Rede:
ID0310212700

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3102

  • date_rangeDatum: 17. Februar 1960

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    Deutscher Bundestag 102. Sitzung Bonn, den 17. Februar 1960 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Wittmann und Dr. Böhm . . . . 5485 A Fragestunde (Drucksache 1609) Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Filme antideutscher Tendenz im amerikanischen und kanadischen Fernsehen Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5485 C Frage des Abg. Schmitt (Vockenhausen): Verhalten des Konsuls Karl Julius Hoffmann in New York Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5485 D, 5486 A Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 5486 A Frage der Abg. Frau Dr. Hubert: Vorlage des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten an den Bundestag Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5486 B Frau Dr. Hubert (SPD) 5486 D. Frage des Abg. Dr. Bucher: Besetzung der deutschen Botschaft in Paris Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5487 A Frage des Abg. Lohmar: Äußerung des Abg. Gradl in der außenpolitischen Debatte des Bundestages am 10. Februar Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5487 A Lohmar (SPD) . . . . . . . . . 5487 B Frage des Abg. Dr. Werber: Nichtseßhaftenfürsorge Dr. Schröder, Bundesminister 5487 C, 5488 A Dr. Werber (CDU/CSU) . . . . . 5487 D Frage des Abg. Lohmar: Verhalten des Publizisten Schlamm Dr. Schröder, Bundesminister . . 5488 A, B Lohmar (SPD) . . . . . . . . 5488 A, B Frage des Abg. Dr. Arndt: Förderung Münchens als bayerische Landeshauptstadt durch dein Bund Lücke, Bundesminister 5488 C Frage des Abg. Baier (Mosbach): Erstellung von Kinderspielplätzen Lücke, Bundesminister . . 5488 D, 5489 B Baier (Mosbach) (CDU/CSU) . . . 5489 B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Februar 1960 Frage des Abg. Schmitt (Vockenhausen) : Steuerfreiheit bei Abwicklung von Geschäften über Gesellschaften mit dem Sitz in Vaduz Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 5489 C Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 5489 C Frage des Abg. Dr. Ratzel: Förderung des Ausbaus eines Ferngasnetzes durch die Bundesregierung Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 5489 D Frage des Abg. Ludwig: Kündigung von 350 deutschen Arbeitern des französischen Militärbetriebs BRM zum Jahresende 1959 Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 5490 B Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Vorlage des Bundeswaffengesetzes für den zivilen Bereich durch die Bundesregierung Dr. Westrick, Staatssekretät 5490 D, 5491 A Bauer (Würzburg) (SPD) . . . . . 5491 A Frage des Abg. Dr. Bechert: Aufklärung der Käufer von Freibankfleisch Schwarz, Bundesminister . 5491 B, 5492 A Dr. Bechert (SPD) . . . 5491 C, 5492 A Frage des Abg. Seidel (Fürth): Weiterführung von Karteikarten aus der Zeit vor 1945 bei der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Blank, Bundesminister . . . . . 5492 B Seidel (Fürth) (SPD) 5492 C Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Veröffentlichung von Urteilen im Bundesversorgungsblatt Blank, Bundesminister . 5492 D, 5493 A Jahn (Marburg) (SPD) 5493 A Frage des Abg. Brück: Beeinträchtigung des Königsforstes durch die geplante Bundesstraße 55 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5493 B Frage des Abg. Brück: Linienführung der Umgehungsstraße von Bensberg zur B 55 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5493 C Frage des Abg. Schmitt (VOckenhausen): Einführung von Parkscheiben Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5493 D Frage des Abg. Baier (Mosbach) : Unfälle auf der Autobahn Frankfurt— Mannheim und Mannheim—Heidelberg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5494 B Frage des