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ID0309303100

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    Deutscher Bundestag 93. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1959 Inhalt: Nachruf auf die Opfer der Staudammkatastrophe bei Fréjus . . . . . . . 5119 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Diel und Wittmer-Eigenbrodt . . . 5119 A Begrüßung der Senatoren Johnston und Case des amerikanischen Senats . . . 5132 A Wahl des Abg. Niederalt in den Schuldenausschuß bei der Bundesschuldenverwaltung 5119 B Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das .Rechnungsjahr 1960 (Haushaltsgesetz 1960) (Drucksache 1400) — Erste Beratung — Etzel, Bundesminister . . 5119D, 5172 A Ritzel (SPD) 5137 D, 5172 D Dr. Vogel (CDU/CSU) 5151 C Lenz (Trossingen) (FDP) . . . . 5161 D Niederalt (CDU/CSU) 5167 C Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Rechnungsjahres an das Kalenderjahr (Drucksache 1435) ; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 1448) — Zweite und dritte Beratung — Ritzel (SPD) 5133 D Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (CDU/CSU) (Drucksache 515); Berichte des Haushaltsund des Finanzausschusses (Drucksachen 1346, 1270, zu 1270) — Zweite und dritte Beratung — Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . . 5134 C, 5136 A Wieninger (CDU/CSU) 5135 C Dollinger (CDU/CSU) . . . . . 5136 B Zur Tagesordnung Rösing (CDU/CSU) . . . . . . . 5136 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland und Italiens zu den zwischen den Regierungen Belgiens, Frankreichs, Luxemburgs, der Niederlande und des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland geschlossenen und am 17. April 1950 in Brüssel unterzeichneten Übereinkommen über Grenzarbeitnehmer und über Gastarbeitnehmer (Drucksache 1188); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 1447) — Zweite und dritte Beratung — 5136 D Sammelübersicht 15 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen (Drucksache 1427) 5137 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und des Umsatzsteuergesetzes (SPD) (Drucksache 1403) — Erste Beratung — . . . . . . . . 5137 B Antrag der Abg. Wilhelm, Bach, Ritzel, Schmitt (Vockenhausen) u. Gen. betr. Abgeltungsbetrag und Härteausgleichszahlung für Arbeiter, Angestellte und Beamte des öffentlichen Dienstes im Saar land (Drucksache 1453) 5137 B Antrag des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes betr. Zustimmung zur Veräußerung einer Beteiligung an der Deutsche Wochenschau GmbH, Hamburg (Drucksache 1039); Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 1474) Lohmar (SPD) . . 5176 D, 5179 B Zoglmann (FDP) . . . . . . . . 5178 C Dr. Lindrath, Bundesminister . . . 5179 C Entwurf einer Zehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Vorprodukte zur Herstellung von Hormonen usw.); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1454, 1475) 5180 C Entwurf einer Elften Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Zolltarifvereinbarungen mit der Schweiz usw.) ; Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1455, 1476) . . . 5180 C Entwurf einer Zwölften Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 (Gefriergemüse usw.); Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses (Drucksachen 1462, 1478) Wehr (SPD) 5180 D Nächste Sitzung 5181 C Anlagen 5183 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5119 93. Sitzung Bonn, den 10. Dezember 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 12. 12. Blachstein 11. 12. Brüns 12. 12. Dr. Dahlgrün 11. 12. Dr. Deist 10. 12. Dr. Dittrich 12. 12. Dopatka 11. 12. Engelbrecht-Greve 11. 12. Even (Köln) 11. 12. Gaßmann 11. 12. Gedat 12. 12. Geiger (München) 11. 12. Gewandt 12. 12. Dr. Gradl 12. 12. Dr. Greve 12. 12. Dr. Gülich 15. 12. Hahn 12. 12. Hellenbrock 10. 12. Hilbert 15. 12. Jacobi 10. 12. Jahn (Frankfurt) 15. 12. Kemmer 11. 12. Frau Klemmert 11. 12. Könen (Düsseldorf) 10. 12. Dr. Kopf 11. 12. Dr. Kreyssig 10. 12. Kriedemann 12. 12. Dr. Löhr 10. 12. Lulay 31. 12. Maier (Freiburg) 15. 12. Margulies 11. 12. Prennel 12. 12. Rademacher 11. 12. Rasner 11. 12. Dr. Ratzel 11. 12. Richarts 11. 12. Scheel 11. 12. Dr. Schild 11. 12. Schoettle 12. 12. Dr. Starke 12. 12. Stenger 11. 12. Frau Strobel 10. 12. Theis 12. 12. Dr. Willeke 12. 12. Wittmer-Eigenbrodt 11. 12. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Memmel betreffend Bundesmittel für die bayerischen Winzergenossenschaften (Fragestunde der 89. Sitzung vom 11. 11. 1959, Drucksache 1347) : Ich frage die Bundesregierung, welche Mittel - aufgegliedert nach verlorenen Zuschüssen und zinsverbilligten Darlehen - bisher den bayerischen Winzergenossenschaften vom Bund zugeflossen sind. In Ergänzung der in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 11. November 1959 mündlich erteilten Antwort darf ich mitteilen, daß nach Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bayerische Winzergenossenschaften seit dem Jahre 1954 bis zum Abschluß der Zinsverbilligungsaktion „Anschaffung von Gemeinschaftseinrichtungen und -maschinen" am 30. Juni 1959 Darlehen von insgesamt 956 500 DM in Anspruch genommen haben, die mit Bundesmitteln zinsverbilligt wurden. Schwarz Anlage 3 Erklärung zur Abstimmung gemäß § 59 der Geschäftsordnung. Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei hat zu Punkt 2 der Tagesordnung der 93. Sitzung des Deutschen Bundestages den Änderungsanträgen zur 2. Beratung des Entwurfs des 10. Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Umdrucke 447 und 449) zugestimmt, weil sich diese mit einem Änderungsantrag decken, den die Fraktion ,der FDP als Umdruck 450 eingebracht hat, der aber nicht mit zur Abstimmung gestellt werden konnte, weil er infolge eines eigenen technischen Versehens dem Hohen Hause zu spät vorgelegt wurde. Mauk Dr. Bucher Anlage 4 Umdruck 447 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 515, 1270, zu 1270). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 wird die neugefaßte Ziffer 4a des § 4 wie folgt ergänzt: i. Hinter dem Wort „Früchte" wird das Wort „ , frisch, " eingefügt. 2. Hinter den Worten „Gemüse und Küchenkräuter" wird das Wort „ , frisch," eingefügt. 3. Hinter den Worten „Kaffee-Ersatzmittel und Kaffee-Ersatzmittelextrakte" wird das Wort „Kindernährmittel" neu eingefügt. Bonn, den 8. Dezember 1959 Ollenhauer und Fraktion Anlage 5 Umdruck 449 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 515, 1270, zu 1270). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 wird die neugefaßte Ziffer 4a des § 4 wie folgt ergänzt: 1. Hinter dem Wort „Früchte" wird das Wort „ , frisch," eingefügt. 2. Hinter den Worten „Gemüse und Küchenkräuter" wird das Wort „ , frisch," eingefügt. Bonn, den 9. Dezember 1959 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans Lenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß ich Sie zu so spater Nachmittagsstunde mit meinen Ausführungen noch einigermaßen redlich „ernähren" kann.

    (Heiterkeit.)

    Meine Anfangspointe ist mir leider verlorengegangen, weil mein sehr verehrter Kollege Ritzel das Wort aus dem zweiten Teil des „Faust" bereits zitiert hat, das auch ich in dieser Legislaturperiode einmal wieder anbringen wollte.

    (Heiterkeit! -- Zuruf von der CDU/CSU: Das war gut! — Abg. Ritzel: Alles Gescheite ist schon einmal gedacht worden. Man muß nur versuchen, es noch einmal zu denken!)

    An der Sache ist gar nicht zu rütteln, Goethe hat völlig recht!

    (Heiterkeit.)

    Meine Damen und Herren, wir sind bei der ersten Lesung des Bundeshaushaltes immer in einer etwas mißlichen Lage. Die Regierung ist nach dem Grund-
    5162 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959
    Lenz (Trossingen)

