder, die uns politisch ebenso am Herzen liegen — ich denke insbesondere an Indien —, nun vor den Kopf stoßen, indem wir sie zollmäßig, handelsmäßig benachteiligen und damit natürlich früher oder später auch politisch von uns forttreiben. Es ist — und damit möchte ich zum Schluß kommen — nicht möglich, eine wirtschaftliche Spaltung, wie sie sich zwischen EWG und EFTA aufgetan hat, auf die Dauer aufrechtzuerhalten, ohne daß sie politische Folgen hat. Im ersten Augenblick und nach dem ersten Anschein mögen Sie sich damit beruhigen, daß sich diese Spaltung der Wirtschaft außerhalb des Niveaus der Politik abspielt. Das kann für einige Zeit gehen, solange nämlich die Geschädigten glauben, daß bei uns der ernsthafte, nachdrückliche gute Wille vorhanden ist, diese Spaltung wieder zu überwinden. Wenn die Länder, die geschädigt werden, diesen Glauben eines Tages nicht mehr haben, wird es zu einer verhängnisvollen politischen Spaltung im freien Europa und im freien Westen kommen. Das zu verhindern, ist, muß ich sagen, des Schweißes der Edlen wert, und darauf müßte die Hauptaktivität unserer Bundesregierung gerichtet sein. Eine solche Spaltung ist nicht nur wirtschaftlich widersinnig, sondern auch politisch für uns von erheblichem Nachteil, und es wäre eine sträfliche Leichtfertigkeit, ihr nicht entgegenzuwirken. Man kann sich auch nicht darauf berufen, meine Damen und Herren, daß die einmal vollzogene Unterschrift unter den EWG-Vertrag alle weiteren Aktionen notwendig mache und daß wir nicht aus dem Vertrag heraus könnten. Zu dem Vertrag, den wir hier ratifiziert haben, steht sicher, wie es auch die FDP schon erklärt hat, dieses Haus einmütig. Aber dieser EWG-Vertrag ist wie so viele Verträge, die unter politischen Aspekten geschlossen worden sind, natürlich auslegungsfähig. Neben Paragraphen, die eine Diskriminierung dritter Länder zum Inhalt haben, wie ich sie Ihnen vorgeführt habe, stehen andere Paragraphen, die eine solche Diskriminierung geradezu verbieten. Es kommt also hier in der Tat auf die politische Aktion der Regierung an. Es besteht keine zwangsläufige Notwendigkeit, die Politik Hallsteins.. zu führen. Hallsteins Politik ist eine Möglichkeit des Vertrages, sie ist die falsche Möglichkeit des Vertrages. Für die Regierung kommt es darauf an, die anderen, positiven Möglichkeiten des Vertrages zum Tragen zu bringen und damit der Zusammenarbeit des freien Westens Möglichkeiten zu geben und zu erhalten und es nicht zu dem Desaster kommen zu lassen, daß wir uns in dem zu kleinen Europa schließlich noch in zwei Blöcke zerspalten. Zur Beantwortung der Großen Anfragen der FDP und der SPD hat das Wort der Herr Bundeswirtschaftsminister. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, daß ,die Beantwortung der beiden Großen Anfragen der FDP und der SPD sich so Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard lange verzögert hat. Ich danke zugleich im Namen der Regierung -, daß Sie den Vertagungswünschen entsprochen haben. Ich habe besonderen Grund zu danken, weil ich ja in dieser Beziehung unschuldig schuldig geworden bin. Ich werde in dem ersten Teil meiner Ausführungen für die Bundesregierung die Fragen im einzelnen beantworten und mich im weiteren Verlauf und damit gleichzeitig in die Debatte eingreifend mit der Frage beschäftigen: Was hat die Bundesregierung getan, um das Ziel einer gesamteuropäischen Integration zu erreichen? Ich glaube, daß es nicht fruchtbar wäre, die historische Entwicklung, die auch hier wieder angeklungen ist, noch einmal aufzuzeigen. Die Bundesregierung hat den Ablauf bereits schriftlich dargestellt. Sie ist auch weiter bereit, in einem detaillierten Bericht im Anschluß an ihren vorigen Bericht — Drucksache 958 — über den weiteren Verlauf der Verhandlungen alsbald schriftlich zu berichten. Nun möchte ich zu der Großen Anfrage der Fraktion der FDP — Drucksache 1305 — Stellung nehmen. Die Frage 1 dieser Großen Anfrage lautet: Was hat die Bundesregierung auf Grund der einstimmig gefaßten Entschließung des Deutschen Bundestages vom 2. Oktober 1958 unternommen, um a)


      (Beifall bei der SPD und der FDP.)





      (Beifall bei der SPD.)


    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Dr. Ludwig Erhard


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)




