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ID0304401000

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    Vokabeln: 8
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 44. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1958 Inhalt: Nachruf auf S. H. Papst Pius XII. Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 2475 A Grußworte an den wiedergenesenen Abg. Schoettle . . . . . . . . . . 2477 D Zur Tagesordnung Dr. Schellenberg (SPD) . . . . . 2475 D Horn (CDU/CSU) . . . . . . . 2476 C Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 2477 B Entwurf eines Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung (Drucksache 416) — Erste Beratung —, Entwurf eines Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln (Drucksache 417) — Erste Beratung — Etzel, Bundesminister . . . . . . 2478 B Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) . . . . 2480 B Dr. Harm (SPD) . . . . . . . . 2481 D Dr. Atzenroth (FDP) . . . . . . 2486 B Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 2487 D Kurlbaum (SPD) . . . . . . . . 2489 C Dr. Hellwig (CDU/CSU) . . 2493 A, 2505 D Dr. Starke (FDP) . . . . 2496 D, 2504 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . . 2498 A Entwurf eines Gesetzes über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank (Drucksache 533) — Erste Beratung — . . . . . . 2506 D Entwurf eines Gesetzes über die Bildung von Rückstellungen in der Umstellungsrechnung der Geldinstitute, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen und in der Altbankenrechnung der Berliner Altbanken (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 514) — Erste Beratung — 2506 D Entwurf eines Gesetzes über „unveränderte Rohmilch" (FDP) (Drucksache 421) — Erste Beratung — Köhler (FDP) 2507 A Bauknecht (CDU/CSU) 2507 D Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (Drucksache 525) — Erste Beratung — Dr. Strauß, Staatssekretär . . . . 2508 A Dr. Dehler (FDP) . . . . . . . . 2509 A Lange (Essen) (SPD) . . . . . . 2510 B Dr. Winter (CDU/CSU) . . . . . 2510 D Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) (Drucksache 530) — Erste Beratung — 2511 B Erklärungen nach § 36 GO Dr. Schellenberg (SPD) . . . . . 2511 C Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . . 2512 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2512 C Anlage 2513 A 44. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Altmaier* 19. 10. Bauer (Wasserburg) 15. 10. Bauer (Würzburg)* 19. 10. Dr. Becker (Hersfeld)* 19. 10. Berkhan 30. 10. Birkelbach* 19. 10. Dr. Birrenbach 15. 10. Fürst von Bismarck 17. 10. Blachstein 18. 10. Conrad 15. 10. Demmelmeier 15. 10. Diel (Horressen) 15. 10. Frau Döhring (Stuttgart) 18. 10. Dowidat 18. 10. Eilers (Oldenburg) 15. 10. Engelbrecht-Greve 4. 11. Etzenbach 15. 10. Even (Köln)* 19. 10. Frehsee 5. 11. Dr. Furler* 19. 10. Gerns* 19. 10. Frau Geisendörfer 18. 10. Goldhagen 15. 10. Dr. Gossel 15. 10. Dr. Gülich 18. 10. Günther 15. 10. Hansing 15. 10. Heye* 19. 10. Dr. Höck (Salzgitter) 16. 10. Höfler' 19. 10. Frau Dr. Hubert* 19. 10. Hübner 15. 10. Jacobi 15. 10. Jacobs* 19. 10. Jahn (Stuttgart) 17. 10. Keuning 15. 10. Kiesinger* 19. 10. Frau Kipp-Kaule 17. 10. Dr. Kopf* 19. 10. Frau Dr. Kuchtner 17. 10. Kühlthau 15. 10. Kühn (Bonn) 15. 10. Kühn (Köln)* 19. 10. Dr. Leverkuehn* 19. 10. Dr. Löhr 17. 10. Lücker (München)* 19. 10. Maier (Freiburg) 22. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Frau Dr. Maxsein* 19. 10. Meitmann 15. 10. Dr. Mende* 19. 10. Dr. Menzel 16. 10. Metzger* 19. 10. Müller (Worms) 17. 10. Neuburger 17. 10. Nieberg 15. 10. Paul* 19. 10. Dr. Preusker 15. 10. Rasner 28. 10. Frau Dr. Rehling* 19. 10. Scharnberg 15. 10. Dr. Schmid (Frankfurt)* 19. 10. Frau Schmitt (Fulda) 17. 10. Schmitt (Vockenhausen) 15. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 1. 11. Schütz (München)* 19. 10. Dr.-Ing. Seebohm 17. 10. Seidl (Dorfgin)* 19. 10. Dr. Serres* 19. 10. Dr. Stammberger 18. 10. Stauch 15. 10. Stenger 17. 10. Varelmann 15. 10. Wagner 17. 10. Dr. Wahl* 19. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen)* 19. 10. Frau Welter (Aachen) 15. 10. Frau Wessel 15. 10. Dr. Zimmer* 19. 10. b) Urlaubsanträge Graf Adelmann 31. 10. Dr. Baade 30. 10. Dr. Böhm 2. 11. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 24. 10. Giencke 25. 10. Frau Herklotz 23. 10. Jahn (Frankfurt) 31. 12. Lenz (Trossingen) 9. 11. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 11. Niederalt 10. 11. Rehs 22. 10. Reitzner 31. 12. Scheel 4. 11. Spitzmüller 30. 10. Dr. Steinmetz 10. 11. Dr. Stoltenberg 10. 11. Dr. Vogel 10. 11. Dr. Wolff (Denzlingen) 31. 10. für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Wilhelmi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz bringt eine Neuerung auf dem handelsrechtlichen Gebiet, insbesondere auf dem aktienrechtlichen Gebiet, insofern, als es ein bisher in der Rechtslehre und Rechtsprechung umstrittenes Gebilde nunmehr gesetzlich festlegt, nämlich die Kapitalerhöhung aus eigenen Mitteln.
    Schon seit Jahren ist in der Rechtslehre ein Streit darum, ob nicht auch nach dem bisherigen Gesetz eine solche Kapitalerhöhung möglich ist. Sie ist praktisch jedoch an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes gescheitert, der auch noch in einer neueren Entscheidung, im Jahre 1957, das Prinzip der sogenannten Doppelmaßnahme vertreten hat. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt — wieder zurückkommend auf bürgerlich-rechtliche Gesichtspunkte daß zunächst eine Ausschüttung der Rücklagen und Reserven an die Aktionäre erfolgen müsse — als die eine Maßnahme — und daß die zweite Maßnahme die Wiedereinbringung dieser Ausschüttungen in Form einer neuen Einlage sei, für die dann die Aktie gewährt werde. Diese Konstruktion ist mit Recht in der Rechtsprechung fast einhellig abgelehnt worden. Der Bundesfinanzhof hat sich in der letzten, von mir schon zitierten Entscheidung auf den Standpunkt gestellt: Mögen die Dinge handelsrechtlich und gesellschaftsrechtlich liegen, wie sie wollen, jedenfalls steuerrechtlich halten wir an dieser sogenannten Doppelmaßnahmentheorie fest.
    Das ist nun das Neue an der zweiten Vorlage, die die rein steuerliche Frage behandelt. Diese rein steuerliche Streitfrage wird nunmehr vom Gesetzgeber entschieden, und zwar in dem Sinne, daß der Vorgang steuerlich irrelevant sein soll, d. h. daß die Ausgabe von Aktien an die Aktionäre auf Grund Rücklagen, die gemacht und ausgewiesen worden sind, keinerlei Veränderung in der Vermögenssituation der Aktionäre schafft.
    Nun zu der handelsrechtlichen Frage! Das Gesetz packt eine Frage an, die uns in unserem deutschen Aktienrecht schon immer einige Schwierigkeiten gemacht hat. Wir haben im deutschen Aktienrecht den Grundsatz der Nennwertaktie, d. h. jede Aktie hat einen bestimmten Nennwert, 100 oder 1000 DM, der auch auf der Urkunde aufgedruckt ist, und danach wird sie gehandelt. Im Gegensatz hierzu hat beispielsweise das amerikanische Recht die Quotenaktie, d. h. es wird überhaupt kein Nennwert für die Aktie festgesetzt, sondern jeder Aktionär hat eine Quote am Gesamtvermögen. Die Schwierigkeit in unserem deutschen Aktienrecht besteht darin, daß, obwohl wir die Nennwertaktie haben, auf der also ein bestimmter Betrag genannt 'ist, den die Aktie theoretisch repräsentieren soll, diese Aktie trotzdem eine Beteiligung, eine Quote am Gesamtvermögen darstellt. Um über diese theoretische Schwierigkeit hinwegzukommen, gibt dieses Gesetz den ersten Ansatzpunkt. Es gehört deshalb auch mit zu der Aktienrechtsreform, an der wir ja wahrscheinlich noch in dieser Legislaturperiode arbeiten werden.
    Es ist zu begrüßen, daß dieses Gesetz auf handelsrechtlichem Gebiet eine größere Beweglichkeit schafft, eine Beweglichkeit in dem Sinne, daß die Gesellschaften, die, wie der Herr Finanzminister Ihnen vorgetragen hat, weitestgehend unterkapitalisiert sind, nunmehr sogenannte freie Rücklagen, d. h. Rücklagen, die nicht für bestimmte Zwecke festgelegt sind, und Rücklagen, die bereits ver-