    Besetz gehalten, den Haushalt nach Verabschiedung im Kabinett dem Bundesrat zuzuleiten. Das bedeutet gleichzeitig, daß damit der Bundeshaushaltsplan an die Öffentlichkeit kommt. Aus diesem Grunde lesen wir nun in den letzten 3 Wochen in Zeitungen, in Zeitschriften, in Wochenblättern das, was wir über den Bundeshaushalt zu denken haben. Das Überraschungsmoment - der „Budget day" ist in England ein großer Tag — ist damit eben leider verlorengegangen.
    Uns ist der Haushalt heute vormittag eingebracht und durch den Herrn Bundesfinanzminister begründet worden. Nun müssen wir gewissermaßen aus dem Stand springen und einiges dazu sagen. Ich weiß, daß man das nicht ändern kann. Aber es hat unbewußt im Parlament zu der Haltung geführt, als ob die erste Lesung des Bundeshaushaltes eigentlich nicht so sehr wichtig sei und daß wir uns nicht so sehr damit abzugeben haben. Die Hauptsache sei, über die Bühne zu kommen und den Haushaltsplan möglichst schnell an den Ausschuß zu überweisen.
    Es ist sicher auch sehr schwer — ich kann das vom publizistischen Standpunkt aus verstehen —, innerhalb von ein paar Wochen die Öffentlichkeit ein zweites Mal mit dem Haushalt zu befassen und sie dafür zu interessieren. Trotzdem könnte man die Meinung vertreten, die erste Lesung des Haushalts sei eigentlich die wichtigste, weil hier noch die Möglichkeit besteht, zu dem Plan der Regierung — das ist ja schließlich der Haushalt — etwas zu sagen, was ihn noch beeinflussen kann. In der zweiten und in der dritten Lesung sprechen wir über Dinge, die bereits mehr oder weniger abgeschlossen sind. Das Parlament könnte zum Ausdruck bringen, wie es das Programm der Regierung beurteilt, ob es dem Haushaltsausschuß Direktiven geben will und dergleichen mehr. Das würde natürlich eine Beratung im einzelnen erfordern. Ich gehe mit Ihnen, Herr Kollege Ritzel, gar nicht so sehr scharf ins Gericht, daß Sie kasuistisch, pragmatisch die einzelnen Haushalte durchgenommen haben. Das hat durchaus seinen Sinn. Es ist zweifellos zu vertreten, daß man hier in der ersten Lesung über Einzelheiten spricht. Trotzdem gehe ich sicherlich nicht fehl in der Annahme, daß wir alle das Gefühl haben: Möglichst rasch Schluß mit einer Haushaltsdebatte, der Haushaltsausschuß wartet schon.
    Meine Damen und Herren, die Finanzminister im allgemeinen, unser Finanzminister im besonderen, haben die Angewohnheit, den Haushaltsplan mit einer „Spitzmarke" zu versehen wie einen guten Wein. 1957 war es: „Gutes Geld ist wichtiger als mehr Geld."

    (Zuruf von der SPD: Das Etikett!)

    — Das Etikett, darüber spreche ich ja gerade; wir hoffen, daß es nicht täuscht. 1958 war es der „Haushalt der Stabilität und der inneren Sicherheit". Diesmal ist es der „Haushalt der Konsolidierung". Dabei bemerke ich, daß dieser Ausdruck heute früh in der Haushaltsrede nicht gefallen ist.

    (Heiterkeit.)

    Ich will nun keine Untersuchungen anstellen, ob etwa der Finanzminister von dieser Bezeichnung abgerückt ist, ob ihm nicht ganz wohl ist, wenn man diesen Haushalt als „konsolidierten Haushalt" bezeichnet. Das lasse ich einmal offen.
    Ich bin nicht der Meinung, daß man diesen Haushalt so bezeichnen kann. Ich habe in meinem Fremdwörterbuch nachgesehen, was Konsolidierung heißt. Da steht drin, daß es „die Festigung eines labilen Zustandes" bedeutet.

    (Heiterkeit.)

    Sie halten das Nachschlagen vielleicht für Halbbildung. Das ist nicht richtig. Man muß nur wissen, wo etwas steht. Konsolidieren heißt also: etwas auf eine sichere Grundlage stellen. Ich meine doch, daß in diesem Haushalt ganz zweifellos einige Unsicherheitsfaktoren enthalten sind.
    Ich erinnere an die Sorgen, die der Herr Finanzminister vielleicht haben wind, wenn er morgen in diesem Hohen Hause die Preisdebatte hören wird. Er weiß sicher auch von der Kündigung der Tarife, er weiß von den Wünschen des öffentlichen Dienstes nach einer „Einkommensberichtigung" — ich glaube, so heißt man das heute. Kurzum, dem Herrn Finanzminister wird sicherlich klargeworden sein, daß nicht alles so konsolidiert ist, wie es wirklich sein sollte.
    Ich weiß nicht, Herr Bundesfinanzminister — ich darf Sie einen Augenblick persönlich ansprechen —: mit den Grundsätzen, die Sie verkünden und für die Sie eintreten, sind wir eigentlich immer einig. Darüber gibt es gar keinen Streit. Nachdem wir heute früh diese Rede gehört haben, darf ich wiederum, Herr Kollege Ritzel, Goethe zitieren: „Wenn man's so hört, mag's leidlich scheinen". Aber bei der Anwendung dieser Grundsätze hätte es doch einer größeren Härte bedurft, eines Mutes zur Unpopularität; man hätte vielleicht doch weniger Konzessionen machen sollen, man hätte vielleicht doch etwas mehr den viel berufenen Rotstift anwenden müssen.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausenl: Vielleicht wird der Haushalt 1961 der Haushalt der Konzessionen! — Heiterkeit.)

    — Ich bin für die Etikettierung der Haushalte nicht verantwortlich, aber ich empfehle dem Herrn Finanzminister, sich etwas Besseres einfallen zu lassen.
    Zur Sache! Muß es denn sein, daß in der Ausschöpfung der Steigerung des Sozialprodukts, mit der ständig und auch heute wieder operiert wird, immer bis an die Grenze des nur Vertretbaren gegangen wird? Ich frage: wäre Zurückhaltung aus konjunkturellen Gründen in der berühmten Hochkonjunktur, wäre die Ansammlung einer gewissen Konjunkturreserve nicht doch richtiger? Sie haben es heute früh in Ihrer Rede verneint, Herr Bundesfinanzminister. Aber ich weiß nicht, ob das so richtig ist. Ich will nicht sagen, daß man alles nachahmen soll. Aber wer ein wenig im Ausland herumgekommen ist und sich umgesehen hat, der hat manchmal den Eindruck: die anderen scheuen sich nicht, etwas zurückzulegen. Den viel zitierten Joseph aus dem Alten Testament will ich nicht
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5163
    Lenz (Trossingen)

    noch einmal zitieren, aber ich meine, diese uralte Weisheit dieser Geschichte ist auch heute durchaus angebracht. Bei uns habe ich immer ein wenig das Gefühl, als handele man nach dem Motto: Hinein ins Volle! Wir werden das irgendwie schon schaffen!
    Im Frühjahr fliegen die Tarife auf, darüber gibt es keinen Zweifel. Die öffentlichen Bediensteten holen sich ihre Bezüge. Die Preise sind jetzt schon ein wenig dran. Ich will gegen den Begriff der Konsolidierung nicht bloß polemisieren, aber sehen wir in diesem Hause uns nicht einem Haushalt mit einer ganzen Reihe von Unbekannten gegenüber? Diese ständige Balance auf dem Wellengipfel der Konjunktur macht uns Sorge.
    Heute vormittag ist mir bei Ihrer Rede, Herr Minister, aufgefallen, daß Sie nichts über den Haushaltsausgleich gesagt haben. Eigentlich, glaube ich, sind Sie und sind wir 'das dem Hause schuldig; denn wir haben ja Ihre Vorschläge zur Haushaltsdeckung im Haushaltsausschuß erfahren, und ich nehme nicht an, daß das vertrauliche Mitteilungen waren. Da ist doch sehr klar gesagt worden, daß von den 41,9 Milliarden DM Haushaltsvolumen nur 40,7 Milliarden durch Steuern gedeckt werden können und daß eine Deckungslücke von 1,2 Milliarden besteht. Ich hätte doch erwartet, daß man das auch dem Hause sagt und auch sagt, wo man diese 1,2 Milliarden hernehmen will.
    Man wird mit dieser Deckungslücke nur dadurch fertig, daß man zwei Kunstgriffe anwendet. Der eine Kunstgriff ist ein alter Bekannter. Bisher haben wir im Haushaltsgesetz dem Finanzminister immer wieder die Vollmacht gegeben, im Lauf des Haushaltsjahres einen Globalabstrich vorzunehmen, wenn es notwendig werden sollte. Diesmal soll dieser Abstrich bis zu der unwahrscheinlichen Höhe von 9 % gehen können. Über die Anforderungen an die Verwaltungen, die mit einem solchen Globalabstrich bisher verbunden waren, will ich nicht sprechen. Aber bisher war es wenigstens eine Möglichkeit im Nachhinein. Diesmal jedoch, meine Damen und Herren, soll die Globalkürzung von 6 % 800 Millionen DM bringen, und die will man als Mindereinnahme in den Haushalt einsetzen.
    Da frage ich nun unsere Haushaltsplaner, was das soll. Warum hat man, wenn man das will, wenn man ganz grundsätzlich alle nicht durch Gesetz festgelegten Ausgaben um 6 % kürzen will, damit das Haushaltsvolumen auf die entsprechende Deckungsmöglichkeit kommt, das nicht schon bei den Ansätzen, bei der Aufstellung des Haushalts getan?

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Das muß gefragt, es muß auch, wenn ich bitten darf, beantwortet werden. Ich habe gehört, daß die Bedenken der Ressorts dabei eine Rolle gespielt haben; aber das kann doch für uns kein plausibler Grund sein.
    Es gibt noch eine andere Unbekannte, jedenfalls für mich und bis heute; ich weiß nichts weiter darüber. Um auf die 1,2 Milliarden DM zu kommen — die Differenz zwischen dem Ausgabensoll und der Einnahmeerwartung —, müssen Sie die Möglichkeit haben, bei der Bundesbank das Garantiekonto für
    Rüstungsaufträge in den USA aufzulösen; denn die auf diesem Konto liegenden und verbuchten 400 Millionen DM sollen zurückgeführt und als Minderausgabe in den Haushalt eingestellt werden. Auch davon haben wir heute früh nichts gehört. Wir wären interessiert, zu erfahren, ob unsere amerikanischen Freunde damit einverstanden sind oder waren. Besteht Aussicht, daß sie zustimmen? Werden das Deckungsmittel werden, oder werden wir uns weiterhin umsehen müssen?
    Erlauben Sie mir, daß ich ein paar Worte zu den Einnahmen sage. Bei den Einnahmen ist man auf Schätzungen angewiesen, und für die Schätzungen ist der Finanzminister nur zum Teil verantwortlich. Mit einer gewissen Befriedigung, ja vielleicht berechtigtem Stolz hat der Herr Bundesfinanzminister die günstige Entwicklung auf diesem Gebiet im letzten Haushaltsjahr gekennzeichnet. Überraschend ist das Bruttosozialprodukt um ein halbes Prozent mehr gestiegen, als die Expertenkommission vorausgesagt hat, und wir haben 1,2 Milliarden DM Steuern mehr eingenommen. Sicher hat das die Sorgen des Herrn Bundesfinanzministers um einen Ausgleich seines Haushalts wesentlich verringert. Er war hier ein richtiger „Franz im Glück".