Abg. Hübner: Einrichtung einer 1. Klasse im Flugverkehr zwischen Berlin und dem Bundesgebiet Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5495 C Frage des Abg. Schmidt (Hamburg) : Besetzung der Radargeräte im Bereich der Bundesanstalt für Flugsicherung Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5495 D, 5496 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 5496 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Neuregelung der sozialen Krankenversicherung (Drucksache 1298); verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz — KVNG) (Drucksache 1540) — Erste Beratung — Rohde (SPD) 5497 A Blank, Bundesminister . 5498 D, 5527 A Stingl (CDU/CSU) 5508 B Dr. Schellenberg (SPD) 5517 B Dr. Stammberger (FDP) 5527 D Frau Kalinke (DP) 5532 C Dr. Franz (CDU/CSU) 5545 A Frau Dr. Hubert (SPD) 5547 C Schneider (Hamburg) (CDU/CSU) 5550 B Dr. Bärsch (SPD) . . . . . . . 5554 C Mischnick (FDP) . . . . . . . 5558 D Geiger (Aalen) (SPD) 5560 C Frau Korspeter (SPD) 5566 B Frau Döhring (Stuttgart) (SPD) . . 5568 A Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . 5569 B Börner (SPD) 5571 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . 5572 D Anlage 5573 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Februar 1960 5485 102. Sitzung Bonn, den 17. Februar 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 2. Bauereisen 19. 2. Behrisch 18. 2. Benda 19. 2. Dr. Birrenbach 19. 2. Brand 19. 2. Brüns 2. 7. Deringer 19. 2. Eberhard 27. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Eilers (Oldenburg) 19. 2. Even (Köln) 29. 2. Frau Friese-Korn 27. 2. Geiger (München) 19. 2. D. Dr. Gerstenmaier 17. 2. Glüsing (Dithmarschen) 19. 2. Dr. Greve 17. 2. Dr. Gülich 16. 4. Haage 19. 2. Dr. von Haniel-Niethammer 19. 2. Hellenbrock 19. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 20. 2. Horn 19. 2. Hübner 19. 2. Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich Illerhaus 17. 2. Jacobs 7. 3. Jahn (Frankfurt) 23. 4. Dr. Jordan 19. 2. Kalbitzer 19. 2. Frau Klemmert 15. 5. Koch 19. 2. Leukert 19. 2. Dr. Lindenberg 19. 2. Lulay 29. 2. Maier (Freiburg) 16. 4. Metzger 18. 2. Mühlenberg 19. 2. Müser 20. 2. Probst (Freiburg) 17. 2. Ramms 19. 2. Scheel 17. 2. Schlick 20. 2. Schultz 17. 2. Dr. Starke 19. 2. Dr. Steinmetz 19. 2. Wehr 23. 4. Frau Welter (Aachen) 27. 2. Werner 24. 2. Dr. Willeke 1. 3. b) Urlaubsanträge Frau Berger-Heise 27. 2. Dr. Leverkuehn 25. 2. Spitzmüller 8. 3.
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    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Das wäre nach Meinung des betreffenden Kollegen mit 1 1/2% der Lohnsumme ohne Schwierigkeit zu machen. Nur wer die Höhe der Lohnsumme und die Belastung des mittleren und kleinen Betriebes kennt, hat eine Vorstellung davon, was es bedeuten würde, wenn 1 1/2 bis 2% der Lohnsumme als zusätzliche Belastung zu dem halben Arbeitgeberanteil hinzukämen. Es ist das Recht und die Pflicht, vielleicht eine vornehme Pflicht der Sozialpolitiker in den Regierungsparteien, nicht nur an die Arbeitnehmer, nicht nur an die Fordernden, sondern auch mit an diejenigen zu denken, die alles das mit zu finanzieren haben, nämlich an die gemeinsame Arbeit aller in der Wirtschaft Tätigen, der Arbeitnehmer wie der Arbeitgeber, und an das Wohl des ganzen Volkes.
    Lassen Sie mich noch etwas zur Krankenversicherung der Rentner sagen. Herr Dr. Voges hat im „Spiegel"-Gespräch gesagt, „den Rentnern solle durch die Selbstbeteiligung ein Teil ihrer mühsam erhöhten Renten wieder fortgenommen werden". Ich kann nur annehmen, daß er den Gesetzentwurf nicht gelesen hat,

    (Abg. Stingl: Hat er auch nicht!)

    sonst wüßte er, wie hoch die Durchschnittsrenten sind, und daß alle diejenigen, die unter 200 DM verdienen nicht zu denen gehören, die in irgendeiner Weise zusätzlich in Anspruch genommen werden sollen.

