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ID0304401800

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    Deutscher Bundestag 44. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1958 Inhalt: Nachruf auf S. H. Papst Pius XII. Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 2475 A Grußworte an den wiedergenesenen Abg. Schoettle . . . . . . . . . . 2477 D Zur Tagesordnung Dr. Schellenberg (SPD) . . . . . 2475 D Horn (CDU/CSU) . . . . . . . 2476 C Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 2477 B Entwurf eines Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung (Drucksache 416) — Erste Beratung —, Entwurf eines Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln (Drucksache 417) — Erste Beratung — Etzel, Bundesminister . . . . . . 2478 B Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) . . . . 2480 B Dr. Harm (SPD) . . . . . . . . 2481 D Dr. Atzenroth (FDP) . . . . . . 2486 B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 2487 D Kurlbaum (SPD) . . . . . . . . 2489 C Dr. Hellwig (CDU/CSU) . . 2493 A, 2505 D Dr. Starke (FDP) . . . . 2496 D, 2504 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . . 2498 A Entwurf eines Gesetzes über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank (Drucksache 533) — Erste Beratung — . . . . . . 2506 D Entwurf eines Gesetzes über die Bildung von Rückstellungen in der Umstellungsrechnung der Geldinstitute, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen und in der Altbankenrechnung der Berliner Altbanken (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 514) — Erste Beratung — 2506 D Entwurf eines Gesetzes über „unveränderte Rohmilch" (FDP) (Drucksache 421) — Erste Beratung — Köhler (FDP) 2507 A Bauknecht (CDU/CSU) 2507 D Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (Drucksache 525) — Erste Beratung — Dr. Strauß, Staatssekretär . . . . 2508 A Dr. Dehler (FDP) . . . . . . . . 2509 A Lange (Essen) (SPD) . . . . . . 2510 B Dr. Winter (CDU/CSU) . . . . . 2510 D Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) (Drucksache 530) — Erste Beratung — 2511 B Erklärungen nach § 36 GO Dr. Schellenberg (SPD) . . . . . 2511 C Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . . 2512 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2512 C Anlage 2513 A 44. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Altmaier* 19. 10. Bauer (Wasserburg) 15. 10. Bauer (Würzburg)* 19. 10. Dr. Becker (Hersfeld)* 19. 10. Berkhan 30. 10. Birkelbach* 19. 10. Dr. Birrenbach 15. 10. Fürst von Bismarck 17. 10. Blachstein 18. 10. Conrad 15. 10. Demmelmeier 15. 10. Diel (Horressen) 15. 10. Frau Döhring (Stuttgart) 18. 10. Dowidat 18. 10. Eilers (Oldenburg) 15. 10. Engelbrecht-Greve 4. 11. Etzenbach 15. 10. Even (Köln)* 19. 10. Frehsee 5. 11. Dr. Furler* 19. 10. Gerns* 19. 10. Frau Geisendörfer 18. 10. Goldhagen 15. 10. Dr. Gossel 15. 10. Dr. Gülich 18. 10. Günther 15. 10. Hansing 15. 10. Heye* 19. 10. Dr. Höck (Salzgitter) 16. 10. Höfler' 19. 10. Frau Dr. Hubert* 19. 10. Hübner 15. 10. Jacobi 15. 10. Jacobs* 19. 10. Jahn (Stuttgart) 17. 10. Keuning 15. 10. Kiesinger* 19. 10. Frau Kipp-Kaule 17. 10. Dr. Kopf* 19. 10. Frau Dr. Kuchtner 17. 10. Kühlthau 15. 10. Kühn (Bonn) 15. 10. Kühn (Köln)* 19. 10. Dr. Leverkuehn* 19. 10. Dr. Löhr 17. 10. Lücker (München)* 19. 10. Maier (Freiburg) 22. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Frau Dr. Maxsein* 19. 10. Meitmann 15. 10. Dr. Mende* 19. 10. Dr. Menzel 16. 10. Metzger* 19. 10. Müller (Worms) 17. 10. Neuburger 17. 10. Nieberg 15. 10. Paul* 19. 10. Dr. Preusker 15. 10. Rasner 28. 10. Frau Dr. Rehling* 19. 10. Scharnberg 15. 10. Dr. Schmid (Frankfurt)* 19. 10. Frau Schmitt (Fulda) 17. 10. Schmitt (Vockenhausen) 15. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 1. 11. Schütz (München)* 19. 10. Dr.-Ing. Seebohm 17. 10. Seidl (Dorfgin)* 19. 10. Dr. Serres* 19. 10. Dr. Stammberger 18. 10. Stauch 15. 10. Stenger 17. 10. Varelmann 15. 10. Wagner 17. 10. Dr. Wahl* 19. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 19. 10. Frau Welter (Aachen) 15. 10. Frau Wessel 15. 10. Dr. Zimmer* 19. 10. b) Urlaubsanträge Graf Adelmann 31. 10. Dr. Baade 30. 10. Dr. Böhm 2. 11. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 24. 10. Giencke 25. 10. Frau Herklotz 23. 10. Jahn (Frankfurt) 31. 12. Lenz (Trossingen) 9. 11. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 11. Niederalt 10. 11. Rehs 22. 10. Reitzner 31. 12. Scheel 4. 11. Spitzmüller 30. 10. Dr. Steinmetz 10. 11. Dr. Stoltenberg 10. 11. Dr. Vogel 10. 11. Dr. Wolff (Denzlingen) 31. 10. für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates.
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    Rede von Dr. Otto Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Problem, das wir heute hier verhandeln, ist tatsächlich über 30 Jahre alt. Im allgemeinen geht es in dieser Auseinandersetzung um das Verhältnis von Privatrecht und Steuerrecht und im besonderen um die Fragen der Steuerpflicht und der wirtschaftlichen Beurteilung des Tatbestandes der Erhöhung von Stammkapital aus Gesellschaftsmitteln. Darüber gibt es eine umfassende Literatur. Das ist nicht etwa eine Angelegenheit der Propaganda der letzten zwei Jahre, sondern das ist rechtstheoretisch und wirtschaftspolitisch eine Grundauseinandersetzung.
    In dieser Grundauseinandersetzung hat es zwei akute Augenblicke gegeben, in denen im Sinne dieses Gesetzentwurfes entschieden worden ist: das eine war die Dividendenabgabeverordnung des Jahres 1941, in der man den Berichtigungsvorgang ähnlich behandelt hat, und das zweite war die D-MarkEröffnungsbilanz-Verordnung; auch hier hatte man
    2488 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode - 44, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Oktober 1958
    Dr. Schmidt (Wuppertal)

