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ID0304200200

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    Deutscher Bundestag 42. Sitzung Berlin, den 2. Oktober 1958 Inhalt: Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Erfüllung des EWG-Vertrags (Drucksache 371) Margulies (FDP) 2429 C Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 2434 B Dr. Furler (CDU/CSU) 2436 C Birkelbach (SPD) 2441 A Scheel (FDP) 2443 D Dr. Starke (FDP) . . . . . 2448 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung (FDP) (Drucksache 446) — Erste Beratung — Frau Friese-Korn (FDP) . . . . . 2450 B Entwurf eines Gesetzes zu den internationalen Betäubungs-Protokollen von 1946, 1948 und 1953 (Drucksache 453) — Erste Beratung — 2450 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes (Drucksache 100) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache 478) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . . 2450 D Nächste Sitzung 2451 C Anlagen 2453 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 42. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Oktober 1958 2429 42. Sitzung Berlin, den 2. Oktober 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 9.06 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Ackermann 4. 10. Bauer (Wasserburg) 4. 10. Blachstein 4. 10. Frau Döhring (Stuttgart) 4. 10. Eplée 4. 10. Gibbert 4. 10. Giencke 4. 10. Günther 4. 10. Hilbert 4. 10. Josten 4. 10. Knobloch 4. 10. Dr. Kopf 4. 10. Kraft 3. 10. Kunze 4. 10. Dr. Löhr 4. 10. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 4. 10. Müser 5. 10. Peters 4. 10. Dr. Pferdmenges 4. 10. Pietscher 6. 10. Rademacher 4. 10. Ramms 4. 10. Scharnberg 4. 10. Schneider (Bremerhaven) 4. 10. Stauch 3. 10. Theis 3.10. Wacher 3. 10. Wischnewski 5. 10. b) Urlaubsanträge Berkhan 30. 10. Dr. Böhm 10. 10. Dowidat 10. 10. Engelbrecht-Greve 4. 11. Frehsee 4. 11. Dr. Gülich 11. 10. Dr. Höck (Salzgitter) 25. 10. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Jahn (Frankfurt) 10. 10. Maier (Freiburg) 22. 11. Muckermann 12. 10. Rasner 28. 10. Frau Schmitt (Fulda) 17. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 18. 10. Schoettle 18. 10. Anlage 2 Umdruck 161 (neu) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Erfüllung des EWG-Vertrages (Drucksache 371). Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag unterstreicht erneut die große Bedeutung, die dem Abschluß eines Vertrages über eine Europäische Freihandelszone zur Ergänzung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft als einen weiteren Schritt auf dem Wege zur weltweiten wirtschaftlichen Zusammenarbeit zukommt. Er billigt die Bemühungen der Bundesregierung, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Standpunkten der Verhandlungspartner herbeizuführen und Lösungen zu erarbeiten, die den wichtigsten Interessen aller Beteiligten Rechnung tragen. Er fordert die Bundesregierung auf, auch weiter alles in ihren Kräften Liegende zu tun, um baldmöglichst zum Abschluß eines Vertrages zu gelangen, der die Schaffung einer umfassenden Europäischen Freihandelszone vorsieht, die die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ergänzen soll. Berlin, den 1. Oktober 1958 Dr. Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Dr. Mende und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Robert Margulies


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im 'Sommer vorigen Jahres hat das Hohe Haus die römischen Verträge über eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und eine Europäische Atomgemeinschaft ratifiziert. Die Verträge sind am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten, und sie sind seitdem Rechtens. Wir haben uns in den Ratifizierungsdebatten gegenseitig stets versichert, welche epochale Bedeutung diesen Verträgen zukommt und wie sehr wichtig es ist, die Entwicklung zu verfolgen, wie man aufpassen muß, daß gleich zu Anfang die Dinge richtig laufen. Und so waren wir doch etwas erstaunt, als plötzlich alles aufhörte. Nichts mehr; Schweigen im Walde! Natürlich nicht Schweigen im Blätterwalde. Aus den Zeitungen erfuhren die Abgeordneten dieses Hauses, daß Verhandlungen im Gange seien; in allen besseren Städten Europas haben irgendwelche Sitzungen stattgefunden. Es ist nicht immer leicht, auseinanderzuhalten, wer das jeweils ist. Da ist eine europäische Kommission und da ist noch irgendeine europäische Kommission. Wir hörten, daß ein Ausschuß der OEEC einberufen sei, um das Problem der Freihandelszone zu erörtern, daß dieser Ausschuß plötzlich auf Monate seine Arbeit unterbrechen mußte, ohne daß man recht erfuhr, was eigentlich dahintersteckte.