    (Heiterkeit.)

    So wird auch diesmal wieder das Steueraufkommen um 2,2 bis 2,3 Milliarden DM höher als das des Jahres 1959 geschätzt. Die Mehrbeträge sollen im wesentlichen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer und aus der Umsatzsteuer kommen. Ansätze über die Heizölsteuer habe ich nicht gefunden.
    An Lohnsteuer sollen offenbar 800 Millionen DM mehr einkommen. Aber man spricht sicher kein Geheimnis aus, wenn man sagt, daß der Arbeitsmarkt — die Tatsache selber ist sehr erfreulich — praktisch keine Reserven mehr aufweist. Wenn ich es richtig sehe und die Ausweise unseres früheren Kollegen Sabel richtig sind, dann werden im kommenden Jahr doch nicht zusätzliche Lohn- und Gehaltsempfänger steuerpflichtig werden. Man wird es wahrscheinlich abstreiten, aber offenbar erwartet man ein größeres Steueraufkommen aus einer Lohnerhöhung, und das scheint mir kein Element der Konsolidierung, sondern eher ein gewisses spekulatives Element zu sein.

    (Beifall bei der FDP.)

    Auch ist höchst fraglich — Herr Kollege Vogel hat dazu ausgezeichnete Ausführungen gemacht —, wie wir die 3 Milliarden DM im außerordentlichen Haushalt bedienen wollen. Zugegeben, man hat den außerordentlichen Haushalt von 4,2 auf 3 Milliarden DM gedrosselt. Man hat einmal eine Tranche aufgelegt und hat die 300 Millionen DM glatt bekommen. Es wird darüber gestritten, ob das so ganz marktgerecht gewesen oder ob man da nicht ein wenig in das teure Geld hineingeraten sei. Immerhin, das war eine glatte Sache. Aber wenn man glaubt, man könne im Jahre 1960 neben der Deutschen Bundesbahn und der Bundespost den zehnfachen Betrag herausholen, dann möchte ich dagegen sagen, man darf das füglich bezweifeln.
    5164 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959
    Lenz (Trossingen)

    Ich habe schon im Vorjahr gesagt: wir jagen hinter einem Phantom her, wenn wir glauben, daß der Kapitalmarkt diese Mittel für die öffentliche Hand bereitstellen kann. Was ist bis jetzt herausgekommen? Ganze 300 Millionen DM zu Bedingungen, über die man zweifellos streiten kann. Ich glaube, man wird im kommenden Jahr Überraschungen erleben.
    Nun gebe ich Ihnen zu, Herr Bundesfinanzminister — nach meinen Notizen habe ich Sie allerdings einiges dazu fragen wollen —, es hat mich beeindruckt, was Sie in Ihrer Rede heute früh gesagt haben. Sie haben erklärt: Ich kann nicht sagen, ob ich alle Ansätze im außerordentlichen Haushalt bedienen kann; hier sind Unsicherheitsfaktoren. Diese Bemerkung genügt an sich schon; denn sie wird ganz sicher manchen Zweifel und manche Sorge nehmen. Nur ist eben die Frage, ob man von diesen Ausgaben im Extraordinarium herunterkommen kann. Das wird wahrscheinlich gar nicht so sehr vom guten Willen des Bundesfinanzministers abhängen, denn Staatsausgaben haben nun einmal eine gewisse Zwangsläufigkeit in sich.
    Ich darf noch zu einigen weiteren Punkten allgemeiner Art in diesem Haushalt Stellung nehmen. Ein weithin sichtbares beeindruckendes Element ist die Tatsache, daß der „Juliusturm" nicht mehr existiert; er wurde geschleift, und zwar sehr schnell, schneller — ich gebe Ihnen das ganz offen zu —, als ich erwartet habe, vielleicht auch schneller, als nötig gewesen wäre. Ich bin mit Ihnen, Herr Vogel, der Meinung, daß darüber nicht so rasch hätte hinweggegangen werden dürfen. Ich sage nichts von der vorzeitigen Schuldentilgung der Nachkriegswirtschaftshilfe an die USA und Großbritannien. Schulden bezahlen ist zu jeder Zeit eine gute Sache. Dagegen will ich nichts sagen.
    Aber der sprunghafte Anstieg der Verteidigungsausgaben in den letzten beiden Monaten des abgelaufenen Rechnungsjahres, im Februar und März 59, haben es mir angetan. Damals wurden — das scheint sich auch noch in diesem Rechnungsjahr fortgesetzt zu haben — Vorauszahlungen für Rüstungslieferungen in einem derartigen Ausmaß geleistet, daß man sich fragen muß, ob das wirtschaftlich noch vernünftig ist. Sicherlich ist die Behauptung richtig, daß die Vorauszahlungen auf künftige Lieferungen die Haushalte der nächsten Jahre finanziell nicht mehr belasten. Soweit gut. Aber wenn diese Vorauszahlungen für Lieferungen, die erst in einigen Jahren erfolgen sollen, einen Umfang von 100 % erreichen, dann ist die wirtschaftliche Vernunft eines solchen Verhaltens recht zweifelhaft, ganz abgesehen davon, daß wir nicht wissen, ob wir uns nicht nach zehnjährigem Bestehen der Bundesrepublik vielleicht — ich weiß es nicht, ich verstehe nichts davon — eine neue Verteidigungskonzeption überlegen müssen.
    Alles das war mindestens der Überlegung wert, und es wäre Zeit dafür gewesen. Jetzt sind schon Riesenbeträge festgelegt. Vorauszahlungen in dieser Höhe sind in der Wirtschaft nicht üblich. Selbst bei größten Aufträgen erreichen die vereinbarten Anzahlungen im allgemeinen höchstens 30 v. H. der
    Auftragssumme. Man kann sich — das weiß ich — in der Wirtschaft höhere Anzahlungsforderungen „bestellen" ; das soll gelegentlich vorkommen. Aber mit wirtschaftlicher Vernunft hat das nichts zu tun.

    (Beifall bei der FDP.)

    Die Bundesregierung hat vor Jahren mit den USA ein Werterstattungshilfeabkommen geschlossen. Danach ist die Bundesregierung verpflichtet, für Rüstungsaufträge in den USA 15 % der Auftragssumme einzuzahlen. Weitere 25 % sollen auf den Garantiekonten bei der Deutschen Bundesbank hinterlegt werden. Das sind die Summen, die wir ganz gern zur Haushaltsdeckung hätten. In Wirklichkeit aber sind Einzelbestellungen in den USA bis zu 100 % angezahlt worden. Ich frage: Auf Grund welcher Verpflichtungen geschah das? Ist die Bundesrepublik ein so schlechter Schuldner geworden? Herr Finanzminister, Sie haben heute früh dem Hause eindrucksvoll erklärt: Mein Ziel ist, Deutschland zu einem guten, zu einem vertrauenswürdigen Schuldner zu machen. — Sollten wir das nicht sein? Welche Gründe lagen hier vor?
    Meine persönliche Vermutung ist, daß der Finanzminister — ich kann das angesichts einiger Vorgänge im Hohen Haus auch verstehen — vor das Plenum und vor die Öffentlichkeit hintreten und sagen wollte: Ich habe kein Geld mehr, ich muß Schulden machen, um den laufenden Verpflichtungen nachkommen zu können, und hier im Hause sollen keine neuen Ausgaben bewilligt werden.

    (Zuruf von der SPD: Deswegen wurden auch die Zahlungen im März geleistet!)

