Rede:
ID0310212900

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3102

  • date_rangeDatum: 17. Februar 1960

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    Deutscher Bundestag 102. Sitzung Bonn, den 17. Februar 1960 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Wittmann und Dr. Böhm . . . . 5485 A Fragestunde (Drucksache 1609) Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Filme antideutscher Tendenz im amerikanischen und kanadischen Fernsehen Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5485 C Frage des Abg. Schmitt (Vockenhausen): Verhalten des Konsuls Karl Julius Hoffmann in New York Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5485 D, 5486 A Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 5486 A Frage der Abg. Frau Dr. Hubert: Vorlage des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten an den Bundestag Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5486 B Frau Dr. Hubert (SPD) 5486 D. Frage des Abg. Dr. Bucher: Besetzung der deutschen Botschaft in Paris Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5487 A Frage des Abg. Lohmar: Äußerung des Abg. Gradl in der außenpolitischen Debatte des Bundestages am 10. Februar Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5487 A Lohmar (SPD) . . . . . . . . . 5487 B Frage des Abg. Dr. Werber: Nichtseßhaftenfürsorge Dr. Schröder, Bundesminister 5487 C, 5488 A Dr. Werber (CDU/CSU) . . . . . 5487 D Frage des Abg. Lohmar: Verhalten des Publizisten Schlamm Dr. Schröder, Bundesminister . . 5488 A, B Lohmar (SPD) . . . . . . . . 5488 A, B Frage des Abg. Dr. Arndt: Förderung Münchens als bayerische Landeshauptstadt durch dein Bund Lücke, Bundesminister 5488 C Frage des Abg. Baier (Mosbach): Erstellung von Kinderspielplätzen Lücke, Bundesminister . . 5488 D, 5489 B Baier (Mosbach) (CDU/CSU) . . . 5489 B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Februar 1960 Frage des Abg. Schmitt (Vockenhausen) : Steuerfreiheit bei Abwicklung von Geschäften über Gesellschaften mit dem Sitz in Vaduz Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 5489 C Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 5489 C Frage des Abg. Dr. Ratzel: Förderung des Ausbaus eines Ferngasnetzes durch die Bundesregierung Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 5489 D Frage des Abg. Ludwig: Kündigung von 350 deutschen Arbeitern des französischen Militärbetriebs BRM zum Jahresende 1959 Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 5490 B Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Vorlage des Bundeswaffengesetzes für den zivilen Bereich durch die Bundesregierung Dr. Westrick, Staatssekretät 5490 D, 5491 A Bauer (Würzburg) (SPD) . . . . . 5491 A Frage des Abg. Dr. Bechert: Aufklärung der Käufer von Freibankfleisch Schwarz, Bundesminister . 5491 B, 5492 A Dr. Bechert (SPD) . . . 5491 C, 5492 A Frage des Abg. Seidel (Fürth): Weiterführung von Karteikarten aus der Zeit vor 1945 bei der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Blank, Bundesminister . . . . . 5492 B Seidel (Fürth) (SPD) 5492 C Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Veröffentlichung von Urteilen im Bundesversorgungsblatt Blank, Bundesminister . 5492 D, 5493 A Jahn (Marburg) (SPD) 5493 A Frage des Abg. Brück: Beeinträchtigung des Königsforstes durch die geplante Bundesstraße 55 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5493 B Frage des Abg. Brück: Linienführung der Umgehungsstraße von Bensberg zur B 55 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5493 C Frage des Abg. Schmitt (VOckenhausen): Einführung von Parkscheiben Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5493 D Frage des Abg. Baier (Mosbach) : Unfälle auf der Autobahn Frankfurt— Mannheim und Mannheim—Heidelberg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5494 B Frage des Abg. Hübner: Einrichtung einer 1. Klasse im Flugverkehr zwischen Berlin und dem Bundesgebiet Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5495 C Frage des Abg. Schmidt (Hamburg) : Besetzung der Radargeräte im Bereich der Bundesanstalt für Flugsicherung Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5495 D, 5496 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 5496 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Neuregelung der sozialen Krankenversicherung (Drucksache 1298); verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz — KVNG) (Drucksache 1540) — Erste Beratung — Rohde (SPD) 5497 A Blank, Bundesminister . 5498 D, 5527 A Stingl (CDU/CSU) 5508 B Dr. Schellenberg (SPD) 5517 B Dr. Stammberger (FDP) 5527 D Frau Kalinke (DP) 5532 C Dr. Franz (CDU/CSU) 5545 A Frau Dr. Hubert (SPD) 5547 C Schneider (Hamburg) (CDU/CSU) 5550 B Dr. Bärsch (SPD) . . . . . . . 5554 C Mischnick (FDP) . . . . . . . 5558 D Geiger (Aalen) (SPD) 5560 C Frau Korspeter (SPD) 5566 B Frau Döhring (Stuttgart) (SPD) . . 5568 A Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . 5569 B Börner (SPD) 5571 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . 5572 D Anlage 5573 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Februar 1960 5485 102. Sitzung Bonn, den 17. Februar 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 2. Bauereisen 19. 2. Behrisch 18. 2. Benda 19. 2. Dr. Birrenbach 19. 2. Brand 19. 2. Brüns 2. 7. Deringer 19. 2. Eberhard 27. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Eilers (Oldenburg) 19. 2. Even (Köln) 29. 2. Frau Friese-Korn 27. 2. Geiger (München) 19. 2. D. Dr. Gerstenmaier 17. 2. Glüsing (Dithmarschen) 19. 2. Dr. Greve 17. 2. Dr. Gülich 16. 4. Haage 19. 2. Dr. von Haniel-Niethammer 19. 2. Hellenbrock 19. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 20. 2. Horn 19. 2. Hübner 19. 2. Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich Illerhaus 17. 2. Jacobs 7. 3. Jahn (Frankfurt) 23. 4. Dr. Jordan 19. 2. Kalbitzer 19. 2. Frau Klemmert 15. 5. Koch 19. 2. Leukert 19. 2. Dr. Lindenberg 19. 2. Lulay 29. 2. Maier (Freiburg) 16. 4. Metzger 18. 2. Mühlenberg 19. 2. Müser 20. 2. Probst (Freiburg) 17. 2. Ramms 19. 2. Scheel 17. 2. Schlick 20. 2. Schultz 17. 2. Dr. Starke 19. 2. Dr. Steinmetz 19. 2. Wehr 23. 4. Frau Welter (Aachen) 27. 2. Werner 24. 2. Dr. Willeke 1. 3. b) Urlaubsanträge Frau Berger-Heise 27. 2. Dr. Leverkuehn 25. 2. Spitzmüller 8. 3.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Jawohl, das tue ich. Aber, Herr Präsident, Sie werden gestatten, daß ich solche Zwischenrufe beantworte, auch wenn sie nicht in die erste Lesung hineingehören und wenn sie nicht immer sachlich sind. Auch ein unsachlicher Zwischenruf sollte beantwortet werden. Vielleicht dient die Antwort der Aufklärung.
    Es ist vielleicht auch den Kollegen der SPD, von denen viele auch in maßgeblichen Stellungen der privaten Krankenversicherung tätig sind und von denen viele, Gewerkschaftler, in Aufsichtsräten sitzen, bekannt, daß es in der Krankenversicherung nur verschwindend wenige Aktiengesellschaften, in der überwiegenden Zahl aber Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit gibt, die genauso kontrolliert sind, wie es früher einmal die Versicherungsvereine der Arbeiter und Angestellten waren, und die ihre Wurzeln in derselben Idee der genossenschaftlichen Verantwortung und des genossenschaftlichen Geistes haben, wie Sie sie heute hoffentlich immer noch mit uns gemeinsam verteidigen wollen.
    Wenn also Beitragserhöhungen nicht möglich und Staatszuschüsse nicht gewollt sind, wenn ein Leistungsabbau nicht diskutiert werden kann, dann wird es uns wie den Sozialisten in England gehen, die beim englischen Gesundheitsdienst, der immer teurer wurde, eine zusätzliche Beteiligung und höhere Steuern einführen müssen und die im Enderfolg doch vor der Tatsache stehen, daß volle Krankenzimmer bei den Einschreibärzten sie daran hindern, versorgt zu werden, und sie zwingen, nach Büro- und Dienstschluß doch zum privaten Arzt zu gehen, der an keine Gebührenordnung gebunden ist. Auch darüber sollte man offen sprechen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist eine einseitige Interpretation!)