    erkannt: man muß endlich einmal aus der Doktrin herausspringen, um einem wirtschaftlichen Tatbestand gerecht zu werden.
    Das Kernproblem der Auseinandersetzung zwischen Bundesrat und Bundestag in dieser Frage, die in jener merkwürdigen Fristbestimmung zum Ausdruck kommt, Herr Kollege Harm, ist doch im Grunde genommen: Soll die alte Doktrin, die seit dreißig Jahren bekämpft wird, noch einmal, zum dritten Male ad hoc gelten, nämlich bis zum Jahre 1960, oder .sollen wir endlich aus der alten Doktrin herausspringen, einen wirtschaftlichen Tatbestand endgültig anerkennen und uns ein für allemal an wirtschaftliches Denken im Steuerrecht gewöhnen? Das ist das Kernproblem der ganzen Geschichte. Denn was hat der Bundesfinanzhof und was hat vor ihm der Reichsfinanzhof im Grunde genommen getan? In Abweichung des § 1 des Steueranpassungsgesetzes, der den Bundesfinanzhof und den Reichsfinanzhof und alle Steuerrechtler verpflichtet, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde zu legen, hat er sich von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise entfernt und hat zivilistisch-konstruktivistisch gedacht und hat nach dem positiven Handelsrecht geurteilt: im Aktiengesetz wie im GmbH-Recht gibt es das Institut der Erhöhung des Gesellschaftskapitals aus Mitteln der Gesellschaft überhaupt nicht, sondern da gibt es nur die Bareinlage oder die Sacheinlage als Deckung der Kapitalerhöhung. Infolgedessen hat man nun mit der berühmten Theorie der Doppelmaßnahme versucht, auch steuerrechtlich den Tatbestand in diese zivilistischpositivistische Konstruktion hineinzuzwängen.
    Der wirtschaftliche Vorgang war aber völlig anders. Der Bundesfinanzhof und vor ihm der Reichsfinanzhof haben in ihren Urteilen außerordentlich subtile Erörterungen angestellt, warum dieser Vorgang wirtschaftlich doppelt besteuert werden müsse. Sie haben im Grunde genommen auch erkannt, daß bei einer Gesellschaft zunächst einmal etwas abfließen müsse, wenn einem anderen etwas zufließen solle. Das Gesellschaftsvermögen müsse sich doch vermindern. Wenn Dividende ausgeschüttet wird, wird die Gesellschaft um diesen Vermögensposten ärmer und der Gesellschafter, der Empfänger reicher. Aber wenn, wie in diesem Falle, Rücklagen, die versteuert sind — ich komme nachher noch auf dieses spezielle Problem , in Gesellschaftskapital verwandelt werden, ändert sich in der Vermögensstruktur überhaupt nichts. Bei der Gesellschaft fließt nicht das geringste ab, weder wirtschaftlich noch formal.
    Nur im Verhältnis zum Gesellschafter wird dieser Vermögensteil mittelbar insofern verändert, als der Gesellschafter durch die Kapitalbindung stärker belastet wird. Dieser kann nämlich schwerer darüber verfügen, und zwar mit Rücksicht auf Gläubigerschutzinteressen. Insoweit wird dieser Vermögensbestandteil im Gesellschaftskapital gebunden. Aber wirtschaftlich fließt in Wirklichkeit gar nichts ab.
    Beim Aktionär, beim Gesellschafter, fließt auch nicht das geringste zu. Darin unterscheiden Herr Kollege Harm und ich uns allerdings grundsätzlich.

    (Abg. Kurlbaum: Er zahlt Taber doch keine Steuern!)