      b) Fortschritte in Verhandlungen mit den anderen OEEC-Mitgliedern
      herbeizuführen mit dem Ziele der Schaffung einer Europäischen Freihandelszone?
      Ich antworte darauf: Die Bundesregierung hat sich in den Verhandlungen im Rahmen der EWG — insbesondere in dem „Besonderen Ausschuß der Vertreter der Mitgliedsregierungen und der Kommission zur Prüfung der Frage betreffend eine europäische Wirtschaftsassoziation" — stets und unbedingt für ein Zustandekommen einer GATT-konformen Assoziation zwischen der EWG und den übrigen OEEC-Ländern eingesetzt. Sie hat hierzu diesem Sonderausschuß sogar eine Reihe konkreter Vorschläge unterbreitet. Die zur Bildung einer Freihandelszone erforderliche Übereinstimmung war jedoch trotz aller Bemühungen der Bundesregierung in der EWG nicht zu erzielen.
      Es bestanden hier die bekannten Schwierigkeiten, die schon bei den Beratungen in der OEEC in den Jahren 1957 und 1958 eine Rolle gespielt haben. Da eine grundsätzliche Lösung zunächst nicht erreichbar war, hat die Bundesregierung vom September 1959 an ihre Bemühungen darauf konzentriert, daß die EWG durch pragmatische und provisorische Regelungen ihre Bereitschaft zur Aufrechterhaltung der traditionellen Handelsströme und zur Wiederaufnahme der Gespräche mit ihren außerhalb der EWG stehenden europäischen Handelspartnern dokumentierte.
      Die Bundesregierung blieb unter Ausnutzung aller Gelegenheiten zu Gesprächen mit Vertretern der einzelnen Regierungen ständig um das Ziel einer
      großen europäischen Assoziation bemüht. Aber bei dem Problem einer gesamteuropäischen Integration handelt es sich eben nicht nur um eine Angelegenheit der einzelnen Mitgliedsregierungen der EWG, sondern um eine gemeinsame Sache der EWG als solcher. Es kommt hinzu, daß die Länder der EFTA sich so lange zu Verhandlungen außerstande sahen, als von Experten der Äußeren Sieben an dem Zustandekommen der Kleinen Freihandelszone gearbeitet wurde; das erste Treffen fand am 18. März 1959 in Stockholm statt. Nachdem aber nunmehr über Form und Inhalt der EFTA Klarheit besteht, d. h. nachdem die EFTA-Konvention in Stockholm paraphiert worden ist, ist eine neue Verhandlungsgrundlage gegeben. Seit der Pariser Konferenz von Mitte Januar 1960 und insbesondere seit der Eröffnungssitzung des Handelsausschusses der 21 finden wieder multilaterale Gepräche statt.
      Damit komme ich zur Frage 2, die lautet:
      Wie gedenkt die Bundesregierung in Zukunft dem in der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 2. Oktober 1958 enthaltenen Auftrag gerecht zu werden?
      Ich antworte darauf: Zunächst möchte die Bundesregierung feststellen, daß sie an den Grundsätzen der Resolution des Bundestages nach wie vor, festhält. Aus dem vorher Gesagten ergibt sich aber, daß die Verwirklichung dieses Grundsatzes nicht als eine von heute auf morgen zu lösende Aufgabe verstanden werden kann.
      Der Auftrag ,des Bundestages wird angesichts der Weiterentwicklung der internationalen handelspolitischen Lage und insbesondere angesichts der Pariser Beschlüsse vom Januar dieses Jahres zunächst noch nicht in der ursprünglich gedachten Weise verwirklicht werden können. Insbesondere geht es für die Folgezeit auch darum, die Grundlagen für eine die Vereinigten Staaten und Kanada stärker als bisher einbeziehende wirtschaftliche Zusammenarbeit zu schaffen. In diese Richtung weisen auch die Pariser Beschlüsse.
      Die Vereinigten Staaten stellen sich dabei nicht gegen eine engere europäische Zusammenarbeit. Aber sie wie Kanada legen Wert darauf, daß sie dadurch nicht zusätzlich diskriminiert werden und daß den GATT-Bestimmungen voll Genüge getan wird. Es wird eine der wesentlichen Arbeiten der zwanzig Regierungen und der Kommission der EWG sein, eine genaue Grenzziehung zwischen den Notwendigkeiten und Möglichkeiten einer die USA und Kanada einbeziehenden Zusammenarbeit auf der einen Seite und einer engeren europäischen Zusammenarbeit auf der anderen Seite zu finden. Auch in der Arbeit des Ausschusses für Handelsfragen und gegebenenfalls im europäischen Kontaktausschuß werden die Fragen der Abgrenzung und die Suche nach neuen Formen und Inhalten eines GATT-konformen europäischen Zusammenlebens zentrale Bedeutung erlangen.
      Ich darf also wiederholen: die Bundesregierung wird sich nachdrücklich dafür einsetzen, daß neben den weltweiten und atlantischen Aspekten die europäischen Belange nicht zu kurz kommen. Die Bundes-



      Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
      regierung wird das Ziel, das ihr der Bundestag gesetzt hat, nicht aus dem Auge verlieren.
      Soweit und solange das europäische Einigungswerk nicht zum Abschluß gebracht werden kann, wird die Bundesregierung ihr Augenmerk vor allem darauf richten, daß die europäischen Handelsströme nicht unterbrochen werden. Es wird hierbei darauf ankommen, die Herausbildung von Gegensätzen zwischen der EWG und der EFTA dadurch zu vermeiden, daß die gegenseitige unterschiedliche Zollbehandlung auf beiden Seiten, wenn sie nicht überhaupt vermeidbar ist, so gering wie möglich gehalten wird. Hierbei denkt die Bundesregierung vor allem an gegenseitige oder parallel laufende Zollsenkungsmaßnahmen.
      Diese zunächst pragmatische Methode entspricht einer realistischen Einschätzung der Lage von heute. Die Möglichkeit, schon in naher Zukunft eine materielle und institutionelle Endlösung zu finden, führt die Bundesregierung nicht zur Resignation. Sie ist vielmehr davon überzeugt, daß in einer stetigen gemeinsamen Arbeit an den Problemen des Tages auch der politische Entschluß zu einer umfassenderen integration heranreifen wird.
      Nunmehr komme ich zur Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD — Drucksache 1464 (neu) —.
      Frage 1:
      Welche Gründe waren für das Scheitern der Verhandlungen über die Bildung einer Europäischen Freihandelszone maßgebend, und was hat die Bundesregierung getan, um durch möglichst enge Zusammenarbeit mit allen Mitgliedsländern des Europäischen Wirtschaftsrates (OEEC) dem Ziel der Bildung einer Europäischen Freihandelszone näherzukommen?
      Die Antwort ergibt sich für die Zeit bis Anfang 1959 aus dem Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag vom 26. März 1959 (Drucksache 958) und für die anschließende Zeit aus der soeben durch mich ,erteilten Antwort auf die Frage 1 der Großen Anfrage der Fraktion der FDP. Ich bitte, mir an dieser Stelle eine Bezugnahme darauf zu gestatten. Soweit es sich um weitere Einzelheiten handelt, wird die Antwort laus dem eingangs von mir angekündigten schriftlichen Bericht der Bundesregierung zu ersehen sein.
      Frage 2:
      Wie steht die Bundesregierung zu den Bestrebungen der kleinen Europäischen Freihandelszone (EFTA), mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) über einen einheitlichen Abbau der Handelsschranken zu verhandeln? Welche Initiative gedenkt die Bundesregierung auf diesem Gebiet zu ergreifen, um den Schaden abzuwenden, der für die Bundesrepublik und ihre Nachbarn durch das Scheitern der Europäischen Freihandelszone zu entstehen droht?
      Darauf antworte ich: Die Bundesregierung begrüßt die in der Frage genannten Bestrebungen der
      Länder der EFTA. Freilich kann sich die Initiative der Bundesregierung zunächst nur im Rahmen der EWG entfalten. Auch hier bitte ich, mir weitgehend eine Bezugnahme auf die vorangegangenen Ausführungen zu gestatten. Im übrigen werde ich auf diese Frage im weiteren Verlauf meiner Ausführungen zurückkommen. Es kommt im Augenblick in erster Linie darauf an, Schäden zu verhüten und alles zu vermeiden, was zu einer Verschärfung der Meinungsverschiedenheiten und der Spannungen führen könnte.
      Die Frage 3 der Großen Anfrage der SPD lautet:
      Unterstützt die Bundesregierung Bestrebungen, die EWG zu einem politischen Block zu machen? Ist sich die Bundesregierung der Gefahr bewußt, daß es hierdurch zu einer Spaltung der freien Welt kommen kann?
      Darauf antworte ich: Es ist naheliegend, daß die enge wirtschaftliche Verbindung, ,die die Mitgliedstaaten der EWG durch den Abschluß der römischen Verträge miteinander eingegangen sind, auch zu einer immer engeren Zusammenarbeit in wichtigen Fragen und damit auch zu einer Koordinierung ihrer Außenpolitik in großen Zügen führen wird und führen muß. Die Bundesregierung, die dieser Entwicklung positiv gegenübersteht, hat zugestimmt, daß in regelmäßigen Abständen von drei Monaten die Außenminister der EWG-Staaten zusammentreffen, um die sie gemeinsam ,berührenden politischen Fragen zu erörtern. Dabei wird es sich naturgemäß um Gesprächspunkte von außenpolitischer Bedeutung handeln, die aber so eng mit dem Bestand der Gemeinschaft verknüpft sind, daß sie unmittelbar Rückwirkungen auf diese selbst haben.
      Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß eine solche Übung die Gefahr einer politischen Blockbildung innerhalb der freien Welt auslösen und damit zu einer Spaltung führen könnte. Die bisher bestehenden politischen Konsultationsmöglichkeiten in der NATO und der WEU sollen und dürfen darum in keiner Weise beeinträchtigt, sondern müssen, soweit überhaupt angängig, ausgebaut werden. Die Bundesregierung legt größten Wert darauf, über alle im Kreise der Sechs geführten Konsultationen ihre übrigen atlantischen Partner ausreichend zu informieren.
      Im übrigen hat die Bundesregierung in ihrer positiven Haltung mit ihren Bemühungen, die Mitte Januar zur Einberufung einer Atlantischen Wirtschaftskonferenz führten, wobei wichtige konkrete Ergebnisse gezeitigt wurden, überzeugend dargetan, daß ihr alles daran gelegen ist, den atlantischen Zusammenschluß so umfassend und intensiv wie nur möglich zu gestalten. Das mag als Beweis gelten, daß alle Befürchtungen, die Bundesregierung könnte gegenteiligen Tendenzen Vorschub leisten, unbegründet sind.
      Die Frage 4:
      Ist die Bundesregierung bereit, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um in Abstimmung mit den Partnern in der EWG und insbesondere durch entsprechende Einwirkung auf die



      Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard französische Regierung zu erreichen, daß der EWG-Außenzolltarif das Niveau des deutschen Zolltarifs nicht übersteigt?
      Darauf antworte ich: Für die Aufstellung des gemeinsamen Zolltarifs sieht der EWG-Vertrag in den Artikeln 18 bis 29 feste Regeln vor, die Variationen und beliebige Auslegungen nicht mehr zulassen. Der nach diesen Vorschriften gebildete Außentarif liegt bei sehr vielen Positionen über dem Niveau der zur Zeit in der Bundesrepublik angewandten Zollsätze. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, daß in der Bundesrepublik durch die konjunkturpolitische Zollsenkung des Jahres 1957 die Zölle, insbesondere auf dem gewerblichen Sektor, unter das Niveau der am 1. Januar 1957 angewandten Zölle gesenkt worden sind, während nach dem Vertrag für die Errechnung des gemeinsamen Außentarifs in der Regel der Stand vom 1. Januar 1957 maßgebend ist.
      Die Bundesregierung wird gleichwohl weiter bemüht bleiben, die übrigen EWG-Mitgliedstaaten, insbesondere Frankreich und Italien, davon zu überzeugen, daß es nicht im Interesse der Gemeinschaft liegt, einen hohen Außenzolltarif zu haben. Sie hat bereits in der Vergangenheit alles in ihren Kräften Stehende getan, um auf eine Ermäßigung dieses Außentarifs hinzuwirken. Hier ist vor allem auf die mit dem Beschleunigungsvorschlag der Kommission verbundene Senkung des gemeinsamen Außentarifs um 20 % hinzuweisen. Die Bundesregierung ist entschlossen, sich auch weiterhin mit Entschiedenheit für eine möglichst weitgehende Senkung des Tarifniveaus einzusetzen. Gelegenheit hierzu bieten die bevorstehenden Ausgleichsverhandlungen nach Artikel XXIV des GATT sowie die sogenannte Dillon-Runde.
      Frage 5 heißt:
      Wird die Bundesregierung darauf hinwirken, daß den assoziierten Gebieten der EWG durch die wirtschaftliche Unterstützung der Gemeinschaft die politische Entscheidungsfreiheit, auch hinsichtlich ihrer Beziehungen zur EWG, ermöglicht wird?
      Ich antworte: Den Belangen der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete ist in den Bestimmungen im vierten Teil des EWG-Vertrages Rechnung getragen. In der Präambel zum Vertrag ist die Absicht der EWG ausgesprochen worden, den Wohlstand der überseeischen Länder entsprechend den Grundsätzen der Satzung der Vereinten Nationen zu fördern. Ferne: ist im Durchführungsabkommen über die Assoziierung die Bestimmung enthalten, daß die Investitionsprojekte der Zustimmung der verantwortlichen örtlichen Behörden oder der Vertretung der Bevölkerung der betreffenden Länder und Hoheitsgebiete bedürfen.
      Die Bundesregierung wirkt im Ministerrat der EWG in den Grenzen des Vertrages durch ihren Beitrag zum Entwicklungsfonds und zur Beseitigung der Handelsschranken an der Aufgabe mit, die Ziele der Assoziation zu verwirklichen. Diese Ziele, die sich gemäß Artikel 3 des EWG-Vertrages darauf erstrecken, den Handelsverkehr zu steigern und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung durch gemeinsame Bemühungen zu fördern, dienen einer wirtschaftlichen Stärkung und Konsolidierung dieser Gebiete, aber beeinträchtigen ihre politische Entscheidungsfreiheit nicht.
      Auch nach dem Ausscheiden aus den spezifischen Bindungen zu einem Mitgliedstaat der EWG können sich die bereits unabhängig gewordenen oder noch selbständig werdenden Länder frei entscheiden, ob sie mit der EWG assoziiert bleiben wollen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die assoziierten Länder über ihren politischen Status selbst zu befinden haben.
      Die Frage 6 endlich:
      Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die wirtschaftlichen und finanziellen Hilfen für die assoziierten Gebiete der EWG nicht zu einer Diskriminierung der übrigen Entwicklungsländer in Afrika, Asien und Amerika werden zu lassen?
      Die wirtschaftlichen und finanziellen Hilfen für die assoziierten Gebiete sind im EWG-Vertrag geregelt; nach der nahezu einstimmigen Annahme des entsprechenden Gesetzes durch die gesetzgebenden Körperschaften ist der Vertrag für die Bundesrepublik bindendes Recht geworden. Das Ausmaß der finanziellen Hilfe, zu der sich Bundestag und Bundesregierung seinerzeit bekannt haben, entsprach und entspricht auch heute noch politischer Notwendigkeit.
      Die Bundesregierung ist sich dessen bewußt und hat es durch die Tat bewiesen, daß sie die Hilfe für die Entwicklungsländer in aller Welt als einen wichtigen Bestandteil ihrer Politik ansieht. Die am 13. Januar 1960 vom Bundesministerium für Wirtschaft herausgegebene Presseverlautbarung unter dem Titel „Finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer durch die Bundesrepublik Deutschland" legt dafür ein beredtes Zeugnis ab. Die Bundesregierung beteiligt sich daher intensiv an den Arbeiten der in der Pariser Konferenz vom 14. Januar 1960 eingesetzten Arbeitsgruppe für Entwicklungsländer.
      Meine Damen und Herren, lassen .Sie mich nun — auch auf die Begründung eingehend — noch grundsätzlich etwas sagen. Ich möchte ganz bewußt die Frage in den Vordergrund stellen: Was hat die Bundesregierung getan, um das Ziel einer gesamteuropäischen Integration zu erreichen? Es kann gar kein Zweifel sein, und es ist eindeutig nachweisbar, daß die Bundesregierung sich stets um eine große europäische Lösung bemüht hat und auch weiter bemühen wird. Wenn die Bundesregierung — sei es im Bereich und im Kreise der Sechs oder in einstimmigen Beschlußfassungen in größeren Gremien —immer wieder für den Gedanken einer Freihandelszone und im späteren Verlauf mit einer Änderung des Terminus technicus für eine multilaterale Assoziation eintrat, so war das ehrlich gemeint. Jeder Verdacht etwa, daß gelegentlich der Einbringung des EWG-Vertrages und bei der Beschlußfassung



      Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
      des Bundestages eine Täuschung beabsichtigt gewesen sein könnte, hält gegenüber der stets eindeutigen Haltung der Bundesregierung in keiner Weise stand.
      Meine Damen und Herren, ich darf sogar noch den Vorsitzenden der CDU, Herrn Bundeskanzler Adenauer, zitieren. Er hat sich erst vor wenigen Tagen in Karlsruhe dahin geäußert:
      Selbstverständlich wollen wir nicht, daß Europa in zwei Blöcke auseinanderfällt, auch nicht einmal in zwei Wirtschaftsblöcke; deswegen wollen wir versuchen und ernsthaft bemüht sein, in Gesprächen mit den Vertretern der EFTA eine auf gegenseitiges Entgegenkommen beruhende Verständigung zu finden.
      Ich kann 'darauf verzichten, noch andere Beweise anzuführen, um so mehr als sie bereits bei der Begründung vorgebracht worden sind. Die Bundesregierung hat sich durch das Vorbringen immer neuer Vorschläge in den Verhandlungen, von Messina angefangen bis zur Gegenwart, immer wieder, auch in den Details, bemüht, fruchtbare Lösungen zu finden, Spannungen und Spaltungen zu verhindern. Ich darf an die Konferenzen von Venedig und Brüssel, an die Zusammenkunft der Regierungschefs von Frankreich und 'der Bundesrepublik in Bad Kreuznach erinnern. Die Bundesregierung hat selbstverständlich auch in den Ministerratssitzungen in Brüssel im Dezember 1958 und im März 1959 immer ihren Willen zu ,einer multilateralen Assoziation bekundet. Diese Beschlüsse des Ministerrats sind im übrigen einstimmig gefaßt worden.
      Was nun die Kontakte mit 'den anderen OEEC-
      Ländern anbelangt, so waren wir in vielen Einzelgesprächen, aber auch auf Tagungen immer wieder bemüht, in diesem Kreise umgekehrt Verständnis für die Belange der EWG zu finden, ,denn erst aus dem gegenseitigen Verstehen erwächst das ernste Bemühen, über manche Widrigkeit, über manche Irrungen und Wirrungen schließlich doch zusammenzufinden. Bei jedem Lösungsversuch — dessen sind wir überzeugt — muß davon ausgegangen werden, daß die EWG — das ist der Sinn, das ist auch der Inhalt des Vertrages - in ihrer Substanz erhalten und unangetastet bleibt. Ich wäre der letzte, der bereit wäre, einen Vertrag nicht zu erfüllen. Aber es geht darum, die wirtschaftliche Situation, die sich innerhalb der EWG ausprägt, in liberaler und weltweit offener Weise fortzuentwickeln und für die Folgezeit — vor allen Dingen in Gesprächen mit der EFTA — ernstere Schäden zu verhüten.
      Hat, so frage ich, 'die Bundesregierung oder die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft bisher denn überhaupt nichts getan, um die Verbindungen mit den übrigen europäischen Ländern oder die gattweiten Beziehungen befriedigend zu lösen? Die Tatsache allein, ,daß ein Teil der internen Zoll- und Kontingentsmaßnahmen mit dem Inkrafttreten der EWG am 1. Januar 1959 modifiziert auf ,andere Länder ausgedehnt worden ist, kann schon als ein Beweis dafür gelten, daß sich die EWG-Länder und ihre Regierungen bewußt waren, daß eine Isolierung eine schlechte Politik wäre.
      Auch die Bemühungen, den Außentarif zu senken, müssen hier angeführt werden. Ich behaupte nicht, daß der Außentarif, so wie er sich nach den Spielregeln des Vertrages errechnet, schon eine Dokumentation liberalen Geistes sei, und ich bin auch nicht der Meinung, daß eine 20 %ige Senkung des Außentarifs bereits unseren deutschen Vorstellungen von einer liberalen, weltweiten Handelspolitik entsprechen würde. Es ist ganz selbstverständlich, daß ein Land wie die Bundesrepublik, die im Export jetzt an zweiter Stelle in der Welt steht, in ökonomischer und sozialer Hinsicht ein vitales Interesse daran haben muß, daß die Verbindungen zu der übrigen Welt offenbleiben.

