Rede:
ID0310212500

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3102

  • date_rangeDatum: 17. Februar 1960

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    Deutscher Bundestag 102. Sitzung Bonn, den 17. Februar 1960 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Wittmann und Dr. Böhm . . . . 5485 A Fragestunde (Drucksache 1609) Frage des Abg. Schneider (Bremerhaven) : Filme antideutscher Tendenz im amerikanischen und kanadischen Fernsehen Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5485 C Frage des Abg. Schmitt (Vockenhausen): Verhalten des Konsuls Karl Julius Hoffmann in New York Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5485 D, 5486 A Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 5486 A Frage der Abg. Frau Dr. Hubert: Vorlage des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten an den Bundestag Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5486 B Frau Dr. Hubert (SPD) 5486 D. Frage des Abg. Dr. Bucher: Besetzung der deutschen Botschaft in Paris Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5487 A Frage des Abg. Lohmar: Äußerung des Abg. Gradl in der außenpolitischen Debatte des Bundestages am 10. Februar Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5487 A Lohmar (SPD) . . . . . . . . . 5487 B Frage des Abg. Dr. Werber: Nichtseßhaftenfürsorge Dr. Schröder, Bundesminister 5487 C, 5488 A Dr. Werber (CDU/CSU) . . . . . 5487 D Frage des Abg. Lohmar: Verhalten des Publizisten Schlamm Dr. Schröder, Bundesminister . . 5488 A, B Lohmar (SPD) . . . . . . . . 5488 A, B Frage des Abg. Dr. Arndt: Förderung Münchens als bayerische Landeshauptstadt durch dein Bund Lücke, Bundesminister 5488 C Frage des Abg. Baier (Mosbach): Erstellung von Kinderspielplätzen Lücke, Bundesminister . . 5488 D, 5489 B Baier (Mosbach) (CDU/CSU) . . . 5489 B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Februar 1960 Frage des Abg. Schmitt (Vockenhausen) : Steuerfreiheit bei Abwicklung von Geschäften über Gesellschaften mit dem Sitz in Vaduz Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 5489 C Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . . 5489 C Frage des Abg. Dr. Ratzel: Förderung des Ausbaus eines Ferngasnetzes durch die Bundesregierung Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 5489 D Frage des Abg. Ludwig: Kündigung von 350 deutschen Arbeitern des französischen Militärbetriebs BRM zum Jahresende 1959 Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 5490 B Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Vorlage des Bundeswaffengesetzes für den zivilen Bereich durch die Bundesregierung Dr. Westrick, Staatssekretät 5490 D, 5491 A Bauer (Würzburg) (SPD) . . . . . 5491 A Frage des Abg. Dr. Bechert: Aufklärung der Käufer von Freibankfleisch Schwarz, Bundesminister . 5491 B, 5492 A Dr. Bechert (SPD) . . . 5491 C, 5492 A Frage des Abg. Seidel (Fürth): Weiterführung von Karteikarten aus der Zeit vor 1945 bei der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Blank, Bundesminister . . . . . 5492 B Seidel (Fürth) (SPD) 5492 C Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Veröffentlichung von Urteilen im Bundesversorgungsblatt Blank, Bundesminister . 