    Es werden heute die Schwierigkeiten beklagt — und sie bestehen tatsächlich —, die der Bund bei seinem Vorhaben hat, den Bedarf des außerordentlichen Haushalts auf dem Kapitalmarkt zu decken. Demgegenüber muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß jene überhöhten Vorauszahlungen einer der wesentlichen Gründe dafür sind, daß der Bund vorzeitig, jedenfalls früher, als seine Kassenlage es nötig gemacht hätte, an den Kapitalmarkt gehen muß. Der Bund muß sich jetzt verschulden und die Schulden verzinsen, um überhöhte Vorauszahlungen leisten zu können. Diese Finanzpolitik kann ich beim besten Willen nicht mehr als sparsam und wirtschaftlich bezeichnen.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    In diesem Zusammenhang noch ein Wort zur Etatgestaltung des Verteidigungshaushalts! Bei der Durchsicht dieses Haushalts fällt auf, daß auch für 1960 ebenso wie für 1959 die Ansätze für Einzelbaumaßnahmen — also Kasernenneubauten, Instandsetzung von Kasernen, Errichtung von Depots, Bau von Truppenübungsplätzen, Lazarettbauten usw.; es ist Kap. 14 12 — ohne Geldansätze als Leertitel veranschlagt sind. Gespeist werden sollen diese Ansätze aus den Ausgaberesten früherer Rechnungsjahre, ganz gleichgültig, ob dieses Geld damals für diese Zwecke bewilligt worden war. Wir haben doch damals — es war vielleicht ein Fehler — globale Summen bewilligt, „Baumaßnahmen aller Art" und dgl. Man hat zunächst versucht, mit diesen
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5165
    Lenz (Trossingen)

    Resten hin- und herzujonglieren. Aber schließlich sind sie in einen großen Topf geworfen worden, und daraus werden nun Einzelvorhaben finanziert. Das ist eine technisch interessante Lösung, ich habe aber Zweifel, ob man sich da noch durchfinden kann. Ich behaupte, ein Parlamentarier ist nicht mehr in der Lage — ich jedenfalls nicht —, herauszufinden, für welche Zwecke die Mittel ursprünglich bewilligt waren. Bei der Größenordnung, um die es hier geht, sollte dieses Verfahren vom Hohen Haus nicht mehr hingenommen werden.
    In den Jahren 1956 bis 1958 wurden für Neubaumaßnahmen rund 5 Milliarden DM bewilligt, von denen bis Ende 1958 noch nicht einmal 1,5 Milliarden ausgegeben sind. In dem großen Topf für militärische Bauten stecken noch über 3,2 Milliarden DM. Wo bleiben hier die tragenden Grundprinzipien der Haushaltsordnung, Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit?
    Wir sollten jetzt wirklich mit dem Versteckspiel aufhören und den tatsächlichen Bedarf für das Rechnungsjahr veranschlagen. Das gilt auch für die übrigen Beschaffungsprogramme der Bundeswehr. Wenn wir so verfahren, brauchen wir die Neudeckung der Reste gar nicht; die werden nämlich dadurch überflüssig, daß die Ausgabenreste im gleichen Umfange gestrichen werden.
    Der Bundesfinanzminister hat in seiner vorjährigen oder vorvorjährigen Haushaltsrede mit einem großen Paukenschlag den Subventionen seinen Kampf angesagt. Ich will mich darüber jetzt nicht verbreitern. Aber was ist eigentlich geschehen? Sicher wird in der morgigen Debatte einiges darüber zur Sprache kommen. Ich will deshalb den Ansatz von 200 Millionen DM im Landwirtschaftshaushalt nicht kritisieren. Die Tendenz ist ja, dem Verbraucher zu helfen, obwohl die Frage gestellt werden kann, ob die Einfuhr- und Vorratsstellen ihre marktregulierende Aufgabe wirklich erfüllt haben. In diesem Jahr wäre doch wohl die Bewährungsprobe für diese Stellen gewesen, und man hat allgemein den Eindruck: in diesem Jahr haben sie versagt. Zudem gibt es einzelne Fälle, in denen die Methode, zu subventionieren, kritisiert werden muß, etwa beim Getreide. Bei einem Überhang geht die Subvention auf die Futtermittel über, und bei einer Dürre, wenn die Futtermittel knapp werden, werden auch diese subventioniert. Wir haben eine dreimalige Subventionierung bei einem und demselben Vorgang. — „Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode"!
    Als großer Mangel muß empfunden werden, daß die Mittel des Grünen Planes 1960 wiederum in einer Globalsumme veranschlagt sind. Die Aufgliederung werden wir also wie in früheren Jahren durch eine förmliche Ergänzung frühestens im März nächsten Jahres erhalten, wenn die Haushaltsberatungen praktisch abgeschlossen sein müssen, da der Haushalt am 1. April 1960 in Kraft treten soll. Dieses Verfahren sollten wir ebenfalls abstellen. Der Einwand, daß der Grüne Bericht, der erst zum 15. Februar im Bundestag zu erstatten ist, die Grundlage für den Grünen Plan bildet, stimmt in diesem Jahr nicht mehr. Durch die Umstellung des
    Rechnungsjahres ergibt sich für die Haushaltsaufstellung ein neuer Terminplan. Der zum 15. Februar jeden Jahres zu erstattende Grüne Bericht fällt bereits in die Zeit nach Beginn des neuen Rechnungsjahres. Der zum 15. Februar 1960 zu erstattende Bericht kann also nur die Unterlage für den Haushalt 1961 sein, der zu diesem Zeitpunkt schon aufgestellt und dem Finanzminister vorgelegt werden muß. Dieser Tatsache hätte man schon für das Rumpfrechnungsjahr 1960 Rechnung tragen sollen. Wir sollten daher die Bundesregierung ersuchen, die Einzelanforderungen für den Grünen Plan 1960 sofort auf Grund des vorjährigen Grünen Berichts mit den inzwischen bekanntgewordenen Änderungen vorzulegen.
    Ein anderes tragendes Prinzip der Reichshaushaltsordnung scheint mir für diesen neuen Haushalt nicht ausreichend beachtet worden zu sein. Ich werde den Eindruck nicht los, daß eine ganze Menge von Entscheidungen, die in den Haushalt gehören, außerhalb des Haushalts getroffen werden.

    (Abg. Hermsdorf: Sehr richtig!)

    Ich fordere das Hohe Haus auf, wachsam zu sein. Es geht hier, glaube ich, nicht um die Möglichkeit von Konflikten zwischen Opposition und Regierung, sondern es geht um Parlament und Regierung. Ich habe den Eindruck, dieser Haushalt ist nicht vollständig. Im Haushaltsentwurf 1960 sind z. B. keine Ansätze für Leistungen des Bundes nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes zur Bereinigung der finanziellen Auseinandersetzungen des Bundes mit den Rentenversicherungsträgern aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Renten-Neuregelungsgesetze vorgesehen. Nach einer Vorschrift des Haushaltsgesetzes soll der Bundesminister für Finanzen ermächtigt werden, den Rentenversicherungsträgern für diesen Zweck 200 Millionen DM in Schuldbuchforderungen zuzuteilen. Entgegen der Verkündung des Herrn Bundesarbeitsministers, der am 6. November, also vor einem Monat, hier an dieser Stelle wörtlich erklärte, daß die Bundesregierung in den Entwurf des Haushaltsplans für das Jahr 1960 als Teilbetrag 200 Millionen DM einsetzen werde, fehlt im Haushaltsplan ein Ansatz dafür. Die Vorschrift des Haushaltsgesetzes gibt lediglich die gesetzliche Ermächtigung im Sinne des Art. 115 des Grundgesetzes wieder; es handelt sich nur um eine Kreditermächtigung. Aber sowohl eine Kreditaufnahme wie auch eine Leistung des Bundes durch Hergabe von Schuldbuchforderungen an Stelle einer Barleistung bedürfen einer haushaltsmäßigen Bewilligung. Ich stelle fest, daß die Bewilligung nicht erteilt worden ist.
    Außerdem vermisse ich einen Ansatz für die Verpflichtungen des Bundes auf Grund des bekannten Karlsruher Urteils zum Gesetz über die Tilgung der Ausgleichsforderungen. Ferner sind im Haushaltsentwurf 1960 keine Mittel für die von der Bundesregierung schon seit geraumer Zeit beschlossenen und verkündeten Hilfsmaßnahmen für den Kohlenbergbau enthalten. Dieses Versäumnis dürfte durch die Tatsache, daß die ersten Ausgaben für diesen Zweck noch im laufenden Rechnungsjahr ge-
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    Lenz (Trossingen)

    leistet werden sollen, nicht geringer werden. Die Gründe dafür, daß keine Mittel für diese Maßnahmen angesetzt sind, sind nicht ganz ersichtlich; denn in allen Fällen handelt es sich unbestritten um Leistungsverpflichtungen oder Leistungszusagen des Bundes. Darf man vermuten, daß die Ausgaben absichtlich nicht ausgewiesen wurden, um die Ausgabensteigerung nicht noch gewaltiger erscheinen zu lassen, als sie ohnehin schon ist?
    Wir sollten uns nicht mit dem Hinweis zufrieden geben, daß man die Ansätze bei der Beratung im Ausschuß noch nachschieben kann. Das Verfahren des Nachschiebens ist von der Bundesregierung schon zu oft praktiziert und strapaziert worden. Nachher heißt es dann: Der böse Bundestag hat das Haushaltsvolumen erweitert.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Das Verfahren, daß wir durch Nachschublisten gezwungen werden, erst im Haushaltsausschuß Beträge, die oft in die Hunderte von Millionen DM gehen, zu bewilligen, darf nicht zu Lasten des Parlaments gehen. Das ist kein guter Stil. Ich wehre mich gegen dieses Verfahren und bitte darum, daß sich auch das Hohe Haus gegen dieses Verfahren zur Wehr setzt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)

    Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Ansätze für das Saarland unzureichend sind. Das gleiche Spiel wird auch mit der Bundeshilfe für Berlin getrieben. Wir erleben doch Jahr für Jahr, daß ein geringerer Betrag als im gerade laufenden Haushalt eingesetzt wird, und der Haushaltsausschuß muß dann die Ausgabe auf die Höhe bringen, die inzwischen von der Bundesregierung und dem Land Berlin ausgehandelt worden ist. Für das Jahr 1960 ist die Berlin-Hilfe gegenüber 1959 um 185 Millionen DM gekürzt worden, und das, soweit mir bekannt ist — ich lasse mich gern korrigieren; ich würde mich freuen, wenn es nicht wahr wäre —, ohne vorherige Verhandlungen mit Berlin. Der Schwarze Peter wird also hier wieder einmal dem Parlament zugeschoben.

    (Lebhafte Zustimmung bei der FDP und der SPD.)