    — Das ist keineswegs eine einseitige Interpretation. Sie haben mit mir in England die Leute gesehen, die in den Krankenhäusern warteten. Sie kennen die Leute, und wenn Sie ehrlich sind, wissen Sie aus vielen Gesprächen wie ich, wie dieser Apparat funktioniert.
    Auch das Kostenerstattungssystem ist natürlich — wer wollte das bestreiten — eine zusätzliche Kostenbeteiligung. Aber es ist doch eine sehr entscheidende Frage, ob man die Versicherten nur mit einem bestimmten begrenzten Betrag und nur dann belastet, wenn sie nur kurze Zeit erkrankt sind — keine schwere Krankheit; darüber müssen wir auch noch sprechen! —, oder ob man sie Jahr für Jahr mit höheren Beiträgen belastet.
    Lassen Sie mich zwei ganz einfache Beispiele anführen. Ein Beitragsprozent bei einem Durchschnittsgehalt der Arbeitnehmer von 450 DM macht 4,50 DM. Dieses Beitragsprozent zahlen sie nicht einmal, sondern 12 Monate im Jahr, und sie zahlen es in den nächsten Jahren; denn eine Minderung der Beiträge gibt es nicht. Bei einem qualifizierten Arbeitnehmer wie einem Facharbeiter macht ein Beitragsprozent bei einem Einkommen von 600 DM — immer noch im Rahmen der Versicherungspflicht — 6 DM aus. Zwölf Beiträge sind 72 DM. Damit ich es Ihnen gleich vorwegnehme: Die Halbierung nehme ich
    Ihnen nicht ab; denn der Arbeitgeberanteil ist ja nach Ihrer Diktion vorenthaltener Lohnanteil. Was ist nun besser: Der Versicherte zahlt 72 DM oder 54 DM im Jahr