5492 D, 5493 A Jahn (Marburg) (SPD) 5493 A Frage des Abg. Brück: Beeinträchtigung des Königsforstes durch die geplante Bundesstraße 55 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5493 B Frage des Abg. Brück: Linienführung der Umgehungsstraße von Bensberg zur B 55 Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5493 C Frage des Abg. Schmitt (VOckenhausen): Einführung von Parkscheiben Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5493 D Frage des Abg. Baier (Mosbach) : Unfälle auf der Autobahn Frankfurt— Mannheim und Mannheim—Heidelberg Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5494 B Frage des Abg. Hübner: Einrichtung einer 1. Klasse im Flugverkehr zwischen Berlin und dem Bundesgebiet Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5495 C Frage des Abg. Schmidt (Hamburg) : Besetzung der Radargeräte im Bereich der Bundesanstalt für Flugsicherung Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister . 5495 D, 5496 B Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 5496 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Neuregelung der sozialen Krankenversicherung (Drucksache 1298); verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz — KVNG) (Drucksache 1540) — Erste Beratung — Rohde (SPD) 5497 A Blank, Bundesminister . 5498 D, 5527 A Stingl (CDU/CSU) 5508 B Dr. Schellenberg (SPD) 5517 B Dr. Stammberger (FDP) 5527 D Frau Kalinke (DP) 5532 C Dr. Franz (CDU/CSU) 5545 A Frau Dr. Hubert (SPD) 5547 C Schneider (Hamburg) (CDU/CSU) 5550 B Dr. Bärsch (SPD) . . . . . . . 5554 C Mischnick (FDP) . . . . . . . 5558 D Geiger (Aalen) (SPD) 5560 C Frau Korspeter (SPD) 5566 B Frau Döhring (Stuttgart) (SPD) . . 5568 A Ruf (CDU/CSU) . . . . . . . 5569 B Börner (SPD) 5571 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . 5572 D Anlage 5573 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Februar 1960 5485 102. Sitzung Bonn, den 17. Februar 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 29. 2. Bauereisen 19. 2. Behrisch 18. 2. Benda 19. 2. Dr. Birrenbach 19. 2. Brand 19. 2. Brüns 2. 7. Deringer 19. 2. Eberhard 27. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Eilers (Oldenburg) 19. 2. Even (Köln) 29. 2. Frau Friese-Korn 27. 2. Geiger (München) 19. 2. D. Dr. Gerstenmaier 17. 2. Glüsing (Dithmarschen) 19. 2. Dr. Greve 17. 2. Dr. Gülich 16. 4. Haage 19. 2. Dr. von Haniel-Niethammer 19. 2. Hellenbrock 19. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 20. 2. Horn 19. 2. Hübner 19. 2. Abgeordnete() beurlaubt bis einschließlich Illerhaus 17. 2. Jacobs 7. 3. Jahn (Frankfurt) 23. 4. Dr. Jordan 19. 2. Kalbitzer 19. 2. Frau Klemmert 15. 5. Koch 19. 2. Leukert 19. 2. Dr. Lindenberg 19. 2. Lulay 29. 2. Maier (Freiburg) 16. 4. Metzger 18. 2. Mühlenberg 19. 2. Müser 20. 2. Probst (Freiburg) 17. 2. Ramms 19. 2. Scheel 17. 2. Schlick 20. 2. Schultz 17. 2. Dr. Starke 19. 2. Dr. Steinmetz 19. 2. Wehr 23. 4. Frau Welter (Aachen) 27. 2. Werner 24. 2. Dr. Willeke 1. 3. b) Urlaubsanträge Frau Berger-Heise 27. 2. Dr. Leverkuehn 25. 2. Spitzmüller 8. 3.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Ich will den Arzt, der frei und unabhängig ist, der helfen kann. Auch ich möchte dem freien Arzt, nicht dem beamteten Arzt, das Tor weit aufmachen und ihm mehr Zeit für die Patienten wünschen.