    Wir begrüßen den Fortschritt im neuen Haushaltsgesetz, der hinsichtlich der abgewandelten Inkraftsetzung der Vorschrift über die Fehlbedarfsdeckung unverkennbar zu verzeichnen ist. Wenn diese Regelung erhalten bleibt und zum festen Bestandteil der künftigen Haushaltsgesetze wird, ist die Gefahr, die von den überhöhten Ausgaberesten der Vergangenheit ausgeht, praktisch neutralisiert.
    Noch ein Wort zur Umstellung des Rechnungsjahres auf das Kalenderjahr. Das Umstellungsgesetz ist heute früh vom Hohen Hause verabschiedet worden. Meine Freunde und ich haben schon seit langem das Rechnungsjahr als Kalenderjahr für die gesamte öffentliche Finanzwirtschaft angestrebt. Ich möchte aber vor der Hoffnung warnen, daß die Umstellung des Rechnungsjahres dem Parlament etwa mehr Zeit für seine Haushaltsberatungen gibt und daß es dadurch möglich sein wird, den Haushaltsplan tatsächlich zu Beginn des Rechnungsjahres in Kraft zu setzen. Das wäre ein gefährlicher Irrtum. Der Zeitdruck wird nicht von uns genommen. In diesem Jahr haben wir eine Chance. Wir haben die Chance, daß wegen der Uberrollung der Personal- und Sachausgaben die Ausschußberatungen kürzer werden. Im nächsten Jahr aber, in einem Vierteljahr oder in vier Monaten, kommt bereits ein vollständiger Haushaltsplan für das Jahr 1961 auf uns zu. Er wird in allen Einzelheiten zu beraten sein.
    Nun steht das Parlament vor einem regelrechten Dilemma. Entweder wird der Haushaltsplan 1961 — wie in früheren Jahren — mit drei bis vier Monaten Verspätung verabschiedet oder der Bundestag kürzt seine Beratungen ab; im letzten Falle kürzt er sein Budgetrecht, und er verzichtet auf eine genaue Durchleuchtung. Der Regierung dürften wahrscheinlich beide Wege recht sein, denn in beiden Fällen ist es ihr Vorteil. Eine Verzögerung der Verabschiedung des Haushalts beeindruckt die Regierung wenig, denn sie kann mit Hilfe des Art. 111 des Grundgesetzes frei und munter im bisherigen Rahmen weiter wirtschaften und gestützt auf Art. 112 des Grundgesetzes kann sie sogar höhere Ausgaben als im Vorjahr leisten oder neue Ausgaben veranlassen, wenn sie glaubt, daß ein unabweisbares Bedürfnis vorliegt. Eines ist jedenfalls sicher: die parlamentarische Prüfung der Maßnahmen kommt in jedem Falle zu spät. Dieser Tatsache wird von uns zuwenig Beachtung geschenkt. Wie oft schon haben wir „ohne Bedenken" von solchen Dingen Kenntnis genommen oder irgendeinen Betrag bewilligt, weil es keinen Sinn mehr hatte, über die Dinge zu diskutieren.
    Ich betone hier ausdrücklich, daß dieses Verfahren, das einen gefährlichen Kern hat, bis jetzt zu ernsten Konflikten nicht geführt hat, weil der Finanzminister in diesen Fragen ausgesprochen loyal gehandelt hat. Ich möchte das ausdrücklich betonen, damit nicht der Verdacht aufkommt, es handele sich um eine Frage der Person; hier geht es um die Institution. Es kann ja auch einmal anders kommen — es ist nicht vorgeschrieben, so zu handeln --; dann liegt die Schuld bei uns.
    Der Bundestag — wir, das Parlament — kann kein Interesse daran haben, daß der Haushaltsplan verspätet verabschiedet wird. Wir können auch kein Interesse daran haben, daß unser Budgetrecht gekürzt wird. Wir dürfen uns dieses Recht auch nicht selber beschneiden. Deshalb sollten wir ernsthaft nach Wegen suchen, die unseren Interessen gerecht werden.
    Der Vorschlag, den der verehrte Kollege Schoettle vor Jahren gemacht hat, nach der Einbringung des Haushalts etwa zwei bis zweieinhalb Monate für Ausschußberatungen plenarfrei zu halten, hat sich nicht verwirklichen lassen, und er wird sich bei dem Arbeitsanfall des Hauses auch nicht verwirklichen lassen. Auch meine schon vor Jahren vorgebrachte Anregung, für den Verwaltungsteil einen Mehrjahreshaushalt aufzustellen, bringt nur in dem jeweiligen Überollungsjahr eine Erleichterung. Wir müssen daher versuchen, die vielschichtige und umfangreiche Beratungsmaterie auf andere Weise zu ent-
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5167
    Lenz (Trossingen)

    zerren und die Beratung auf einen längeren Zeitraum zu verteilen.
    Ich bitte deshalb, daß ich Ihnen einen alten, ein wenig abgewandelten Vorschlag machen darf. Lassen Sie uns im Haushaltsausschuß jeden neuen Haushaltsplan immer nur mit den Vorjahresansätzen der Personal- und Sachausgaben verabschieden. Wir sparen damit sehr viel Zeit, gerade so viel Zeit, wie nötig ist, um die eigentlichen Zweckausgaben des Bundes zu prüfen. Gleichzeitig sollte die Bundesregierung den Auftrag erhalten, ihr notwendig erscheinende Änderungen des Personal- und Sachaufwandes, die gar nicht bestritten werden sollen — das kann jedes Jahr vorkommen —, in der Form eines Nachtragshaushalts vorzulegen. Dieser kann sofort nach der Verabschiedung des Haushaltsplans im Bundestag beraten werden und nach einer Zeitspanne verabschiedet sein, die etwa der Verzögerung entspricht, die bisher jeder Haushalt erlebte.
    Damit ist also im Grunde gar nichts verloren, aber für mein Empfinden sehr viel gewonnen. Der Haushaltsplan kann fristgerecht in Kraft treten, die Veränderungen bei den Personal- und Sachausgaben werden noch für das neue Rechnungsjahr wirksam; sie bilden die Grundlage für den Haushaltsentwurf des nächsten Jahres. Dieses Verfahren bietet den großen Vorteil, daß die Personal- und Sachforderungen der gesamten Bundesverwaltung einmal hintereinander beraten werden können. Dadurch ergeben sich ausgezeichnete Möglichkeiten für Vergleiche; man kann dabei schön Querschnitte ziehen. Ich kann mir vorstellen, daß die Regierung von diesem Vorschlag nicht sehr erbaut ist, denn sie profitiert vom Zeitdruck.
    Ich komme zum Schluß. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine der größten Unbekannten in diesem vielschichtigen Komplex des Haushalts sind wir, ist das Parlament. Schon einmal hat mit der Einrichtung des sogenannten Kuchenausschusses eine verhängnisvolle Entwicklung ihren Lauf genommen. Ich fürchte, wir müssen wieder damit rechnen. Wir sollten uns vornehmen, in diesem Haushalt keine Erhöhungen zu bewilligen. Ich bitte den Finanzminister, sich hier als Sturmbock oder Deichhauptmann — er kann sich den Ausdruck, der ihm lieber ist, heraussuchen — zu erweisen.
    Eines ist sicher: wir haben keine Reserven mehr, der Juliusturm ist endgültig geleert. Aus der Rede des Finanzministers dürfen wir 'entnehmen, daß neue Steuererhöhungen nicht in Betracht gezogen werden; die Erhöhung der Mineralölsteuer, der Heizölsteuer, vielleicht auch der Grundsteuer anerkennt er nicht als Steuererhöhung.
    Ich sage aber noch einmal: es ist ein Haushalt der Unsicherheit: es können Einnahmen ausfallen, es gibt unvorhergesehene und unabweisbare Ausgaben, wir können den Garantiefonds vielleicht nicht absetzen, oder die 6 %ige Kürzung klappt nicht, und das kunstvolle Gebilde des Ausgleichs bricht zusammen. Wir glauben deshalb nicht so recht daran, daß wir bereits stabile Finanzen haben. Wir sind in großer Sorge, und mit uns sind es alle Gutmeinenden. Warum hört man nicht stärker auf den Präsidenten der Deutschen Bundesbank, der in
    den letzten Tagen einige sehr eindrucksvolle Worte zu diesem Problem gesagt hat?
    Wir verfolgen mit Kritik und mit Ernst den Gang des Finanzministers auf einem schmalen Grat, des Finanzministers, der umdroht ist vom Steinschlag neuer Ausgaben und der sich ein wenig von optimistischen Steuerschätzungen und von der Steigerung des Sozialprodukts in Sicherheit wiegen läßt und getrieben ist von den Forderungen des Staatsapparates, dem der Bundeskanzler nicht oder zu spät die nötigen Zügel anlegt. „Etzel werde, sei und bleibe hart!"