    (Abg. Stingl: Aber das wäre ja sachlich gewesen!)

    — Ja, das ist richtig. Alle Rentner sollten nach Auffassung der Fraktion der Deutschen Partei — ich habe das schon bei der Diskussion zur Rentenreform gesagt — wie andere Versicherte behandelt werden, wie es jetzt der Regierungsentwurf vorsieht.
    Wir glauben, daß es für die Lösung dieses Problems nur zwei Möglichkeiten gibt: entweder die Krankenversicherung der Rentner als Auftragsangelegenheit zu behandeln — dann zahlt der Rentenversicherungsträger die vollen Kosten; er muß dann aber auch das Recht haben, Umfang und Ausmaß der Leistungen zu bestimmen — oder alle Rentner in der Sozialversicherung so zu behandeln, wie es der Regierungsentwurf vorsieht, nämlich diejenigen, die vorher pflichtversichert waren, als Pflichtversicherte, diejenigen, die vorher nicht pflichtversichert waren, mit der Chance, sich genauso individuell und freiwlilig weiterzuversichern, wie sie das in der Vergangenheit getan haben, natürlich unter der Bedingung, daß nach dem Gleichheitsgrundsatz und der Gleichbehandlung der Beitrag, den die Rentenversicherung zu zahlen hat, für alle gleich sein muß.
    Ich weiß, daß diese Frage sehr umstritten ist. Es wäre aber falsch und paßte keineswegs zu den Erfolgen, die diese Regierung mit ihrer Wirtschaftsordnung erreicht hat, etwa von einer Klasse armer Rentner zu sprechen. Es gibt keine homogene Gruppe der Rentner. Es gibt eine Gruppe von solchen Rentnern, die kleine Renten bekommen, weil die Zeit der Beitragszahlungen und der abhängigen Tätigkeit kurz war. Es gibt eine Gruppe von solchen Rentnern, die hohe Ansprüche haben, denen sie aber beschnitten werden, obwohl ihre Beitragsleistung besonders hoch war. Es gibt aber ganz gewiß nicht den armen Rentner, von dem in Flugblättern die Rede ist; denn es gibt bei den Rentnern wie bei allen Staatsbürgern die Vielfalt der Möglichkeiten des zusätzlichen Einkommens und der zusätzlichen Versorgung. Mancher Arbeitnehmer mit geringem Einkommen möchte gern mit manchem Rentner tauschen!
    Ein sehr ernstes Problem der Finanzierung der Krankenversicherung besteht darin, ob wir länger zusehen können, daß in einzelnen Kassenarten die