    Frau Kalinke
    Im Parlament der Ärzte waren alle Gruppen vertreten, vom Hartmannbund über die nicht zugelassenen Ärzte bis zum Marburger Bund. Ich kann nur hoffen, daß alle, die in der Öffentlichkeit und im Schrifttum so viele Kritik geübt haben, dem Ausschuß, wenn er am 24. die Sachverständigen hören wird, sehr viele und konstruktive Vorschläge unterbreiten werden.
    Lassen Sie mich namens der Fraktion der Deutschen Partei noch eine Lanze für den Hausarzt brechen. Vergessen wir es doch nicht, daß die Hauptlast der sozialen Krankenversicherung gestern der praktische Arzt getragen hat, daß er sie heute trägt und auch morgen tragen wird, der Arzt von den rund 45 000 frei praktizierenden und von den 40 000 Kassenärzten, der auch heute noch Tag für Tag und Nacht für Nacht unterwegs ist, der das Risiko der Grippeepidemie trägt — nicht die Krankenkassen, sondern die Ärzte tragen es -, der Kassenarzt, der nicht Zeit hat, Briefe an uns zu schreiben und Versicherte aufzuklären oder Propagandaversammlungen zu besuchen!
    Lassen Sie uns doch nicht vergessen, daß es der Kassenarzt ist, der unter der Einengung des ärztlichen Handelns leidet, der das Problem der sogenannten wirtschaftlichen Verordnung täglich drükkend empfindet, der Regreßforderungen jeder Art, die Prüfungssysteme, die Kürzungsmethoden auf Gruppendurchschnitte, auf Fallpauschale, die verschlüsselten Auszahlungsquoten zwischen 50 und 90 % — und dazu schweigt man ja in der Regel, wenn man protestiert — tagtäglich erlebt.
    Lassen Sie mich zu den Fragen des Arzneiverbrauchs, zu dem Problem der Millionen Krankenscheine, zu dem noch das der Zahnscheine kommt, zu der Frage der bisherigen und der künftigen Schreibarbeit, zum Personalmangel und zur Besteuerung der geistigen Arbeit, die den Arzt belasten, sagen, daß seine Sorgen auch unsere Sorgen sind und daß wir das verstaubte Recht ändern wollen, damit der Arzt Zeit findet für seine wirkliche Aufgabe, nämlich für den Kranken da zu sein. Dazu erwarten wir konstruktive Vorschläge, ehrliche und redliche Auskunft über das, was möglich ist, oder über das, was man nur anstreben kann.
    Den Zusammenhang zwischen beschränkter Zulassung und dem Durchschnittseinkommen und damit der wirtschaftlichen Sicherheit der Ärzte wird der Kollege von der Freien Demokratischen Partei vielleicht nicht so im einzelnen kennen. Aber glauben Sie mir, in der Frage der Liberalisierung geht es nicht nur darum, ein Bekenntnis zu einer freiheitlichen Ordnung abzulegen, sondern hier geht es um den Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Situation des einzelnen Arztes und mit der Versorgung der Versicherten durch Ärzte. Eine totale Liberalisierung mit einem freien Wettbewerb hätte nur eine risikoreiche Ellenbogenfreiheit zur Folge. Auch darüber sollten wir im Ausschuß sehr sachlich sprechen.
    Wenn die Pauschalleistung, gekoppelt mit dem Grundlohn, erhalten bleiben soll — und darum wird ja in Wirklichkeit so bitter gekämpft —, ist nach meiner Auffassung eine Einzelleistungshonorierung gar nicht möglich und ihre Finanzierung für viele Krankenkassen gar nicht tragbar. Von allen Angehörigen freier Berufe ist der Arzt der einzige, der das Maß seiner Leistungen selber bestimmen kann. Das muß auch so bleiben. Aber die Antwort auf die Frage nach dem angemessenen Honorar wird sich sicherlich nicht so leicht finden lassen und nicht so einfach sein, wie es sich diejenigen vorstellen, die meinen: es muß immer ein bestimmter Anteil an den Beitragseinnahmen der Krankenversicherungsträger garantiert sein.
    Vieles von dem, was ich hier gesagt habe, habe ich nicht etwa gesagt, weil es politisch so reizvoll ist, hier Gegensätze in einer unglücklichen, ja ungesunden und unnatürlichen Verbindung im politischen Negieren aufzuzeigen, sondern ich habe es gesagt aus der tiefen Sorge, daß man bei der Lösung der vielfältigen Probleme der Krankenversicherung um Gottes willen nicht von dem Geist der Flugblattaktion ausgehen sollte: allen Versicherten oder allen Ärzten zu mißtrauen. Es ist schlecht, vom Mißtrauen und vom Mißbrauch her die Probleme zu diskutieren. Darum bitte ich auch die Kollegen der Opposition, doch nicht zu unterstellen, daß in der Bundesregierung oder bei den sie tragenden Parteien irgend jemand sei, der dem Arzt schlechthin mißtraue.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es gibt auch niemanden, der den Versicherten schlechthin mißtraut. Ich nehme mir aber das Recht, zu sagen — es gibt viele Beweise für die Richtigkeit meiner Behauptung auch in der Vergangenheit —, daß, wenn wir schlechte Gesetze machen, die Hintertüren offen lassen oder geradezu zum Mißbrauch herausfordern, der Gesetzgeber schuld ist, daß hier und da Mißstände auftreten.