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Alois Niederalt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So ein Bundeshaushalt, der einem auf den Tisch gelegt wird, stellt, bildlich gesprochen, ein Riesenbukett dar, in dem viele Blumen sind, schöne und weniger schöne, solche, die wir besonders gerne haben, und solche, auf die wir auch verzichten könnten. Je nach Veranlagung wird der einzelne die Blumen, die er liebt, besonders loben und andere, die er weniger mag, deren Farbe ihm nicht paßt, kritisieren.
    Das Parlament muß sich allerdings, wenn es dieses Bukett des Haushaltsplans sieht, daran erinnern, daß es eine Funktion hat, nämlich die Funktion der Kontrolle und damit auch die Funktion der sachlichen Kritik. Ich spreche dabei vom gesamten Parlament, weil ich der Auffassung bin — das kann gar nicht oft genug klargestellt werden —, daß die Regierungsparteien bei sachlicher, positiver Kritik genauso an dieser Aufgabe der Kontrolle mitarbeiten wie etwa die Opposition. Allerdings wird man bei uns die Kritik gepflegter halten. Sie wird nicht spektakulär sein, sie wird vielleicht auch nicht auf dem offenen Markt ausgetragen. Aber sie braucht deshalb nicht weniger intensiv zu sein.
    Vor allem muß eine Kritik — und damit komme ich zu einigen Ausführungen von Herrn Kollegen Ritzel — eine ganze Sache sein. Das heißt, es darf nicht nur die eine Seite des Problems aufgerissen, sondern es muß das ganze Problem dargestellt werden. Herr Kollege Ritzel hat beispielsweise daran Kritik geübt, daß der Bundesfinanzminister in der Frage der Subventionen — so habe ich ihn verstanden — zuwenig forsch vorgegangen sei. Er hat es aber unterlassen zu sagen, welche Subventionen er im Bundeshaushalt streichen will. Will er die Subventionen des Einzelplans 10 für die Landwirtschaft streichen? Will er die Subventionen für die Industrie streichen? Das hätten wir gern gewußt. Dann hätten wir konkret Stellung nehmen und sagen können: Nein, Herr Kollege Ritzel, das können wir aus den und den Gründen nicht mitmachen.

    (Abg. Dr. Schäfer: Wer hat es versprochen, der Minister oder der Kollege Ritzel?)

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    Niederalt
    — Ich gehe davon aus, Herr Kollege Dr. Schäfer, daß Herr Kollege Ritzel gesagt hat, da müsse noch mehr herausgestrichen werden. Dann hätte er konsequenterweise auch sagen müssen, was denn herausgestrichen werden soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schäfer: Wer ist dazu verpflichtet?)

    — Wollen wir das doch in aller Ruhe, gar nicht polemisch erörtern! Geben Sie uns doch einmal Ihren Haushaltsplan, nicht in Kapiteln und Titeln, sondern in den wesentlichen Zügen; sagen Sie uns doch einmal an: soundso viel Milliarden wollen wir für die Landesverteidigung ausgeben, soundso viel für die sozialen Aufgaben, soundso viel für den Straßenbau, soundso viel für andere Aufgaben. Dann können wir die Rechnung aufmachen, dann können wir addieren und können Sie fragen: Woher nehmen Sie die Einnahmen?

    (Abg. Dr. Schäfer: Ich wundere mich, daß Sie nicht in der zweiten Lesung aufgemerkt haben! Wir sagen das jedes Jahr; aber Sie hören ja nicht hin!)

    — Herr Kollege Schäfer, Sie könnten sich für Ihre Fraktion ein Verdienst erwerben, wenn Sie uns einmal einen SPD-Etat in großen Zügen darstellten.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren! Ich bin ausgegangen von dem Blumenstrauß, den ein solcher Bundeshaushalt darstellt, in dem also sehr Angenehmes und auch weniger Schönes ist. Es ist nicht meine Aufgabe, nun als Angehöriger einer Regierungspartei im einzelnen das herauszustellen, was besonders gut und angenehm ist. Wir, die wir die Regierung tragen, halten es für selbstverständlich, daß unsere Regierung einen guten Haushaltsplan vorlegt, daß sie die Probleme, die uns politisch besonders wichtig sind, auch im Haushaltsplan zur Geltung bringt. Ich will deshalb hier davon absehen, Einzelheiten anzuführen. Ich will nicht auf die mehr als 700 Millionen DM zusätzlich für den Verkehrsetat hinweisen, auch nicht auf die wesentliche Erhöhung für den Sozialetat oder auf die Erhöhungen im kulturellen Bereich. Aber wenn ich von den guten und angenehmen Seiten spreche, möchte ich doch ein Positivum herausstellen, das nach meiner Kenntnis der Dinge bisher noch zu wenig gewürdigt worden ist: Wir haben zum erstenmal einen Etat, in dem mit der Übung, die beinahe Gewohnheitsrecht geworden wäre, gebrochen wurde, daß wir alljährlich soundso viele neue Planstellen, soundso viele Stellenhebungen zu beraten haben. Bei Beginn unserer Bemühungen auf diesem Gebiet hat es manchmal den Eindruck gemacht, als ob unsere Bemühungen erfolglos sein müßten. Ich sage das ganz offen. Es ist doch eine gute Sache, daß wir hier nun einen Erfolg feststellen können.
    Wenn Herr Kollege Ritzel vorhin die 20 000 Stellenhebungen im Haushalt des Bundesverteidigungsministeriums, das ja aus unserer bekannten Entschließung im vergangenen Haushalt naturgemäß ausgenommen werden mußte, so sehr betont hat, so hat er nach meiner Meinung wiederum nicht
    ganz der Wahrheit die Ehre gegeben. Es ist theoretisch, formell richtig, formaljuristisch kaum etwas zu beanstanden. Aber man muß, wenn man von 20 000 Stellenhebungen spricht, auch sagen, um was es sich dabei handelt: daß es sich nicht darum handelt, Oberste zu Generälen, Oberstleutnante zu Obersten und Majore zu Oberstleutnanten zu befördern, sondern darum, daß eine ganz große Gruppe der Obergefreiten in Hauptgefreitenstellen übergeführt werden sollen. Wir werden gerade diese Fragen im Haushaltsausschuß streng prüfen, und ich möchte heute schon sagen, daß Sie — wahrscheinlich genauso wie ich — nach strenger Prüfung des Sachverhalts zu dem Ergebnis kommen werden: „Ja, bei diesen kleinen Leuten können wir nicht gut nein sagen." Hier aber wird es als ganz großer Gegenstand der Kritik herausgestellt. Ich betone noch einmal: ich sage das nicht polemisch, sondern deshalb, weil es mir darum zu tun ist, an den Positionen eine Kritik vorzunehmen, die in der Sache selber weiterführt. Auch ich will ja Kritik üben; und ich übe auch Kritik.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Ich komme gleich zu einem der Punkte, wo ich etwas zu kritisieren habe. Eine Sache, die mir ganz und gar nicht gefällt — auch Herr Kollege Lenz hat sie schon kurz angesprochen, und ich habe im Haushaltsausschuß mit dem Herrn Bundesfinanzminister schon gehadert — ist die sechsprozentige Kürzung; es ist eine äußerst unschöne Sache in diesem Haushalt. Eine sechsprozentige Kürzung — sie ist schon mehrere Jahre alt, ist also auch schon in den vergangenen Jahren geübt worden — kann das eigentliche Klassenziel nicht erreichen, weil das Überraschungsmoment wegfällt, weil die Verwaltung diese 6 Prozent automatisch schon bei ihren Anforderungen einschließt; diese Maßnahme ist also sinnlos geworden, nur noch ein Widerspruch mit der Haushaltswahrheit. Ich bin dem Herrn Bundesfinanzminister sehr dankbar, daß er in der Haushaltsausschußsitzung erklärt hat, er werde sich bemühen, im nächsten Jahr von dieser unschönen Pauschalkürzung Abstand zu nehmen.
    Eine andere Sache, die mir ebenfalls nicht gefällt: das Anwachsen des Haushaltsvolumens. Rund 2 Milliarden DM mehr als im vergangenen Jahr! Keine Tatsache des Haushalts hat in der Öffentlichkeit so großes Aufsehen erregt wie gerade diese. Ich bin überzeugt, der Herr Bundesfinanzminister ist derjenige, dem dieses Ansteigen am unangenehmsten ist. Er hat ja nur das auszuführen, was das Plenum des Bundestages in den Spezialgesetzen beschlossen hat, er hat am Schluß nur noch zu addieren, und dann kommt eben die Summe heraus.
    Im übrigen habe ich — das wird Sie interessieren —, weil ich schon in den früheren Jahren gerade der Frage des Anwachsens des Haushaltsvolumens immer besondere Bedeutung beigemessen habe, Vergleiche zwischen Haushaltsvolumen und Sozialprodukt angestellt und habe die für mich erfreuliche Tatsache festgestellt, daß wir seit 1950 im großen und ganzen — es gibt natürlich Variationen — ungefähr beim gleichen Prozentsatz des Haushaltsvolumens zum Sozialprodukt geblieben sind.
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5169
    Niederalt
    Das mag vielleicht ein kleiner Trost bei dieser sonst nicht sehr schönen Sache sein.
    Herr Bundesfinanzminister, ich habe mit Aufmerksamkeit Ihre Ausführungen zur konjunkturpolitischen Lage gehört. Wir alle sind uns wohl darin einig, daß gerade diesen Ausführungen große Bedeutung zukommt. Denn der Einfluß eines 40-Milliarden-Haushalts auf den Ablauf der Wirtschaft, auf die Konjunktur ist natürlich ungeheuer.
    Ich glaube, wir müssen mehr, als wir das bisher getan haben, darauf achten — wir, Parlament und Regierung —, daß beispielsweise bei den Hochbauten der öffentlichen Hand, die der Bund, die Länder und die Gemeinden durchführen, eine größere Zurückhaltung geübt wird, als es bisher der Fall war,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und daß auf diesem Gebiet vor allem auch eine zeitliche Verteilung durchgeführt wird. Vielleicht kommen wir bei der Beratung des Haushalts dazu, uns hier im einzelnen konkrete Vorschläge zu überlegen und diese dann in einer Entschließung zusammenzufassen.
    Andererseits haben Sie selbst, Herr Bundesfinanzminister, wenn auch in anderem Zusammenhang, einen zarten Hinweis darauf gegeben, daß diese Sorgen hinsichtlich einer Hochkonjunktur, um nicht zu sagen einer überhitzten Konjunktur, nicht für alle Teile der Bundesrepublik zutreffen.
    Nun komme ich — Sie wissen es wahrscheinlich, Herr Bundesfinanzminister, und meinen: Aha, jetzt kommt sein Steckenpferd — auf ein außerordentlich wichtiges Problem zu sprechen, das immer noch zuwenig Beachtung findet, nämlich auf die Tatsache, daß es noch heute viele, viele Gebiete in unserer Bundesrepublik gibt, in denen nicht die Hochkonjunktur, sondern die Arbeitslosigkeit Hauptgegenstand der Sorge ist.