    Dr. Wilhelmi
    steuert sind, in haftendes Grundkapital überführen können.
    Das hat die weitere Bedeutung, daß die Gesellschaften einer schärferen Kontrolle unterliegen; denn das gebundene Kapital, das Grundkapital, ist sehr viel schwerer angreifbar, und es fällt viel mehr auf, daß rückläufige Bewegungen in einer Gesellschaft vorliegen, wenn sie ein normales Kapital hat, als wenn sie unterkapitalisiert ist. Hierin sollten wir alle einen großen Vorteil des Gesetzes sehen. Denn die Hauptgefahr bei den Aktiengesellschaften ist stets die, daß durch die Rücklagen und noch stärker durch Rückstellungen und stille Reserven eine Situation geschaffen wird, die es der Verwaltung erlaubt, ungünstige Jahre und Verlustjahre in einer Weise zu überbrücken, daß der Aktionär überhaupt nichts merkt. Infolgedessen muß man auch diese Bestimmung über die Kapitalerhöhung aus eigenen Mitteln durchaus so auffassen, daß dadurch die Gesellschaften festgelegt werden, daß das haftende Kapital verstärkt und für den Aktionär und die gesamte Wirtschaft, nämlich die Gläubiger und alles, was damit zusammenhängt, größere Sicherheit geschaffen wird.
    Man darf dies keineswegs nur unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Aktionär sehen. Hier liegt vielmehr ein eminentes allgemeinwirtschaftliches Interesse vor: Stärkung des Grundkapitals, des haftenden Kapitals, und Verkleinerung des freien Kapitals, der freien Rücklage, mit der die Gesellschaftsleitung jedenfalls sehr viel leichter manipulieren kann als mit dem festgelegten Kapital.
    Es kann auch keine Rede davon sein, daß, wie es im Pressedienst der Sozialdemokratischen Partei heißt, ein Geschenk gemacht werden soll. Den Aktionären wird schon deshalb kein Geschenk gemacht, weil sie im Grunde die Beteiligung am Gesamtvermögen schon haben. Das ist einer der wesentlichen Grundsätze der Aktie im Gegensatz zu einer Obligation. Die Aktionäre behalten genau die Beteiligung, die sie vorher hatten. Ob sie nun eine Aktie, die einen Kurs von 300 hatte, besaßen oder ob sie drei Aktien haben werden, die einen Kurs von 100 aufweisen, beides ergibt die gleiche Beteiligung.
    Ebensowenig wie der Aktionär erhält die Gesellschaft ein Geschenk. Im Gegenteil, eine große Zahl von Gesellschaften werden sich nicht entschließen können — das ist schon durchgesickert —, von diesem Gesetz Gebrauch zu machen, weil ihre Verwaltungen Wert darauf legen, die Manipulationsfreiheit mit den freien Rücklagen zu behalten, und sich daher scheuen, das neue Gesetz anzuwenden. Es wird also weder der Gesellschaft noch den Gesellschaftern ein Geschenk gemacht.
    Was geschieht, ist nur folgendes. Die starke Unterkapitalisierung, die zur Zeit vorhanden ist, wird beseitigt, und zugleich damit tritt eine Ordnung des Kapitalmarkts ein. Insofern ist das Gesetz, wie der Herr Minister der Finanzen soeben ausgeführt hat, auch für die Gesamtkonstruktion, für die Ordnung des Kapitalmarkts im weiteren Sinne wichtig, nämlich in dem Sinne, daß wir wieder Gesellschaften bekommen, bei denen das Grundkapital und die freien Rücklagen in einem vernünftigen und verständigen Verhältnis zueinander stehen.
    Daß dabei auch noch die Möglichkeit besteht, Aktien herauszugeben, die billiger zu erwerben sind und die infolgedessen einen niedrigeren Kurs haben, ist eine Nebenerscheinung, die wohl nicht in erster Linie ins Gewicht fällt.
    Der zweite Teil des Gesetzentwurfs befaßt sich mit den sehr schwierigen Gliederungsvorschrif ten für die Gewinn- und Verlustrechnung. Aber ich will Sie damit nicht langweilen. Das sind Fragen, die ausgesprochen in das Gebiet von Spezialisten fallen. Mit der Tendenz dieses Gesetzes — sich damit zu befassen, ist der Sinn einer Aussprache in erster Lesung — können wir, glaube ich, alle einverstanden sein. Die Tendenz geht dahin, die Publizität zu verstärken. Weiter handelt es sich darum — darüber werden wir uns in den Ausschüssen unterhalten müssen —, daß nunmehr die Umsatzzahlen angegeben werden sollen. Das, was schon lange und immer wieder verlangt worden ist, eine stärkere Publizität der Aktiengesellschaften, soll also jetzt eingeführt werden. Wo da die Grenze gezogen werden soll, darüber werden wir uns im einzelnen in den Ausschüssen zu unterhalten haben. Der allgemeinen Tendenz sollte aber- das ganze Haus zustimmen.
    Die CDU/CSU begrüßt dieses Gesetz und wird sich in den Beratungen der Ausschüsse um seine Ausarbeitung bemühen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Harm.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Harm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit den Gesetzen ist es wie mit den Menschen: man sieht ihrem Äußeren oft nicht an, was sie im Busen tragen. Noch weniger kann man aus dem Namen, den die Eltern den Kindern gegeben haben, etwas ableiten.
    Der Gesetzentwurf Drucksache 416 trägt den Namen Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Diese Formulierung mag an sich zutreffend sein. Aber überall sonst im Lande nennt man den Vorgang so, wie es in jedem Börsenblatt zu lesen ist: Ausgabe von Gratisaktien. Seit einiger Zeit bemüht man sich offenbar, von diesem Ausdruck loszukommen. So hören wir denn andere Namen: Aufstockungsaktien, Zusatzaktien, Kapitalberichtigungsaktien, nur nicht mehr das, was es in Wirklichkeit ist.
    Die Gratisaktien sind keineswegs eine Erfindung der Nachkriegszeit. Sie hat es immer gegeben. Sie nach der Währungsumstellung wieder in die Diskussion gebracht zu haben, ist das Verdienst des Abgeordneten Scharnberg, der damals in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ausschusses für Geld und Kredit die Wiedereinführung in der Weise vorschlug, daß die Gesellschaften, wenn die Körperschaftsteuer von 60 auf 40 % herabgesetzt würde, 20 % in einen besonderen Fonds tun sollten,