    Die Unterrichtung der Abgeordneten, die doch damals an diesem Vertragswerk lebhaften Anteil genommen hatten, durch die Bundesregierung blieb aus, und das, obwohl sich die Bundesregierung in dem Zustimmungsgesetz verpflichtet hatte, den Bundestag und den Bundesrat über die Entwicklungen im Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und im Rat der Europäischen Atomgemeinschaft laufend zu unterrichten. Dazu ist sie also gesetzlich verpflichtet, meine Damen und Herren. Man sollte ja meinen, daß sie außer dieser gesetzlichen Verpflichtung auch ein spezielles Interesse daran hätte, die Abgeordneten über ihre Auffassungen und Schritte zu informieren. Wir sehen es in der Praxis doch jeden Tag, z. B. in unserer Bundesrepublik, wie die Ländervertretungen die Abgeordneten ihres Landes über die speziellen Wünsche ihres Landes ständig unterrichtet halten, sie mit Material versorgen,



    Margulies
    ihnen ihre Auffassungen nahebringen. Von der Bundesregierung aber ist da so gut wie gar nichts unternommen worden, wenn ich davon absehe, daß die deutschen Abgeordneten des europäischen Parlaments einmal in Straßburg vom Auswärtigen Amt eingeladen wurden. Ich hatte irrtümlicherweise daraus geschlossen, daß wir damit veranlaßt werden sollten, für Straßburg zu stimmen. Es stellte sich nachher heraus, daß das gar nicht gemeint war.

    (Heiterkeit.)

    Ich wollte damit nur sagen: es müßte doch ein Interesse der Bundesregierung vorliegen, die Abgeordneten, die vom Bundestag in das europäische Parlament entsandt sind, nun über ihre Auffassung zu den Dingen laufend ins Bild zu setzen.
    Aber unsere Frage geht dahin: Wie will die Bundesregierung ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommen, dieses Haus, den Bundestag, laufend über die Entwicklung zu unterrichten?
    Nun kann sich die Bundesregierung natürlich auf den Standpunkt stellen, es sei überhaupt noch nichts geschehen. Aber das würde ich doch bedauern. Das wäre eine Art Rollentausch. Ich würde mich dann gezwungen sehen, der Regierung zu sagen, daß eben doch einiges geschehen ist. Es laufen ja eine ganze Reihe von Fristen. Mehr oder weniger wichtige Dinge sind während des ersten Jahres zu regeln. Wir haben in Artikel 3 a eine Frist; vor Ablauf des ersten Jahres müßten die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltung bei der Erhebung der Zölle geregelt werden. Immerhin eine recht bedeutsame Sache! Ich weiß nicht, ob das bereits geschehen ist. Ich weiß nicht, ob die Bundesregierung dazu schon irgend etwas beigetragen hat. Wir haben weiter die Fristen für den Aufbau der Außenzölle. Hier haben wir zwar noch etwas Zeit bis zum Ablauf der ersten Periode. Aber es ist für unsere Wirtschaft doch ungemein wichtig, so rechtzeitig wie möglich darüber unterrichtet zu sein, was da beabsichtigt ist. Wir haben weiter die Fristen, die zum Ablauf der ersten Stufe wichtig sind hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit im Dienstleistungsverkehr. Fristmäßig ist noch nichts versäumt, aber wir sollten wissen, wie sich die Bundesregierung zu diesen Dingen einstellt.