    (Abg. Dr. Conring: Sehr richtig!)

    Das wird einem kaum noch abgenommen, aber es ist so. Hören Sie bitte! Im Jahre 1957 hatten wir im Arbeitsamtsbezirk Cham eine Arbeitslosigkeit von durchschnittlich 19 %, im Arbeitsamtsbezirk Deggendorf eine Arbeitslosigkeit von durchschnittlich 16,9 %. Im Bundesgebiet lag der Durchschnitt bei 3,4 %. Im Jahre 1958 hatte der Arbeitsamtsbezirk Cham im Jahresdurchschnitt eine Arbeitslosigkeit von 18,7 %, der Arbeitsamtsbezirk Deggendorf von 17,2 % bei einem Durchschnitt im Bundesgebiet von 3,5 %. Und Ende 1959 hatte der Arbeitsamtsbezirk Cham 11,7 % Arbeitslose, während die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik 1,1 % betrug. Nachdem nunmehr die Bausaison allmählich zu Ende ist, wird die Arbeitslosenzahl abermals steigen, so daß wir voraussichtlich Weihnachten 1959 wieder 15, 16 % aller unselbständigen Erwerbstätigen in diesen Bezirken vor den Arbeitsämtern stehen haben werden, wo sie ihr Arbeitslosengeld zu holen haben.
    Warum ist dieses Problem so schwierig? Aus den verschiedensten Gründen, u. a. aber auch deshalb, weil diese Gebiete keinen Anwalt haben, weil sie nicht organisiert sind. In der Massendemokratie gilt
    doch nur das, was von Sprechern der großen Verbände gesagt wird. Ich brauche hier unter politisch denkenden Menschen kein Wort darüber zu sagen, daß solche Kontraste — Arbeitslosigkeit auf der einen Seite und Sorgen wegen der Hochkonjunktur auf der anderen Seite — in unserer Bundesrepublik auf die Dauer zu sozialpolitisch, wirtschaftspolitisch und allgemeinpolitisch außerordentlich unerwünschten Folgen führen müssen, vor allem dann, wenn es sich um Gebiete handelt, die unmittelbare Nachbarn, unmittelbare Anrainer der östlichen Welt sind.
    Die Bundesregierung hat bisher im Wege des regionalen Förderungsprogramms zu helfen versucht. Damit sind zweifellos schon sehr gute Erfolge erzielt worden, auch in jenen Gegenden, die ich eben angeführt habe. Vor Durchführung dieses Programms bzw. in der Zeit, wo dieses Programm noch zu gering war, hatten wir in diesen Gebieten ja haarsträubende Verhältnisse. Da hatten wir eine Arbeitslosigkeit von 30, 32 %. Also die Erfolge sind auch dort festzustellen; das darf nicht geleugnet werden. Wir wissen der Bundesregierung Dank dafür, daß wir hier von Jahr zu Jahr immer etwas mehr tun konnten. Fürs nächste aber — und deshalb spreche ich in diesem Jahr überhaupt dieses Problem an — scheint mir eines wichtig zu sein: In diesem Jahr ist erstmals das Darlehen in Höhe von 70 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt. Wir müssen es unbedingt wieder in den ordentlichen Etat umstellen, nicht sosehr deshalb, weil uns etwa die 70 Millionen Darlehen im außerordentlichen Etat nicht sicher genug wären — sie befinden sich dort in bester Gesellschaft mit den Wohnungsbaumitteln usw.; auf die Sicherheit stelle ich es also nicht ab —, sondern einfach deshalb, weil für die Beträge, unterteilt in Zuschüsse und Darlehen, die gegenseitige Deckungsfähigkeit zwischen diesen beiden Gattungen vorhanden sein muß. Diese kann aber nicht mehr durchgeführt werden, wenn das Darlehen im außerordentlichen Etat steht. Ich bin überzeugt, Herr Bundesfinanzminister, daß wir in gütlichem Einvernehmen miteinander zu einem positiven Ergebnis kommen, weil Sie und auch Ihr Staatssekretär für diese Situation Verständnis haben.
    Ein weiteres Problem geht uns im Parlament, vor allem die Damen und Herren vom Unterausschuß Zonenrandgebiet, an. Wir müssen überlegen, die Richtlinien zu ändern. Die Richtlinien müssen nach meiner Auffassung in der Weise geändert werden — ich will auf keine Einzelheiten eingehen —, daß eine allzu schematische, nur regional verständliche Handhabung bei der Vergabe der Mittel in Zukunft ausgeschlossen ist. Insgesamt aber möchte ich zu diesem Problem die Bundesregierung bitten, endlich einmal die Sache nicht nur vorn Ressortstandpunkt zu betrachten, sondern von einer Gesamtschau aus.
    Dazu gehört viel mehr, als etwa nur Subventionen in irgendeinem Ressort einzusetzen. Dazu gehört beispielsweise auch die Mitwirkung des Verkehrsministeriums. Der Verkehrsminister hat einen Vierjahresplan für den Straßenbau vorgelegt. Zu meinem Entsetzen habe ich festgestellt, daß die Autobahn Nürnberg—Regensburg nicht in dem Plan
    5170 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959
    Niederalt
    enthalten ist. Diese Autobahn wäre eine richtige und geeignete Maßnahme — ich erwähne das nur als Beispiel — zur Erschließung des ganzen Gebiets, von dem ich vorhin gesprochen habe. Warum ist sie nicht im Plan enthalten? Weil man eben im Verkehrsministerium — verständlich wegen der mangelnden Mittel — nur immer die mathematische Lösung sucht und nicht die politische Lösung in den Vordergrund schiebt.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Ich muß in diesem Zusammenhang auf eine wichtige Tatsache hinweisen. Wir können auf dem Gebiet der regionalen Wirtschaftsförderung nicht auf die tätige Mitarbeit der Länder verzichten. Unter „tätiger Mitarbeit der Länder" verstehe ich etwas mehr als nur die Verteilung der Mittel des Bundes auf die einzelnen Projekte und die Reden darüber. Ich verstehe vielmehr darunter auch die Aufbringung von Eigenmitteln.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Der Bund kann, glaube ich, die Länder aus der Mitverantwortung für diese Aufgabe nicht entlassen.
    Es ist ein Leichtes, etwa im Bundesrat ohne Rücksicht auf die einmal gegebene Haushaltslage eine Erhöhung der Mittel für das regionale Förderungsprogramm zu empfehlen. Ich fürchte, daß bei diesem Antrag das Bestreben der beteiligten Länder eine Rolle spielte, sich selbst auf Kosten des Bundes zu entlasten. Gerade die bei diesem Programm beteiligten Länder Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein erhalten alljährlich im horizontalen Finanzausgleich hohe Millionenbeträge, nicht zuletzt deshalb, weil diese wirtschaftlich zurückgebliebenen Gebiete den Finanzkraftdurchschnitt unter den Bundesdurchschnitt herabdrücken. Die Notstands- und Grenzlandgebiete haben deshalb nach meiner Meinung einen moralischen Anspruch, an diesen Mitteln des horizontalen Finanzausgleichs beteiligt zu werden.
    Der Bund — ich möchte das ausdrücklich erwähnen — hat bisher gute Arbeit geleistet. Im Jahre 1953 haben wir im wesentlichen angefangen. Damals betrug der Etat für diesen Posten noch 50 Millionen DM, heute ist er auf 132 Millionen DM gestiegen. Ich bin überzeugt, wenn auch die Länder eine solche Entwicklung vorweisen könnten, würde der Bund wieder weiter gehen.
    Dieser Punkt, die regionale Wirtschaftsförderung, war ein wichtiger Gesichtspunkt, der nach meiner Meinung im neuen Haushalt nicht genügend beachtet worden ist.
    Ich habe noch andere Sorgen. Ich sehe — Herr Kollege Lenz ist auch schon darauf eingegangen -
    in diesem Haushalt einige Risiken. Ich glaube, es wäre falsch, diese Risiken nicht klar anzusprechen. Das eine Risiko besteht zweifellos in der Tatsache, daß ein Betrag von drei Milliarden DM für den Ausgleich des Haushalts durch Anleihen beschafft werden muß. Die Erfahrungen des laufenden Haushalts ermutigen nicht zu der Annahme, daß das so ohne weiteres möglich ist.
    Das zweite Risiko, auf das ich näher eingehen möchte, ergibt sich aus den finanziellen Auswirkungen jenes Urteils des Bundesverfassungsgerichts, in dem das Gesetz über die Tilgung der Ausgleichsforderungen für nichtig erklärt wurde. Die unmittelbare Folge dieses Urteils ist, daß die Länder nunmehr vom Bund die Tilgungsbeträge in Höhe von jährlich 110 Millionen DM und die Zinsbeträge in Höhe von 330 Millionen DM erwarten. Herr Kollege Lenz, daß solche Beträge im Haushalt 1960 noch nicht eingestellt sind, finde ich nur natürlich. Es wäre falsch, solche Beträge etwa schon in den Haushalt einzusetzen, weil ja über die Höhe dieser Beträge noch verhandelt werden soll.
    Mittelbar hat das Urteil aber zur Folge, daß der Bund alle Kriegsfolgelasten, die in die vielen Milliarden gehen, zu tragen hätte. Es ist selbstverständlich, daß in diesem Falle Artikel 106 des Grundgesetzes angewendet werden müßte, daß also eine Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern vorgenommen werden müßte. Ich glaube, wir haben in Bund und Ländern genug andere Probleme zu lösen und können auf diese neue Belastung gern verzichten, die eine solche Auseinandersetzung zwangsläufig mit sich bringen würde. Ich möchte dies besonders betonen, weil das natürliche Spannungsverhältnis, das nun einmal zwischen Bund und Ländern besteht, nach meiner Ansicht in der gegenwärtigen Zeit doch um einige tausend Volt zuviel Spannung hat. Es ist nicht notwendig, daß wir — wie ich schon sagte — angesichts der sonstigen Probleme auch noch diese unnötige Spannung heraufbeschwören.
    Ich möchte deshalb Sie, Herr Bundesfinanzminister, bitten, alles zu tun, um mit den Ländern zunächst einmal hinsichtlich der unmittelbaren finanziellen Folgen des Urteils ins reine zu kommen. Allerdings müßte dabei gleichzeitig bezüglich der mittelbaren Folgen des Urteils Einvernehmen darüber hergestellt werden, daß es insoweit bei der bisherigen Regelung bleibt. Dieses Einvernehmen müßte auch in einer verfassungsrechtlich unangreifbaren Form festgelegt werden. Die Länderfinanzminister, die die Haushaltslage des Bundes genau kennen, müssen wissen, daß Ihr Verhandlungsterrain, Herr Bundesfinanzminister, nicht sehr groß ist. Keinesfalls könnten Sie, Herr Bundesfinanzminister, etwa nach den Verhandlungen mit den Ländern mit der Forderung nach Steuererhöhungen in den Bundestag zurückkommen, mit der Forderung nach Steuererhöhungen, die ihren Grund nur in der Umverteilung der Finanzmasse zwischen Bund und Ländern hätten. Ich kann Ihnen Brief und Siegel geben, daß Sie hierfür niemals eine Mehrheit des Bundestages finden würden, und am allerwenigsten würden Sie hierfür das Verständnis des Steuerzahlers finden, der natürlicherweise nur an die Belastung als solche denkt und dem es völlig egal ist, wo seine Steuer hingeht, zum Bund oder zum Land.
    Nun noch ein Anliegen, das Sie vielleicht nur aus dem Mund eines bayerischen Abgeordneten verstehen! In die erwähnten Verhandlungen bezüglich der Tilgung der Zinsforderungen sollte tunlichst
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959 5171
    Niederalt
    auch das Problem der Leistungen des Bundes auf kulturellem Gebiet eingeschlossen werden,

