Rede von
Hans
Lenz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß ich Sie zu so spater Nachmittagsstunde mit meinen Ausführungen noch einigermaßen redlich „ernähren" kann.
Meine Anfangspointe ist mir leider verlorengegangen, weil mein sehr verehrter Kollege Ritzel das Wort aus dem zweiten Teil des „Faust" bereits zitiert hat, das auch ich in dieser Legislaturperiode einmal wieder anbringen wollte.
An der Sache ist gar nicht zu rütteln, Goethe hat völlig recht!
Meine Damen und Herren, wir sind bei der ersten Lesung des Bundeshaushaltes immer in einer etwas mißlichen Lage. Die Regierung ist nach dem Grund-
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Besetz gehalten, den Haushalt nach Verabschiedung im Kabinett dem Bundesrat zuzuleiten. Das bedeutet gleichzeitig, daß damit der Bundeshaushaltsplan an die Öffentlichkeit kommt. Aus diesem Grunde lesen wir nun in den letzten 3 Wochen in Zeitungen, in Zeitschriften, in Wochenblättern das, was wir über den Bundeshaushalt zu denken haben. Das Überraschungsmoment - der „Budget day" ist in England ein großer Tag — ist damit eben leider verlorengegangen.
Uns ist der Haushalt heute vormittag eingebracht und durch den Herrn Bundesfinanzminister begründet worden. Nun müssen wir gewissermaßen aus dem Stand springen und einiges dazu sagen. Ich weiß, daß man das nicht ändern kann. Aber es hat unbewußt im Parlament zu der Haltung geführt, als ob die erste Lesung des Bundeshaushaltes eigentlich nicht so sehr wichtig sei und daß wir uns nicht so sehr damit abzugeben haben. Die Hauptsache sei, über die Bühne zu kommen und den Haushaltsplan möglichst schnell an den Ausschuß zu überweisen.
Es ist sicher auch sehr schwer — ich kann das vom publizistischen Standpunkt aus verstehen —, innerhalb von ein paar Wochen die Öffentlichkeit ein zweites Mal mit dem Haushalt zu befassen und sie dafür zu interessieren. Trotzdem könnte man die Meinung vertreten, die erste Lesung des Haushalts sei eigentlich die wichtigste, weil hier noch die Möglichkeit besteht, zu dem Plan der Regierung — das ist ja schließlich der Haushalt — etwas zu sagen, was ihn noch beeinflussen kann. In der zweiten und in der dritten Lesung sprechen wir über Dinge, die bereits mehr oder weniger abgeschlossen sind. Das Parlament könnte zum Ausdruck bringen, wie es das Programm der Regierung beurteilt, ob es dem Haushaltsausschuß Direktiven geben will und dergleichen mehr. Das würde natürlich eine Beratung im einzelnen erfordern. Ich gehe mit Ihnen, Herr Kollege Ritzel, gar nicht so sehr scharf ins Gericht, daß Sie kasuistisch, pragmatisch die einzelnen Haushalte durchgenommen haben. Das hat durchaus seinen Sinn. Es ist zweifellos zu vertreten, daß man hier in der ersten Lesung über Einzelheiten spricht. Trotzdem gehe ich sicherlich nicht fehl in der Annahme, daß wir alle das Gefühl haben: Möglichst rasch Schluß mit einer Haushaltsdebatte, der Haushaltsausschuß wartet schon.
Meine Damen und Herren, die Finanzminister im allgemeinen, unser Finanzminister im besonderen, haben die Angewohnheit, den Haushaltsplan mit einer „Spitzmarke" zu versehen wie einen guten Wein. 1957 war es: „Gutes Geld ist wichtiger als mehr Geld."
— Das Etikett, darüber spreche ich ja gerade; wir hoffen, daß es nicht täuscht. 1958 war es der „Haushalt der Stabilität und der inneren Sicherheit". Diesmal ist es der „Haushalt der Konsolidierung". Dabei bemerke ich, daß dieser Ausdruck heute früh in der Haushaltsrede nicht gefallen ist.
Ich will nun keine Untersuchungen anstellen, ob etwa der Finanzminister von dieser Bezeichnung abgerückt ist, ob ihm nicht ganz wohl ist, wenn man diesen Haushalt als „konsolidierten Haushalt" bezeichnet. Das lasse ich einmal offen.
Ich bin nicht der Meinung, daß man diesen Haushalt so bezeichnen kann. Ich habe in meinem Fremdwörterbuch nachgesehen, was Konsolidierung heißt. Da steht drin, daß es „die Festigung eines labilen Zustandes" bedeutet.
Sie halten das Nachschlagen vielleicht für Halbbildung. Das ist nicht richtig. Man muß nur wissen, wo etwas steht. Konsolidieren heißt also: etwas auf eine sichere Grundlage stellen. Ich meine doch, daß in diesem Haushalt ganz zweifellos einige Unsicherheitsfaktoren enthalten sind.