    Ich will nun nicht alle Fristen aufzählen, die im Vertrag enthalten sind; was sich in diesen Fristen, die mit dem ersten Jahr der Laufzeit des Vertrags, die ja am 1. Januar d. J. begonnen hat, ablaufen, entwickelt hat.
    In einem Punkt aber hat uns doch eine erhebliche Besorgnis über die Erfüllung der Verträge ergriffen. Es ist noch nicht gelungen, den Sitz einer europäischen Hauptstadt zu bestimmen, und die Folge ist eine Verzögerung des Aufbaues, die man damit zu verantworten hat. Wir müssen zu unserem großen Bedauern zum ersten Male feststellen, daß doch einer der Partner die römischen Verträge offensichtlich ganz anders auslegt, als wir es tun, daß hier einer dabei ist, der die sehr schönen und löblichen Ziele der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft — daß sie den Welthandel fördern, daß sie zum Abbau der Handelshindernisse erst innerhalb von Europa und dann in der ganzen Welt beitragen soll — durch sein Verhalten ständig aushöhlt.
    Nun, meine Damen und Herren, ich darf also zur Großen Anfrage zurückkommen. Ich würde von der Regierung sehr gern hören, warum wir bisher so ganz im unklaren gelassen worden sind über die Entwicklungen und über die Absichten der Regierung, und ich erwarte von ihr Vorschläge, wie dieser Mißstand in nächster Zukunft abgestellt werden kann. Der Bundestag hat ein gesetzliches Recht darauf, und wir müssen darauf bestehen, daß die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nachkommt. Das ist schon deshalb besonders wichtig, weil ein bißchen unklar geworden ist, w e r nun eigentlich die Verhandlungen zum Zwecke der Ausdehnung der Wirtschaftsgemeinschaft führt, die jetzt im Gange sind. Die Europäische Kommission ist der Ansicht, man könne aus den Vertragsklauseln herauslesen, sie, die Europäische Kommission, habe im Namen der sechs Beteiligten zu verhandeln, während die Bundesregierung — wir werden es ja hören —, soweit ich unterrichtet bin, da etwas anderer Auffassung ist und eine Mittlerrolle übernehmen, sich also stärker einschalten will, als es nach der Meinung der Europäischen Kommission möglich ist. Die Rechtslage kann ich nicht so genau beurteilen, ich bin ja kein Jurist. Die Bundesregierung beruft sich dabei, glaube ich, darauf, daß die Verhandlungen über eine Erweiterung des Raums einer Wirtschaftsgemeinschaft bereits vor Inkrafttreten des Vertrags im Gang gewesen sind. Ich würde sehr gern die Auffassung der Bundesregierung dazu hören, um zu prüfen, ob wir gleicher Meinung sein können.
    Meine Damen und Herren! Die zweite Frage, die wir gestellt haben, geht ja nun darum: Wir haben seinerzeit bei den Erörterungen über die römischen Verträge verschiedene Standpunkte eingenommen. Aber das Ziel, das wir erreichen wollten, war für die Bundesregierung und für alle Fraktionen des Hauses das gleiche: Wir wollten zu einer größeren Wirtschaftsgemeinschaft kommen. Sie, die Mehrheit dieses Hauses, sahen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft als einen notwendigen Schritt dazu an, während wir, die Freien Demokraten, aus der Sorge über die kommende Entwicklung eher glaubten,. die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft könne ein Hindernis auf dem Wege zum europäischen Freihandel werden. Im Grunde aber waren wir alle der Meinung, daß nicht die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft der sechs Staaten das Ziel sein sollte, sondern vielmehr der größere Raum des Westeuropa. Wir wollten in diesem Raum den Abbau der Handelshemmnisse und eine gewisse Integration erzielen und wollten in diesem größeren Raum, den man vielleicht etwas oberflächlich als OEEC-
    Europa bezeichnen kann, die Wirtschaftsverflechtung, den Freihandel.
    Ich möchte, weil das besonders wichtig ist, eine Reihe von Äußerungen aus den damaligen Debatten hier zitieren; denn die Dinge geraten ja allmählich in Vergessenheit.