    (Beifall in der Mitte.)

    Es wäre sehr wichtig, auch etwas über die Indexfragen bei der Honorierung der Ärzte zu sagen. Das möchte ich mir gern für die zweite und dritte Lesung aufsparen.
    Hinsichtlich der Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit, von denen meine politischen Freunde und ich hoffen möchten, daß sie mit dem heutigen Tag beendet sind, appelliere ich an alle, die höhere Einsicht und bessere Argumente haben, sich mit Gelassenheit um eine objektive Bewertung zu bemühen. Ich habe mich sehr gefreut, als ich in der Zeitung las, daß beim Frankfurter Ärztetag eine Ärztin ihren Kollegen zugerufen hat: „Seien Sie doch ,wesentlich', meine Herren." Ich möchte allen Interessenten zurufen: Werden Sie doch um Gottes willen „wesentlich" in diesen Fragen!

    (Zuruf von der SPD: An die eigene Adresse richten!)

    Ein Zahnarzt hat geschrieben, daß die Freiheit des Denkens und Redens in der Demokratie eine außerordentliche Sache sei — ich stimme ihm darin völlig zu —, daß aber diese Freiheit in Gefahr sei, wenn eine organisierte Opposition sie nicht habe oder von ihr nicht Gebrauch machen könne. Eine organisierte