    Frau Kalinke
    Zuzahlung aus der Solidarhaftung für die Krankenversicherung der Rentner heute schon 100 DM je Kopf der Mitglieder beträgt.
    Zu einer sehr wichtigen, heute schon behandelten Frage kann ich wegen des Zeitdrucks leider nur wenig sagen. Es handelt sich um eine alte Forderung meiner Fraktion. Die Einführung von Vorsorgemaßnahmen in die künftigen Leistungen der Krankenversicherung ist nach Auffassung meiner Freunde im Gesetzentwurf noch nicht ganz zu Ende gedacht. Wir haben in dem Beispiel der deutschen Ersatzkassen das Vorbild einer ausgezeichneten Pionierarbeit auf dem Gebiete der Vorsorge für Jugendliche und Kinder. Mir scheint, die Stunde ist längst gekommen, daß nun endlich mehr Vorsorge für die berufstätigen Frauen, für die mitarbeitenden Frauen und für die Versicherten selbst geleistet wird. Ich habe mir die Zahl der Kuren in einer großen Kasse mit 2 Millionen Versicherten angesehen. Es waren nur ganze 4000 Kuren! Ich habe mich weiter an die Vorstellungen vor der Rehabilitationsdebatte bei der Rentenversicherung erinnert und sehe nun, was daraus noch nicht geworden ist. Hier ist ein Ansatzpunkt für sehr gründliche und weitgehende Untersuchungen des Problems bei der Ausschußberatung.
    Bei allen Gesprächen um die Höhe der Belastung, die auf die Träger der Krankenversicherung zukommt, teile ich nicht die Vorstellungen des Arbeitsministeriums, die in den in der Vorlage enthaltenen Zahlen zum Ausdruck kommen. Ich fürchte, die Belastung wird weit höher werden. Ich teile auch nicht den Optimismus des Arbeitsministers, daß eine Beitragssenkung von größerem Ausmaß denkbar sei. Ich verweise dabei auf die Verpflichtungen, die auf die Krankenkassen nicht nur aus den Forderungen nach Honorarerhöhung, nach Gehaltserhöhungen, wegen der Krankenhauspflegesätze und wegen vieler anderer Dinge mehr zukommen.
    Die Probleme der Krankenhausbehandlung und ihrer Kosten werden den Bundestag sicherlich noch viele Male beschäftigen. Es ist an der Zeit, daß die Länder endlich gemeinsam nach Wegen suchen, um das Problem der Finanzierung der Krankenhäuser zu lösen und diese Lösung nicht auf die Sozialversicherung und die Reform der Krankenversicherung abzuwälzen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube weiterhin, daß die Schaffung von Pflegehäusern für alte Menschen, die nicht ins Krankenhaus gehören, die aber gepflegt werden müssen, vordringlicher ist als die Errichtung manchen Gemeinschaftshauses in manchem Dorf und mancher Stadt.

    (Beifall bei der DP und der CDU/CSU.)

    Ich komme nun zu dem großen heißen Eisen der zusätzlichen Kostenbeteiligung. Lassen Sie mich vorweg etwas sehr Einfaches sagen. Was erlaubt die Finanzkraft der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zur Zeit? Sie erlaubt nicht einmal die Auffüllung der Rücklagen, sie erlaubt ihnen keinerlei Sprünge in der Bewilligung von individuellen Mehrleistungen durch Satzungsrecht, sie erlaubt ihnen keinerlei Möglichkeiten, die bei einzelnen Kassenarten zum Teil gekündigten Verträge zu erfüllen, ohne die Beiträge zu erhöhen. Aber das ist die entscheidende Frage: Wenn es keine Beitragserhöhungen geben soll — und ich bin dafür, daß die Beitragsentwicklung endlich gestoppt wird —, wenn Staatszuschüsse nicht möglich und nicht gewollt sind — meine politischen Freunde wünschen wegen der Erhaltung der Selbstverwaltung und wegen der Erhaltung des Versicherungssystems keine Staatszuschüsse in der Krankenversicherung —, wenn also Beitragserhöhungen und Staatszuschüsse nicht möglich sind, muß nach dem Gesetz die Selbstverwaltung Leistungssenkungen beschließen. Leistungssenkungen aber scheinen in der Sozialpolitik ein Tabu zu sein. Da also Leistungssenkungen auch nicht in Betracht kommen, bleibt die Frage, wie eine Umgestaltung in anderer Weise zu finanzieren ist.
    Es wäre unredlich, zu sagen, daß die Versicherten nicht schon jetzt an den Kosten beteiligt sind. Sie sind es natürlich durch den Beitrag, und sie sind es durch den Kaufwert ihres Geldes, das sie für Arzneimittel oder für die vielen Dinge, die zur Krankenpflege gehören, ausgeben. Sie sind selbstverständlich schon seit Jahrzehnten auf den vielfältigsten Gebieten des Leistungsrechts beteiligt, auf denen sie — ich denke nur an Heilmittel und anderes — auch schon jetzt einen wesentlichen Zuschuß zahlen müssen.
    Sie werden mir recht geben, meine Herren und Damen, wenn ich sage: die Aussprache über Löhne und Preise und über die Konjunkturprobleme hat doch wohl einer breiten Öffentlichkeit deutlich gemacht, daß es unserer Volkswirtschaft völlig unmöglich ist, gleichzeitig weitere Arbeitszeitverkürzungen, höhere Urlaubsansprüche, höhere Lohnforderungen und höhere Sozialbeiträge ohne Schaden zu verkraften. Auch die Krankenkassen können nicht gleichzeitig höhere Lohnforderungen, höhere Honorarforderungen verkraften, den Versicherten die hohen und teuren Leistungen der modernen Diagnostik und Medizin gewähren und ihnen die Erkenntnisse der modernen Forschung nutzbar machen, wenn sie nicht irgendwoher die finanziellen Mittel bekommen, um das alles zu bezahlen.