    Herr Professor Hallstein, der heutige Präsident der Kommission der Europäischen Wirtschafts-



    Margulies
    gemeinschaft, hat vor dem Hause am 21. März 1957 erklärt:
    Wesentlich ist, daß so wichtige Handelspartner wie Großbritannien oder etwa die skandinavischen Staaten, Osterreich oder die Schweiz oder auch die südeuropäischen Staaten in irgendeiner praktischen Form den Anschluß an den Gemeinsamen Markt finden.
    Herr Professor Erhard, unser Bundeswirtschaftsminister, hat damals dargelegt:
    Aus der Wirtschaftsgemeinschaft kann die Gefahr erwachsen, daß sich zwischen den sechs Ländern ein besonderer, ein bedenklicher Geist entwickelt, der zwar nach innen Freiheit setzt und setzen muß, der aber bemüht ist, sich nach außen abzuschirmen. Das habe ich unter der Gefahr einer möglichen europäischen Inzucht verstanden. Sie wird indessen wesentlich gemindert und schließlich behoben, wenn es uns gelingt, das System der Freihandelszone zu errichten.
    Herr Professor Furler hat das noch unterstrichen. Er hat gesagt:
    Wir sind darin einig, alles zu tun, um nicht zur Abschließung zu kommen, sondern zur Förderung, nämlich zur Bildung solcher Freihandelszonen.
    Der Herr Bundesaußenminister hat am 19. Mai die Erklärung abgegeben:
    Es gibt bei allen sechs vertragschließenden Staaten — das ist in den Bemerkungen, Gesprächen und Verhandlungen mit anderen Regierungen zum Ausdruck gekommen — keine Tendenz zu einer kleineuropäischen Blockbildung.
    „Bei allen sechs", hat er damals gesagt. Ich weiß nicht, ob er das auch heute noch sagen würde. Ich darf weiter zitieren:
    Ich kann es daher nur begrüßen, daß die Verhandlungen, die jetzt in Paris über die Möglichkeit einer europäischen Freihandelszone geführt werden, die Unterstützung aller finden. Wir sind allerdings davon überzeugt, daß die Schaffung des Gemeinsamen Marktes eine unerläßliche Voraussetzung für das Zustandekommen einer Freihandelszone ist.
    Am gleichen Tage hat Herr Professor Furler dazu noch ausgeführt:
    Wie schon dargelegt, lehnen alle Vertragspartner es ab, die Gemeinschaft unter dem Gesichtspunkt der Abschließung zu betrachten. Das Projekt einer europäischen Freihandelszone, die sich mit dem Gemeinsamen Markt verbindet, ist sehr wichtig. Wir streben die Verwirklichung dieses Projekts mit aller Kraft an.
    Am 5. Juli, anläßlich der Ratifizierung, hat der Herr Außenminister, Dr. von Brentano, das nochmals unterstrichen. Er hat gesagt:
    Die Idee der europäischen Freihandelszone ist überhaupt erst dadurch entstanden, daß wir uns über den Gemeinsamen Markt ernsthaft unterhalten haben.
    Ich bin sogar überzeugt: — sagte er damals —
    in dem Augenblick, wo dieser Gemeinsame Markt scheitern würde, wäre die Bereitschaft, das Gespräch über die Freihandelszone fortzuführen, erloschen.
    Herr Dr. Deist hat für die sozialdemokratische Fraktion erklärt:
    Wir möchten sehr wünschen, daß die Bundesregierung. bereit ist, auch gewisse Opfer zu bringen, gewisse Bestimmungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft anzupassen und vielleicht doch auf die eine oder andere liebgewordene Vorstellung zu verzichten, denn die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit einer größeren Freihandelszone ist mehr als eine Messe wert.
    Herr Kollege Birkelbach hat am 9. Mai gesagt:
    Die Freihandelszone wird erst dann kommen und sie wird nur dann kommen, wenn vorher die Zollunion als absolut gewiß hingenommen werden kann.
    Herr Dr. Mommer meinte:
    Ich habe soeben mit Befriedigung gehört, daß auch Herr Furler in den Gemeinschaften der Sechs nicht einen Selbstzweck sieht. Das kann eine Avantgarde sein, die immer danach streben muß, aus sich selbst herauszukommen, die neue Mitglieder gewinnen muß und die um sich herum Zonen der Assoziierung aufbauen muß wie jetzt z. B. hier in der Freihandelszone.