    Frau Kalinke
    Opposition nicht denkender oder nicht aufgeklärter Massen ist immer eine gefährliche Bedrohung für die Demokratie. Ich zitiere hier keinen geringeren als den früheren Präsidenten der deutschen Ärzteschaft, Professor Neuffer, der in den „Ärztlichen Mitteilungen" noch 1958 gesagt hat:
    Es ist die große Versuchung unserer Tage, aus der Macht, die man in irgendeiner Form über die Menschen hat, Kapital zu schlagen. Wenn aber ein Arzt dieser Versuchung unterliegt, dann versündigt er sich am Wesen des Arztes.
    Mögen es alle die nachlesen, die es angeht. Lesen Sie das, was Romano Guardini über den Gebrauch der Macht und ihren Mißbrauch gesagt hat.
    Meine Herren und Damen! Die Fraktion der Deutschen Partei bejaht die Grundsätze des Gesetzentwurfs, und sie ist in weitgehender Übereinstimmung mit den Zielen der Bundesregierung. Die Deutsche Partei hat es einfacher als etwa die Sozialdemokratische Partei, die im Wandel begriffen ist, oder eine große Volkspartei. Sie hat aber in konsequenter Haltung ihre schon 1955 gefaßten und 1957 erneuerten Beschlüsse sehr eindeutig publiziert und steht auch jetzt dazu, nämlich „daß die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung begrenzt wird, weil die Ausweitung der Versichertenkreise die Solidarhaftung zerstört und indirekt zur totalen Versorgung aller Staatsbürger führen muß."
    In den zehn Forderungen der Deutschen Partei zur Sozialreform, die wir im März 1956 in Bad Godesberg beschlossen und dann veröffentlicht haben, heißt es, „daß eine totale staatliche Zwangsversicherung, die alle Risiken abdeckt und die den Wunsch nach individueller Sicherung unmöglich macht, abgelehnt werden muß." Die gesetzliche Zwangsvorsorge für ein ganzes Volk paßt nach unserer Auffassung nicht in die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik. Für eine sinnvolle Fortentwicklung des Sozialversicherungsrechts, wie es sicherlich alle Einsichtigen fordern, wollen wir uns einsetzen. Den Kreis der Versicherten wollen wir weiter begrenzen. Die Bundesregierung hat sich in ihrer Vorlage, die ja im Bundesrat noch einen erstaunlichen Zusatzvorschlag gefunden hat, gegen die dynamische Begrenzung der Versicherungspflicht gewandt. Dieses Problem hat schon im Beirat eine Rolle gespielt, und der Vorschlag ist dadurch nicht überzeugender geworden, daß er einmal vom Bundesrat und einmal vom DGB und dann wieder von der SPD gemacht wird. Die im Bundesrat vorgebrachte Behauptung, die sicher auch die Behauptung der sozialistischen Opposition sein wird, „daß das Schutzbedürfnis in der sozialen Krankenversicherung mindestens so groß ist wie in der Rentenversicherung," und die damit begründete Forderung nach einer Anpassung der Grenzen der Versicherungspflicht an die Beitragsbemessungsgrenzen der Rentenversicherung sind einfach falsch. Die Argumente mit der Verwaltungsvereinfachung sind auch so alt wie das Streben nach der Einheitsversicherung, nach dem Einheitssozialversicherungsbeitrag und der Einheitsorganisation. Auch diese Argumente sind durch das Alter nicht besser geworden.
    In der Diskussion um dieses Problem ist nun in der Öffentlichkeit eine Überlegung angestellt worden, die, wie ich in einem Nachrichtendienst gelesen habe, auch in den Kreisen meiner politischen Freunde von der CDU/CSU diskutiert worden sein soll. Es heißt in dem Bericht, daß geprüft werden soll, ob nicht eine niedrige Beitragsbemessungsgrenze und eine darüber liegende Versicherungspflichtgrenze geschaffen werden könnten, weil damit die Versicherten, deren Einkommen die Bemessungsgrenze übersteigt, eine indirekte Sozialleistung dadurch empfingen, daß sie trotz geringerer prozentualer Belastung des Einkommens durch den Krankenkassenbeitrag die gleichen Leistungen beanspruchen dürften wie die, die mehr Prozente ihres Nominalverdienstes für den Versicherungsschutz aufwenden müssen. Ich bin der Auffassung, daß genau das Gegenteil richtig wäre. Wenn man schon von der bisherigen Methode abgehen will, dann kann es doch nur so sein, daß die Versicherungspflichtgrenze tiefer, also niedriger sein muß, und die Beitragsbemessungsgrenze höhengelegt wird. Das ist auch eine Frage der Beitragsgerechtigkeit, die selbstverständlich in bezug auf die Leistungen von außerordentlicher Bedeutung ist.
    Der Bundesratsvorschlag würde folgendes bedeuten. Ausgehend von der Versicherungspflichtgrenze von 660 DM 1957 würde eine erhebliche Heraufsetzung der Grenze 1958 zu 750 DM, 1959 zu 800 DM, 1960 zu 850 DM führen, und dies würde sich weiter in dieser Weise entwickeln.
    Die Fragen der Versicherungspflichtgrenzen wären sehr leicht zu entschärfen, wenn man in aller Öffentlichkeit hinsichtlich der Frage des Arbeitgeberanteils vernünftige Wege fände. Das ist in der Tarifpolitik versucht worden. Das sollte im Sozialpolitischen Ausschuß im Zusammenhang mit einer höheren Beitragsbemessungsgrenze in aller Sorgfalt und mit allem Sachverstand untersucht werden.
    Lassen Sie mich zu der Frage des Bundesrates, die auch im Kreise meiner Freunde aus der CDU aufgeworfen wird, ob denn die alte Versicherungspflichtgrenze noch hoch genug sei, folgendes erklären. Die Versicherungspflichtgrenze war 1959 im Verhältnis 100 zum Preisindex bei 165,8 angelangt. Dem entspräche die Höhe einer Grenze von 5969 DM. Die jetzige Grenze von 7920 DM für den Jahresarbeitsverdienst ist demnach schon zu hoch.
    Wenn die Sozialversicherung, wie heute alle Sprecher gesagt haben, wieder überwiegend eine Versicherung der Arbeitnehmer werden soll, dann muß der Status der Versicherungsberechtigung überprüft werden. Ich meine damit nicht nur die Höhe des Einkommens beim Eintritt der Versicherungsberechtigung, sondern auch die Höhe des Einkommens in gewissen Zeitabständen beim Verbleiben in der Solidargemeinschaft.
    Bei der weiteren Beratung des Gesetzentwurfs wird auch die Problematik der Selbstverwaltung deutlich werden. Mancher von uns, der mit hohem Idealismus die Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung gewünscht hat, wird mit großer Sorge eine Entwicklung betrachten, die wir alle vor Augen haben. Weil die Aufgabe der