Ich erinnere an die Sorgen, die der Herr Finanzminister vielleicht haben wind, wenn er morgen in diesem Hohen Hause die Preisdebatte hören wird. Er weiß sicher auch von der Kündigung der Tarife, er weiß von den Wünschen des öffentlichen Dienstes nach einer „Einkommensberichtigung" — ich glaube, so heißt man das heute. Kurzum, dem Herrn Finanzminister wird sicherlich klargeworden sein, daß nicht alles so konsolidiert ist, wie es wirklich sein sollte.
Ich weiß nicht, Herr Bundesfinanzminister — ich darf Sie einen Augenblick persönlich ansprechen —: mit den Grundsätzen, die Sie verkünden und für die Sie eintreten, sind wir eigentlich immer einig. Darüber gibt es gar keinen Streit. Nachdem wir heute früh diese Rede gehört haben, darf ich wiederum, Herr Kollege Ritzel, Goethe zitieren: „Wenn man's so hört, mag's leidlich scheinen". Aber bei der Anwendung dieser Grundsätze hätte es doch einer größeren Härte bedurft, eines Mutes zur Unpopularität; man hätte vielleicht doch weniger Konzessionen machen sollen, man hätte vielleicht doch etwas mehr den viel berufenen Rotstift anwenden müssen.
— Ich bin für die Etikettierung der Haushalte nicht verantwortlich, aber ich empfehle dem Herrn Finanzminister, sich etwas Besseres einfallen zu lassen.
Zur Sache! Muß es denn sein, daß in der Ausschöpfung der Steigerung des Sozialprodukts, mit der ständig und auch heute wieder operiert wird, immer bis an die Grenze des nur Vertretbaren gegangen wird? Ich frage: wäre Zurückhaltung aus konjunkturellen Gründen in der berühmten Hochkonjunktur, wäre die Ansammlung einer gewissen Konjunkturreserve nicht doch richtiger? Sie haben es heute früh in Ihrer Rede verneint, Herr Bundesfinanzminister. Aber ich weiß nicht, ob das so richtig ist. Ich will nicht sagen, daß man alles nachahmen soll. Aber wer ein wenig im Ausland herumgekommen ist und sich umgesehen hat, der hat manchmal den Eindruck: die anderen scheuen sich nicht, etwas zurückzulegen. Den viel zitierten Joseph aus dem Alten Testament will ich nicht
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noch einmal zitieren, aber ich meine, diese uralte Weisheit dieser Geschichte ist auch heute durchaus angebracht. Bei uns habe ich immer ein wenig das Gefühl, als handele man nach dem Motto: Hinein ins Volle! Wir werden das irgendwie schon schaffen!
Im Frühjahr fliegen die Tarife auf, darüber gibt es keinen Zweifel. Die öffentlichen Bediensteten holen sich ihre Bezüge. Die Preise sind jetzt schon ein wenig dran. Ich will gegen den Begriff der Konsolidierung nicht bloß polemisieren, aber sehen wir in diesem Hause uns nicht einem Haushalt mit einer ganzen Reihe von Unbekannten gegenüber? Diese ständige Balance auf dem Wellengipfel der Konjunktur macht uns Sorge.
Heute vormittag ist mir bei Ihrer Rede, Herr Minister, aufgefallen, daß Sie nichts über den Haushaltsausgleich gesagt haben. Eigentlich, glaube ich, sind Sie und sind wir 'das dem Hause schuldig; denn wir haben ja Ihre Vorschläge zur Haushaltsdeckung im Haushaltsausschuß erfahren, und ich nehme nicht an, daß das vertrauliche Mitteilungen waren. Da ist doch sehr klar gesagt worden, daß von den 41,9 Milliarden DM Haushaltsvolumen nur 40,7 Milliarden durch Steuern gedeckt werden können und daß eine Deckungslücke von 1,2 Milliarden besteht. Ich hätte doch erwartet, daß man das auch dem Hause sagt und auch sagt, wo man diese 1,2 Milliarden hernehmen will.
Man wird mit dieser Deckungslücke nur dadurch fertig, daß man zwei Kunstgriffe anwendet. Der eine Kunstgriff ist ein alter Bekannter. Bisher haben wir im Haushaltsgesetz dem Finanzminister immer wieder die Vollmacht gegeben, im Lauf des Haushaltsjahres einen Globalabstrich vorzunehmen, wenn es notwendig werden sollte. Diesmal soll dieser Abstrich bis zu der unwahrscheinlichen Höhe von 9 % gehen können. Über die Anforderungen an die Verwaltungen, die mit einem solchen Globalabstrich bisher verbunden waren, will ich nicht sprechen. Aber bisher war es wenigstens eine Möglichkeit im Nachhinein. Diesmal jedoch, meine Damen und Herren, soll die Globalkürzung von 6 % 800 Millionen DM bringen, und die will man als Mindereinnahme in den Haushalt einsetzen.