    Dr. Harm
    4 aus dem dann den Aktionären Gratisaktien gegeben würden, wenn 10 % des Kapitals angesammelt wären. Interessant ist, daß Herr Scharnberg damals ganz offiziell von Gratisaktien gesprochen hat. Weiter interessant ist noch heute die Begründung, die er gab: Man könne nicht gut einen anderen Weg beschreiten, weil sonst bei einer Herabsetzung der Körperschaftsteuer die Dividenden zu hoch erscheinen könnten, und das sei aus politischen Gründen nicht gut.
    Weiter möchte ich vorausschicken, daß die Ausgabe von Gratisaktien zu keiner Zeit verboten worden ist. Im Grunde geht es heute nicht darum, ob Gratisaktien gegeben werden sollen oder nicht, sondern es geht nur um die Modalitäten, nach denen Gratisaktien ausgegeben werden sollen, d. h., ob die Ausgabe ein steuerpflichtiger Vorgang sein soll oder nicht. Herr Kollege Wilhelmi hat soeben darauf hingewiesen, daß die höchsten Finanzgerichte
    früher der Reichsfinanzhof, heute der Bundesfinanzhof, und zwar noch in seiner Entscheidung vom 17. September letzten Jahres — sich konsequent auf den Standpunkt gestellt haben, daß der Empfang von Gratisaktien auf der Seite des Empfängers ein steuerpflichtiger Vorgang sei. Darum allein geht es. Es handelt sich nicht um die Frage, ob die Gesellschaften Gratisaktien ausgeben sollen oder nicht, sondern nur darum, ob der Empfang dieser Aktien auf seiten des Empfängers ein steuerpflichtiger Vorgang ist.
    Trotz dieser ständigen Praxis der höchsten Gerichte seit den zwanziger Jahren hat manche Gesellschaft auch in der jüngsten Zeit Gratisaktien an ihre Aktionäre ausgegeben. So gab z. B. eine Maschinenfabrik in Offenbach im Jahre 1953 ihren Aktionären außer 8 % Dividende noch Gratisaktien im Verhältnis 5 zu 1. Das bedeutet immerhin nochmals 20 %, nur vom nominellen Wert gerechnet. Obendrein bezahlte sie zu den dabei aufgewendeten Beträgen für die Finanzierung der Gratisaktien die Steuern, die rund ein Drittel des Nennbetrages ausmachten. In dem Geschäftsbericht dieser Gesellschaft heißt es, daß sie unter bewußtem Verzicht auf die sonst übliche Vorwegnahme von Rücklagen zur inneren Stärkung von Unternehmen diesen Weg beschritten habe. Eine ganze Reihe anderer Gesellschaften — wenn auch nicht gerade in vielen Fällen — hat ihren Aktionären in den letzten Jahren ebenfalls Gratisaktien gegeben.
    Es geht also bei diesen Vorlagen Drucksachen 416 und 417 im Grunde nur um die einzige Frage: Wie bringen wir die aufgespeicherten und angestauten Gewinne der letzten sieben fetten Jahre aus der Vermögensmasse der Gesellschaften in die privaten Vermögensscheunen der Besitzer? Um nichts anderes geht es hierbei.