    (Abg. Stingl: Und zwar jedes Jahr!)

    und das Jahr für Jahr, oder er zahlt ein- oder zweimal einen bestimmten festzulegenden Betrag, der begrenzt werden kann?
    Es ist selbstverständlich, daß die Höhe der Belastung im Zusammenhang mit der Beitragsgestaltung gesehen werden muß. Aber alle Methoden der Kostenerstattungssysteme, begonnen von den Ideen, die einmal bei den Ersatzkassen probiert und verwirklicht wurden, bis zu der Forderung der Ärzte, die jetzt von der Freien Demokratischen Partei aufgegriffen worden ist, alle diese Methoden haben sehr viele Gefahren, die das Ministerium und ein Teil der Abgeordneten schon vor Jahren in Frankreich sehr gründlich studieren konnten.
    Ich kann heute nicht die Wirkung der einzelnen Kostenerstattungssysteme untersuchen. Lassen Sie mich noch auf das im Entwurf vorgesehene Naturalleistungssystem hinweisen. Herr Stammberger hat das System schlecht gemacht. Unser alter Kollege Dr. Hammer hat davon eine viel bessere Auffassung gehabt, als Sie das heute dargestellt haben; nach meiner Erinnerung ist er ein Mann der Kassenärztlichen Vereinigung und weiß sehr genau, was das Naturalleistungssystem mit seiner Pauschalierung für die Ärzte in bezug auf das Einkommen bedeutet. Wenn wir entsprechend dem Entwurf am Naturalleistungssystem festhalten und dieses System immer noch für die einzig mögliche Form der ärztlichen Honorierung halten, dann muß ich sagen, daß die Einführung irgendeiner Form von Kostenerstattung in Verbindung mit diesem System technisch außerordentlich schwierig ist. Mir scheint, daß von allen hier genannten Vorschlägen — von dem der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft bis zu dem Regierungsentwurf — noch keiner der Weisheit letzter Schluß ist und daß dem Parlament, auch wenn es nicht ein Rat der Weisen ist, doch einiges wird einfallen müssen, um die Idee, ich sage: die Idee des Entwurfs, nicht die Form, zu verwirklichen.
    Im Zusammenhang mit dem Kostenerstattungssystem erhebt sich auch die Frage, ob wir es uns leisten können, Sozialversicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung unterschiedlich zu behandeln. Ich habe sehr große Bedenken dagegen, Versicherte 1. und 2. Klasse zu schaffen, Wartezimmer 1. und 2. Klasse zu haben. Ich habe allergrößte Bedenken dagegen, eine prozentuale Beteiligung zu diskutieren, solange ich die Höhe und das Ausmaß dieser Beteiligung nicht übersehen kann. Die Freien Demokraten haben bei der Einbringung ihres Vorschlags nicht deutlich gesagt, was sie denn unter der prozentualen Beteiligung verstehen und in welchem Zusammenhang sie zu der Gebührenordnung steht, die sie vor Augen haben.
    Es ist eine hochpolitische Frage, ob der freiwillig Versicherte nur denselben Satz bekommt, den auch der Pflichtversicherte erhält, oder ob er andere Ansprüche hat, die sich nach meiner Auffassung nicht



    Frau Kalinke
    in die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung einfügen lassen.