    — Ich komme auf dieses Steuerproblem noch. Wenn ihm wirtschaftlich nichts zufließt, braucht er auch nichts zu zahlen. Es wäre ja unsinnig, wenn er dann etwas zahlen müßte.
    Im Grunde genommen, Herr Kollege Harm, kommt die Differenz zwischen Ihrer und unserer Auffassung dadurch zustande, daß Sie nicht einsehen können oder nicht anerkennen wollen, daß der einzige Eigentümer des Vermögens der Aktiengesellschaft mittelbar der Aktionär, der Gesellschafter ist.

    (Abg. Kurlbaum: Mittelbar!)

    — Insofern mittelbar, als eine juristische Person dazwischensteht. Die Anteilsrechte repräsentieren das Eigentum. Ein anderer Eigentümer ist nicht da. Infolgedessen, Herr Kollege Harm, kann sich nichts verändern, auch nicht in der Vermögenslage und im Eigentum des Betreffenden; denn auf der Passivseite der Bilanz der juristischen Person wird nur der eine Posten in den anderen umgebucht, die Rechtsnatur wird verändert, aber in dem Vermögen, in dem Einkommen und dem Ertrag des Aktionärs und des Gesellschafters ändert sich überhaupt nichts. An die Stelle einer Aktie treten in Zukunft zwei, drei, vier Aktien. Aber die vier repräsentieren, rechtlich und wirtschaftlich gesehen, genau dasselbe wie die eine Aktie.
    Diesen wirtschaftlichen Vorgang löst man durch eine komplizierte juristisch-zivilistische Denkweise auf, aber nicht — das ist das Entscheidende —, um einen Realisationsvorgang steuerlich zu belasten, sondern nur um der Möglichkeit vorzubauen, daß künftige Realisationen nicht steuerpflichtig werden. Dies stellt eine Art fiktive Vorbeugung dar; denn, Herr Kollege Harm, wie realisiert sich bei dem Eigentümer — Aktionär oder Gesellschafter — nun tatsächlich der Mehrwert der Aktie, der Beteriligung? Er realisiert sich entweder durch eine Kapitalherabsetzung oder durch die Veräußerung der Beteiligung oder durch eine Form des Rückkaufs durch die Gesellschaft in Gestalt eigener Anteile. Das letzte ist ein ganz klarer Umgehungsfall, ein Fall verdeckter Gewinnausschüttung. Der Bundesfinanzhof hat in einer Reihe von Entscheidungen gesagt, daß das nach § 6 des Steueranpassungsgesetzes selbstverständlich ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten ist; ungeachtet des Mißbrauchs muß die Besteuerung Platz greifen. Im Gegensatz zu diesem letzten Fall, der im Grunde genommen der einzige Fall der Umgehung des Gesetzes ist, sind die beiden anderen Fälle, nämlich der Fall der Veräußerung der Beteiligung und der Fall der Herabsetzung des Kapitals, echte Fälle der Realisierung.
    Herr Kollege Harm, Sie haben gesagt, das Gesetz gehe so weit, sogar diese Veräußerungsvorgänge von der Einkommensteuer und von der Ertragsteuer — sogar die Vermögensteuer haben Sie erwähnt — zu befreien. Herr Kollege Harm, ich darf Sie bitten, den Text noch einmal nachzulesen.

    (Abg. Dr. Harm: Begünstigt sie!)

    — Nein, beides ist nicht richtig, Herr Kollege Harm.
    Es wird hier nur — nur! — der Erwerb der neuen

    Dr. Schmidt (Wuppertal)