    (Abg. Dr. Hellwig: Meinen Sie den versteuerten oder unversteuerten Gewinn?)

    — Nur den versteuerten.

    (Abg. Dr. Hellwig: Gut!)

    Die Einbringung dieser Gesetze ist seit einigen Jahren propagandistisch vorbereitet worden. Nach den Patendiensten, die der Herr Abgeordnete
    Scharnberg zuerst leistete, hat sich eine Reihe von Zeitschriften in den letzten paar Jahren dieses Themas angenommen.
    Nun wurde von einer „feststehenden Wissenschaft" geredet. In diesem Sinne stimmt das ja nicht. Wohl ist — auch ich habe das sehr genau nachgeprüft — hauptsächlich in den letzten beiden Jahren eine ganze Reihe von Artikeln entstanden, die sich mit diesem Thema befassen.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal]: Seit 30 Jahren!)

    Aber in auffälliger Weise ist das Thema jetzt behandelt worden. Das alles läßt doch nur die eine Tatsache klar erkennen, daß wir eine seit 30 Jahren feststehende Praxis der höchsten Gerichte haben und daß von gewisser Seite gegen diese Entscheidung Sturm gelaufen wird.
    Nun, meine Damen und Herren, das ist immer so gewesen. Wer Steuern zahlt, tut's ungern und läuft Sturm dagegen, und immer werden sich Gefolgsleute finden, die sagen, daß diese Steuer unberechtigt oder jene zu hoch sei und abgeschafft werden müsse. Die Gegenüberstellung „Hier die Rechtsprechung, dort die sogenannte Wissenschaft" beweist nichts. Sie wissen, wie relativ diese Dinge sind.
    Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, es handle sich um einen steuerpflichtigen Vorgang, braucht man sich keineswegs als Oppositionsvertreter zu betrachten; denn diesen Standpunkt hat außer den höchsten Finanzgerichten noch vor wenigen Jahren auch der damalige Herr Bundesfinanzminister vertreten. Er hat in Übereinstimmung mit seinen Kollegen auf der Länderebene in einem Erlaß 1952 klargelegt, daß dieser Vorgang nach wie vor einkommensteuerpflichtig sei. Wenn die Gesellschaften Gratisaktien herausgäben, sei damit auf der Seite der Empfänger ein Vermögensvorteil entstanden, und dieser müsse bei der Einkommensteuer als Einkommen aus dem Kapitalertrag erfaßt werden.
    Sie sehen, man befindet sich in der Opposition in allerbester Gesellschaft, und es ist vielleicht etwas paradox, daß ausgerechnet der frühere Herr Finanzminister in seiner heutigen Eigenschaft als Justizminister mit der Vorlage dieser Gesetzentwürfe genau das Gegenteil von dem tut, was er sonst vertreten hat. Das zeigt uns, wie relativ die Dinge sind, und deswegen darf ich für mich und für uns alle sagen: Bitte, mißverstehen Sie meine Ausführungen nicht dahin, daß ich aus irgendwelchen kleinlichen Gründen oder aus Voreingenommenheit sage, das sei ein Vermögensvorteil oder ein unverdienter Vermögensvorteil. Ich stelle mich auf den Standpunkt der übrigen, und ich darf sagen, die Gesellschaft des jetzigen Herrn Bundesjustizministers, in die ich mich begebe, war eine gute Gesellschaft. Die Opposition verdient sich schon ihre Sporen, wenn sie den Daumen auf diesen Punkt legt und sagt: Warum, Bundesregierung, hast du deinen Standpunkt plötzlich so verändert? Zudem ist der besagte Erlaß aus dem Jahre 1952 doch wirk-