    Am 5. Juli nochmals Herr Dr. Deist:
    Ich möchte hier ganz deutlich sagen: wir halten das Zustandekommen einer Freihandelszone für eine entscheidende Voraussetzung für ein gutes Funktionieren des Gemeinsamen Marktes.
    Und der leider verstorbene Herr Kollege Mellies
    sagte damals:
    Die Erreichung der Ziele des Vertrags erscheint gefährdet, wenn die geplante Freihandelszone nicht zustande käme.
    Das war also die Auffassung der Regierung und des Parlaments. Ich sagte schon: wir waren alle der Meinung, daß das Erstrebenswerte der einheitliche Wirtschaftsraum Westeuropas sei. Wir waren uns nicht einig über den Weg. Die Mehrheit glaubte, wie gesagt, man müsse die EWG haben, um zur Freihandelszone zu kommen. Wir waren der Meinung, daß das eine gefährliche Überlegung sei, daß es dann nur bei der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bleiben könne. Ich fürchte, Sie werden Ihre damalige Meinung etwas revidieren müssen. Aber das soll kein Streitpunkt sein. Wir



    Margulies
    sind gar nicht stolz darauf, recht behalten zu haben. Ich wäre viel glücklicher, Sie hätten recht behalten und wir hätten heute die Freihandelszone.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es hat damals aber, wie gesagt, auch nicht an warnenden Stimmen gefehlt. Ich möchte nur einige wenige zitieren, weil sie ein ziemlich rundes Bild aus der Wirtschaft geben. Herr Dr. Fritz Berg, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, hat damals unterstrichen:
    Ich begrüße besonders die Bestrebungen, England und weitere europäische Länder durch Schaffung von Freihandelszonen mit dem Gemeinsamen Markt in enge Verbindung zu bringen.
    Herr Konsul Dietz, der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbandes, sagte:
    Das Vertragswerk trägt den Keim einer kleineuropäischen Autarkie in sich. Der Groß- und Außenhandel hält es für dringend erforderlich, daß gleichzeitig mit dem Gemeinsamen Markt der Gedanke einer erweiterten Freihandelszone verwirklicht wird.
    „Gleichzeitig", meine Damen und Herren! Und Herr
    Hieronimi , der Leiter der Abteilung Außenhandel des Gesamtverbandes Einzelhandel, sagte:
    Die Außenzölle würden zu einer unerwünschten Belastung der deutschen Verbraucher führen, wenn es nicht von Anfang an möglich ist,
    das übrige Europa einschließlich Großbritannien in die vorgesehene Freihandelszone einzubeziehen. Wird der gemeinsame Markt der Montanunionländer nicht durch die Freihandelszone ergänzt, so bleibt das Ganze ein Torso.
    Die Industrie- und Handelskammer Düsseldorf hat in einer Entschließung festgelegt, unerläßlich sei aber, die schwerwiegenden wirtschaftlichen Belastungen dadurch zu mildern, daß gleichzeitig mit dem Gemeinsamen Markt die europäische Freihandelszone verwirklicht werde. Die Textilindustrie war der Ansicht, daß der Abschluß des Vertragswerkes über den Gemeinsamen Markt an die Bedingung geknüpft werden sollte, nicht bei dieser Lösung stehenzubleiben, sondern diesen Markt voll in eine Freihandelszone einzugliedern.
    Also auch hier im wesentlichen eine Zustimmung zu der Regierung und Parlament gemeinsamen Idee, zu einem europäischen Wirtschaftsraum zu kommen, aber doch die Sorge: Werden wir auf dem richtigen Weg vorwärtsschreiten, wenn wir erst eine kleineuropäische Gemeinschaft gründen und dann versuchen, diese weiterzuentwickeln?