    Anteilsrechte sowohl von den Steuern vom Einkommen und Ertrag wie von der Gesellschaftsteuer befreit. Die Veräußerung, da, wo nämlich die echte Realisation erfolgt — die Realisation der stillen Werte, die darin liegen —, wird durch den Gesetzentwurf nicht betroffen. Die hier entstehenden Fragen werden gerade durch den § 3, der sich mit den Anschaffungskosten befaßt, vorbereitend gelöst, so daß dann die §§ 17 und 21 des Einkommensteuergesetzes und der § 53 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung angewendet werden können; denn — und da liegt das eigentliche Problem — wir haben für den Fall der Veräußerung ganz verschiedene Regelungen. Im Falle der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung ist die Regelung eine andere als in dem Fall, in dem das Schachtelprivileg, z. B. für Körperschaften, Anwendung findet. Wieder anders ist die Regelung für den Kleinaktionär, der unter einer Beteiligung von 25 % in einer Gesellschaft bleibt. Er wird bei der Veräußerung nur erfaßt, wenn er unter die Spekulationsgewinnsteuer fällt, wenn er also innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Frist einen Snekulationsgewinn macht, der über einen bestimmten Betrag hinausgeht. Das sind die Möglichkeiten, die jeweils für den Kleinaktionär, für den Wesentlich-Beteiligten und für die Körperschaften — soweit sie das Schachtelprivileg in Anspruch nehmen können — verschieden liegen. Dieser verschiedenen Rechtslage trägt der § 3 Rechnung, der sich mit den Anschaffungskosten befaßt.
    Herr Kollege Harm, bei der ganzen Frage des Steuergeschenks kann man folgendes nicht übersehen. Ich habe soeben versucht, klarzumachen, daß nichts zugeflossen ist. Darüber hinaus habe ich zweimal durch Zwischenrufe zu erkennen gegeben, daß es sich um versteuerte Rücklagen handelt. Sie sind nämlich belastet, zum Teil noch mit dem alten Körperschaftsteuersatz von 60 %, zum Teil mit dem Satz von 45 %, zum Teil mit dem Satz von 51 %. Wenn Sie, Herr Kollege Harm, bei der Dauerregelung, die dieses Gesetz vorsieht, die Situation einmal alternativ betrachten, so stehen die Gesellschaften in Zukunft tatsächlich vor folgenden Möglichkeiten. Sie können den Gewinn ausschütten; dann zahlen sie 15% Körperschaftsteuer. Dann kommt es aber ganz darauf an, wie der Einkommensteuerpflichtige nach dem Tarif belastet ist. Er zahlt unter Umständen gar nichts, wenn er ein kleiner Mann ist. Er muß schon ein erhebliches Einkommen haben, wenn er 20, 30, 40 % Einkommensteuer zahlen soll, die dann zu den 15 % hinzukommen. Im Einzelfalle, z. B. bei einer GmbH, wo drei, vier oder fünf Gesellschafter sind, kann es sehr wohl interessant sein, zu überlegen, ob man den Weg der Barausschüttung des Gewinns zur Kapitalerhöhung wählt, oder ob es sinnvoll ist, den Gewinn zurückzustellen, ihn mit 51 % Körperschaftsteuer belasten zu lassen, um dann im Wege der Verwendung von Gesellschaftsmitteln das Kapital zu erhöhen und dann diese Zusatzanteile auszuschütten. Diese Alternative besteht in Zukunft, und wir werden sicherlich im Ausschuß noch die Frage zu erörtern haben, Herr Kollege Harm, ob das alles harmonisch in das Gesetz hineinpaßt, insbesondere
    auch die Frage, ob das Problem der Anschaffungskosten richtig geregelt ist und da nicht möglicherweise Ungerechtigkeiten entstehen können.
    Wenn nach einer früheren falschen Theorie eine Einkommensteuerpflicht statuiert wurde, die dem Fiskus überhaupt nichts eingebracht hat, weil sie prohibitiv wirkte, so ermöglicht dieser Entwurf, einen Weg einzuschlagen, der den Kapitalmarkt auflockert, weiter in Bewegung bringt und die Aktie billiger macht, da sie den kleineren Nennwerten angepaßt ist und so auch vom kleinen Mann erworben werden kann. Das ist die ausgesprochene Absicht des Entwurfs.
    Das alles, meine verehrten Damen und Herren, stellt die Chance dar, die dieser Entwurf uns gibt. Wir sollten mutig ja dazu sagen und uns nicht etwa durch falsche Überlegungen — ich erinnere an die vom Bundesrat gewünschte Befristung — wieder in eine alte falsche, formalistische und fiktive Denkweise zurücklocken lassen. Es ist ein Glück, daß sich in diesem Entwurf endlich die wirtschaftliche Betrachtungsweise durchgesetzt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und rechts.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Georg Kurlbaum


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mich meiner eigentlichen Aufgabe zuwende — nämlich der Kritik des Teils des Gesetzes, der sich mit der Gewinn- und Verlustrechnung beschäftigt —, möchte ich einiges dazu sagen, was hier von den Kollegen Dr. Atzenroth und zuletzt von Dr. Schmidt ausgeführt worden ist.
    Zunächst haben Sie, Herr Dr. Atzenroth, mit einem gewissen Recht gesagt, der Aktionär — und ich möchte es näher umschreiben, insbesondere der Kleinaktionär; ich glaube, es ist im Augenblick eigentlich überhaupt nur dringend, sich für ihn einzusetzen — soll das bekommen, was ihm gebührt. Gar kein Zweifel! Aber ich möchte Sie doch einmal fragen, Herr Dr. Atzenroth: Läßt sich das Problem nicht ganz einfach dadurch lösen, daß die Gesellschaften eben eine angemessene Dividende beschließen? Und können Sie es uns übelnehmen, wenn wir vermuten, daß der letzte Sinn dieser ganzen Gratisaktienangelegenheit darin liegt, es nicht zu so hohen Dividendensätzen kommen zu lassen, vor deren optischen Wirkungen man sich fürchten zu müssen glaubt? Das scheint mir doch die Kardinalfrage zu sein. Das Ziel, daß der Aktionär das bekommt, was ihm zusteht, können Sie jederzeit erreichen, indem Sie eine angemessene Dividende festsetzen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Atzenroth.)