    Frau Kalinke
    Gestaltung der Krankenversicherung eine permanente Aufgabe ist und weil die Reform der Systeme eine unendliche Reform ist, kommt es nicht nur darauf an, nun mit einem höheren finanziellen Einsatz zu arbeiten, sondern auch darauf, eine bessere und wirkungsvollere Verteilung vorzunehmen. Sicherlich wird im Laufe der Diskussion noch deutlich werden, wie weit die Belastung der Versicherten, aber auch ihrer Arbeitgeber im Augenblick schon die Debatte um die Kosten der Krankenversicherung belastend beeinflußt.
    Das, was heute je Kopf der Bevölkerung an Sozialversicherungsbeiträgen gezahlt werden muß, ist vielleicht am anschaulichsten darzustellen, wenn man sich klar macht, daß ein Arbeitnehmer im Jahre 1938 drei Wochen für 158 RM Beitrag arbeiten mußte, 1950 waren es 238 DM und 6 Wochen Arbeit, daß er aber 1957 schon sieben Wochen arbeiten mußte, um 587 DM Beiträge zu bezahlen. Der Höhe der Belastung der Arbeitnehmer steht die Höhe der Belastung der Arbeitgeber gegenüber.
    Die Fraktion der Deutschen Partei, für die ich spreche, hat immer deutlich gemacht — das ist heute morgen erfreulicherweise schon einmal angeklungen —, daß wir nicht nur an die Großindustrie oder an das Monopolunternehmen denken dürfen, das den Versicherungsbeitrag auf Kosten und Preise umlegen kann, sondern daß wir auch an die vielen mittelständischen kleinen Betriebe, an Handwerk, Landwirtschaft, aber auch an die kleine Industrie denken müssen, die diese Möglichkeiten im lohnintensiven Betrieb nicht haben. Eine Steigerung der jetzt von den Arbeitgebern zur Krankenversicherung schon geleisteten Beiträge von 3,5 bis 4 Milliarden erscheint meinen Freunden in der Fraktion der Deutschen Partei nicht realisierbar.
    Ich möchte mich nur noch mit einem Vorschlag auseinandersetzen, der vom Deutschen Gewerkschaftsbund und auch von einem Kollegen der CDU in die Öffentlichkeit getragen worden ist, nämlich dem Vorschlag, den Beitrag zu teilen und die gesamte Tragung der Kosten für die Lohnersatzfunktion des Krankengeldes auf die Arbeitgeber umzulegen.

    (Fortdauernde Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte doch, der Rednerin Gehör zu schenken!

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    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Das wäre nach Meinung des betreffenden Kollegen mit 1 1/2% der Lohnsumme ohne Schwierigkeit zu machen. Nur wer die Höhe der Lohnsumme und die Belastung des mittleren und kleinen Betriebes kennt, hat eine Vorstellung davon, was es bedeuten würde, wenn 1 1/2 bis 2% der Lohnsumme als zusätzliche Belastung zu dem halben Arbeitgeberanteil hinzukämen. Es ist das Recht und die Pflicht, vielleicht eine vornehme Pflicht der Sozialpolitiker in den Regierungsparteien, nicht nur an die Arbeitnehmer, nicht nur an die Fordernden, sondern auch mit an diejenigen zu denken, die alles das mit zu finanzieren haben, nämlich an die gemeinsame Arbeit aller in der Wirtschaft Tätigen, der Arbeitnehmer wie der Arbeitgeber, und an das Wohl des ganzen Volkes.
    Lassen Sie mich noch etwas zur Krankenversicherung der Rentner sagen. Herr Dr. Voges hat im „Spiegel"-Gespräch gesagt, „den Rentnern solle durch die Selbstbeteiligung ein Teil ihrer mühsam erhöhten Renten wieder fortgenommen werden". Ich kann nur annehmen, daß er den Gesetzentwurf nicht gelesen hat,

    (Abg. Stingl: Hat er auch nicht!)

    sonst wüßte er, wie hoch die Durchschnittsrenten sind, und daß alle diejenigen, die unter 200 DM verdienen nicht zu denen gehören, die in irgendeiner Weise zusätzlich in Anspruch genommen werden sollen.

    (Abg. Stingl: Aber das wäre ja sachlich gewesen!)