    Ich darf noch sagen, daß ja dahinter eine politische Idee stand, über die die Wirtschaft selbstverständlich nicht miturteilen kann, wenn selbst Herr Professor Erhard damals sagte — im März 1957 —: weil er mit dem Bundeskanzler der Meinung sei, daß der Gemeinsame Markt den Impuls zu einer stärkeren politischen Einigung Europas geben werde. Nun, ich glaube, dieser Traum ist inzwischen etwas blasser geworden. Jedenfalls las ich dieser Tage in einem Artikel im „Hamburger Abendblatt" eine Meinung des als Europäer ja unverdächtigen Herrn Friedländer, wenn er feststellt: „Heute nimmt Frankreich eine Entwicklung, die ein politisch geeintes Europa bis auf weiteres ausschließt."
    Meine Damen und Herren! Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist ja mit mehreren europäischen und Welthandelsorganisationen in Konflikt. Wir wollen das gar nicht verkennen. Die Verhandlungen, die von seiten der Kommissionen der Wirtschaftsgemeinschaft mit dem GATT z. B. geführt werden, sind außerordentlich schwierig. Denn es bedarf der Anerkennung, daß die Vorschriften der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft dem entsprechen, was als Ausnahme im GATT im Artikel 24 über eine Zollunion gesagt ist, und die Mehrheit der Stimmen, die wir dort brauchen, um die Erklärung zu erreichen, daß die EWG GATT-konform ist, wird sehr schwer zu erreichen sein. Denn es ist kein Geheimnis, daß ein ganz großer Teil der Mitglieder des GATT eben die Commonwealth-Länder sind, die ja zunächst an der Sache nicht beteiligt sind, die wir nun über Großbritannien in den Gedankengang hineinzubekommen versuchen. Man kann ihnen leider auch den Vorwurf nicht ersparen, daß sie zu Beginn der Verhandlungen mindestens nicht allzu geschickt gewesen sind. Denn der Versuch, die Agrarprodukte aus einer Freihandelszone auszuklammern, wäre ja doch sinnlos gewesen. Wozu denn dann das ganze Unternehmen?
    Also der Anfang war leider Gottes nicht sehr vielversprechend, und wir sind dankbar, daß diese Meinung sich inzwischen geändert hat. Aber es wird nicht leicht sein, die Zustimmung des GATT zu erreichen. Wir haben damals in den Ratifikationsdebatten schon darauf hingewiesen, daß es vielleicht richtig gewesen wäre, einmal zuerst mit dem GATT zu verhandeln, bevor man so überaus eilig die EWG-Verträge unterschrieb, um einmal die Stimmung kennenzulernen. Außerdem ist es natürlich vorher, solange es noch nicht festgefressen ist, leichter, eine Änderung oder eine Anpassung oder etwas Ähnliches zu erzielen. Die Verhandlungen sind viel einfacher als nachher, wenn ratifiziert ist, wenn an der Vertragsklausel nichts mehr zu ändern ist. Auch hier ist die klare Einsicht vorhanden, daß wir die Schwierigkeiten mit dem GATT wahrscheinlich sehr viel leichter überwinden werden, wenn es gelingt, zum Abschluß der Freihandelszone zu kommen. Unsere Frage unter Ziffer 2 erster Absatz enthält die Bitte an die Regierung, uns einmal zu unterrichten, wie diese Dinge eigentlich stehen und wie sie gelaufen sind.
    Wir möchten weiter wissen — das ist die Frage unter Buchstabe a der Ziffer 2 unserer Anfrage —, welche Schritte die Bundesregierung unternommen hat, um die Freihandelszone zu fördern. Sie ist ja nach dem Vertrag verpflichtet, daran mitzuwirken, entweder durch Einwirkung auf die Europäische Kommission im Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder aber in den Direktverhandlungen,



    Margulies
    die schon vor Inkrafttreten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft begonnen worden sind. Hierüber ebenso wie über den Stand der Verhandlungen hätten wir gerne Näheres gehört.