    Zweitens haben Sie davon gesprochen, daß der Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren schon im Wege der „freiwilligen Sozialleistungen" alles das bekommen habe, was ihm zustehe. — Herr Dr. Atzenroth, haben Sie noch nie etwas von der Selbstfinanzierung über den Preis gehört, zu der sich sogar der Bundeswirtschaftsminister kürzlich sehr

    Kurlbaum
    kritisch geäußert hat? Haben Sie gar nichts davon gehört? Wissen Sie nicht auch, daß letzten Endes in den sogenannten freiwilligen Sozialleistungen Bestandteile enthalten sind, die durch langjährige Gewährung längst zu einer verbindlichen Verpflichtung geworden sind? Diese Bestandteile haben mit Freiwilligkeit nach dieser langjährigen Gewährung überhaupt nichts mehr zu tun, so daß die Kategorie der sogenannten freiwilligen Sozialleistungen, wie sie jetzt gewährt werden, auf die Richtigkeit ihres Bezeichnung überprüft werden sollte.
    Nun einige Anmerkungen zu den Ausführungen von Herrn Dr. Schmidt! Herr Dr. Schmidt, es geht hier im Bundestag nicht um juristische Doktrinen. Ich habe in den neun Jahren, die ich nun Mitglied dieses Hauses bin, meine Hauptaufgabe niemals darin gesehen, juristische Doktrinen und die Richtigkeit von Gerichtsentscheidungen zu erörtern. Es geht hier um sehr massive politische Machtfragen. Es geht um Geld, Herr Dr. Schmidt. Es geht darum, ob das Geld des Steuerzahlers zugunsten einer kleinen Minderheit ausgegeben werden soll. Darum geht es bei der ganzen Frage, und nicht um eine juristische Doktrin.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Wo wird in dieser Vorlage Geld des Steuerzahlers ausgegeben?)

    — Das wird Geld kosten. Ich werde gleich eine Frage an den Herrn Bundesfinanzminister richten, auf die ich heute gern eine Antwort von ihm hätte. Wie kann er es verantworten, daß vor ein paar Monaten hier gegen unseren Widerstand die weitere Spaltung des Körperschaftsteuersatzes beschlossen und damit ein Geschenk an die Dividendenbezieher gegeben worden ist, das uns Hunderte von Millionen kosten wird und ausdrücklich zum Ziel hat, die Barausschüttungen zu vermehren? Und da will man, daß der Bundestag ein Gesetz beschließt, das das Gegenteil von Barausschüttungen fördert und einen Verzicht auf Steuern enthält! Was will man denn nun eigentlich? Will man alles fördern, was der Aktionär bekommt? Das möchten wir gern einmal hören.
    Nun komme ich zu dem anderen Problem, das in dem Gesetzentwurf behandelt ist, nämlich der künftigen Gestaltung der Gewinn- und Verlustrechnung. Dazu ist von unserer Seite noch nichts gesagt worden. Es ist sehr erfreulich, daß in den letzten Jahren die Diskussion über die Bedeutung der Publizität in den Zeitungen und auch sonst einen immer größeren Raum eingenommen hat.
    Ich habe dazu gelegentlich der Diskussion über den Haushalt des Bundeswirtschaftsministers am 3. Juli in diesem Hause schon einiges ausgeführt. Ich habe gesagt:
    Nach Ansicht der Sozialdemokratie geht es bei der Publizität um zwei grundlegende Dinge. Das eine ist: Wie wird die Offentlichkeit über den Umfang und die Reichweite der wirtschaftlichen Macht unterrichtet, die gewisse Unternehmen in der Wirtschaft ausüben? Und das zweite ist: Wie erhält die Öffentlichkeit eine
    Vorstellung von der Größe der Gewinne, die aus solcher wirtschaftlichen Macht gezogen werden?
    Meine Damen und Herren, das ist das Problem, um das es bei der Frage der Publizität unserer Ansicht nach geht. Ich bin sehr erstaunt darüber, daß in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht ein einziges Wort über diese ganze Problematik steht und daß auch der Bundesfinanzminister, den bestimmt auch wirtschaftspolitische Probleme beschäftigen, nicht darauf eingegangen ist. Das einzige Wort, das sich in der Regierungsbegründung findet, lautet: „Förderung des Kapitalmarkts". Nicht einmal das Wort „Kleinaktionär" kommt in der Begründung vor.
    Ich möchte hier ausdrücklich feststellen: Wir Sozialdemokraten sind sehr wohl dafür, daß der Kleinaktionär endlich einmal ausreichende Information über den Vermögenswert, den er in Gestalt seiner Aktie besitzt, und über die Ertragskraft des Unternehmens erhält. Das halten wir allerdings auch für ein schutzwürdiges Interesse. Aber ich bin durchaus nicht der Meinung, Herr Dr. Wilhelmi, daß das ein Gebiet ist, auf dem sich ausschließlich Spezialisten zu betätigen haben. Hier handelt es sich um ein hochpolitisches Problem.
    Wenn man für die Zukunft zu einer wirklich vernünftigen Lösung des Problems der Macht und ihrer Kontrolle in der Demokratie kommen will, dann bleibt gar nichts anderes übrig, als erst einmal die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten. Ich möchte Ihnen hier ganz deutlich sagen: Es genügt nicht, wenn die Öffentlichkeit mit diesem Problem in Schlagwortform bekanntgemacht wird. Das liegt uns auch ganz fern. Uns liegt im Gegenteil daran, daß die Öffentlichkeit über das Problem der Macht in der Wirtschaft endlich konkret mit zahlenmäßigen Vorstellungen informiert wird. Erst dann können wir überhaupt damit rechnen, daß sie sich mit Erfolg mit den Fragen beschäftigt. Darum ist eine Konkretisierung der Angaben dringend geboten.
    Wir bestreiten gar nicht, daß sich einzelne Gesellschaften Mühe gegeben haben, Fortschritte in der Publizität zu erreichen. Wir können uns aber nicht damit abfinden, daß die Offentlichkeit sozusagen auf den guten Willen der einzelnen Unternehmungen angewiesen ist. Zweifellos besteht bei einzelnen Unternehmen auch ein sehr reales Interesse, die Öffentlichkeit genauer zu unterrichten, weil sie von der Möglichkeit Gebrauch machen wollen, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Wir wissen aber genau, daß es sehr viele große und wichtige Unternehmungen gibt, die darauf gar keinen Wert legen; sie verdienen so viel, daß sie es gar nicht nötig haben, an den Kapitalmarkt her anzutreten. Und sollen wir es dem Zufall, ob ein solches Bedürfnis der Finanzierung über den Kapitalmarkt vorliegt, überlassen, ob die Öffentlichkeit unterrichtet wird?
    Meine Damen und Herren! Teilweise sehr lautlos vollzieht sich eine gewaltige Machtzusammenballung in der Wirtschaft. Mit Recht wird darüber in der letzten Zeit immer deutlicher gesprochen,