      (Beifall in der Mitte.)

      Ich habe es auch bei der Hannoverschen Messe deutlich genug gesagt. Welcher Deutsche und welcher Franzose würde sich nicht ehrlich darüber freuen, daß zwischen ihren beiden Ländern eine Aussöhnung Platz greift und das Gefühl echter, freundschaftlicher Verbundenheit im Wachsen begriffen ist! Ich bin aber nicht der Meinung, daß das Verlangen, Freundschaften zu pflegen, die Konsequenz haben muß, andere Freundschaften trüben zu lassen.

      (Sehr gut! in der Mitte.)

      Freundschaften sind nicht nach dem Prinzip der Exklusivität zu messen.
      So also wird es sich darum handeln, ernsthafte Verhandlungen mit dritten Ländern, vor allen Dingen mit der EFTA, zu führen. Ich darf Ihnen hier nicht nur als meine eigene Auffassung, sondern als die der Bundesregierung sagen, daß diese im Ministerrat der EWG dahin wirken wird, alle Möglichkeiten für eine befriedigende Gestaltung eines freien Außenhandels, insbesondere auch mit den Ländern der EFTA, auszuschöpfen. Soweit also die dadurch noch einmal dokumentierte Haltung der Bundesregierung!
      Es wird Gelegenheit sein, noch einmal in der gleichen Richtung auf der Pariser Atlantischen Konferenz zu wirken, die im Januar 1960 erstmalig einberufen wurde und im Mai eine Fortsetzung erfährt. Hier ist insbesondere an den dort eingesetzten Handelsausschuß der 21, d. h. der 18 Vollmitglieder der OEEC mit den USA, Kanada und der Europäischen Kommission zu denken.
      Ich glaube, die Diskussion wird fruchtbarer, wenn wir sie auch nach dem Aktuellen hin gestalten, nämlich in Beziehung zu dem Beschleunigungsvorschlag der Kommission, d. h. dem Vorschlag einer Verkürzung der Fristen des EWG-Vertrags. Meine Damen und Herren, es ist kein Geheimnis, daß sowohl in der Bundesregierung als auch in der Öffentlichkeit um diesen Vorschlag ernsthaft gerungen worden ist. Aber ich darf noch eines hinzufügen, um manche falschen Beleuchtungen aus der Welt zu schaffen.
      Ich sagte es vorhin schon: Selbstverständlich erfüllen wir Verträge dem Geiste nach und, wenn Sie wollen, sogar dem Buchstaben nach. Aber die Verkürzung der Fristen ist nicht zwingendes Recht des Vertrages, sondern stellt nur eine Möglichkeit dar. Darum ist es nicht nur unser Recht, sondern auch



      Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
      unsere Pflicht, in einem solchen Falle zu prüfen, welche Wirkungen sich aus einer solchen Malinahme nach innen und nach außen ergeben.

      (Sehr gut! in der Mitte.)