Da frage ich nun unsere Haushaltsplaner, was das soll. Warum hat man, wenn man das will, wenn man ganz grundsätzlich alle nicht durch Gesetz festgelegten Ausgaben um 6 % kürzen will, damit das Haushaltsvolumen auf die entsprechende Deckungsmöglichkeit kommt, das nicht schon bei den Ansätzen, bei der Aufstellung des Haushalts getan?
Das muß gefragt, es muß auch, wenn ich bitten darf, beantwortet werden. Ich habe gehört, daß die Bedenken der Ressorts dabei eine Rolle gespielt haben; aber das kann doch für uns kein plausibler Grund sein.
Es gibt noch eine andere Unbekannte, jedenfalls für mich und bis heute; ich weiß nichts weiter darüber. Um auf die 1,2 Milliarden DM zu kommen — die Differenz zwischen dem Ausgabensoll und der Einnahmeerwartung —, müssen Sie die Möglichkeit haben, bei der Bundesbank das Garantiekonto für
Rüstungsaufträge in den USA aufzulösen; denn die auf diesem Konto liegenden und verbuchten 400 Millionen DM sollen zurückgeführt und als Minderausgabe in den Haushalt eingestellt werden. Auch davon haben wir heute früh nichts gehört. Wir wären interessiert, zu erfahren, ob unsere amerikanischen Freunde damit einverstanden sind oder waren. Besteht Aussicht, daß sie zustimmen? Werden das Deckungsmittel werden, oder werden wir uns weiterhin umsehen müssen?
Erlauben Sie mir, daß ich ein paar Worte zu den Einnahmen sage. Bei den Einnahmen ist man auf Schätzungen angewiesen, und für die Schätzungen ist der Finanzminister nur zum Teil verantwortlich. Mit einer gewissen Befriedigung, ja vielleicht berechtigtem Stolz hat der Herr Bundesfinanzminister die günstige Entwicklung auf diesem Gebiet im letzten Haushaltsjahr gekennzeichnet. Überraschend ist das Bruttosozialprodukt um ein halbes Prozent mehr gestiegen, als die Expertenkommission vorausgesagt hat, und wir haben 1,2 Milliarden DM Steuern mehr eingenommen. Sicher hat das die Sorgen des Herrn Bundesfinanzministers um einen Ausgleich seines Haushalts wesentlich verringert. Er war hier ein richtiger „Franz im Glück".
So wird auch diesmal wieder das Steueraufkommen um 2,2 bis 2,3 Milliarden DM höher als das des Jahres 1959 geschätzt. Die Mehrbeträge sollen im wesentlichen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer und aus der Umsatzsteuer kommen. Ansätze über die Heizölsteuer habe ich nicht gefunden.
An Lohnsteuer sollen offenbar 800 Millionen DM mehr einkommen. Aber man spricht sicher kein Geheimnis aus, wenn man sagt, daß der Arbeitsmarkt — die Tatsache selber ist sehr erfreulich — praktisch keine Reserven mehr aufweist. Wenn ich es richtig sehe und die Ausweise unseres früheren Kollegen Sabel richtig sind, dann werden im kommenden Jahr doch nicht zusätzliche Lohn- und Gehaltsempfänger steuerpflichtig werden. Man wird es wahrscheinlich abstreiten, aber offenbar erwartet man ein größeres Steueraufkommen aus einer Lohnerhöhung, und das scheint mir kein Element der Konsolidierung, sondern eher ein gewisses spekulatives Element zu sein.
Auch ist höchst fraglich — Herr Kollege Vogel hat dazu ausgezeichnete Ausführungen gemacht —, wie wir die 3 Milliarden DM im außerordentlichen Haushalt bedienen wollen. Zugegeben, man hat den außerordentlichen Haushalt von 4,2 auf 3 Milliarden DM gedrosselt. Man hat einmal eine Tranche aufgelegt und hat die 300 Millionen DM glatt bekommen. Es wird darüber gestritten, ob das so ganz marktgerecht gewesen oder ob man da nicht ein wenig in das teure Geld hineingeraten sei. Immerhin, das war eine glatte Sache. Aber wenn man glaubt, man könne im Jahre 1960 neben der Deutschen Bundesbahn und der Bundespost den zehnfachen Betrag herausholen, dann möchte ich dagegen sagen, man darf das füglich bezweifeln.
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Ich habe schon im Vorjahr gesagt: wir jagen hinter einem Phantom her, wenn wir glauben, daß der Kapitalmarkt diese Mittel für die öffentliche Hand bereitstellen kann. Was ist bis jetzt herausgekommen? Ganze 300 Millionen DM zu Bedingungen, über die man zweifellos streiten kann. Ich glaube, man wird im kommenden Jahr Überraschungen erleben.
