Rede von
Prof. Dr.
Fritz
Hellwig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident, ich würde gern zunächst die erste Frage des Herrn
Dr. Hellwig
Kurlbaum, die ja aus mehreren Fragen bestand, voll beantworten; dann bin ich gern bereit, mich zu weiteren Fragen zu äußern.
Sie haben also gesagt, Herr Kollege Kurlbaum: Die Spekulation wird durch eine solche Gesetzgebungsmaßnahme noch einmal angereizt. Gut, ich gebe Ihnen in einem Teil recht: wir können niemandem verbieten, im Zusammenhang mit einem Gesetz, das bei uns in der Beratung ist, irgend etwas zu spekulieren.
— Gerade für die Dauer muß ich Ihnen widersprechen, Herr Kurlbaum. Warum ist das Ausmaß der Spekulation an der Börse im Augenblick so ungewöhnlich? Weil es an Material für den Börsenaktienhandel fehlt und bereits geringe Aufträge, geringe Interessenkäufe zu ungewöhnlichen Kursbewegungen führen können. Vermehren Sie das Aktienangebot an der Börse, dann werden Sie von vornherein auch der Spekulation das Wasser entzogen haben.
Aber woher sind denn die Bewegungen der letzten Monate gekommen? Man kann doch nicht alles auf diese Vorlage abschieben wollen. Da ist zunächst die Wirkung der Diskontsenkung. Durch sie ist die durchschnittliche Rendite der Aktie im Vergleich zum Zins seit einigen Monaten wesentlich günstiger geworden. Daß das eine Bewegung der Börsenkurse zur Folge hatte, konnte jeder voraussehen. Daß bestimmte Interessenkäufe, nicht zuletzt im Gefolge der Zwangsverkäufe, die die Alliierten bei einigen Kapitalbesitzern herbeigeführt hatten, eingetreten sind, ist ebenfalls hier zu erwähnen. Es ist auch unbestritten, daß weiterhin in großem Umfang spekulatives Auslandskapital, gerade in den letzten Monaten wieder, als Käufer auftritt.
Man soll also die Entwicklung der Börsenkurse nicht so schematisch, wie es geschehen ist, mit diesem Gesetz in Verbindung bringen. Sie können natürlich einzelne Werte herausgreifen und sagen, da oder da liege das mit Sicherheit vor. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: das Ausmaß der Spekulation, wie wir es in den letzten Monaten, manchmal auch Jahren, gesehen haben, ist wesentlich durch die Marktenge bedingt. Es ist eben zuwenig Material vorhanden, und die Gesellschaften haben sich bei der Emission von Aktien aus vielen Gründen, die wir früher erörtert haben, zurückgehalten, hauptsächlich deshalb, weil die Finanzierung über die Aktie im Vergleich zu Obligationen oder anderen Formen von fest verzinslichen Krediten die teuerste Finanzierung für neue Investitionen war.
Herr Kollege Harm hat auf den Aktienbesitz und dessen Aufgliederung hingewiesen sowie darauf, daß nur ein kleiner Teil des gesamten Aktienkapitals fluktuiere. Damit hat er nach meiner Meinung bestätigt, daß im Grunde genommen sehr wenig Material vorhanden ist. Die Frage ist natürlich, ob wir eine große Fluktuation des Aktienbesitzes überhaupt für richtig halten. Ich glaube, auch der Festbesitz in der Hand des Sparers, der nicht bei jeder
Börsenbewegung in die Fluktuation einsteigt, ist durchaus eine erwünschte Form der Verteilung des Aktienbesitzes.
Nun die Frage, die Sie in dem Zusammenhang ebenfalls angedeutet haben: Wem kommt das zugute, wenn nunmehr aus Gesellschaftsmitteln die Kapitalaufstockung aufgenommen wird? Sie meinten, das komme nur den großen Gruppen, dem Festbesitz, den Großaktionären usw., zugute. Sie müssen dabei aber zumindest ganz große Gruppen von Aktionären ausschalten, die an der Frage „Kapitalausschüttung durch Aktien oder Aufrechterhaltung der Rücklagen" im Grunde genommen gar nicht interessiert sind, weil es sich um feste Besitzverhältnisse handelt, die zum Teil auch noch im Genuß des Schachtelprivilegs sind und insofern von dieser Maßnahme überhaupt nicht betroffen werden.
Bei näherem Zusehen sollten daher nach meiner Meinung die von Ihnen vorgetragenen Bedenken zusammenschrumpfen, und es sollte Ihnen möglich sein, Ihre Zustimmung zu dieser Vorlage zu geben.
Ich darf wiederholen: es geht nicht um eine isolierte Maßnahme. Sie ist vielmehr in dem Strauß von mehreren Maßnahmen zu sehen und zu verstehen: die Aktie als Finanzierungsinstrument wieder zu popularisieren, sie wieder breiter in die Öffentlichkeit zu bringen, einmal um der Finanzierung der Unternehmungen selbst willen, zum andern aber auch im Rahmen der gesamten Eigentumspolitik, von der wir an anderen Stellen schon wiederholt gesprochen haben.