    — Ja, das ist richtig. Alle Rentner sollten nach Auffassung der Fraktion der Deutschen Partei — ich habe das schon bei der Diskussion zur Rentenreform gesagt — wie andere Versicherte behandelt werden, wie es jetzt der Regierungsentwurf vorsieht.
    Wir glauben, daß es für die Lösung dieses Problems nur zwei Möglichkeiten gibt: entweder die Krankenversicherung der Rentner als Auftragsangelegenheit zu behandeln — dann zahlt der Rentenversicherungsträger die vollen Kosten; er muß dann aber auch das Recht haben, Umfang und Ausmaß der Leistungen zu bestimmen — oder alle Rentner in der Sozialversicherung so zu behandeln, wie es der Regierungsentwurf vorsieht, nämlich diejenigen, die vorher pflichtversichert waren, als Pflichtversicherte, diejenigen, die vorher nicht pflichtversichert waren, mit der Chance, sich genauso individuell und freiwlilig weiterzuversichern, wie sie das in der Vergangenheit getan haben, natürlich unter der Bedingung, daß nach dem Gleichheitsgrundsatz und der Gleichbehandlung der Beitrag, den die Rentenversicherung zu zahlen hat, für alle gleich sein muß.
    Ich weiß, daß diese Frage sehr umstritten ist. Es wäre aber falsch und paßte keineswegs zu den Erfolgen, die diese Regierung mit ihrer Wirtschaftsordnung erreicht hat, etwa von einer Klasse armer Rentner zu sprechen. Es gibt keine homogene Gruppe der Rentner. Es gibt eine Gruppe von solchen Rentnern, die kleine Renten bekommen, weil die Zeit der Beitragszahlungen und der abhängigen Tätigkeit kurz war. Es gibt eine Gruppe von solchen Rentnern, die hohe Ansprüche haben, denen sie aber beschnitten werden, obwohl ihre Beitragsleistung besonders hoch war. Es gibt aber ganz gewiß nicht den armen Rentner, von dem in Flugblättern die Rede ist; denn es gibt bei den Rentnern wie bei allen Staatsbürgern die Vielfalt der Möglichkeiten des zusätzlichen Einkommens und der zusätzlichen Versorgung. Mancher Arbeitnehmer mit geringem Einkommen möchte gern mit manchem Rentner tauschen!
    Ein sehr ernstes Problem der Finanzierung der Krankenversicherung besteht darin, ob wir länger zusehen können, daß in einzelnen Kassenarten die



    Frau Kalinke
    Zuzahlung aus der Solidarhaftung für die Krankenversicherung der Rentner heute schon 100 DM je Kopf der Mitglieder beträgt.
    Zu einer sehr wichtigen, heute schon behandelten Frage kann ich wegen des Zeitdrucks leider nur wenig sagen. Es handelt sich um eine alte Forderung meiner Fraktion. Die Einführung von Vorsorgemaßnahmen in die künftigen Leistungen der Krankenversicherung ist nach Auffassung meiner Freunde im Gesetzentwurf noch nicht ganz zu Ende gedacht. Wir haben in dem Beispiel der deutschen Ersatzkassen das Vorbild einer ausgezeichneten Pionierarbeit auf dem Gebiete der Vorsorge für Jugendliche und Kinder. Mir scheint, die Stunde ist längst gekommen, daß nun endlich mehr Vorsorge für die berufstätigen Frauen, für die mitarbeitenden Frauen und für die Versicherten selbst geleistet wird. Ich habe mir die Zahl der Kuren in einer großen Kasse mit 2 Millionen Versicherten angesehen. Es waren nur ganze 4000 Kuren! Ich habe mich weiter an die Vorstellungen vor der Rehabilitationsdebatte bei der Rentenversicherung erinnert und sehe nun, was daraus noch nicht geworden ist. Hier ist ein Ansatzpunkt für sehr gründliche und weitgehende Untersuchungen des Problems bei der Ausschußberatung.
    Bei allen Gesprächen um die Höhe der Belastung, die auf die Träger der Krankenversicherung zukommt, teile ich nicht die Vorstellungen des Arbeitsministeriums, die in den in der Vorlage enthaltenen Zahlen zum Ausdruck kommen. Ich fürchte, die Belastung wird weit höher werden. Ich teile auch nicht den Optimismus des Arbeitsministers, daß eine Beitragssenkung von größerem Ausmaß denkbar sei. Ich verweise dabei auf die Verpflichtungen, die auf die Krankenkassen nicht nur aus den Forderungen nach Honorarerhöhung, nach Gehaltserhöhungen, wegen der Krankenhauspflegesätze und wegen vieler anderer Dinge mehr zukommen.
    Die Probleme der Krankenhausbehandlung und ihrer Kosten werden den Bundestag sicherlich noch viele Male beschäftigen. Es ist an der Zeit, daß die Länder endlich gemeinsam nach Wegen suchen, um das Problem der Finanzierung der Krankenhäuser zu lösen und diese Lösung nicht auf die Sozialversicherung und die Reform der Krankenversicherung abzuwälzen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube weiterhin, daß die Schaffung von Pflegehäusern für alte Menschen, die nicht ins Krankenhaus gehören, die aber gepflegt werden müssen, vordringlicher ist als die Errichtung manchen Gemeinschaftshauses in manchem Dorf und mancher Stadt.