Nun gebe ich Ihnen zu, Herr Bundesfinanzminister — nach meinen Notizen habe ich Sie allerdings einiges dazu fragen wollen —, es hat mich beeindruckt, was Sie in Ihrer Rede heute früh gesagt haben. Sie haben erklärt: Ich kann nicht sagen, ob ich alle Ansätze im außerordentlichen Haushalt bedienen kann; hier sind Unsicherheitsfaktoren. Diese Bemerkung genügt an sich schon; denn sie wird ganz sicher manchen Zweifel und manche Sorge nehmen. Nur ist eben die Frage, ob man von diesen Ausgaben im Extraordinarium herunterkommen kann. Das wird wahrscheinlich gar nicht so sehr vom guten Willen des Bundesfinanzministers abhängen, denn Staatsausgaben haben nun einmal eine gewisse Zwangsläufigkeit in sich.
Ich darf noch zu einigen weiteren Punkten allgemeiner Art in diesem Haushalt Stellung nehmen. Ein weithin sichtbares beeindruckendes Element ist die Tatsache, daß der „Juliusturm" nicht mehr existiert; er wurde geschleift, und zwar sehr schnell, schneller — ich gebe Ihnen das ganz offen zu —, als ich erwartet habe, vielleicht auch schneller, als nötig gewesen wäre. Ich bin mit Ihnen, Herr Vogel, der Meinung, daß darüber nicht so rasch hätte hinweggegangen werden dürfen. Ich sage nichts von der vorzeitigen Schuldentilgung der Nachkriegswirtschaftshilfe an die USA und Großbritannien. Schulden bezahlen ist zu jeder Zeit eine gute Sache. Dagegen will ich nichts sagen.
Aber der sprunghafte Anstieg der Verteidigungsausgaben in den letzten beiden Monaten des abgelaufenen Rechnungsjahres, im Februar und März 59, haben es mir angetan. Damals wurden — das scheint sich auch noch in diesem Rechnungsjahr fortgesetzt zu haben — Vorauszahlungen für Rüstungslieferungen in einem derartigen Ausmaß geleistet, daß man sich fragen muß, ob das wirtschaftlich noch vernünftig ist. Sicherlich ist die Behauptung richtig, daß die Vorauszahlungen auf künftige Lieferungen die Haushalte der nächsten Jahre finanziell nicht mehr belasten. Soweit gut. Aber wenn diese Vorauszahlungen für Lieferungen, die erst in einigen Jahren erfolgen sollen, einen Umfang von 100 % erreichen, dann ist die wirtschaftliche Vernunft eines solchen Verhaltens recht zweifelhaft, ganz abgesehen davon, daß wir nicht wissen, ob wir uns nicht nach zehnjährigem Bestehen der Bundesrepublik vielleicht — ich weiß es nicht, ich verstehe nichts davon — eine neue Verteidigungskonzeption überlegen müssen.
Alles das war mindestens der Überlegung wert, und es wäre Zeit dafür gewesen. Jetzt sind schon Riesenbeträge festgelegt. Vorauszahlungen in dieser Höhe sind in der Wirtschaft nicht üblich. Selbst bei größten Aufträgen erreichen die vereinbarten Anzahlungen im allgemeinen höchstens 30 v. H. der
Auftragssumme. Man kann sich — das weiß ich — in der Wirtschaft höhere Anzahlungsforderungen „bestellen" ; das soll gelegentlich vorkommen. Aber mit wirtschaftlicher Vernunft hat das nichts zu tun.
Die Bundesregierung hat vor Jahren mit den USA ein Werterstattungshilfeabkommen geschlossen. Danach ist die Bundesregierung verpflichtet, für Rüstungsaufträge in den USA 15 % der Auftragssumme einzuzahlen. Weitere 25 % sollen auf den Garantiekonten bei der Deutschen Bundesbank hinterlegt werden. Das sind die Summen, die wir ganz gern zur Haushaltsdeckung hätten. In Wirklichkeit aber sind Einzelbestellungen in den USA bis zu 100 % angezahlt worden. Ich frage: Auf Grund welcher Verpflichtungen geschah das? Ist die Bundesrepublik ein so schlechter Schuldner geworden? Herr Finanzminister, Sie haben heute früh dem Hause eindrucksvoll erklärt: Mein Ziel ist, Deutschland zu einem guten, zu einem vertrauenswürdigen Schuldner zu machen. — Sollten wir das nicht sein? Welche Gründe lagen hier vor?
Meine persönliche Vermutung ist, daß der Finanzminister — ich kann das angesichts einiger Vorgänge im Hohen Haus auch verstehen — vor das Plenum und vor die Öffentlichkeit hintreten und sagen wollte: Ich habe kein Geld mehr, ich muß Schulden machen, um den laufenden Verpflichtungen nachkommen zu können, und hier im Hause sollen keine neuen Ausgaben bewilligt werden.