    Kurlbaum
    und wir Sozialdemokraten haben es uns als Aufgabe gestellt, darauf besonders deutlich hinzuweisen. Wir wissen dabei genau, daß ein Teil dieser Konzentration auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist, insoweit sie etwa durch die Technik begründet ist, insoweit sie durch die Erfordernisse einer ausgedehnten Forschung bedingt ist. Wir wissen aber auch sehr genau, daß ein Teil dieser Konzentration, dieser Machtzusammenballung in erster Linie eine Frage der Marktstrategie ist,

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger)

    eine Form und ein Weg, um den Markt so manipulieren zu können, wie man will, oder — um es noch deutlicher zu sagen — den Wettbewerb soweit wie möglich auszuschalten. Da allerdings ist der Punkt, wo die Öffentlichkeit ein großes und berechtigtes Interesse daran hat, ausreichend unterrichtet zu sein.
    Ich brauche Ihnen nur einige Beispiele zu nennen: 70 % der in der Bundesrepublik verbrauchten Margarine wird von einem Konzern hergestellt; die restlichen Hersteller sind mehr oder weniger von seiner Gnade abhängig. 60 % der Zigaretten werden von einem Konzern hergestellt. 90 % des Waschpulvers — das möchte ich den Hausfrauen sagen — werden von zwei Firmen hergestellt. Ich könnte die Zahl der Beispiele beliebig vermehren. In der Automobilindustrie haben wir bei dem besonders interessanten Objekt des Kleinautos vier große Firmen. Der Ölmarkt wird von fünf großen Firmen beherrscht.
    Das alles hat sich noch relativ sichtbar abgespielt. Es gibt aber eine ganze Reihe Vorgänge, die durchaus nicht so sichtbar sind. Einer der interessantesten relativ unsichtbaren Vorgänge ist z. B. die Entwicklung der Firma Oetker zu einem, man kann ruhig sagen, Nährmittelkonzern allergrößten Umfangs.

    (Zuruf von der FDP: Sie haben den „Spiegel"-Aufsatz gelesen!)

    — Nein, meine Damen und Herren, ich bin ausdrücklich für eine Versachlichung. Dazu gehört aber Publizität. Wenn Sie die Publizität nicht zugestehen, wenn Sie nicht zugestehen, daß die Offentlichkeit sachlich unterrichtet wird, dann zwingen Sie uns, zunächst einmal in allgemeiner Form darüber zu sprechen. Je schneller Sie einer besseren Publizität zustimmen, desto konkreter werden wir hier miteinander diskutieren können. Bitte unterstützen Sie unser Bemühen!

    (Sehr wahr! und Beifall bei der SPD.)

    Lassen Sie mich noch eine Bemerkung dazu machen. Was den Oetker-Konzern besonders interessant gemacht hat, ist ja z. B. auch die Tatsache, in wie wenigen Jahren es ihm gelungen ist, dank seiner enormen Gewinne aus dem Verkauf von Nährmitteln und natürlich, meine Damen und Herren von der Koalition, dank der großzügigen steuerlichen Abschreibungsvergünstigungen, die Sie beschlossen haben, sich sozusagen im Handumdrehen eine ganze Flotte anzuschaffen. Das ist ein Vorgang, der der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu geben durchaus interessant wäre.
    Wenn man sich diese ganze Problematik ansieht -- sie ist wirklich eine große Problematik, auch wenn sie Ihnen vielleicht klein vorkommt; mir kommt sie sehr groß vor —, dann kann man nur folgendes sagen: Die Bundesregierung hat hier, was die Publizität betrifft, wirklich ein Mäuschen geboren!

    (Widerspruch bei der CDU/CSU.)

    — Ja, meine Herren, es ist wirklich ein Mäuschen, was hier geboren worden ist.
    Es kann sich jetzt nicht darum handeln, auf Einzelheiten einzugehen. Aber lassen Sie mich doch einiges Grundsätzliche dazu sagen.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Was sie hätte gebären müssen, das müßten wir jetzt eigentlich hören!)