    (Zuruf von der SPD: Von den höheren Dividenden sprechen Sie nicht!)

    — Ich weiß nicht, ob es in der gesetzlichen Krankenversicherung Dividenden gibt. Aber vielleicht gibt
    es Versicherungen, in denen Sie Dividende kriegen.

    (Zuruf von der SPD: Die private Krankenversicherung! — Gegenruf von der Mitte: In der privaten Krankenversicherung gibt es auch keine Gemeinschaft!)

    — Die private Krankenversicherung ist — —


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Um die Diskussion etwas einzuschränken, darf ich darauf hinweisen, daß nach § 78 der Geschäftsordnung in der ersten Beratung nur die Grundsätze der Vorlagen besprochen werden sollen.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Jawohl, das tue ich. Aber, Herr Präsident, Sie werden gestatten, daß ich solche Zwischenrufe beantworte, auch wenn sie nicht in die erste Lesung hineingehören und wenn sie nicht immer sachlich sind. Auch ein unsachlicher Zwischenruf sollte beantwortet werden. Vielleicht dient die Antwort der Aufklärung.
    Es ist vielleicht auch den Kollegen der SPD, von denen viele auch in maßgeblichen Stellungen der privaten Krankenversicherung tätig sind und von denen viele, Gewerkschaftler, in Aufsichtsräten sitzen, bekannt, daß es in der Krankenversicherung nur verschwindend wenige Aktiengesellschaften, in der überwiegenden Zahl aber Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit gibt, die genauso kontrolliert sind, wie es früher einmal die Versicherungsvereine der Arbeiter und Angestellten waren, und die ihre Wurzeln in derselben Idee der genossenschaftlichen Verantwortung und des genossenschaftlichen Geistes haben, wie Sie sie heute hoffentlich immer noch mit uns gemeinsam verteidigen wollen.
    Wenn also Beitragserhöhungen nicht möglich und Staatszuschüsse nicht gewollt sind, wenn ein Leistungsabbau nicht diskutiert werden kann, dann wird es uns wie den Sozialisten in England gehen, die beim englischen Gesundheitsdienst, der immer teurer wurde, eine zusätzliche Beteiligung und höhere Steuern einführen müssen und die im Enderfolg doch vor der Tatsache stehen, daß volle Krankenzimmer bei den Einschreibärzten sie daran hindern, versorgt zu werden, und sie zwingen, nach Büro- und Dienstschluß doch zum privaten Arzt zu gehen, der an keine Gebührenordnung gebunden ist. Auch darüber sollte man offen sprechen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist eine einseitige Interpretation!)