Es werden heute die Schwierigkeiten beklagt — und sie bestehen tatsächlich —, die der Bund bei seinem Vorhaben hat, den Bedarf des außerordentlichen Haushalts auf dem Kapitalmarkt zu decken. Demgegenüber muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß jene überhöhten Vorauszahlungen einer der wesentlichen Gründe dafür sind, daß der Bund vorzeitig, jedenfalls früher, als seine Kassenlage es nötig gemacht hätte, an den Kapitalmarkt gehen muß. Der Bund muß sich jetzt verschulden und die Schulden verzinsen, um überhöhte Vorauszahlungen leisten zu können. Diese Finanzpolitik kann ich beim besten Willen nicht mehr als sparsam und wirtschaftlich bezeichnen.
In diesem Zusammenhang noch ein Wort zur Etatgestaltung des Verteidigungshaushalts! Bei der Durchsicht dieses Haushalts fällt auf, daß auch für 1960 ebenso wie für 1959 die Ansätze für Einzelbaumaßnahmen — also Kasernenneubauten, Instandsetzung von Kasernen, Errichtung von Depots, Bau von Truppenübungsplätzen, Lazarettbauten usw.; es ist Kap. 14 12 — ohne Geldansätze als Leertitel veranschlagt sind. Gespeist werden sollen diese Ansätze aus den Ausgaberesten früherer Rechnungsjahre, ganz gleichgültig, ob dieses Geld damals für diese Zwecke bewilligt worden war. Wir haben doch damals — es war vielleicht ein Fehler — globale Summen bewilligt, „Baumaßnahmen aller Art" und dgl. Man hat zunächst versucht, mit diesen
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Resten hin- und herzujonglieren. Aber schließlich sind sie in einen großen Topf geworfen worden, und daraus werden nun Einzelvorhaben finanziert. Das ist eine technisch interessante Lösung, ich habe aber Zweifel, ob man sich da noch durchfinden kann. Ich behaupte, ein Parlamentarier ist nicht mehr in der Lage — ich jedenfalls nicht —, herauszufinden, für welche Zwecke die Mittel ursprünglich bewilligt waren. Bei der Größenordnung, um die es hier geht, sollte dieses Verfahren vom Hohen Haus nicht mehr hingenommen werden.
In den Jahren 1956 bis 1958 wurden für Neubaumaßnahmen rund 5 Milliarden DM bewilligt, von denen bis Ende 1958 noch nicht einmal 1,5 Milliarden ausgegeben sind. In dem großen Topf für militärische Bauten stecken noch über 3,2 Milliarden DM. Wo bleiben hier die tragenden Grundprinzipien der Haushaltsordnung, Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit?
Wir sollten jetzt wirklich mit dem Versteckspiel aufhören und den tatsächlichen Bedarf für das Rechnungsjahr veranschlagen. Das gilt auch für die übrigen Beschaffungsprogramme der Bundeswehr. Wenn wir so verfahren, brauchen wir die Neudeckung der Reste gar nicht; die werden nämlich dadurch überflüssig, daß die Ausgabenreste im gleichen Umfange gestrichen werden.
Der Bundesfinanzminister hat in seiner vorjährigen oder vorvorjährigen Haushaltsrede mit einem großen Paukenschlag den Subventionen seinen Kampf angesagt. Ich will mich darüber jetzt nicht verbreitern. Aber was ist eigentlich geschehen? Sicher wird in der morgigen Debatte einiges darüber zur Sprache kommen. Ich will deshalb den Ansatz von 200 Millionen DM im Landwirtschaftshaushalt nicht kritisieren. Die Tendenz ist ja, dem Verbraucher zu helfen, obwohl die Frage gestellt werden kann, ob die Einfuhr- und Vorratsstellen ihre marktregulierende Aufgabe wirklich erfüllt haben. In diesem Jahr wäre doch wohl die Bewährungsprobe für diese Stellen gewesen, und man hat allgemein den Eindruck: in diesem Jahr haben sie versagt. Zudem gibt es einzelne Fälle, in denen die Methode, zu subventionieren, kritisiert werden muß, etwa beim Getreide. Bei einem Überhang geht die Subvention auf die Futtermittel über, und bei einer Dürre, wenn die Futtermittel knapp werden, werden auch diese subventioniert. Wir haben eine dreimalige Subventionierung bei einem und demselben Vorgang. — „Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode"!