    Dr. Harm
    lieh nicht so alt, auch wenn die Zeiten heute schnell laufen.
    Die Jahre nach der Währungsumstellung — ich glaube, darüber sind wir uns alle einig — haben bei allen Gesellschaften — und nicht ohne Mitwirkung und Verschulden, möchte ich sagen, der Bundesregierung —

    (Zuruf rechts: Verdienst!)

    die Tendenz erzeugt, in Form von Reserven Fett anzusetzen. Aber wer wird denn einem Unternehmer böse sein, wenn er Reserven bildet? Wer kann darin etwas sehen, was ihm zum Vorwurf gemacht werden könnte? Diese Tendenz jedes Unternehmers, aus den Gewinnen gewisse Rücklagen zu machen, wird es immer wieder geben, und es wäre ein schlechter Unternehmer, der das nicht allzeit bis zu einem gewissen Grade im Auge hätte. Wenn man sieben fette Jahre hinter sich hat, so muß man auch daran denken, daß es einmal die Kehrseite der Konjunktur geben kann, wo man sich freut, wenn man auf diese Rücklagen zurückgreifen kann. Ich habe mir zwar sagen lassen, daß es die Ärzte für medizinisch nicht richtig halten, wenn die Unternehmer Fett ansetzen. Daß es etwa medizinisch oder sonstwie zu beanstanden sei, wenn die Unternehmen Fett ansetzen, wird ein Wissenschaftler oder ein Arzt niemals sagen.
    Ich glaube also, die Wirkungsmöglicheit solcher Gesetze ist sehr beschränkt, schon deswegen, weil kein Gesetz imstande ist, die inneren Zusammenhänge der Wirtschaft so zu reglementieren oder zu infizieren, wie es gerade in der Begründung zum Ausdruck kommt, die der jetzige Herr Finanzminister dem Entwurf gegeben hat. Wir fragen daher: Cui bono? Zu wessen Nutzen macht man denn die Sache überhaupt? Es sind bestimmt ganz wenige, die wirklich ein Interesse an diesen Gesetzen haben. Wenn die Verfasser dieser Gesetzentwürfe Drucksachen 416 und 417 die letzten Statistiken z. B. des Statistischen Bundesamts zur Hand gehabt hätten, so hätten sie bedacht, daß von dem gesamten Aktienkapital unserer Tage im Grunde nur ein ganz kleiner Teil umläuft. Nach der Statistik von 1956 waren 60 % des Kapitals fest gebunden in Gesellschaften, lagen blockiert und interessierten den Kapitalmarkt überhaupt nicht. Aus einer Mitteilung aus jüngster Gegenwart, einem Wirtschaftsbericht vom September dieses Jahres, entnehme ich, daß man vielerorts, wo man es wissen muß, annimmt, daß kaum 20 % des Aktienkapitals wirklich fluktuieren.
    Lassen Sie uns einmal untersuchen, was diese Reserven, diese Rückstellungen, die mobilisiert werden sollen, denn nun eigentlich sind. Ich glaube, es kann von niemandem bestritten werden, daß sie letzten Endes nichts anderes als angestaute Gewinne sind, die nicht zur Ausschüttung gekommen sind. Daneben gibt es in gewissem Umfang Reserven, die bei der D-Mark-Umstellung entstanden sind. Auch die Furcht, hohe Dividenden zahlen zu müssen oder zum Lastenausgleich zu stark herangezogen zu werden, mag manchen Unternehmer veranlaßt haben, damals sehr, sehr vorsichtig zu bewerten.
    Aber wenn heute die Dinge anders betrachtet werden, wenn diese angestauten Gewinne nun herauskommen, kann man doch nicht mit dem Kollegen Wilhelmi sagen, diese Gewinne gehörten schon heute dem Aktionär. Das alles ist doch nur eine Fiktion. Vom Standpunkt der Gesellschaft ist es nicht gleich, ob die Unternehmer zinsfreies Reservekapital, zinsfreie Rücklagen in ihrem Portefeuille haben oder ob sie einem Aktionär gegenüberstehen, der seine Dividenden heischt. Und vom Standpunkt des Aktionärs ,aus ist ,es auch nicht einerlei, ob er eine Aktie oder ob er zwei Aktien in den Händen hat. Schon der bloße Besitz des Papiers bedeutet doch einen Vermögenszuwachs. Das ist auch teilweise die Begründung, die der Bundesfinanzhof für seine konsequente Haltung gegeben hat. Es sind wohlüberlegte Gründe, die, wenn auch mit geringen Modifikationen, die Rechtsprechung konstant gehalten haben.
    Alles das muß auch einmal von der Seite her gesehen werden, wie sich das in der Offentlichkeit ausgewirkt hat. War haben seit etwa zwei .Jahren das Signal der Gratisaktien. Wir haben den Begriff Gratisaktienanwärter. Ich habe vorhin gefragt: Cui bono? Der Begriff „Gratisaktienanwärter", den Sie in den Börsenzeitungen lesen, ist ein sehr doppelsinniger Begriff. Es ist einerseits die Gesellschaft, die Gratisaktien ausgeben soll oder von der man erwartet, daß sie es tut. Andererseits kann aber das Wort „Gratisaktienanwärter" sehr wohl auch denjenigen bezeichnen, der erwartet, daß ihm die Aktie gratis gegeben wird.
    Es ist interessant, wie sich dieses Signal in den Börsenkursen ausgewirkt hat. Ich kann Ihnen hier natürlich nicht eine Liste der Gratisaktienanwärter geben, schon um mich nicht selbst der Anstiftung zur Spekulation schuldig zu machen. Wenn man aber die Kurszettel zur Hand nimmt und die Kursentwicklung der übrigen Aktien und dieser Gratisaktienanwärter vergleicht, dann kann man sehen, wie dieses Schlagwort die einzelnen Aktien ruckartig nach oben gerissen hat.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Die Frage ist nur, ob sich das endgültig realisiert!)