    — Das ist keineswegs eine einseitige Interpretation. Sie haben mit mir in England die Leute gesehen, die in den Krankenhäusern warteten. Sie kennen die Leute, und wenn Sie ehrlich sind, wissen Sie aus vielen Gesprächen wie ich, wie dieser Apparat funktioniert.
    Auch das Kostenerstattungssystem ist natürlich — wer wollte das bestreiten — eine zusätzliche Kostenbeteiligung. Aber es ist doch eine sehr entscheidende Frage, ob man die Versicherten nur mit einem bestimmten begrenzten Betrag und nur dann belastet, wenn sie nur kurze Zeit erkrankt sind — keine schwere Krankheit; darüber müssen wir auch noch sprechen! —, oder ob man sie Jahr für Jahr mit höheren Beiträgen belastet.
    Lassen Sie mich zwei ganz einfache Beispiele anführen. Ein Beitragsprozent bei einem Durchschnittsgehalt der Arbeitnehmer von 450 DM macht 4,50 DM. Dieses Beitragsprozent zahlen sie nicht einmal, sondern 12 Monate im Jahr, und sie zahlen es in den nächsten Jahren; denn eine Minderung der Beiträge gibt es nicht. Bei einem qualifizierten Arbeitnehmer wie einem Facharbeiter macht ein Beitragsprozent bei einem Einkommen von 600 DM — immer noch im Rahmen der Versicherungspflicht — 6 DM aus. Zwölf Beiträge sind 72 DM. Damit ich es Ihnen gleich vorwegnehme: Die Halbierung nehme ich
    Ihnen nicht ab; denn der Arbeitgeberanteil ist ja nach Ihrer Diktion vorenthaltener Lohnanteil. Was ist nun besser: Der Versicherte zahlt 72 DM oder 54 DM im Jahr

    (Abg. Stingl: Und zwar jedes Jahr!)

    und das Jahr für Jahr, oder er zahlt ein- oder zweimal einen bestimmten festzulegenden Betrag, der begrenzt werden kann?
    Es ist selbstverständlich, daß die Höhe der Belastung im Zusammenhang mit der Beitragsgestaltung gesehen werden muß. Aber alle Methoden der Kostenerstattungssysteme, begonnen von den Ideen, die einmal bei den Ersatzkassen probiert und verwirklicht wurden, bis zu der Forderung der Ärzte, die jetzt von der Freien Demokratischen Partei aufgegriffen worden ist, alle diese Methoden haben sehr viele Gefahren, die das Ministerium und ein Teil der Abgeordneten schon vor Jahren in Frankreich sehr gründlich studieren konnten.
    Ich kann heute nicht die Wirkung der einzelnen Kostenerstattungssysteme untersuchen. Lassen Sie mich noch auf das im Entwurf vorgesehene Naturalleistungssystem hinweisen. Herr Stammberger hat das System schlecht gemacht. Unser alter Kollege Dr. Hammer hat davon eine viel bessere Auffassung gehabt, als Sie das heute dargestellt haben; nach meiner Erinnerung ist er ein Mann der Kassenärztlichen Vereinigung und weiß sehr genau, was das Naturalleistungssystem mit seiner Pauschalierung für die Ärzte in bezug auf das Einkommen bedeutet. Wenn wir entsprechend dem Entwurf am Naturalleistungssystem festhalten und dieses System immer noch für die einzig mögliche Form der ärztlichen Honorierung halten, dann muß ich sagen, daß die Einführung irgendeiner Form von Kostenerstattung in Verbindung mit diesem System technisch außerordentlich schwierig ist. Mir scheint, daß von allen hier genannten Vorschlägen — von dem der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft bis zu dem Regierungsentwurf — noch keiner der Weisheit letzter Schluß ist und daß dem Parlament, auch wenn es nicht ein Rat der Weisen ist, doch einiges wird einfallen müssen, um die Idee, ich sage: die Idee des Entwurfs, nicht die Form, zu verwirklichen.
    Im Zusammenhang mit dem Kostenerstattungssystem erhebt sich auch die Frage, ob wir es uns leisten können, Sozialversicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung unterschiedlich zu behandeln. Ich habe sehr große Bedenken dagegen, Versicherte 1. und 2. Klasse zu schaffen, Wartezimmer 1. und 2. Klasse zu haben. Ich habe allergrößte Bedenken dagegen, eine prozentuale Beteiligung zu diskutieren, solange ich die Höhe und das Ausmaß dieser Beteiligung nicht übersehen kann. Die Freien Demokraten haben bei der Einbringung ihres Vorschlags nicht deutlich gesagt, was sie denn unter der prozentualen Beteiligung verstehen und in welchem Zusammenhang sie zu der Gebührenordnung steht, die sie vor Augen haben.
    Es ist eine hochpolitische Frage, ob der freiwillig Versicherte nur denselben Satz bekommt, den auch der Pflichtversicherte erhält, oder ob er andere Ansprüche hat, die sich nach meiner Auffassung nicht



