Rede von
Dr.
Emmy
Diemer-Nicolaus
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Sehr geehrte Frau Kollegin, warten Sie meine Schlußfolgerung ab! Dann werden Sie erkennen, daß ich nur das Grundsätzliche erwähnt habe. Wenn ich über alle Einzelheiten hätte sprechen wollen, hätte ich noch ganz andere Dinge ansprechen müssen. Ich muß an diesen Beispielen zeigen, wie nach meiner Auffassung das Mietrecht gestaltet werden soll und daß der Entwurf nicht zu den Ergebnissen führt, die gerade der Herr Wohnungsbauminister wünscht.
Das möchte ich doch mit aller Eindeutigkeit feststellen. Ich gehöre bestimmt nicht zu denen, deren Verhalten man als unmenschlich bezeichnen kann. Ich habe nur das Pech, erst in der zweiten Runde als dritte zu sprechen. Es steht Ihnen ja frei, meine Ausführungen nicht anzuhören; dazu ist keiner gezwungen.
Es handelt sich hier um folgende Gefahr. Der Eigentümer hat auf Grund der bestehenden Gesetze im Rahmen des frei finanzierten Wohnungsbaus bestimmte Investitionen vorgenommen, weil er auch in der Auswahl der Mieter frei sein wollte. Jetzt nehmen Sie ihm ein Recht, das ihm vorher in einem anderen Gesetz ausdrücklich zugestanden worden ist. Das sollte sehr genau überlegt werden.
— Frau Kollegin Weber, ich höre mir Ihre Redner auch mit großer Geduld an. Es tut mir leid, daß ich das auch noch sagen muß.
- Meinen Sie, das wäre ich, Herr Kollege?
Das sind grundsätzliche Ausführungen, die für die Behandlung im Ausschuß notwendig sind. Hinzu kommt die von Ihnen beabsichtigte Änderung der Zivilprozeßordnung. Sie wollen jetzt die elastische Formulierung des § 721 ZPO durch einen Räumungsschutz mit Fristen von 6 Monaten bzw. 1 Jahr ersetzen. Während heute je nach den Verhältnissen der Vollstreckungsrichter dem Einzelfall mit der Gewährung von Räumungsfristen gerecht werden kann, werden Sie in Zukunft praktisch das Ergebnis haben, daß wir keinen Räumungsschutz mehr unter einem Jahr bekommen. Das ist nicht der Sinn eines vollstreckbaren Titels. Es gehört zu den Prinzipien des Rechtsstaates, daß ein Urteil auch vollstreckt werden kann, damit der Betreffende nicht nur ein formelles Recht erhält, sondern dieses Recht auch in die Wirklichkeit umsetzen kann.
Diese wenigen Bedenken zu den Hauptbestimmungen des sozialen Mietrechts möchte ich für die Ausschußberatungen mit auf den Weg geben. Ich wünsche allen, einschließlich der SPD, daß es uns gelingt, in Kürze den Wohnungsfehlbestand so weit aufzuholen, daß wir auch auf dem Gebiet der Wohnungswirtschaft zu einer echten Marktwirtschaft kommen. Seien Sie versichert, die Entwicklung wird dafür sorgen, daß die Mieten nicht zu hoch werden. Ich denke an die Zeit vor dem 21. Juni 1948 und sehe heute noch meinen Gemeinderat in Stuttgart vor mir und höre die Kassandra-Rufe der Vertreter der SPD wegen der bevorstehenden Aufhebung der Lebensmittelrationierung. Man sagte, das sei doch nicht möglich, das gebe eine Katastrophe, und was nicht alles gesagt wurde. Meine Damen und Herren, es ging. Wir haben schon heute Gebiete, in denen keine Wohnungsnot mehr herrscht. Das sind die Abwanderungsgebiete. Nehmen Sie einmal eine Landkarte zur Hand, auf der die Kreise mit einer Bevölkerungsabnahme eingezeichnet sind. Sie werden erkennen, daß es möglich ist. schon jetzt eine Erleichterung zu schaffen und in absehbarer Zeit von den Notgesetzen völlig abzukommen.