Als großer Mangel muß empfunden werden, daß die Mittel des Grünen Planes 1960 wiederum in einer Globalsumme veranschlagt sind. Die Aufgliederung werden wir also wie in früheren Jahren durch eine förmliche Ergänzung frühestens im März nächsten Jahres erhalten, wenn die Haushaltsberatungen praktisch abgeschlossen sein müssen, da der Haushalt am 1. April 1960 in Kraft treten soll. Dieses Verfahren sollten wir ebenfalls abstellen. Der Einwand, daß der Grüne Bericht, der erst zum 15. Februar im Bundestag zu erstatten ist, die Grundlage für den Grünen Plan bildet, stimmt in diesem Jahr nicht mehr. Durch die Umstellung des
Rechnungsjahres ergibt sich für die Haushaltsaufstellung ein neuer Terminplan. Der zum 15. Februar jeden Jahres zu erstattende Grüne Bericht fällt bereits in die Zeit nach Beginn des neuen Rechnungsjahres. Der zum 15. Februar 1960 zu erstattende Bericht kann also nur die Unterlage für den Haushalt 1961 sein, der zu diesem Zeitpunkt schon aufgestellt und dem Finanzminister vorgelegt werden muß. Dieser Tatsache hätte man schon für das Rumpfrechnungsjahr 1960 Rechnung tragen sollen. Wir sollten daher die Bundesregierung ersuchen, die Einzelanforderungen für den Grünen Plan 1960 sofort auf Grund des vorjährigen Grünen Berichts mit den inzwischen bekanntgewordenen Änderungen vorzulegen.
Ein anderes tragendes Prinzip der Reichshaushaltsordnung scheint mir für diesen neuen Haushalt nicht ausreichend beachtet worden zu sein. Ich werde den Eindruck nicht los, daß eine ganze Menge von Entscheidungen, die in den Haushalt gehören, außerhalb des Haushalts getroffen werden.
Ich fordere das Hohe Haus auf, wachsam zu sein. Es geht hier, glaube ich, nicht um die Möglichkeit von Konflikten zwischen Opposition und Regierung, sondern es geht um Parlament und Regierung. Ich habe den Eindruck, dieser Haushalt ist nicht vollständig. Im Haushaltsentwurf 1960 sind z. B. keine Ansätze für Leistungen des Bundes nach § 90 des Bundesversorgungsgesetzes zur Bereinigung der finanziellen Auseinandersetzungen des Bundes mit den Rentenversicherungsträgern aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Renten-Neuregelungsgesetze vorgesehen. Nach einer Vorschrift des Haushaltsgesetzes soll der Bundesminister für Finanzen ermächtigt werden, den Rentenversicherungsträgern für diesen Zweck 200 Millionen DM in Schuldbuchforderungen zuzuteilen. Entgegen der Verkündung des Herrn Bundesarbeitsministers, der am 6. November, also vor einem Monat, hier an dieser Stelle wörtlich erklärte, daß die Bundesregierung in den Entwurf des Haushaltsplans für das Jahr 1960 als Teilbetrag 200 Millionen DM einsetzen werde, fehlt im Haushaltsplan ein Ansatz dafür. Die Vorschrift des Haushaltsgesetzes gibt lediglich die gesetzliche Ermächtigung im Sinne des Art. 115 des Grundgesetzes wieder; es handelt sich nur um eine Kreditermächtigung. Aber sowohl eine Kreditaufnahme wie auch eine Leistung des Bundes durch Hergabe von Schuldbuchforderungen an Stelle einer Barleistung bedürfen einer haushaltsmäßigen Bewilligung. Ich stelle fest, daß die Bewilligung nicht erteilt worden ist.
Außerdem vermisse ich einen Ansatz für die Verpflichtungen des Bundes auf Grund des bekannten Karlsruher Urteils zum Gesetz über die Tilgung der Ausgleichsforderungen. Ferner sind im Haushaltsentwurf 1960 keine Mittel für die von der Bundesregierung schon seit geraumer Zeit beschlossenen und verkündeten Hilfsmaßnahmen für den Kohlenbergbau enthalten. Dieses Versäumnis dürfte durch die Tatsache, daß die ersten Ausgaben für diesen Zweck noch im laufenden Rechnungsjahr ge-
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leistet werden sollen, nicht geringer werden. Die Gründe dafür, daß keine Mittel für diese Maßnahmen angesetzt sind, sind nicht ganz ersichtlich; denn in allen Fällen handelt es sich unbestritten um Leistungsverpflichtungen oder Leistungszusagen des Bundes. Darf man vermuten, daß die Ausgaben absichtlich nicht ausgewiesen wurden, um die Ausgabensteigerung nicht noch gewaltiger erscheinen zu lassen, als sie ohnehin schon ist?
Wir sollten uns nicht mit dem Hinweis zufrieden geben, daß man die Ansätze bei der Beratung im Ausschuß noch nachschieben kann. Das Verfahren des Nachschiebens ist von der Bundesregierung schon zu oft praktiziert und strapaziert worden. Nachher heißt es dann: Der böse Bundestag hat das Haushaltsvolumen erweitert.
Das Verfahren, daß wir durch Nachschublisten gezwungen werden, erst im Haushaltsausschuß Beträge, die oft in die Hunderte von Millionen DM gehen, zu bewilligen, darf nicht zu Lasten des Parlaments gehen. Das ist kein guter Stil. Ich wehre mich gegen dieses Verfahren und bitte darum, daß sich auch das Hohe Haus gegen dieses Verfahren zur Wehr setzt.
Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Ansätze für das Saarland unzureichend sind. Das gleiche Spiel wird auch mit der Bundeshilfe für Berlin getrieben. Wir erleben doch Jahr für Jahr, daß ein geringerer Betrag als im gerade laufenden Haushalt eingesetzt wird, und der Haushaltsausschuß muß dann die Ausgabe auf die Höhe bringen, die inzwischen von der Bundesregierung und dem Land Berlin ausgehandelt worden ist. Für das Jahr 1960 ist die Berlin-Hilfe gegenüber 1959 um 185 Millionen DM gekürzt worden, und das, soweit mir bekannt ist — ich lasse mich gern korrigieren; ich würde mich freuen, wenn es nicht wahr wäre —, ohne vorherige Verhandlungen mit Berlin. Der Schwarze Peter wird also hier wieder einmal dem Parlament zugeschoben.
Wir begrüßen den Fortschritt im neuen Haushaltsgesetz, der hinsichtlich der abgewandelten Inkraftsetzung der Vorschrift über die Fehlbedarfsdeckung unverkennbar zu verzeichnen ist. Wenn diese Regelung erhalten bleibt und zum festen Bestandteil der künftigen Haushaltsgesetze wird, ist die Gefahr, die von den überhöhten Ausgaberesten der Vergangenheit ausgeht, praktisch neutralisiert.
Noch ein Wort zur Umstellung des Rechnungsjahres auf das Kalenderjahr. Das Umstellungsgesetz ist heute früh vom Hohen Hause verabschiedet worden. Meine Freunde und ich haben schon seit langem das Rechnungsjahr als Kalenderjahr für die gesamte öffentliche Finanzwirtschaft angestrebt. Ich möchte aber vor der Hoffnung warnen, daß die Umstellung des Rechnungsjahres dem Parlament etwa mehr Zeit für seine Haushaltsberatungen gibt und daß es dadurch möglich sein wird, den Haushaltsplan tatsächlich zu Beginn des Rechnungsjahres in Kraft zu setzen. Das wäre ein gefährlicher Irrtum. Der Zeitdruck wird nicht von uns genommen. In diesem Jahr haben wir eine Chance. Wir haben die Chance, daß wegen der Uberrollung der Personal- und Sachausgaben die Ausschußberatungen kürzer werden. Im nächsten Jahr aber, in einem Vierteljahr oder in vier Monaten, kommt bereits ein vollständiger Haushaltsplan für das Jahr 1961 auf uns zu. Er wird in allen Einzelheiten zu beraten sein.
Nun steht das Parlament vor einem regelrechten Dilemma. Entweder wird der Haushaltsplan 1961 — wie in früheren Jahren — mit drei bis vier Monaten Verspätung verabschiedet oder der Bundestag kürzt seine Beratungen ab; im letzten Falle kürzt er sein Budgetrecht, und er verzichtet auf eine genaue Durchleuchtung. Der Regierung dürften wahrscheinlich beide Wege recht sein, denn in beiden Fällen ist es ihr Vorteil. Eine Verzögerung der Verabschiedung des Haushalts beeindruckt die Regierung wenig, denn sie kann mit Hilfe des Art. 111 des Grundgesetzes frei und munter im bisherigen Rahmen weiter wirtschaften und gestützt auf Art. 112 des Grundgesetzes kann sie sogar höhere Ausgaben als im Vorjahr leisten oder neue Ausgaben veranlassen, wenn sie glaubt, daß ein unabweisbares Bedürfnis vorliegt. Eines ist jedenfalls sicher: die parlamentarische Prüfung der Maßnahmen kommt in jedem Falle zu spät. Dieser Tatsache wird von uns zuwenig Beachtung geschenkt. Wie oft schon haben wir „ohne Bedenken" von solchen Dingen Kenntnis genommen oder irgendeinen Betrag bewilligt, weil es keinen Sinn mehr hatte, über die Dinge zu diskutieren.
Ich betone hier ausdrücklich, daß dieses Verfahren, das einen gefährlichen Kern hat, bis jetzt zu ernsten Konflikten nicht geführt hat, weil der Finanzminister in diesen Fragen ausgesprochen loyal gehandelt hat. Ich möchte das ausdrücklich betonen, damit nicht der Verdacht aufkommt, es handele sich um eine Frage der Person; hier geht es um die Institution. Es kann ja auch einmal anders kommen — es ist nicht vorgeschrieben, so zu handeln --; dann liegt die Schuld bei uns.
Der Bundestag — wir, das Parlament — kann kein Interesse daran haben, daß der Haushaltsplan verspätet verabschiedet wird. Wir können auch kein Interesse daran haben, daß unser Budgetrecht gekürzt wird. Wir dürfen uns dieses Recht auch nicht selber beschneiden. Deshalb sollten wir ernsthaft nach Wegen suchen, die unseren Interessen gerecht werden.