    Frau Kalinke
    in die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung einfügen lassen.

    (Abg. Stingl: Ich habe dazu etwas gesagt!)

    Wem die Leistungen der Solidargemeinschaft nicht ausreichen oder wer bessere, individuellere Leistungen haben will, der hat in Deutschland durchaus die Möglichkeit, sich einen privaten individuellen Versicherungsschutz nach Maß, wie es ihm gefällt, zu wählen.
    Ein kurzes Wort zum Arztrecht. Der Kampf darum begann schon 1883, also lange vor dem ersten Weltkrieg. Das ist vielleicht für die Herren von der Freien Demokratischen Partei interessant; denn sie werden dadurch die Gedankengänge des Kollegen Dr. Hammer besser verstehen. Schon vor dem ersten Weltkrieg wurde die organisierte — so nannte man sie damals —, nämlich die beschränkte freie Arztwahl eingeführt. Schon damals war man sich des Zusammenhangs zwischen Zulassungssystem, freier Arztwahl und Arzthonorar bewußt. Die unabhängige ärztliche Tätigkeit soll und darf nicht weiter zerstört werden. Darum werden wir im Ausschuß sehr sorgfältig nach einem System suchen müssen — und ich hoffe auch da auf sachverständigen Rat der Ärzte, die uns beraten werden —, das so freiheitlich wie möglich ist, das aber auch von allen Krankenkassenarten verwirklicht werden kann.

    (Abg. Stingl: Sehr gut!)

    Zur Gebührenordnung möchte ich nichts mehr sagen, weil ich sie nicht kenne, und ich pflege nicht über eine Sache zu sprechen, die ich nicht kenne. Ich glaube aber, der Minister wäre besser beraten gewesen, wenn er nicht nur frei praktizierende Ärzte, sondern wenigstens einen sachverständigen Arzt, der sich mit dem Gebührenrecht in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung befaßt hat, gehört hätte; er hätte sich dadurch sicher manchen Vorwurf ersparen können.
    Selbstverständlich begrüßen auch meine Fraktionsfreunde die Aufhebung der Aussteuerung. Wir sind der Meinung, daß die Eindämmung des Arzneimittelverbrauchs nicht nur eine finanzielle, sondern vor allem eine gesundheitliche Frage ist. Der Gesundheit unseres Volks drohen Gefahren, wenn dem großen Arzneimittelverbrauch nicht Einhalt geboten wird.
    Wir haben Besorgnis, den Versicherten generell an den Kosten des Aufenthalts im Krankenhaus zu beteiligen. Aber wir wollen sehr sorgfältig prüfen, wieweit es dem Satzungsrecht und der Selbstverwaltung überlassen werden kann, hier Wege zu finden.
    Nun muß ich ein Kapitel ansprechen, von dem der Minister gemeint hat, das würde die Damen des Hauses besonders interessieren, nämlich die Wochenhilfe. Ich muß Sie enttäuschen, Herr Bundesminister. Die Wochenhilfeleistungen haben immer die Väter am meisten interessiert!

    (Heiterkeit.)

    Wir mußten da Bestimmungen einbauen, daß das Wochengeld und das Stillgeld nur von der Mutter
    in Empfang genommen werden dürfen, weil das Interesse der Väter an dieser wirtschaftlichen Leistung in der Vergangenheit besonders lebendig war.

