Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, daß die parlamentarischen Mühlen so langsam arbeiten. Seit Jahren verkünden wir gemeinsam, daß wir eine Änderung des Aktienrechts für dringend notwendig halten, daß wir die allzu starke Konzentration in der Wirtschaft abbremsen wollen, daß wir die Eigentumsbildung auf breitester Basis fördern und vor allem, daß wir auch die Rechte des Aktionärs wieder stärken wollen. Die große Aktienrechtsreform ist angekündigt; aber wir werden wahrscheinlich noch lange darauf warten müssen.
Deswegen begrüßen wir es ganz besonders, daß nun endlich wenigstens ein Anfang gemacht wird mit dieser kleinen Reform, die in einem ihrer Teile zumindest eine logische Fortentwicklung dessen ist, was wir bei den letzten Steuerberatungen beschlossen haben. Wir sind damals, in der Mehrheit dieses Hauses, zu der Überzeugung gekommen, daß die Ansammlung von Kapitalien bei den Aktiengesellschaften ungesund ist, daß wir Rechte des Aktionärs, des eigentlichen Besitzers des Unternehmens, wieder in stärkerem Maße berücksichtigen müssen und daß deswegen die Doppelbesteuerung,
die bis dahin die Ausschüttung von Gewinnen so stark gebremst hat, gemindert werden muß. Das ist notwendig, um den Aktionär wieder in den echten Besitz dessen zu bringen, was ihm gebührt. Deshalb stimmen wir dem Herrn Bundesfinanzminister zu, der hier vorgetragen hat, daß die Auffassung des Bundesfinanzhofs in der Frage der sogenannten Gratisaktien — nach unserer Meinung ist diese Bezeichnung falsch — nicht geteilt werden kann und daß der Gesetzgeber in dieser Beziehung endlich Klarheit schaffen muß. Es muß klargestellt werden, daß die Rechtsauffassung, die der Bundesfinanzhof in letzter Zeit wiederholt ausgesprochen hat, von dem Gesetzgeber, der das Recht zu schaffen hat, nicht geteilt wird. Wir sind nicht Ihrer Meinung, Herr Dr. Harm, daß es sich hier um ein Geschenk und damit um einen steuerpflichtigen Vorgang handelt. Die Ausgabe von zusätzlichen Aktien durch Auflösung von Rück lagen — nicht von Rückstellungen, von denen Sie immer gesprochen haben; denn Rückstellungen sind etwas ganz anderes, Rückstellungen sind Bereitstellung von Mitteln für einen bestimmten Zweck, die natürlich nicht aufgelöst werden können und auch nicht aufgelöst werden sollen; davon spricht das Gesetz in keiner seiner Formulierungen — kann nach unserer Meinung keinen steuerpflichtigen Vorgang darstellen. Dem Aktionär, dem Besitzer des Unternehmens, wird doch nur das gegeben, was er bisher noch nicht aus dem Unternehmen herausgezogen hat, was er, häufig nicht sehr freiwillig, durch Konsumverzicht im Unternehmen belassen hat. An und für sich hat ihm alles, was in die Form von Rücklagen gekleidet worden ist, gehört. Das Normale wäre, daß nach Abzug aller notwendigen Abschreibungen und Rückstellungen der volle Reingewinn für ihn ausgeschüttet wird. Das ist in den vergangenen Jahren versäumt worden. Die Meinung, daß dieses erdiente Geld eine Art „Sozialkapital" darstellt — Sie haben das Wort hier nicht ausgesprochen, aber Ihre Ausführungen standen in Parallele zu dem, was Herr Brenner immer wieder fordert —, können wir nicht teilen. Wenn Sie sich einmal die Bilanzen der Aktiengesellschaften ansehen, werden Sie feststellen, daß in den allermeisten Fällen die Rückstellungen und die Ausgaben für freiwillige soziale Leistungen höher waren als die Dividende. Der Teil, dem Sie dieses sogenannte Sozialkapital zusprechen, hat also seinen Anteil erhalten, und er hat ihn in höherem Maße erhalten als der eigentliche Besitzer des Unternehmens. Ich kann Ihnen Dutzende von Bilanzen der letzten Jahre vorlegen, in denen die freiwilligen sozialen Aufwendungen wesentlich höher sind als die ausgeschüttete Dividende. Sie können also nicht behaupten, daß das in Rücklagen angesammelte Vermögen einem anderen Kreis als dem der Aktionäre gehört. Wenn nun der Weg der Freiwilligkeit gewählt und kein Unternehmen dazu gezwungen wird, diese Rücklagen in die Form von echtem haftendem Kapital umzuwandeln, so ist die Forderung berechtigt, und es besteht geradezu die Notwendigkeit, dafür die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen.
Dr. Atzenroth
— Ja, steuerfrei, denn diese Beträge sind alle einmal versteuert worden, nämlich bei der Einkommensermittlung des Unternehmens, als das Unternehmen seine Einkommensteuererklärung hat abgeben müssen und diese Beträge als Gewinne ausgewiesen werden mußten, als die sie ja in voller Höhe der Körperschaftsteuer unterlagen. Infolgedessen ist es nicht mehr als recht und billig, sie jetzt demjenigen, dem sie gehören, steuerfrei zu belassen.
Es ist hier mehrfach, ich glaube auch von dem Herrn Bundesfinanzminister, von der Unterkapitalisierung gesprochen worden. Eine Unterkapitalisierung liegt natürlich nicht vor, wenn in überhöhtem Maße Rücklagen gebildet worden sind, denn die Kapitalisierung des Unternehmens war durchaus in Ordnung. Es handelt sich hier doch nur um die Umwandlung des in der Form der Rücklagen gebildeten Vermögens in Gesellschaftskapital.