    Ein Beispiel, ohne den Namen der Aktie zu nennen: Der Kurs einer bestimmten Aktie, der 1953 — ich gehe also gar nicht von der Währungsumstellung aus — 58 1/2 war, war 1954 102, 1955: 122, 1956: 167, 1957: 242 und ist heute 345 %. Das ist ein typischer Gratisaktienanwärter. Nun zu dem Einwurf, man wisse nicht, ob sich das auch valutiert. — Ich weiß nicht, ob ich in Zweifel ziehen muß, daß die Leute, die die Aktien zu diesen Kursen gekauft haben oder kaufen, gute Informationen aus dem Vorstand haben. Wie dem auch sei, Sie wissen, wie Kurse gemacht werden. So ergibt sich das Schauspiel, daß dieselbe Bundesregierung, der auf der einen Seite die hohen Kurse ein Dorn im Auge sind, im Grunde auf der anderen Seite die Ursache dafür gesetzt hat, daß die Kurse sprunghaft nach oben gegangen sind.
    Das alles, meine Damen und Herren, vollzieht sich ganz ungeniert. Denn wer findet noch etwas Anstößiges dabei, daß es in den Börsenberich-



    Dr. Harm
    ten Jahr für Jahr heißt: Favoriten waren die Gratisaktienanwärter? Das sind doch Dinge, bei denen Mutmaßungen im Hinblick auf Gesetze valutiert werden, in deren Beratung wir noch nicht einmal eingetreten sind, geschweige denn, daß wir sie beschlossen hätten. Mir scheint, es ist ein schlechtes Spiel, wenn eine solche Beziehung, ein solches Wechselspiel zwischen dem parlamentarischen Leben und den Börsensälen, festzustellen ist.
    Nun nehmen Sie demgegenüber einmal die Begründung, die die Regierung ihren Vorlagen gegeben hat: Durch die hohen Kurse würden die Kapitalanleger, „die nur über bescheidene Mittel verfügen", vom Kapitalmarkt ferngehalten, und dadurch werde dessen Gesundung verhindert. Deswegen stünden die Aktienkurse so hoch, und das alles stehe einer breiten Streuung des Eigentums entgegen. — Meine Damen und Herren, das scheint mir ein Widerspruch zu sein. Wenn man die Aktienkurse niedrig halten will, muß man alles vermeiden, was zu Erscheinungen führen könnte, wie wir sie heute vor uns haben. Wenn man mich fragt: Wer will es heute verantworten, daß ein unerfahrenes Publikum bei diesen Kursen in Wertpapiere einsteigt? — ich würde es nicht verantworten wollen.
    Es ist das Verdienst des früheren Herrn Bundesfinanzministers — des früheren —, daß bei der Beratung über das steuerfreie Sparen die Aktien ausdrücklich ausgeschlossen wurden mit der Begründung, Aktien seien Spekulationspapiere, und Herr Bundesfinanzminister Schäffer sagte, er könne seine Hand nicht dazu bieten, daß das Publikum, das sein Geld in Aktien anlegen wolle, sich auf diese Weise ein Portefeuille von Aktien und damit Einfluß auf andere Gesellschaften verschaffe.

    (Abg. Kurlbaum: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!")

    — Nun, das war Herr Bundesfinanzminister Schäffer. Wer daher, wie es das Gesetz empfahl — nicht befahl — sein Geld in festverzinslichen Werten angelegt hat, der hat heute, abgesehen von dem Verlust durch den Kaufkraftschwund, wenigstens die Genugtuung, daß er dem früheren Herrn Bundesfinanzminister sagen kann: Ich habe meinen Nominalbetrag erhalten.
    Wenn in diesem Augenblick aber derselbe Minister — jetzt in seiner Eigenschaft als Bundesjustizminister — sagt: „Diese Maßnahmen schaffe ich für die Aktien", ja, meine Damen und Herren, dann kommt mir doch das Bedenken: soll ich jetzt wiederum das tun, was die Regierung empfiehlt, oder muß ich doch wohl besser meinen eigenen Weg gehen? Denn die einen, die damals auf den Bundesfinanzminister hörten, haben ihren Nominalbetrag von, sagen wir einmal, 100 DM in irgendeiner Obligation, irgendeiner Schuldverschreibung erhalten. Die anderen aber, die nicht taten, was die Regierung empfahl, haben heute durch die Kurssteigerung aller Werte im Schnitt den sechsfachen Betrag.
    Wenn man diese Entwicklung betrachtet, muß man Bedenken gegen diese Entwürfe haben. Man fragt sich, warum, — zumal wir so viele dringlichere andere Aufgaben haben. Man erfährt das Warum nicht, wenn man § 1 des Gesetzes liest, sondern wenn man sich den Leitfaden ansieht, den die Herren des Ministeriums in ihrer Begründung dankenswerterweise gegeben haben. Dort steht nämlich, wie man es macht. Es geht gar nicht, Herr Wilhelmi, nur um die Umwandlung des angestauten Kapitals, es geht in aller Zukunft ja auch um die Umwandlung neu entstehender Gewinne in neues freies Kapital.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal]: Das ist ja viel zu teuer! Körperschaftsteuer!)