    — Darauf will ich jetzt gerade eingehen. Ich weiß und ich erkenne es an, daß das Bundesjustizministerium zweifellos keine ganz leichte Stellung gegenüber gewissen Gruppen der Wirtschaft gehabt hat. Ich erkenne an, daß die Einführung des Bruttoumsatzes einen gewissen Fortschritt darstellt. Ich habe aber schon am 3. Juli darauf hingewiesen, daß das in dieser primitiven Form eine sehr problematische Angelegenheit ist. Denn das bedeutet doch, daß die Großfirma mit einer Vielfalt von Erzeugnissen genauso wie die kleine Spezialfirma nur eine einzige Ziffer zu nennen braucht, nämlich ihren Gesamtumsatz. Aus der Summe des Gesamtumsatzes kann man doch gerade bei den interessanten Objekten, nämlich bei den Großfirmen, soweit sie nicht ein ganz einheitliches Fabrikationsprogramm haben, noch gar nichts entnehmen. Aber bei den kleineren Unternehmen kann man etwas Interessantes daraus ersehen.
    Weiter gewinnen wir ein wirkliches Bild eigentlich nur dann, wenn wir den Ertrag in ein Verhältnis zum Umsatz setzen können. Sehen Sie sich einmal an, wie es nun mit der Offenlegung der Erträge steht, dank. dieser Novelle! Tut man es, muß man zu dem Ergebnis kommen, daß sehr kleine, wirklich nur sehr kleine Fortschritte gemacht worden sind. Das ganze Problem der stillen Reserven, die Frage. wieweit die Abschreibungen über das betriebswirtschaftlich Notwendige hinausgehen, ist überhaupt nicht angepackt worden. Sie kennen doch alle den meilenweiten Abstand zwischen Steuerbilanzen und Handelsbilanzen. In den Steuerbilanzen sind immer noch die steuerlichen Sonderabschreibungen drin. Trotzdem aber ist da immer ein ganz gewaltiger Unterschied. Auch bei diesem Problem ist nicht einmal angedeutet worden, wie es gelöst werden kann.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat in der Begründung gesagt, daß auch die Gratisaktie ein Mittel sei, durch das sich der Kleinaktionär ein plastischeres Bild von der Vermögensstruktur machen könne. Sehr richtig! Wenn man die Dinge allerdings nur so sieht, dann speist man den kleinen Aktionär auf sehr billige Weise ab. Er bekommt doch nur dann einen gewissen Einblick, eine nur sehr näherungsweise Vorstellung von den wirklichen Kapitalverhältnissen, wenn die Gesellschaft sich tatsächlich für die Ausgabe von Gratisaktien entschieden hat. Wollen Sie denn dem Kleinaktionär diese zusätz-



    Kurlbaum
    liche Information nur geben bei den Firmen, die Gratisaktien ausgeben?
    Also ich glaube, der richtige Weg, um dem Kleinaktionär zu seinem Recht zu verhelfen, ist endlich eine angemessene und ausreichende Publizität. Dann braucht man diese Kunststücke über Gratisaktien wegen der dadurch eventuell vermittelten zusätzlichen Information nicht zu machen.
    Lassen Sie mich noch etwas sagen, was vielleicht manchem nur als eine Formsache erscheint. In dem Gesetzentwurf ist mit dem einsamen § 22 ein Schema vorgesehen, und am Ende der Aufwandsseite steht der Reingewinn. Vor dem Reingewinn werden alle Absetzungen in die Rücklagen vorgenommen, die also ins Vermögen gehen usw. Ist denn den Verfassern dieses Gesetzentwurfs überhaupt niemals nur der Gedanke gekommen, daß die Bezeichnung dessen, was hier im allgemeinen der kümmerliche Rest eines tatsächlich vorhandenen Gewinns ist, als Reingewinn geradezu, eine Irreführung der Öffentlichkeit darstellt, und sollte man nicht endlich mit diesem entsetzlichen Brauch aufhören, das als Reingewinn zu bezeichnen? In anderen Ländern, die eine sehr viel ehrlichere Publizität haben,

    (Abg. Dr. Atzenroth: Wo?)

    bezeichnet man etwas ganz anderes als Reingewinn und sagt nachher ehrlich, welchen Teil des Reingewinns man im Unternehmen läßt und welchen man ausschüttet. Das wäre eine Terminologie, die sehr viel besser geeignet wäre, die Öffentlichkeit und insbesondere die Menschen, denen es nicht leichtfällt, sich in diesen Dingen zurechtzufinden, zu unterrichten.

    (Abg. Dr. Atzenroth: In welchen anderen Ländern gibt es diese Publizität?)

    — Ja, lesen Sie mal eine amerikanische Bilanz; dann werden Sie interessante Dinge feststellen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Die brauchen das nur der Börse vorzulegen und nichts zu veröffentlichen!)