    (Abg. Stingl: Ich habe dazu etwas gesagt!)

    Wem die Leistungen der Solidargemeinschaft nicht ausreichen oder wer bessere, individuellere Leistungen haben will, der hat in Deutschland durchaus die Möglichkeit, sich einen privaten individuellen Versicherungsschutz nach Maß, wie es ihm gefällt, zu wählen.
    Ein kurzes Wort zum Arztrecht. Der Kampf darum begann schon 1883, also lange vor dem ersten Weltkrieg. Das ist vielleicht für die Herren von der Freien Demokratischen Partei interessant; denn sie werden dadurch die Gedankengänge des Kollegen Dr. Hammer besser verstehen. Schon vor dem ersten Weltkrieg wurde die organisierte — so nannte man sie damals —, nämlich die beschränkte freie Arztwahl eingeführt. Schon damals war man sich des Zusammenhangs zwischen Zulassungssystem, freier Arztwahl und Arzthonorar bewußt. Die unabhängige ärztliche Tätigkeit soll und darf nicht weiter zerstört werden. Darum werden wir im Ausschuß sehr sorgfältig nach einem System suchen müssen — und ich hoffe auch da auf sachverständigen Rat der Ärzte, die uns beraten werden —, das so freiheitlich wie möglich ist, das aber auch von allen Krankenkassenarten verwirklicht werden kann.

    (Abg. Stingl: Sehr gut!)

    Zur Gebührenordnung möchte ich nichts mehr sagen, weil ich sie nicht kenne, und ich pflege nicht über eine Sache zu sprechen, die ich nicht kenne. Ich glaube aber, der Minister wäre besser beraten gewesen, wenn er nicht nur frei praktizierende Ärzte, sondern wenigstens einen sachverständigen Arzt, der sich mit dem Gebührenrecht in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung befaßt hat, gehört hätte; er hätte sich dadurch sicher manchen Vorwurf ersparen können.
    Selbstverständlich begrüßen auch meine Fraktionsfreunde die Aufhebung der Aussteuerung. Wir sind der Meinung, daß die Eindämmung des Arzneimittelverbrauchs nicht nur eine finanzielle, sondern vor allem eine gesundheitliche Frage ist. Der Gesundheit unseres Volks drohen Gefahren, wenn dem großen Arzneimittelverbrauch nicht Einhalt geboten wird.
    Wir haben Besorgnis, den Versicherten generell an den Kosten des Aufenthalts im Krankenhaus zu beteiligen. Aber wir wollen sehr sorgfältig prüfen, wieweit es dem Satzungsrecht und der Selbstverwaltung überlassen werden kann, hier Wege zu finden.
    Nun muß ich ein Kapitel ansprechen, von dem der Minister gemeint hat, das würde die Damen des Hauses besonders interessieren, nämlich die Wochenhilfe. Ich muß Sie enttäuschen, Herr Bundesminister. Die Wochenhilfeleistungen haben immer die Väter am meisten interessiert!

    (Heiterkeit.)

    Wir mußten da Bestimmungen einbauen, daß das Wochengeld und das Stillgeld nur von der Mutter
    in Empfang genommen werden dürfen, weil das Interesse der Väter an dieser wirtschaftlichen Leistung in der Vergangenheit besonders lebendig war.

    (Bundesminister Blank: Aus Freude, Frau Kalinke! — Heiterkeit.)

    — Natürlich, natürlich, Herr Minister! Ich weiß auch, daß ein junger Vater in der Regel viel hilfsbedürftiger ist als eine junge Mutter!

    (Erneute Heiterkeit.)

    Ich möchte aber — um ein ernstes Wort dazu zu sagen —, daß die Wochenhilfe, wenn möglich, ganz aus der Krankenversicherung herausgenommen wird. Wir halten Auftragsangelegenheiten immer dann für bedenklich, wenn sie zu zeitraubenden Verwaltungsakten führen. Außerdem ist das Wirtschaften aus dem großen Topf stets so verlockend, wenn Leistungsträger und Kostenträger nicht die gleichen sind.
    Ich bedaure es namens meiner Fraktion sehr, daß der Herr Familienminister heute nicht anwesend ist.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Er ist doch krank!)

    — Er ist krank! Dann soll er ausnahmsweise entschuldigt sein. Hat er denn immer noch keinen Staatssekretär?

    (Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)

    — Auch nicht! Das ist ja tragisch! Jedenfalls sollte dem Herrn Familienminister endlich einmal etwas Gescheites einfallen, wie man die Familienpolitik und auch die Wochenhilfe neu ordnet. Dann würde vielleicht auch aus seinem Ministerium einmal ein gutes Gesetz kommen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Er muß doch immer noch das Kindergeld neuregeln!)