    (Beifall bei der DP und der CDU/CSU.)

    Ich komme nun zu dem großen heißen Eisen der zusätzlichen Kostenbeteiligung. Lassen Sie mich vorweg etwas sehr Einfaches sagen. Was erlaubt die Finanzkraft der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zur Zeit? Sie erlaubt nicht einmal die Auffüllung der Rücklagen, sie erlaubt ihnen keinerlei Sprünge in der Bewilligung von individuellen Mehrleistungen durch Satzungsrecht, sie erlaubt ihnen keinerlei Möglichkeiten, die bei einzelnen Kassenarten zum Teil gekündigten Verträge zu erfüllen, ohne die Beiträge zu erhöhen. Aber das ist die entscheidende Frage: Wenn es keine Beitragserhöhungen geben soll — und ich bin dafür, daß die Beitragsentwicklung endlich gestoppt wird —, wenn Staatszuschüsse nicht möglich und nicht gewollt sind — meine politischen Freunde wünschen wegen der Erhaltung der Selbstverwaltung und wegen der Erhaltung des Versicherungssystems keine Staatszuschüsse in der Krankenversicherung —, wenn also Beitragserhöhungen und Staatszuschüsse nicht möglich sind, muß nach dem Gesetz die Selbstverwaltung Leistungssenkungen beschließen. Leistungssenkungen aber scheinen in der Sozialpolitik ein Tabu zu sein. Da also Leistungssenkungen auch nicht in Betracht kommen, bleibt die Frage, wie eine Umgestaltung in anderer Weise zu finanzieren ist.
    Es wäre unredlich, zu sagen, daß die Versicherten nicht schon jetzt an den Kosten beteiligt sind. Sie sind es natürlich durch den Beitrag, und sie sind es durch den Kaufwert ihres Geldes, das sie für Arzneimittel oder für die vielen Dinge, die zur Krankenpflege gehören, ausgeben. Sie sind selbstverständlich schon seit Jahrzehnten auf den vielfältigsten Gebieten des Leistungsrechts beteiligt, auf denen sie — ich denke nur an Heilmittel und anderes — auch schon jetzt einen wesentlichen Zuschuß zahlen müssen.
    Sie werden mir recht geben, meine Herren und Damen, wenn ich sage: die Aussprache über Löhne und Preise und über die Konjunkturprobleme hat doch wohl einer breiten Öffentlichkeit deutlich gemacht, daß es unserer Volkswirtschaft völlig unmöglich ist, gleichzeitig weitere Arbeitszeitverkürzungen, höhere Urlaubsansprüche, höhere Lohnforderungen und höhere Sozialbeiträge ohne Schaden zu verkraften. Auch die Krankenkassen können nicht gleichzeitig höhere Lohnforderungen, höhere Honorarforderungen verkraften, den Versicherten die hohen und teuren Leistungen der modernen Diagnostik und Medizin gewähren und ihnen die Erkenntnisse der modernen Forschung nutzbar machen, wenn sie nicht irgendwoher die finanziellen Mittel bekommen, um das alles zu bezahlen.

    (Zuruf von der SPD: Von den höheren Dividenden sprechen Sie nicht!)

    — Ich weiß nicht, ob es in der gesetzlichen Krankenversicherung Dividenden gibt. Aber vielleicht gibt
    es Versicherungen, in denen Sie Dividende kriegen.

    (Zuruf von der SPD: Die private Krankenversicherung! — Gegenruf von der Mitte: In der privaten Krankenversicherung gibt es auch keine Gemeinschaft!)

    — Die private Krankenversicherung ist — —