Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Rednern, die nach mir gesprochen haben, sind eine ganze Reihe vortrefflicher Maximen entwickelt worden, denen ich fast ausnahmslos zustimmen kann. „Ein guter Mensch, wer wäre es nicht gerne; doch leider, die Verhältnisse, die sind nicht so", —
zumindest nicht für jedermann in gleicher Weise ...
Was das Sparen anbetrifft, so kann man z. B. sparen, indem man eine Lebensversicherung abschließt. Ich habe es getan. Mein „Bauernhof", auf Grund dessen ich sparen kann, ist mein Professorengehalt. Deswegen kann ich in einer Lebensversicherung sein. Andere haben solche Möglichkeiten nicht. Sie haben nichts anderes, als was sie für ihre Tätigkeit im Parlament bekommen. Und da frage ich wirklich — prüfe man sich doch auf Herz und Nieren! —, ob, wenn man seine Pflicht als Abgeordneter ernst nimmt, d. h. wenn man auch im Lande herumfährt und versucht, dem Volk draußen zu sagen, worum es in diesen Zeiten geht, noch sehr viel von dem übrigbleibt, was man hier bezieht! Vielleicht gilt das nicht für alle gleichermaßen. Aber für eine Reihe von Kollegen dieses Hauses gilt es in einem sehr erheblichen Umfang.
Das ist das eine, was ich sagen möchte.
Das zweite: Der Entwurf sieht Freiwilligkeit vor. Niemand ist verpflichtet, von den Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die das Gesetz gewährt. Ich z. B. werde davon keinen Gebrauch machen. Denn ich habe es, wie gesagt, nicht nötig. Wenn ich eines Tages hier und aus meinem Amt ausscheide, erhalte ich die Bezüge eines emeritierten Professors. Das wird für meine Familie und mich genügen. Aber andere sind nicht in dieser Lage, in der ich bin, und für diese möchte ich hier sprechen, nicht um eine Pfründenanwartschaft zu begründen, sondern um es möglich zu machen, daß dieses Haus seiner
Aufgabe in Unabhängigkeit und Würde nachkommt!
Nun ein letztes Wort! Ich glaube, ich bin in dem, was ich von der Unabhängigkeit des Abgeordneten gesagt habe, gröblich mißverstanden worden. Ich meinte damit doch nicht, daß wir darum unabhängiger sind, weil wir oder weil einige von uns wissen: Wir bekommen, wenn wir hier ausscheiden, eine Rente von 400 oder von 450 Mark — so taxiere ich uns wirklich nicht ein. Nein, das habe ich nicht gemeint. Was ich gemeint hatte, ist, daß die Parteien, die Parteiorganisationen — wir wissen doch, welche Rolle sie bei der Aufstellung der Kandidaten zu den Wahlen spielen — es leichter haben werden, zu sagen: Dem Kollegen X oder Y ist jetzt ein ruhiger Lebensabend zu gönnen, während wir doch ein paar jüngere Kollegen ins Parlament bringen sollten. Es ist uns leichter, dem alten Kollegen zu sagen: „Komm, finde dich damit ab, du wirst nicht wieder aufgestellt", wenn wir wissen, daß er nun von der Pension wird leben können, wenn auch sehr bescheiden. Das ist es, was ich gemeint habe. Ich glaube nicht, daß sich irgendein junger begabter Mann oder eine junge begabte Frau, die sich für Politik interessieren, deswegen wählen lassen werden, weil sie nach 30 Jahren eine Rente von 400 oder 450 Mark bekommen, — für die sie mehr bezahlt haben werden, als sie herausbekommen.
Nun die Frage der Ausschüsse, an die der Entwurf überwiesen werden soll. Mein Vorschlag bezüglich des Ältestenrats war nicht etwa ein Antrag, den Ältestenrat als einen Ausschuß zu betrachten — das ist er nicht —, sondern es war ein Rat, man sollte den Ältestenrat damit befassen. Der Vorstand wäre ein Ausschuß im Sinne unserer Geschäftsordnung; er könnte nicht bloß beraten, sondern auch beschließen. Die Mitwirkung des Haushaltsausschusses zur Mitberatung versteht sich von selbst. Die Frage ist: Sozialpolitischer Ausschuß oder nicht?
Ich habe dazu keine besondere Meinung. Ich halte dieses Gesetz — ich bitte, mich richtig zu verstehen, und ich sage es genauso, wie ich es meine — nicht für eine Sache der Sozialpolitik, sondern für ein Gesetz unserer Verfassungsordnung!