    — Herr Kollege, meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß Familienpolitik nicht nur im Kindergeld besteht, auch nicht nur in Wochenhilfe. Ich sage Ihnen auf Ihren Einwand, daß die kostenlose Leistung der Familienhilfe, die wir als einen sozialpolitischen Fortschritt für die Versicherungspflichtigen mit begrenztem Einkommen ansehen, nach Auffassung meiner politischen Freunde keineswegs unbedingt für alle freiwillig Weiterversicherten notwendig ist. Wir sollten auch darüber wie über viele andere Fragen im Ausschuß sehr sorgfältige Überlegungen anstellen.
    Das Gesetz in seiner gesamten Tendenz ist nach der Auffassung der Fraktion der Deutschen Partei ein mutiger Schritt vorwärts, vorwärts zur freiheitlichen und selbstverantwortlichen Gestaltung einer modernen Krankenversicherung. Wenn bei der Gestaltung dieser Krankenversicherung auch nicht jeder Vorschlag im Regierungsentwurf von meinen politischen Freunden unterstützt werden kann, so kann ich zum Schluß doch noch einmal sagen, daß die Tendenz und das Ziel dieses Entwurfs — nämlich die Absicht, eine Krankenversicherung zu schaffen, in der der einzelne nicht mehr Objekt, sondern soweit als möglich persönlich verantwortlich han-



    Frau Kalinke
    delnd ist — gut sind. Lassen Sie uns im Ausschuß alle gemeinsam an der Verbesserung und auch an der Realisierung der theoretischen Vorstellungen arbeiten.
    Alle Verbände, alle Interessenten sollten nicht aufhören, sich um eine vernünftige, tragfähige und dem Gemeinwohl dienende Synthese zu bemühen. Alle diejenigen, die sachverständig genug und verantwortungsbewußt die großen Zusammenhänge der Krankenversicherungsreform übersehen, sollten mehr Vertrauen haben — Vertrauen zum Parlament, Vertrauen zu der Kraft sachlicher Argumente —, weniger Mißtrauen gegen Regierung, Parlament, Versicherte und Organisationen und mehr Vertrauen zu der überzeugenden Kraft der Argumente von Sachverständigen, aber auch derjenigen, die sich sozialpolitisch verantwortlich fühlen, die nicht nur fordern, sondern die, weil sie die Regierungsverantwortung mittragen, auch die Verpflichtung haben, dafür zu sorgen, daß soziale Versprechen eingelöst werden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Franz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Franz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion ist in die Diskussion des heutigen Tages nineingegangen mit dem festen Willen, ein möglichst breites Feld für eine möglichst sachliche Diskussion zu schaffen. Und nun, Herr Professor Schellenberg, sind wir ehrlich betrübt, weil Sie unsere Gesprächsbereitschaft als ein Zurückweichen, ja sogar als eine Flucht gedeutet haben. Wären wir stramm stehengeblieben, — —

    (Abg. Dr. Schellenberg: Nein, Sie hätten nur sagen müssen, was Sie wollen!)

    — Herr Professor Schellenberg, wären wir stramm stehengeblieben bei der Regierungsvorlage, dann hätten wir bestimmt die alten Vorwürfe kassiert unter Berücksichtigung unseres Verhältnisses zum Bundeskanzler. Jetzt, wo wir gesprächsbereit gewesen sind, konnten wir es auch nicht recht machen. Deshalb sind wir betrübt.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Beweglich unter dem Druck der Öffentlichkeit!)

    Wir sind aber glücklich darüber, Herr Professor, daß die Diskussion dieses wichtigen Tagesordnungspunktes doch frei von der Verkrampfung gewesen ist, die man vielleicht fürchten zu müssen geglaubt hat.
    Es ist heute viel gesagt worden über das Ziel der Krankenversicherungsreform und über die zweckmäßigen Wege, die zu einer solchen Reform führen können.
    Das Ziel kann keineswegs nur eine finanzielle Sanierung der Kassen sein. Die Kassen waren im Winter 1957/58 teilweise finanziell sehr strapaziert; aber spätestens im Sommer 1959 hat sich ihre Lage wieder normalisiert.
    Es wäre auch nur eine kleine, vielleicht eine zu kleine Lösung, wenn wir nichts anderes als nur die Finanzierung der Mehrleistungen ins Auge fassen würden.
    Vor fünfviertel Jahren schon hat in diesem Hause die Befreiung der sozialen Krankenkassen von artfremden Lasten eine Rolle gespielt. Ich erinnere mich, daß damals die Standpunkte zwischen den Fraktionen gar nicht so weit auseinander lagen. Es sind heute schon angesprochen worden der Komplex Mutterschaft und die Frage der Unfallversicherung, die wir wahlweise in der Unfallversicherungsreform oder hier lösen können.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Aber Herr Dr. Franz, Sie wissen doch, daß der Entwurf der dritten Legislaturperiode in dieser Hinsicht ungünstiger ist als der der vorigen Periode!)