    — Herr Dr. Schmidt, Sie bringen eine Sache, die nicht zum Thema gehört; denn Körperschaftsteuern sind ein Kapitel für sich, und nennen Sie mir das Land, wo keine Körperschaftsteuern bezahlt werden. Wir können uns noch darüber unterhalten. Sie übersehen hier, daß die Gesellschaften die Körperschaftsteuern bezahlen. Wir aber wenden uns dagegen, daß die Empfänger der Wohltaten, die Empfänger der Gratisaktien keine Einkommensteuern zu bezahlen brauchen. Ich bin gerade bei dem kritischen Punkt angelangt, der Ihnen zeigt, wo der Clou des Gesetzes liegt.
    Wie so etwas gemacht werden kann, ist in der Begründung, im Leitfaden, direkt angegeben: Man nehme den Vorstand beiseite und veranlasse ihn, den ganzen Jahresgewinn in der Bilanz unter Verzicht auf Dividendenauszahlung als Rücklage zu verbuchen. Das können Sie vierzehn Tage, bevor darüber beschlossen wird, machen.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Ja, das heißt 51 statt 15!)

    Dafür bezahlt die Gesellschaft dann — völlig in Ordnung — ihre Körperschaftsteuer, alles in Ord-flung.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Also ruhig 51 %!)

    Aber nun beginnt doch die Sache erst sodann nehmen Sie die übrigen Aktionäre — Kleinaktionäre, wenn noch welche vorhanden sind — in der Aktionärversammlung beiseite und sagen: Was wollen Sie, meine Damen und Herren? Wollen Sie Dividende und davon Kapitalertragsteuer bezahlen, oder wollen Sie Gratisaktien, steuerfreie Gratisaktien haben? Nehmen wir doch den krassen Fall: Eine Gesellschaft gibt 10 % Dividende, könnte 10 % Dividende geben; sie gibt keine 10 % Dividende, sondern sie sagt: Statt 10 % Dividende gebe ich eine Gratisaktie im Wert von 10 %. Was nun, Herr Dr. Schmidt?

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Dann sind aber 50 % Körperschaftsteuer weg, sonst nur 15!)

    Sicher! Aber Sie müssen das jetzt einmal vom Standpunkt des Finanzministers nehmen — ich bitte zu entschuldigen, Herr Bundesfinanzminister, wenn ich einmal Ihren Part vertrete —, der uns gerade bei der Begründung der Senkung der Körperschaftsteuer folgendes erzählt hat: daß man nämlich die Körperschaftsteuer gesenkt habe für die ausgezahl-



    Dr. Harm
    ten Gewinne auf 15 %, bei den nicht ausgezahlten Beträgen auf 47 plus 4 gleich 51 % in der Erwartung — das war die Begründung des Herrn Ministers —, daß dann die Gesellschaften das Bestreben haben würden: Jetzt aber weg mit den Gewinnen über die Zahlung von 15 % Körperschaftsteuer, und dann mögen die Aktionäre damit machen, was sie wollen.
    Warum tun sie es denn nicht? Ist die Rechnung falsch, die der Herr Finanzminister uns damals vorgemacht hat? Warum machen denn die Gesellschaften es nicht? Warum schütten sie ihre Gewinne nicht aus, wenn sie das zu einem Vorzugssatz von 15 % machen können? Die Tendenz ist eine andere; sie wollen verhindern, daß derjenige, der die großen Aktienkapitalien besitzt, Einkommensteuer von dem Kapitalertrag bezahlen muß, den er aus den Aktien hat. Was die Gesellschaft bezahlt, ist doch ein Kapitel für sich. Und, meine Damen und Herren, wenn Sie in der Aktionärversammlung die Frage so stellen: Wollen Sie Gratisaktien, oder wollen Sie Dividende, die Sie versteuern müssen?, dann möchte ich einmal sehen, wer dann noch für den Empfang von Dividende und für die Versteuerung des Kapitalertrags stimmen würde.
    Sehen Sie, das ist der Kernpunkt, das ist der tiefere Sinn. Die Sache wird verständlich, wenn man sich daran erinnert, daß die große Menge dieser Kapitalien bei ganz wenigen akkumuliert ist. Deswegen geht es bei der Angelegenheit hier um die einfache Frage: Wollen Sie, wie es der jetzige Bundesfinanzminister uns seinerzeit dargelegt hat — und ich bin überzeugt, er hat erwartet, daß es so sein würde —, wollen Sie, daß Dividenden gezahlt werden und der Staat die Steuern davon bekommt, oder wollen Sie Gratisaktien, die Sie überhaupt nicht zu versteuern brauchen? Wenn die Dinge anders wären, meine Damen und Herren, brauchte doch diese Kontroverse gar nicht zu sein, die der Bundesfinanzminister in seiner Begründung ja auch angedeutet hat.
    Warum, frage ich, hat der Bundesrat eine Einwendung erhoben? Warum hat er gesagt: wir wollen das Gesetz bis zum 31. Dezember 1960 befristet wissen? Warum? Weil er sich sagte: wir, Länderkammer, stehen nach wie vor auf dem Standpunkt des Bundesfinanzhofs; wir würden vorübergehend diese Hilfestellung leisten, wir sagen aber nach wie vor: was Recht ist, ist Recht. Deshalb muß nach einer gewissen Revidierung wieder der bisherige gesetzmäßige Zustand eintreten, daß Gewinne aus Kapitalertrag auch versteuert werden. — Wer also für dieses Gesetz stimmt, versagt dem Bundesfinanzminister die Erfüllung der Erwartungen, die er selbst bei der Senkung der Körperschaftsteuer für die ausgeschütteten Gewinne gehegt hat, von Erwartungen, die wir billigerweise geteilt haben.
    Gerade der Hinweis des Bundesrates zeigt uns die Problematik.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Natürlich!)