      Darauf allein kam es mir an! Wenn man gründlich nachdenken will, braucht man Zeit. Ich glaube, daß der Weg, der sich jetzt abzeichnet, doch als fruchtbar, ersprießlich und hoffnungsvoll bezeichnet werden kann.
      Es wäre falsch zu sagen, die Beschleunigung, für die sogar manches spricht, bringen nur Vorteile mit sich. Nein, soweit es nicht gelingt, mit der EFTA eine Verständigung zu finden, was wir wirklich sehnlichst wünschen, würde eine Verkürzung der Fristen zwangsläufig zu einer Verschärfung der Spannungen, des beiderseitigen Mißvergnügens, des Gefühls des Diskriminiertwerdens führen müssen. Deshalb ist es gerade so wesentlich, zu einer Verständigung zu kommen.
      Selbstverständlich sind auch die Zollanhebungen, die damit für die Bundesrepublik gerade in der Hochkonjunktur notwendig werden, nicht gerade positiv zu beurteilen; denn im Hinblick auf die Preisstabilität ist die Zollanhebung natürlich nicht gerade das allerbeste Mittel, das zu einer Bändigung der überschäumenden Kräfte geeignet erscheint. Wir dürfen indessen hoffen, ja sogar erwarten, daß, insbesondere vom Standpunkt der Bundesrepublik aus, leichtere Übergangsmöglichkeiten geschaffen werden können.
      Der eindeutige Vorteil einer Verkürzung liegt darin, daß damit endlich der scheinbar festgefügte gemeinsame Außentarif nach unten gedrückt wird. Das löst in bezug auf die vorher von mir erwähnten Bedenken eine Gegenkraft -aus und bedeutet eine gewisse Heilung in sich selbst. Es war, so glaube ich, niemand in Deutschland, der von Anfang an grundsätzlich gesagt hat: Wir sind unter allen Umständen gegen eine Beschleunigung. Vielmehr lautete die Fragestellung immer dahin: Was müssen wir tun und was ist zu besorgen, damit eine Beschleunigung nicht zu einer Gefahr wird? Je eher wir zu einer Verständigung kommen, sei es durch die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen auf atlantischer Ebene, sei es auch durch eine bessere Verklammerung zwischen EWG und EFTA, desto leichter lassen sich Gefahren bannen, die sich in einer Versteifung bzw. Atomisierung der Interessenlagen herausbilden könnten.
      Ich befürchte, daß, wenn die Versöhnung nicht gelänge, die Gefahr von Fehlinvestitionen nicht von der Hand zu weisen wäre. Wenn z. B. die Vereinigten Staaten zunehmend sowohl im Raum der EWG wie auch im Raum der EFTA investieren und wenn sich unsere deutsche Industrie bemüht — es wird bei den anderen Ländern der EWG nicht anders sein —, auf dem Boden der EFTA Fuß zu fassen, und umgekehrt die EFTA mit entsprechenden Investitionen hier ihre Stützpunkte errichtet, dann wird niemand behaupten wollen, daß diese Aktionen, die sich in ganz kurzer Zeit mit so großer Deutlichkeit ausgeprägt haben, nur auf volkswirtschaftliche Überlegungen zurückzuführen seien und nur etwa von
      marktwirtschaftlichen Vorstellungen beherrscht
      seien. Nein, es ist ganz selbstverständlich — und so denken die Kaufleute —, daß man sich ausrechnet, was es wert ist, innerhalb eines Wirtschaftsbereichs zu stehen, und was es kostet, außerhalb zu bleiben. Das sollte man nicht vergessen.
      Das besagt gar nichts in bezug auf die Ziele und Zwecke der EWG. Das sagt auch nichts gegen die EFTA, denn im Grunde genommen verhalten sie sich ja gleichmäßig. Aber im ganzen glaube ich, daß jetzt eine gute Atmosphäre für eine Verständigung gegeben ist.
      Die Bundesregierung und auch die vier Minister, die in einem Spezialkomitee eine Verständigung vorbereitet haben, waren der Auffassung, daß die Landwirtschaft aus der Verkürzung ausgenommen werden sollte, nicht etwa, weil die Landwirtschaft grundsätzlich eine Sonderregelung haben müßte, sondern weil es angesichts der noch fortbestehenden Unklarheit über die Agrarpolitik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und über die Ausgestaltung einer europäischen Marktordnung kaum zumutbar erscheint, jetzt Bindungen einzugehen, die sich in letzter Konsequenz noch nicht übersehen lassen. In der Aussprache wird dazu sicher noch mehr gesagt werden. Dann mögen sich Sachverständigere auf diesem Gebiet äußern.
      Ich bin dessen gewiß, daß z. B. auch die kommenden Zollverhandlungen im GATT ein weiteres Mal dazu beitragen werden, überall dort, wo der Zolltarif des Gemeinsamen Marktes Mißvergnügen und Unbehagen auslöst, Verständigungen zu suchen und zu finden; denn es scheint mir kein Zweifel zu sein, daß wir mancherorts und vor allen Dingen dort, soweit Zoll-Bindungen unsererseits bestehen, noch einmal zu einer Senkung spezifischer Zölle und gerade der neuralgischen Zölle kommen werden.
      Sie wissen, meine Damen und Herren, daß man mittels einer Art Zahlenakrobatik immer wieder den Versuch unternommen hat, auszurechnen, was und wieviel denn eigentlich, insbesondere von der Bundesrepublik aus gesehen, die Anhebung der Zölle bedeutet, ob die Wirkung wirklich so dramatisch ist oder ob sie bagatellisiert werden kann. Ich glaube, daß, so gestellt, die Frage überhaupt nicht zu beantworten ist. Sicher ist nur das eine: daß eine Durchschnittsrechnung, in der alles in einen Topf geworfen wird, in der z. B. das Zollaufkommen von gestern und morgen in Vergleich zu der Gesamteinfuhr vor und nach den Änderungen der Tarife gesetzt wird, gleichgültig ob es sich um zollbare oder nichtzollbare Waren handelt, keine Aussagekraft hat. Wir wissen alle, daß z. B. bei den Marktordnungsprodukten der Landwirtschaft der Zoll eine relativ nebensächliche Rolle spielt. Wir wissen auch, daß ein Entfall der Finanzzölle, die bei jeder Durchschnittsrechnung sehr stark ins Gewicht fallen, praktisch ohne wirtschaftliche Bedeutung ist, da an Stelle der Zölle dann entsprechende innere Belastungen Platz greifen. Auch aus rein fiskalischer Sicht, glaube ich, könnte man auf diese Erträge nicht verzichten.
      Damit komme ich noch einmal auf den Standpunkt der praktischen Wirtschaft selbst zu sprechen. Sie



      Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
      wissen, daß die Meinung trotz eines klaren Bekenntnisses zu weltweiter Offenheit doch nicht ganz einheitlich ist. Die erste Reaktion erfolgte aus der großen Sorge, was sich da ereignen mag. Die deutsche Industrie hat sich zu meiner großen Freude offenbar an unsere niedrigen Zölle gewöhnt und erkennt darin einen Wert. Ich hoffe, daß diese Tugend nachhalten wird.

      (Abg. Scheel: Sehr gut!)