Der Vorschlag, den der verehrte Kollege Schoettle vor Jahren gemacht hat, nach der Einbringung des Haushalts etwa zwei bis zweieinhalb Monate für Ausschußberatungen plenarfrei zu halten, hat sich nicht verwirklichen lassen, und er wird sich bei dem Arbeitsanfall des Hauses auch nicht verwirklichen lassen. Auch meine schon vor Jahren vorgebrachte Anregung, für den Verwaltungsteil einen Mehrjahreshaushalt aufzustellen, bringt nur in dem jeweiligen Überollungsjahr eine Erleichterung. Wir müssen daher versuchen, die vielschichtige und umfangreiche Beratungsmaterie auf andere Weise zu ent-
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zerren und die Beratung auf einen längeren Zeitraum zu verteilen.
Ich bitte deshalb, daß ich Ihnen einen alten, ein wenig abgewandelten Vorschlag machen darf. Lassen Sie uns im Haushaltsausschuß jeden neuen Haushaltsplan immer nur mit den Vorjahresansätzen der Personal- und Sachausgaben verabschieden. Wir sparen damit sehr viel Zeit, gerade so viel Zeit, wie nötig ist, um die eigentlichen Zweckausgaben des Bundes zu prüfen. Gleichzeitig sollte die Bundesregierung den Auftrag erhalten, ihr notwendig erscheinende Änderungen des Personal- und Sachaufwandes, die gar nicht bestritten werden sollen — das kann jedes Jahr vorkommen —, in der Form eines Nachtragshaushalts vorzulegen. Dieser kann sofort nach der Verabschiedung des Haushaltsplans im Bundestag beraten werden und nach einer Zeitspanne verabschiedet sein, die etwa der Verzögerung entspricht, die bisher jeder Haushalt erlebte.
Damit ist also im Grunde gar nichts verloren, aber für mein Empfinden sehr viel gewonnen. Der Haushaltsplan kann fristgerecht in Kraft treten, die Veränderungen bei den Personal- und Sachausgaben werden noch für das neue Rechnungsjahr wirksam; sie bilden die Grundlage für den Haushaltsentwurf des nächsten Jahres. Dieses Verfahren bietet den großen Vorteil, daß die Personal- und Sachforderungen der gesamten Bundesverwaltung einmal hintereinander beraten werden können. Dadurch ergeben sich ausgezeichnete Möglichkeiten für Vergleiche; man kann dabei schön Querschnitte ziehen. Ich kann mir vorstellen, daß die Regierung von diesem Vorschlag nicht sehr erbaut ist, denn sie profitiert vom Zeitdruck.
Ich komme zum Schluß. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine der größten Unbekannten in diesem vielschichtigen Komplex des Haushalts sind wir, ist das Parlament. Schon einmal hat mit der Einrichtung des sogenannten Kuchenausschusses eine verhängnisvolle Entwicklung ihren Lauf genommen. Ich fürchte, wir müssen wieder damit rechnen. Wir sollten uns vornehmen, in diesem Haushalt keine Erhöhungen zu bewilligen. Ich bitte den Finanzminister, sich hier als Sturmbock oder Deichhauptmann — er kann sich den Ausdruck, der ihm lieber ist, heraussuchen — zu erweisen.
Eines ist sicher: wir haben keine Reserven mehr, der Juliusturm ist endgültig geleert. Aus der Rede des Finanzministers dürfen wir 'entnehmen, daß neue Steuererhöhungen nicht in Betracht gezogen werden; die Erhöhung der Mineralölsteuer, der Heizölsteuer, vielleicht auch der Grundsteuer anerkennt er nicht als Steuererhöhung.
Ich sage aber noch einmal: es ist ein Haushalt der Unsicherheit: es können Einnahmen ausfallen, es gibt unvorhergesehene und unabweisbare Ausgaben, wir können den Garantiefonds vielleicht nicht absetzen, oder die 6 %ige Kürzung klappt nicht, und das kunstvolle Gebilde des Ausgleichs bricht zusammen. Wir glauben deshalb nicht so recht daran, daß wir bereits stabile Finanzen haben. Wir sind in großer Sorge, und mit uns sind es alle Gutmeinenden. Warum hört man nicht stärker auf den Präsidenten der Deutschen Bundesbank, der in
den letzten Tagen einige sehr eindrucksvolle Worte zu diesem Problem gesagt hat?
Wir verfolgen mit Kritik und mit Ernst den Gang des Finanzministers auf einem schmalen Grat, des Finanzministers, der umdroht ist vom Steinschlag neuer Ausgaben und der sich ein wenig von optimistischen Steuerschätzungen und von der Steigerung des Sozialprodukts in Sicherheit wiegen läßt und getrieben ist von den Forderungen des Staatsapparates, dem der Bundeskanzler nicht oder zu spät die nötigen Zügel anlegt. „Etzel werde, sei und bleibe hart!"