    — Ich behaupte nicht, daß alles in Amerika vollkommen ist. Ich behaupte nur, daß die Bilanzen, die für die Aktiengesellschaften in den USA, deren Aktien an der Börse gehandelt werden, vorgelegt werden, unendlich mehr sagen als die des Gros unserer Aktiengesellschaften.
    Ich komme zu einem weiteren Problem, Die SPD kann sich selbstverständlich niemals damit abfinden, daß die Publizitätsvorschriften auf eine Rechtsform begrenzt werden sollen. Wohin kommen wir, wenn auch in Zukunft jeder der Publizitätspflicht gegenüber der Öffentlichkeit dadurch ausweichen kann, daß er in eine andere Rechtsform ausweicht? Damit kann unserem Bedürfnis und meiner Ansicht nach den Bedürfnissen einer einwandfreien Demokratie in keiner Weise Rechnung getragen werden. Wie wir nachher die Publizitätspflicht bei den kleinen und mittleren Unternehmen nach unten abgrenzen, darüber können wir uns gern im Ausschuß unterhalten. Diese Frage steht ja auch bei den Aktiengesellschaften an.
    Wir sehen ferner in der ganzen Frage der Publizität einen entscheidenden Gesichtspunkt in folgendem: In je größerem Umfang ein Wirtschaftszweig es fertiggebracht hat, den Wettbewerb bei sich auszuschalten, um so eifriger sollten wir danach spüren, gerade in diesen Bereichen für eine ausreichende Publizität zu sorgen. Ich darf in diesem Zusammenhang auch noch auf die Schwierigkeiten beim Bundeskartellamt hinweisen. Wir haben das vorausgesagt, und die ersten Erfahrungen haben es sofort bestätigt. Das Bundeskartellamt ist auf Grund dessen, was an Publizität geliefert wird, zur Zeit nicht in der Lage, von den Paragraphen betreffend marktbeherrschende Unternehmen und Gruppen überhaupt nennenswerten Gebrauch zu machen. Es ist ganz klar, daß wir zu einer Wirksamkeit des Kartellamts nur dann kommen können, wenn wir unsere Publizitätsvorschriften wesentlich verschärfen.
    Ich möchte noch auf einen weiteren Zusammenhang hinweisen. Wenn wir das nicht tun, wenn wir das Bundeskartellamt nicht kurzfristig in den Stand setzen, gegenüber den marktbeherrschenden Unternehmen und Gruppen seine Aufgaben zu erfüllen, dann wird das Kartellgesetz nur eine Wirkung haben: nämlich den kleinen und mittleren Unternehmen Schwierigkeiten zu machen und die großen völlig ungeschoren zu lassen. Ich glaube, daß will zumindest ein großer Teil des Hauses nicht.
    Schließlich ein letzter Punkt. Mit Recht ist in den letzten Jahren schon die Frage der Konzernabschlüsse in der Offentlichkeit diskutiert worden. Nichts davon finden Sie in dem Gesetzentwurf, obwohl es sogar schon Gesellschaften gibt, die das selber anbieten, und obwohl es vor allen Dingen einen § 134 des Aktiengesetzes gibt, der die Regierung ausdrücklich ermächtigt, auf diesem Gebiet etwas zu tun. Frage: Warum hat man sich, obwohl dieses Problem in der Öffentlichkeit so viel diskutiert worden ist, bis heute nicht dazu entschließen können, etwas für die weitere Verbreitung von Konzernabschlüssen zu tun?
    Wir haben es heute in der ersten Lesung zweifellos nur mit den grundsätzlichen Fragen zu tun. Ich bedaure sehr, daß der Bundeswirtschaftsminister nicht hier ist. Ich weiß, daß er sich auf seiner „Raketenreise" durch acht Länder in 25 Tagen befindet. Wir werden aber hoffentlich auch mit ihm diese Probleme sehr ausgiebig im Ausschuß und dann in der zweiten und dritten Lesung diskutieren.
    Die SPD nimmt — das haben wir schon mehrmals gesagt — das Problem der Kontrolle der wirtschaftlichen Macht außerordentlich ernst. Wir nehmen es auch sehr ernst damit, die Öffentlichkeit in den Stand zu setzen, daran mitzuwirken. Wir sind nicht der Meinung, daß zuerst der Weg gegangen werden sollte, diese Aufgabe durch gesetzliche oder behördliche Reglementierung zu lösen. Wir sind gern bereit, der Öffentlichkeit die Chance zu geben, sich bei dieser Aufgabe weitgehend einzuschalten und wirksam zu werden. Ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren von der Koalition, daß die Frage, wie Sie und wie wir uns in Zukunft zu dem Problem der Kontrolle bisher unkontrollierter wirtschaft-

    Kurlbaum
    licher Macht auch durch die Offentlichkeit stellen werden, wahrscheinlich einer der entscheidendsten Punkte in unseren zukünftigen Auseinandersetzungen sein wird. Wir haben uns nicht nur über die Frage der Marktwirtschaft, ihrer Wirksamkeit und Nützlichkeit auf diesem oder jenem Gebiet in der Sache weitgehend geeinigt, wir sind uns auch einig über die Frage der Stabilisierung der Kaufkraft. Aber die Kontrolle bisher unkontrollierter wirtschaftlicher Macht scheint mir eine Frage zu sein, über die wir uns sehr deutlich auseinanderzusetzen haben werden. Wir werden Ihre Haltung, meine Damen und Herren von der Koalition, zu dieser Frage als Prüfstein dafür betrachten, ob Sie es ernst meinen mit der Demokratie in der Bundesrepublik.

    (Beifall bei der SPD.)