    Ohne diese Einschränkung des Bundesrates würde de futuro die Möglichkeit gegeben sein, überhaupt keine Dividenden mehr zu zahlen, sondern die Dividenden jeweils auf Rücklagen zu verbuchen und zu gegebener Zeit wieder in Form von Gratisaktien
    herauszugeben. Es wird damit verhindert, daß in der Bilanz ein Kapitalertrag erscheint, und es bezahlen dann nur noch diejenigen Kapitalertragsteuern, die ihr Geld — wie die Regierung es empfahl — in festverzinslichen Werten oder im Rahmen der Kapitalansammlungsverträge angelegt haben. Sie bezahlen von ihren hundert oder tausend Mark Obligationen oder Schuldverschreibungen ihre vorgeschriebene Einkommensteuer. Diejenigen aber, die ihr Geld in Aktien angelegt haben, können sich, wenn diese Einschränkung des Bundesrates nicht berücksichtigt wird, bis in alle Ewigkeit eines steuerfreien Besitzes erfreuen.
    Nicht nur die Einkommensteuer — das Gesetz ist viel perfekter, als es auf den ersten Blick erscheint —, auch die Vermögensteuer ist berücksichtigt. Auch daran ist gedacht, daß beim Verkauf von Gratisaktien Gewinne entstehen und daß niemand Schaden leidet.
    Wäre das, was sich hier in der Begründung kundtut, wirklich ein echtes Anliegen der Regierung, so wären allerdings noch einige Fragen zu stellen. Was, meinen Sie, wird man in der Öffentlichkeit sagen, wenn man erfährt, welche Sorgen die Unternehmungen haben, um ihre überschüssigen Gewinne loszuwerden, während man in Fragen der Lohn- und Sozialpolitik immer behauptet hat, bereits an der äußersten Grenze des Tragbaren angelangt zu sein? Wem verdanken wir überhaupt die Entstehung dieser überschüssigen Gewinne? Den Aktionären oder all denen, die in diesen sieben oder zehn oder zwölf Jahren beim Wiederaufbau mitgeholfen haben? Könnte in Betrieben nicht auch die Frage erhoben werden: Warum bezahlen wir von unserer Arbeit die Einkommensteuer, während das Kapital einkommensteuerfrei ist?
    Ich würde mich wirklich gefreut haben, wenn man sich daran erinnert hätte, daß die Produktivität und die Gewinne überhaupt erst durch die Zusammenarbeit von Kapital und Arbeit entstehen. Die Regierung aber will zugunsten einer sehr kleinen Zahl von Großaktionären, einer ganz kleinen Schicht, dieses Spiel mit der Umwandlung von Rücklagen und Gewinnen in steuerfreie Gratisaktien ad infinitum ermöglichen. Warum, so frage ich, mobilisiert man dann nicht bei dieser Gelegenheit die reichlich vorhandenen Rücklagen für den Lastenausgleich? Durch deren Umwandlung könnte man auch Aktien schaffen. Das wäre eine Streuung von Aktien. So würden in der Tat Aktien in die Hände vieler kommen, aber eben nur, wenn das wirklich ein Anliegen der Regierung wäre. Statt dessen eröffnet die Regierungsvorlage sogar die Möglichkeit, diese Rückstellungen für den Lastenausgleich durch entsprechende Umbuchungen zunächst einmal ebenfalls in die Mittel für die Gratisaktienausgabe einzubeziehen. Wie lange, so frage ich, wird es noch dauern, bis auch die Rückstellungen für Sozialfonds den gleichen Weg gehen und auch dafür die Begründung gefunden wird?! Vergessen scheinen die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers in seiner Haushaltsrede vom 16. April. Was hilft es, wenn ein allgemeiner Ausgabenstopp gefordert wurde, wenn er nicht gepaart wird mit



    Dr. Harm
    einem echten Bonifikationsstopp. Der aber fehlte bei den Steuergesetzen ebenso wie bei diesen Regierungsvorlagen Drucksachen 416 und 417! Bei der angespannten Haushaltslage sollte ein Bundesfinanzminister sich keine Einnahmequelle nehmen oder auch nur schmälern lassen. Würde aber der Herr Bundesfinanzminister diese Ausfälle gewissermaßen als Werbungskosten in Kauf nehmen, so wäre das einer der schwersten Verluste, die man sich überhaupt denken könnte. Gerade der Bundesfinanzminister trägt da natürlich die größte Verantwortung von uns allen.
    Nach diesen Gesetzesvorlagen der Regierung haben wir, meine Damen und Herren, einen Vorgeschmack von dem, was uns bevorsteht. In seiner Haushaltsrede sagte der Herr Bundesfinanzminister, es sei ein Wandeln am Rande des Abgrunds, und das Jahr 1958 gebe uns einen geringen Vorgeschmack von dem, was uns an Schwierigkeiten noch bevorstehe. Nun, jetzt wissen wir, was uns bevorsteht. Ich würde mich jedenfalls, wenn ich die Verantwortung hätte, weigern, irgendwie die Mittel zu schmälern, die wir alle damals bei der Änderung der Körperschaftsteuer erwartet haben. Ich kann mich nicht besinnen, daß jemals ein Gesetz so kraß, so unverhüllt und so uferlos den Vorteil nur einiger weniger im Auge gehabt hat.

    (Abg. Kurlbaum: Es gab schon mehr solche Gesetze!)

    Epistola non erubescit, ein Brief kann nicht erröten, und ein Gesetz kann nicht erröten. Aber wir, meine Damen und Herren, sollten erröten nach den Zumutungen, vor denen wir hier stehen.

    (Beifall bei der SPD.)