    — Der Entwurf der Unfallversicherung?

    (Abg. Dr. Schellenberg: Der Regierungsentwurf!)

    — Ich habe nur gesagt, daß wir die Befreiung von solchen Lasten entweder hier oder in der anderen Vorlage lösen können.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Müssen!)

    Weiterhin sind behandelt worden der Problemkreis BVG und die Abrechnung zwischen den einzelnen Sozialversicherungsträgern über den Einzug der Beiträge. Zum letzten Punkt möchte ich sagen, daß sich bisher die Verhandlungen zwischen den einzelnen Sozialversicherungsträgern immer in sehr großer Sachlichkeit abgespielt haben und daß der Bund, der Gesetzgeber, keinen Anlaß hat, in diese selbstverantwortlich geführten Gespräche einzugreifen.
    Zum ganzen Fragenkomplex der Befreiung der Kassen möchte ich sagen, daß die Weiterwälzung der Lasten auf irgendwelche anderen Träger keine endgültige Lösung darstellt. Ich möchte mich keineswegs mit dem Wort identifizieren, das einmal von einem Manne, der kein besonders enges Verhältnis zur Sozialpolitik hatte, gesagt worden ist: „Sozialpolitik ist wohl nur, wenn ein anderer bezahlt.
    Die Kernfrage unserer heutigen Diskussion ist eine ganz andere. Es geht darum, ob die Gesundheit primär eine Privatsache oder Sache einer Versichertengemeinschaft ist. Es ist in der öffentlichen Diskussion schon oft sehr lautstark von einem „Recht auf Gesundheit" gesprochen worden. Ich glaube, das ist eine Forderung erstens an den lieben Gott und zweitens eine sehr ernste Forderung an einen jeden einzelnen von uns.
    Es ist darauf hingewiesen worden, daß sich im Laufe der letzten 80 Jahre der Kreis der Personen, die von der sozialen Krankenversicherung erfaßt worden sind, sehr geändert hat. Wir wissen, daß unser Land sich fünfzig Jahre später als Belgien und Frankreich und hundert Jahre später als England industrialisiert hat. Es hat sich in den Jahren 1880 bis 1900 sehr schnell industrialisiert. Deshalb und nur deshalb ist damals der Kreis der von der