    (Sehr gut! in der Mitte)

    wenigstens mit dem Ziel, endlich eine gewisse Flurbereinigung herbeizuführen, und mit dem Ziel, das heillose Durcheinander von Zuständigkeiten und von Töpfchenwirtschaft,

    (Beifall in der Mitte)

    das auf diesem Gebiet allmählich eingerissen ist, etwas abzubauen und einzudämmen. Die deutsche Öffentlichkeit und zum Teil auch die Kultusminister der Länder und ihre Verwaltungen machen es sich häufig zu leicht auf diesem Gebiet. Wo immer im kulturellen Bereich — und wir haben das heute auch schon wieder einmal in der Diskussion gehört — irgendwelche Unzulänglichkeiten der vorhandenen Mittel festgestellt werden, ruft man sofort nach dem Bund um finanzielle Hilfe. An die Zuständigkeit der Länder erinnert man sich gar nicht. Die Anziehungskraft des größeren Etats ist auf keinem Gebiet so sichtbar wie gerade auf diesem. Die einen rufen nach der Hilfe des Bundes; andere, die vielleicht den Ruf nach Bundesmitteln selbst gar nicht erheben, sehen diesem Treiben untätig zu, weil sie bei Gewährung der Bundeshilfe nicht genötigt sind, sich im eigenen Haus oder im eigenen Land mit ihren Forderungen durchzusetzen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Viel zuwenig wird bei all dem bedacht, daß mit der Vergabe der Mittel auch die tatsächliche Zuständigkeit verbunden ist,

    (Zuruf von der Mitte: Und sein muß!)

    und nachträglich entstehen dann wie immer die bekannten Kompetenzstreitigkeiten. Denken Sie nur an den allerjüngsten Fall auf diesem Gebiet! Der Bundesinnenminister läßt die Denkschrift eines Referenten über die Lage an den deutschen Universitäten veröffentlichen. Es ist keine offizielle Denkschrift des Bundesinnenministers; es ist die Arbeit eines Referenten. Der Bundesinnenminister gibt sein Vorwort. Die Länder wehren sich sofort dagegen und sagen: Was geht das den Bund an? Das ist doch unsere Zuständigkeit!
    Wenn Sie mich persönlich fragen, meine Damen und Herren: auch ich bin der Meinung, daß es nicht eine unabdingbare Notwendigkeit war, diese Denkschrift vom oder durch das Bundesinnenministerium herauszugeben. Man hätte das mit der Rektorenkonferenz oder irgendwelchen anderen Stellen auch machen können. Aber das ist eine ganz nebensächliche Frage. Nachdem feststeht, daß im Bund viele hundert Millionen für die Wissenschaft ausgegeben werden, und nachdem weiter feststeht, daß in diesem Etat beispielsweise 59 Millionen für die Studentenförderung ausgegeben werden, darf man sich bei den deutschen Ländern doch nicht wundern — darauf möchte ich hinaus —, daß der Bundesinnenminister oder seine Referenten sich Gedanken machen, wie diese Mittel verwendet werden!

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der Bundesinnenminister trägt die Verantwortung für die Verwaltung dieser Mittel gegenüber dem Parlament, gegenüber dem Bundestag, und im Bundestag ist es nun einmal so — das geht aus dem Budgetrecht eindeutig hervor —: Wer die Mittel hergibt, muß auch beim Einsatz der Mittel mitwirken und muß sicherstellen, daß die Mittel richtig eingesetzt werden. Und wenn er mitwirkt, ist damit schon die praktische Zuständigkeit zum Ausdruck gebracht. Was ist denn das sonst? Mitwirkung ist doch nichts anderes als praktische Zuständigkeit. Ich mache auf diese Dinge aufmerksam, weil sie in der Praxis zuwenig bedacht werden.

    (Zuruf von der SPD.)

    — Sagen Sie es doch Herrn Minister Mauntz; ich wäre Ihnen sehr dankbar. — Ich habe in diesem Raume schon einmal gesagt, daß ich es nicht verstehen kann, daß die Kultusminister diese politischen Folgen nicht übersehen. Ich habe es nicht verstehen können, daß die Kultusminister der Länder die Forderung auf 300 Millionen DM für Schulbauten stellen. Meine Damen und Herren, man muß sich klar sein: Solches Verhalten ändert die faktische Zuständigkeit ohne Rücksicht darauf, wie sie das Grundgesetz vorschreibt.
    Darauf sollten wir — Herr Bundesfinanzminister, das ist mein Anliegen — bei den anstehenden Verhandlungen jetzt zurückkommen und sollten eine kleine Flurbereinigung durchführen. Gewiß, es gibt Anliegen, die auch auf kulturellem Gebiet eine zentrale Regelung erfordern. Das verwehrt und verneint kein vernünftiger Mensch. Aber das Durcheinander soll weg, und jedem das Seine in seiner Zuständigkeit!
    Das waren zwei Risiken, die ich Ihnen bisher aufzeigte. Es gibt noch mehr. Das größte Risiko, wenn Sie so wollen, für den Haushalt 1960 und seine Durchführung sehe ich aber in dem Verhalten des Deutschen Bundestages.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Machen wir uns nichts vor! Es werden im Jahr der Bewährung, 1960, viele politische Forderungen an uns herangetragen werden, die außerordentlich hohe Ausgaben nach sich ziehen, und es wird in allen Fraktionen, bei Ihnen in der Opposition und bei uns in den Regierungsparteien, ernsthaft um eine Lösung gerungen werden müssen; das ist unvermeidlich.
    Aber wenn wir hier um Lösungen ringen — das sollte wenigstens der Sinn des heutigen Tages sein —, müssen wir uns alle, gleichgültig, wo wir sitzen, ob links oder rechts oder in der Mitte, klar sein, daß mehr Ausgaben in diesem Haushalt zugleich Steuererhöhungen bedeuten. Nach meiner festen Überzeugung gibt es kein Jonglieren mehr. Es gibt kein Umdisponieren von Zahlen. Wir sind — beinahe möchte ich sagen: Gott sei Dank — wieder bei dem natürlichen Zustand angekommen, daß eben mehr Ausgaben mehr Einnahmen bedeuten müssen und mehr Einnahmen, da der Kapitalmarkt eben doch nicht so offen ist, nur in Form von neuen Steuern erschlossen werden können. Deshalb soll sich jeder Abgeordnete — darum bitte ich —, wenn
    5172 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 93. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1959
    Niederalt
    er sich mit diesen Problemen befaßt, dieses Junktim der Steuererhöhung immer vor Augen halten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)