    (Bundesminister Blank: Aus Freude, Frau Kalinke! — Heiterkeit.)

    — Natürlich, natürlich, Herr Minister! Ich weiß auch, daß ein junger Vater in der Regel viel hilfsbedürftiger ist als eine junge Mutter!

    (Erneute Heiterkeit.)

    Ich möchte aber — um ein ernstes Wort dazu zu sagen —, daß die Wochenhilfe, wenn möglich, ganz aus der Krankenversicherung herausgenommen wird. Wir halten Auftragsangelegenheiten immer dann für bedenklich, wenn sie zu zeitraubenden Verwaltungsakten führen. Außerdem ist das Wirtschaften aus dem großen Topf stets so verlockend, wenn Leistungsträger und Kostenträger nicht die gleichen sind.
    Ich bedaure es namens meiner Fraktion sehr, daß der Herr Familienminister heute nicht anwesend ist.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Er ist doch krank!)

    — Er ist krank! Dann soll er ausnahmsweise entschuldigt sein. Hat er denn immer noch keinen Staatssekretär?

    (Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)

    — Auch nicht! Das ist ja tragisch! Jedenfalls sollte dem Herrn Familienminister endlich einmal etwas Gescheites einfallen, wie man die Familienpolitik und auch die Wochenhilfe neu ordnet. Dann würde vielleicht auch aus seinem Ministerium einmal ein gutes Gesetz kommen.

    (Abg. Dr. Schellenberg: Er muß doch immer noch das Kindergeld neuregeln!)

    — Herr Kollege, meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß Familienpolitik nicht nur im Kindergeld besteht, auch nicht nur in Wochenhilfe. Ich sage Ihnen auf Ihren Einwand, daß die kostenlose Leistung der Familienhilfe, die wir als einen sozialpolitischen Fortschritt für die Versicherungspflichtigen mit begrenztem Einkommen ansehen, nach Auffassung meiner politischen Freunde keineswegs unbedingt für alle freiwillig Weiterversicherten notwendig ist. Wir sollten auch darüber wie über viele andere Fragen im Ausschuß sehr sorgfältige Überlegungen anstellen.
    Das Gesetz in seiner gesamten Tendenz ist nach der Auffassung der Fraktion der Deutschen Partei ein mutiger Schritt vorwärts, vorwärts zur freiheitlichen und selbstverantwortlichen Gestaltung einer modernen Krankenversicherung. Wenn bei der Gestaltung dieser Krankenversicherung auch nicht jeder Vorschlag im Regierungsentwurf von meinen politischen Freunden unterstützt werden kann, so kann ich zum Schluß doch noch einmal sagen, daß die Tendenz und das Ziel dieses Entwurfs — nämlich die Absicht, eine Krankenversicherung zu schaffen, in der der einzelne nicht mehr Objekt, sondern soweit als möglich persönlich verantwortlich han-



    Frau Kalinke
    delnd ist — gut sind. Lassen Sie uns im Ausschuß alle gemeinsam an der Verbesserung und auch an der Realisierung der theoretischen Vorstellungen arbeiten.
    Alle Verbände, alle Interessenten sollten nicht aufhören, sich um eine vernünftige, tragfähige und dem Gemeinwohl dienende Synthese zu bemühen. Alle diejenigen, die sachverständig genug und verantwortungsbewußt die großen Zusammenhänge der Krankenversicherungsreform übersehen, sollten mehr Vertrauen haben — Vertrauen zum Parlament, Vertrauen zu der Kraft sachlicher Argumente —, weniger Mißtrauen gegen Regierung, Parlament, Versicherte und Organisationen und mehr Vertrauen zu der überzeugenden Kraft der Argumente von Sachverständigen, aber auch derjenigen, die sich sozialpolitisch verantwortlich fühlen, die nicht nur fordern, sondern die, weil sie die Regierungsverantwortung mittragen, auch die Verpflichtung haben, dafür zu sorgen, daß soziale Versprechen eingelöst werden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)