    Dr. Franz
    sozialen Krankenversicherung erfaßten Personen sehr klein gewesen.
    Inzwischen hat sich aber unsere wirtschaftliche und soziale Struktur sehr gewandelt. Heute steht nicht zuletzt im Gefolge der politischen und wirtschaftlichen Erschütterungen, die wir hinter uns haben, das Sicherungsbedürfnis an erster Stelle, allerdings unter der Einschränkung, die nun einmal von unserer ohne unsere Schuld sehr unsicher gewordenen politischen Situation vorgeschrieben ist. Hier wird ein ganz klarer Zusammenhang zwischen der Sozialpolitik und der Gesamtpolitik deutlich.
    Der Gedanke der Solidarität war zweifellos in den letzten hundert Jahren staatlicher Sozialpolitik in Deutschland die strahlendste Idee; aber wir dürfen den Eindruck haben, daß da und dort in der letzten Zeit diese Solidarität etwas überstrapaziert worden ist. Es hat sich in unserem Volk gerade in der Krankenversicherung da und dort so etwas wie ein Äquivalenzkomplex, wie ein Gegenleistungskomplex, breitgemacht. Es heißt: Der Beitrag, den ich Monat für Monat einzahlen muß, ist sehr hoch, und der Beitrag meines Arbeitgebers ist ebenso hoch. Was bekomme ich als Gegenleistung? — Ein solches Denken verzichtet ganz bewußt auf den Gedanken der Solidarität, daß also der eine des anderen Last mitzutragen habe.
    Alle sind sich darüber einig, daß die Beitragsbelastung, daß der Abzug vom sauer verdienten Geld jedes einzelnen Arbeitnehmers im Laufe der letzten Jahre eine Höhe erreicht hat, die nicht mehr gesteigert werden kann. Nun besteht aber auch Einverständnis darüber, daß die Mehrleistungen dieses Gesetzes finanziert werden müssen. Wir haben also nur die Wahl zwischen einer gezielten und einer ungezielten Beitragserhöhung. Frau Kollegin Kalinke hat darauf hingewiesen, daß eine Beitragserhöhung von nur 1 % bei einem Durchschnittseinkommen von etwas über 400 DM aller Arbeitnehmer im Bundesgebiet pro Monat etwa 4,50 DM, im Jahr für den Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen 50 DM, für den einzelnen immerhin 25 DM ausmachen würde.
    Nun hat der Herr Kollege Stingl heute früh gesagt, der Regierungsentwurf ist ein Vorschlag, einer der Vorschläge, die uns zur Verfügung stehen. Ich möchte sagen, er ist ein sehr wesentlicher Vorschlag, daran gibt es keinen Zweifel. Nun darf ich aber auch ein Wort der Kritik sagen. Ich sehe in diesem Regierungsvorschlag eine nicht genügende Abgrenzung des Versichertenkreises. Ich hätte mir im Zuge einer sinnvollen Reform eine viel klarere Gliederung des Versichertenkreises versprochen. Im Jahre 1957 ist die Versicherungspflichtgrenze — wie ich glaube, etwas unmotiviert — erhöht worden. Ich weiß, wir müssen über die zweckmäßige Höhe der Versicherungspflichtgrenze noch einmal sprechen. Ich möchte vor der Anpassung der Versicherungspflichtgrenze an einen jährlich sich steigernden Vorgang warnen. Das wäre eine Tendenz, die wir nicht wollen, und wir sind ja immer noch froh, daß es uns gelungen ist, den Gedanken der Automatik aus der Rentenreform herauszubringen,
    den manche Befürworter einer labilen Wirtschaftsordnung durchaus für akzeptabel gehalten haben.
    Aber nicht nur die Grenze der Versicherungspflicht ist von Bedeutung. Von großer Bedeutung ist auch die Grenze der Versicherungsberechtigung. Eine solche Grenze steht in dem Gesetz; aber es ist heute schon gesagt worden, daß es ein sehr kleiner Personenkreis ist, der über 1250 DM verdient, wenn er nicht über zehn Jahre im Berufsleben gestanden hat. Außerhalb des jungen Managements, wenn ich mich so ausdrücken darf, wird diese Bedingung jeder erfüllen. Darum ist diese Grenze der Versicherungsberechtigung bestimmt nicht der Markstein, den wir gerne gesehen hätten.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Was haben denn Ihre CSU-Minister in der Regierung gesagt? Die haben doch auch einstimmig dafür gestimmt!)

    — Herr Professor, Sie werden mich doch nicht enttäuschen! Sie wissen doch ganz genau, wie das Kabinett gestimmt hat.
    Kernstück unserer Debatte ist die sogenannte Kostenbeteiligung. Ein gespaltenes System, das, wenn wir es als zweckmäßig erkennen, die Versicherten unterhalb der Versicherungspflichtgrenze beispielsweise mit einer Krankenscheingebühr belegen würde, über die Versicherungspflichtgrenze hinaus aber eine Kostenerstattung vorschlägt, wäre mir sympathischer. Darüber kann man natürlich diskutieren.
    Einen Vorteil sehe ich darin, daß bei einer Kostenerstattung über der Versicherungspflichtgrenze die Einkommensgesichtspunkte einerseits und die Familienverhältnisse andererseits leichter und sauberer berücksichtigt werden könnten.
    Ein Anliegen einer jeden Diskussion über eine Reform im sozialpolitischen Bereich ist zweifellos die Entbürokratisierung. Ich glaube, die Einführung praktikabler Verfahrensweisen sollte unser gemeinsames Anliegen sein, und in dieser Hinsicht müssen wir den Regierungsentwurf noch einmal ganz leidenschaftslos und nüchtern durchsehen.
    Der Gedanke der Selbstverwaltung hat sich in der hundertjährigen Geschichte staatlicher Sozialpolitik in Deutschland bewährt. Es hat mich persönlich sehr angenehm berührt, daß der Herr Bundesminister für Arbeit erklärt hat, die Frage, ob bei den Verhandlungen zwischen den kassenärztlichen Verbänden und den Krankenkassen in letzter Instanz er entscheide oder eine Schiedsinstanz, wie sie für die Verhandlungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern vorgesehen ist, stelle für ihn gar keinen neuralgischen Punkt dar, sondern nur einen Diskussionspunkt unter anderen. Das hat mich sehr befriedigt, und ich glaube, daß manche Mißstimmung gegen den Entwurf dadurch ausgeräumt werden wird.
    Als Sprecher der CSU-Landesgruppe darf ich noch ein besonderes Wort zur Zulassungsfrage sagen. Ich weiß, daß diese Gesetzesbestimmung sehr stark von der Entscheidung in Karlsruhe beeinflußt werden wird, daß man vielleicht von einer Verhältnis-



