Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Dr. Deist, Sie wollen doch nicht behaupten, daß es Bergarbeiter an der Ruhr gibt, deren Einkommen unter dem Fürsorgerichtsatz liegt? Das ist doch nicht richtig!
- Aber das liegt doch dann nicht an der Zahl der Feierschichten!
— Es ist völlig unmöglich, daß es in Deutschland einen Bergarbeiter gibt, der nur wegen der Feierschichten mit seinem Lohn unter den Fürsorgerichtsatz kommt. Daß es einen solchen Fall gibt, müßten Sie erst beweisen! Es mag vielleicht den einen oder anderen Bergmann geben, der aus anderen Gründen in dieses unglückliche Schicksal geraten ist — den bedaure ich genauso wie Sie —, aber
das hat mit der Einlegung von Feierschichten nicht das geringste zu tun.
Außer der Konkurrenz des Heizöls wird als Grund für die großen Schwierigkeiten die hohe Einfuhr von insbesondere amerikanischer Kohle angegeben, und dagegen wird der Schutz des Staates gefordert. Das ist wohl das Hauptproblem, das uns heute beschäftigt. Ich habe schon gesagt, daß die Einfuhr amerikanischer Kohle — dieser vorübergehende Zustand, Herr Burgbacher — nicht die Hauptursache unserer Schwierigkeiten ist. In der Ausschußsitzung, an der auch Sie teilgenommen haben, hat Herr Dr. Westrick erklärt, daß auch dann, wenn wir keine Tonne Kohle einführten, sich die Halden um keine Tonne verringern würden. Das Ausmaß der amerikanischen Importe fällt nicht so ins Gewicht, daß wir auf diese Weise das ganze Problem lösen müßten. Darüber sind wir uns wohl einig. Außerdem haben wir ein Einfuhrverbot. Wir haben seit dem September 1958 praktisch schon das Embargo eingeführt, das wir offiziell nicht zugeben wollen.
Herr Burgbacher, ich habe Sie wiederholt in der Frage des Zolls angesprochen: Jetzt will man die vorübergehende Schwierigkeit — um eine solche handelt es sich, denn es kommen ja keine neuen Verträge, sondern es geht nur um die Zeit der Abwicklung der bestehenden Verträge — durch das massive Mittel des Zolls beseitigen, das man geradezu mit einem Holzhammer vergleichen könnte. Zu dem Zoll mit all seinen Wirkungen, nicht nur auf das Ausland, sondern auch auf die übrige deutsche Wirtschaft, wird mein Kollege Dr. Starke noch sehr detaillierte Ausführungen machen. Wir hätten uns noch über dieses Mittel Gedanken gemacht, wenn es sich wirklich nur um eine kurzfristige Maßnahme handelte. Aber, Herr Minister Erhard, Sie haben in der gestrigen Sitzung auf die Frage, ob Sie der Meinung sind, daß die in der Zollvorlage enthaltene Begrenzung auf den 31. Dezember 1959 auch eingehalten wird, klar und deutlich mit Nein geantwortet.
— Vielleicht nicht in der Höhe, aber ein Zoll wird auch danach noch bestehenbleiben.
Wir wollen doch einmal die Zahlen sprechen lassen. Sie sind in der Debatte sehr verschoben wor- den. Aber es scheint eindeutig festzustehen, daß am 1. Januar 1959 Einfuhrverträge über 36 Millionen t Steinkohle vorlagen. Darüber hinaus sind keine weiteren Unterlagen vorhanden. Immerhin läßt sich aber aus der Angabe des Herrn Staatssekretärs Westrick entnehmen, daß 70% von den 36 Millionen t von Zechen-Handelsgesellschaften beantragt und diesen Zechen-Handelsgesellschaften übergeben worden sind; denn woher hätte er sonst die Zahl von 70 %! Ob es 66 2/3 oder 70% sind, ist nicht entscheidend. Wir können also sagen: von den 36 Millionen scheiden 25 Millionen 70 %— ohne weiteres aus; denn die Kohlenwirtschaft muß diese Verträge selbst verkraften. Das ist doch das wenigste, was wir von ihr verlangen können: daß
3250 Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode — 59. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Januar 1959
Dr. Atzenroth
sie die Abwicklung dieser von ihr selbst getätigten Verträge selber und ohne Hilfe des Staates durchführt.
Was verbleibt dann? 36 weniger 25 Millionen sind noch ganze 11 Millionen als Verträge. Davon, so behaupten Sie immer, seien ein Teil sogenannte unechte Verträge. Ich will aber unterstellen, sie seien alle echt bzw. sie würden alle echt gemacht in der kurzen Zeit, die noch zur Verfügung steht. Es geht nicht immer, Herr Minister; ich weiß das. Denn sie müssen ja auch einen deutschen Abnehmer finden. Jetzt finden sie den deutschen Abnehmer wahrscheinlich nicht mehr. Aber das spricht alles für meine Rechnung, da es sich um weniger als 11 Millionen t handeln wird. Um die Einfuhr von 11 Millionen t zu verhindern, soll der Zoll geschaffen werden. Selbst wenn diese 11 Millionen t ohne Zoll eingeführt würden, würde sich die Einfuhr sicherlich auf eine längere Zeit, mindestens auf zwei Jahre, verteilen. Was bleibt dann pro Jahr? 5,5 Millionen t. Sie führen nach Ihrem Zollgesetz 5 Millionen t ein. Es wäre eine Milchmädchenrechnung, zu sagen: 5,5 minus 5; denn es sind nicht dieselben Abnehmer. Das gebe ich ohne weiteres zu. Der Unterschied zwischen dem, was Sie nach Ihrem Zollgesetz selber einführen wollen und müssen, und dem, was hier noch abzuwickeln ist, beträgt ja nur noch 2, 3, vielleicht 4 Millionen t.