      Die Industrie hat zunächst einmal Sorgen dahin geäußert, ob unsere Wettbewerbsposition durch die Anhebung deutscher Zölle nicht verschlechtert wird. Ich glaube, die Frage ist sehr wohl berechtigt.
      Dabei komme ich noch einmal auf die Bewertung der Zollhöhe selbst zurück. Man kann aus Durchschnittszöllen überhaupt keine Folgerungen ziehen. Wer in der Maschinenindustrie, in der chemischen Industrie oder wo auch immer sitzt, wird nicht befriedigt und beruhigt sein, wenn man ihm vorrechnet: Die Gesamtzollbelastung der deutschen Wirtschaft betrug seither soundsoviel und erhöht sich jetzt auf soundsoviel Prozent. Das hat für diese Leute gar kein Interesse. Sie rechnen sich vielmehr aus: Unsere Zollposition XY, die bisher auf x % gelautet hat, wird auf y % erhöht. Das ist die einzig realistische Betrachtungsweise.
      Es ist meiner Ansicht nach auch die spezifische Aufgabe des eingesetzten Kontaktausschusses, überall dort anzutreten, wo es sozusagen Erste Hilfe zu ]eisten gilt und wegen untragbarer Diskrepanzen kurzfristige Lösungen zu finden, die die traditionellen Handelsströme nicht unterbrechen, die uns oder unseren Nachbarn außerhalb der EWG keinen Schaden zufügen. Der Kontaktausschuß hat nicht die Aufgabe, künftig die Wirtschafts- oder die Handelspolitik der EWG selbstherrlich in die Hand zu nehmen. Der Kontaktausschuß hat keine grundsätzlichen Fragen zu bearbeiten, sondern überall dort anzutreten, wo Gefahr im Verzuge ist und es sich darum handelt, durch Einzelmaßnahmen und Einzellösungen — das wird in einer ganzen Reihe von Wirtschaftszweigen der Fall sein - Ausgleiche zu suchen.
      Die Wirtschaft hat naturgemäß auch ein Interesse daran — das ist wieder verständlich und spricht in gewissem Sinne für eine Beschleunigung —, möglichst bald klare Verhältnisse zu schaffen, damit sie endlich weiß, wie und wo sie steht, und damit ihre längerfristigen Überlegungen auf sicherem Boden ruhen. Selbstverständlich wünscht die deutsche Wirtschaft genau wie wir eine möglichst gute Verständigung mit der EFTA, um klare Verhältnisse zu schaffen, und zwar klare Verhältnisse nicht nur für den Augenblick, sondern auf lange Sicht.
      Das Kabinett hat sich in seiner Sitzung vom 22. April dahin geeinigt, daß grundsätzlich jede Maßnahme zu begrüßen sei, die die Ziele des EWG-Vertrages fördere und eine Stärkung der Gemeinschaft der sechs Länder herbeiführe.
      Die Bundesregierung knüpft aber an den Vorschlag der Kommission Vorstellungen hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem die Verkürzung der Fristen
      verwirklicht werden soll. Der gemeinsame Außentarif wird dabei um 20 % gekürzt werden.
      In diesem Zusammenhang ist die Frage entstanden, ob damit zugleich eine endgültige Konsolidierung erfolgen solle. Ich für meine Person würde das wünschen! Aber die Zöllner erheben demgegenüber den Einwand, daß man dieses Pfand bei den kommenden GATT-Verhandlungen bzw. bei der Dillon-Runde als Verhandlungsobjekt in der Hand haben müsse. Es kommt da auf eine grundsätzliche Einstellung an. Ich persönlich bin der Meinung, daß der Zoll an sich kein nationaler Wert ist, der unter allen Umständen verteidigt werden müßte. Im Regelfall ist er zu hoch und erweist sich dann als ein Unglück. Die Zöllner, die in dieser Beziehung von einer anderen Denkweise erfüllt sind, werden also die 20%ige Zollsenkung, die wir nach außen vornehmen, als Verhandlungsobjekt behalten wollen. Ich hoffe aber — und die Bundesregierung wird dafür eintreten —, daß bei den GATT-Verhandlungen seitens der EWG Zollsenkungen über jene 20 % hinaus Platz greifen werden.

      (Abg. Dr. Deist: Sitzen in der Bundesregierung keine dieser Zöllner? — Heiterkeit.)

      - Gibt es auch! Die gibt es seit Jesus Christus in aller Welt.

      (Anhaltende Heiterkeit. — Abg. Illerhaus: Es gibt auch Pharisäer!)

      Noch eines scheint mir für die Betrachtung wichtig zu sein. Wir treten dafür ein — und ich glaube, wir werden dazu auch die Zustimmung unserer Partner in der EWG finden —, daß die deutschen Zollanhebungen im Ausmaß dadurch gemildert werden, daß die Rückgängigmachung der konjunkturpolitischen Zollsenkung in Etappen erfolgt. Denn es ist gerade die Rückspulung der konjunkturpolitischen Zollsenkung, die in besonders starkem Maße den Effekt einer Zollerhöhung auslöst.
      Das Wesentlichste von allem scheint mir folgendes zu sein. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß vor der Inkraftsetzung einer Beschleunigung alle Möglichkeiten einer Verständigung mit der EFTA ausgenützt werden sollten. Wir wollen damit einem Gebot der Loyalität und der Fairneß auch gegenüber unseren Partnern und Freunden außerhalb der EWG genügen. Diese Verhandlungen müssen mit großer Intensität geführt werden, weil zum 1. Januar die vorgesehenen Maßnahmen der Verkürzung erfolgen sollen, die letzte Entscheidung und das Gesetz des Handelns aber nicht in die Hände unserer Verhandlungspartner gelegt werden können. Diese Verhandlungen müssen nach meiner Überzeugung und auch nach Auffasung der Bundesregierung auf Ministerebene oder auf Staatssekretärebene geführt werden; denn es ist nach dem Vertrag der Ministerrat, der die Verantwortung für die Politik der EWG trägt. Die Europäische Kommission hat nicht den Status einer Regierung, und sie hat auch nicht die Politik der EWG zu verantworten. Nur aus dem politischen Wollen heraus kann und wird nach meiner Überzeugung die Lösung dieser so wichtigen Frage, d. h. eine Einigung mit der EFTA gefunden werden. Selbstverständlich



      Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
      setzen wir die gleiche gute Gesinnung und die gleiche Aufgeschlossenheit bei unseren Freunden von der EFTA voraus und sind dessen auch gewiß. Denn in der Zwischenzeit habe ich den Eindruck gewonnen, daß in keinem Lager eine ungetrübte Freude vorherrscht, wenn zu befürchten wäre, daß sich die beiden Wirtschaftsbereiche stärker auseinanderleben könnten. Ich will mich ganz vorsichtig ausdrücken und vermeide mit Absicht harte Begriffe wie „Spaltung", „Blockbildung" und alles, was die Situation über Gebühr dramatisieren könnte. Nein, ich sage: auseinanderleben, und zwar mit aller Trübsal, die auch damit verbunden wäre. Es ist offenkundig: Sosehr wir ein vitales nationales wirtschaftliches und soziales Interesse daran haben, mit der ganzen Welt verbunden zu bleiben, sosehr wir das Prinzip der Meistbegünstigung und der Multilateralität als ein unverzichtbares Prinzip bei der fruchtbaren Gestaltung des Welthandels ansehen — jetzt stehen wir vor einer vergleichsweise kleineren und engeren Entscheidung. Europa ist ja nicht nur als ein wirtschaftliches Gebilde, nicht nur in politischem Sinne zu verstehen, sondern Europa bedeutet auch eine geistigkulturelle Einheit. Gerade die bunte Mannigfaltigkeit, die da lebendig ist, darf nicht zerstört werden. Sie hat immer das europäische Zusammenleben und die Freundschaft zwischen den Völkern befruchtet.
      Im Grunde genommen haben wir es ja mit zwei Problemen zu tun. Zunächst ist das kurzfristige Problem zu lösen. Wenn die Verkürzung nach unserem Willen erst zum 1. Januar 1961 Platz greift, haben wir am 1. Juli 1960 mit einer Zollsenkung nach innen um 10 % und zum 1. Januar 1961 mit einer weiteren Zollsenkung nach innen um 10 % zu rechnen. Die Frage lautet: Was kann zu diesen Terminen im Hinblick auf diese Schritte geschehen, um durch eine Angleichung der Politik zwischen EWG und EFTA den Graben nicht zu vertiefen, sondern nach Möglichkeit sogar auszufüllen?
      Diese Bereitschaft ist nach meiner Überzeugung heute vorhanden, denn einerseits sind manche Länder der EFTA so stark mit der EWG und im besonderen mit der Bundesrepublik verbunden, daß auch von dieser Seite her der Drang und das Wollen nach einer Verständigung lebendig sein wird, wie ich zum anderen die deutsche Situation schon gekennzeichnet habe.
      Kurzfristig stellt sich also das Problem: Was kann man in einem pragmatischen Verfahren, insbesondere durch die Einschaltung des Kontaktausschusses, tun, um die beiden Bereiche so nahe wie möglich verbunden zu halten. Diese Frage läßt sich bei gutem Willen lösen; sie läßt sich auch in etwa mit dem Instrumentarium lösen, das schon bisher Anwendung gefunden hat.
      Aber neben dem kurzfristigen Problem gibt es ein langfristiges Problem, und damit ist wieder die Frage der „multilateralen Assoziation" angeschnitten. Wir können dieser Frage nicht ausweichen; denn wenn zum 1. Januar 1962 zu der bis dahin vollzogenen 30 %igen Zollsenkung noch einmal 20 % hinzukommen, der Zollabbau nach innen also 50 % beträgt, und bis dahin auch die EFTA-Länder
      ihre Zölle nach innen um 50 % gesenkt haben — wir wissen heute schon aus manchen Erklärungen, daß die EFTA-Länder unser Tempo mithalten werden —, dann können wir in beiden Lagern nicht mehr mit dem provisorischen Mittel der Gewährung so weitreichender Zollsenkungen auf GATT-weiter Grundlage operieren. In dieser Beziehung gibt es auch zwischen den beteiligten Ressorts der Bundesregierung keine Meinungsverschiedenheiten. Jeder, der sich mit der Frage befaßt, muß zu der Überzeugung kommen, daß bei einer Zollsenkung von 20 % — also 10 plus 10 im nächsten halben Jahr — die Schwierigkeiten noch einmal mit pragmatischen Lösungen, mit Übergangshilfen zu bereinigen sind — nicht mehr aber zum 1. Januar 1962. Da muß eine Lösung gefunden werden, die vom System her eine bessere Verklammerung oder eine Zusammenschau der Interessen von EWG und EFTA gewährleistet.
      Ich will nach dieser Richtung keine Modelle aufzeigen, sondern das den Herren Abgeordneten überlassen. Aber die Lösungen bieten sich sozusagen fast von selbst an. Es gibt nicht sehr viele Variationen, wie EWG und EFTA zu einer systemgebundenen Zusammenarbeit gelangen können.
      Lassen Sie mich zum Schluß noch etwas Positives sagen. Wir wollen doch nicht vergessen, daß seit dem Jahre 1948 viele internationale und auch europäische Bemühungen in Richtung einer immer engeren und freieren Verbindung der Nationalwirtschaften zu sichtbarem Erfolg geführt haben. Es ist sicher nicht die EWG gewesen, die die Konvertierbarkeit der Währungen in Europa bewirkt hat. Es lag aber im Wesen der europäischen Zusammenarbeit, daß diese Frucht herangereift ist. Die Konvertierbarkeit der Währungen stellt heute eine weitere und gewiß nicht die schlechteste Verklammerung dar. Die fortschreitende Gesundung der französischen Wirtschafts-, Währungs- und Finanzlage ist ein wesentlicher positiver Faktor von europäischer Bedeutung, und wir wollen glücklich sein, daß es Frankreich unter der jetzigen Regierung gelungen ist, mit einer klaren Wirtschaftspolitik in kurzer Zeit wieder so sichtbare Erfolge zu erreichen. Das macht auch die europäische Verständigung über die EWG hinaus zweifellos leichter.
      Schließlich glaube ich auch, daß der Zug in Richtung auf eine liberale Gestaltung der Außenhandelspolitik nicht zu verkennen und nicht mehr zu leugnen ist. Ich habe dazu schon gesagt, daß man in diesem oder jenem Land über die Charakterisierung liberaler Handelspolitik unterschiedlicher Meinung sein kann. Aber angesichts des Trends der Handelspolitik der europäischen Länder — sowohl in ihren einzelnen Bereichen wie auch in umfassenderen Gemeinschaften — können wir uns darauf verlassen, daß wir hier noch nicht am Ende stehen, denn es entspricht einem Gesetz der Logik, daß ein wirtschaftlicher Verband um so liberaler sein kann, je umfassender er gestaltet ist. Die Enge des Denkens erwächst immer nur aus der ökonomischen oder auch der politischen Inzucht. Wenn sich die Grenzen weiten, dann ist für eine liberale Politik sehr viel mehr Raum. Wir wollen alle unsere Kraft daran-
      Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 111. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 4. Mai 1960 6205
      Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
      setzen und getreu den Empfehlungen und den Richtlinien, die dieses Hohe Haus uns gegeben hat, dafür sorgen, daß über die engere Bindung der EWG, über ihre innere Festigung hinaus gleichwohl der europäische Gedanke nicht verlorengeht, der Funke nicht verlischt.

      (Beifall bei den Regierungsparteien.)