    Dr. Franz
    zahl wegkommen und einen größeren Kreis von Ärzten zur kassenärztlichen Versorgung zulassen wird. Aber eines steht fest: daß wir wahrscheinlich von dem Rest einer Regionalplanung nicht herunterkommen werden, ja, nicht einmal herunterkommen dürfen. Ich habe nicht die Sorge, daß wir in München oder in Bad Reichenhall oder in Starnberg einmal zu wenig Ärzte haben werden. Aber wir stellen fest, daß es in der deutschen Ärzteschaft so etwas wie eine Nord-Süd-Wanderung gibt.
    Wir wissen und sehen es täglich und verstehen es, daß ein großer Teil der Ärzte der Sowjetzone in die Bundesrepublik, in die Freiheit wandert, nicht zuletzt, weil sie ihre Söhne nicht ihren Anlagen gemäß ausbilden lassen können. Wir möchten aber keinen Beitrag dazu leisten, daß unsere Brüder und Schwestern drüben in der Sowjetzone künftig noch weniger ärztliche Versorgung haben, als es bisher leider schon der Fall ist.
    Ich bin glücklich darüber, daß heute viel weniger, als es ursprünglich zu befürchten stand, das Stichwort „Mißtrauen" gefallen ist. Denn das Mißtrauen ist eine Randerscheinung, ist genauso wie der Mißbrauch in der sozialen Krankenversicherung gottlob eine Randerscheinung geblieben. Das möchte ich extra sagen.
    Nun sind wegen gewisser Auswüchse der Werbung für Arzneimittel Sorgen aufgetreten. Ich habe mir von sachverständiger Seite sagen lassen, daß bis zu 90 % der Erzeugnisse, die da und dort als Allheilmittel, als Wundermittel angepriesen werden, gar nicht ärztlich erprobt sind. Allerdings sehe ich keine Möglichkeit, gegen die Werbung irgendwie vorzugehen. Ich glaube, ein solcher Versuch würde sehr rasch in Karlsruhe scheitern. Wir müssen uns überlegen, wie wir eine gewisse Arzneimittelsucht, die es in unserem Volke zweifellos gibt, mit Mitteln des Gesetzes etwas eindämmen können.
    Was wir tun müssen, ist, diese Vorlage der Regierung in aller Nüchternheit und in aller Sachlichkeit durchzugehen, vor allem mit dem Ziel, das Gesetz sozial gerecht und praktikabel zu machen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Dann müssen wir aber noch viel arbeiten und ändern!)

    — Das tun wir gerne, Herr Professor.
    Dieser Gesetzentwurf hat, weil er nicht weniger als 80 bis 85 % unseres Volkes direkt berührt, im sogenannten vorparlamentarischen Raum einen sehr großen Wirbel entfacht. Das hat auch gewisse Vorteile. Der Wirbel hat nämlich weite Kreise unseres Volkes mit der Arbeitsweise des Bundestages etwas näher bekanntgemacht. Mir ist in einer Versammlung ein hochgebildeter Mann begegnet, der mir gesagt hat, er sei einmal in diesem Hohen Hause Zeuge einer ersten Lesung gewesen, und da hätten sich Regierung und Opposition auf das heftigste bekämpft, und das Ergebnis dieser ersten Lesung sei Einstimmigkeit gewesen. Der Mann hatte nicht begriffen, daß eine Vorlage, so umstritten sie in erster Lesung immer sein mag, hinterher natürlich einstimmig an die zuständigen Fachausschüsse überwiesen wird. So hat diese Diskussion ein ganz klein bißchen auch die Bedeutung eines staatsbürgerlichen Unterrichts. Wir haben das nicht beabsichtigt; aber es ist ein nicht unwesentliches Resultat einer Auseinandersetzung, von der ich hoffe, daß sie im Parlament von größerer Sachlichkeit getragen sein wird, als es außerhalb des Parlaments bisher leider der Fall gewesen ist.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)