    Wir verkennen nicht, daß sich das ganze Projekt in der Zwischenzeit wesentlich verändert hat. Wir sind damals von der Idee ausgegangen, es genüge, die Zölle innerhalb der größeren Gemeinschaft, innerhalb der OEEC-Länder für alle Bereiche, alle Artikel, alle Warengattungen allmählich abzubauen. Inzwischen hat sich aber herausgestellt, daß das wohl nicht zu verwirklichen sein wird. Deshalb hat man auch den Namen geändert. Es wird gar nicht mehr über eine Freihandelszone verhandelt, sondern über die Assoziierung der elf übrigen Länder an die sechs Vertragsstaaten. Das ist doch ein sehr wesentlicher Unterschied in der Auffassung. Er liegt darin, daß man jetzt zu der Erkenntnis gekommen ist, daß unter den 17 OEEC-Staaten einige Länder sind, die sofort in Schwierigkeiten geraten würden, wenn sie in vollem Umfange dem Gedanken der Freihandelszone folgten. Es ist auch ganz selbstverständlich, daß bestimmte Ausnahmen erforderlich sind, daß also für den Verkehr mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen eine Sonderregelung gefunden werden muß, wie sie ja auch innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erforderlich ist. Hierüber zerbrechen sich gerade zur Zeit die Agrarexperten den Kopf, beginnend in Stresa und in den daran anschließenden Verhandlungen, demnächst wieder in Brüssel.
    Hier sind also gewisse Ausnahmen von dem strengen Prinzip der Freihandelszone, wie sie im GATT-Vertrag umschrieben ist, erforderlich. Das erkennen wir an. Wir glauben auch, daß ein Teil des Institutionellen, ich will nicht sagen, notwendig sein wird, aber wir werden nicht darum herumkommen, weil die anderen das fordern. Wogegen wir uns aber wehren möchten, das ist der Versuch, allzu viele Elemente des Vertrags über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft in ein künftiges Abkommen über die Freihandelszone zu übertragen, also über Verkehrsfragen, über Kartellrecht, über Wettbewerbsfragen, weil wir den Verdacht nicht loswerden, daß alle diese Bedingungen nur gestellt werden, um den Abschluß eines Abkommens über eine Freihandelszone zu erschweren oder gar unmöglich zu machen. Solche taktische Forderungen müssen wir, glaube ich, zurückweisen. Wir wären auch hier dankbar, wenn die Bundesregierung uns ihre Auffassung dazu als Antwort auf die Frage unter Ziffer 2 übermittelte.
    Nun zur letzten Frage:
    Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, falls es nicht gelingt, vor dem 31. Dezember 1958 einen Vertrag zur Bildung einer Freihandelszone abzuschließen?
    Ich darf nochmals — ich glaube, ohne Widerspruch hier im Hause — feststellen, daß wir alle, Regierung und Bundestag, alle Fraktionen des Bundestags, schon seit Beginn und erst recht heute der Meinung sind — ich will keine Gründe dafür nennen, sie sind an sich bekannt —, es müsse zu einer Freihandelszone kommen. Sie ist unerläßlich, wir brauchen sie. Wir brauchen den größeren europäischen Wirtschaftsraum, um zu einer richtigen Ordnung zu kommen.
    Wenn aber das die Meinung der Bundesregierung auch heute noch ist — ich setze das voraus —, dann müßten wir uns Gedanken darüber machen, was nun eigentlich passiert, wenn an einem unserer Vertragspartner der Abschluß des Vertrags über eine Freihandelszone scheitert. Wir sind hier im Hause
    — wenn ich das sage, so soll das kein Vorwurf sein
    — immer ein wenig davon ausgegangen, daß der Widerstand gegen eine Freihandelszone von draußen her kommen müsse, daß er aus dem Bereich der anderen elf OEEC-Länder käme. Wir haben nicht damit gerechnet, daß der Hauptwiderstand gegen den Abschluß eines Vertrags über eine Freihandelszone aus dem Bereich der sechs Partner kommen würde, die sich doch vertraglich verpflichtet haben, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft auf einen größeren Raum auszudehnen. Dieser Irrtum ist uns also unterlaufen.
    Ich kann mich wohl in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Herrn Bundeswirtschaftsminister beziehen, der nach seiner Reise nach Großbritannien in Kiel erklärt hat, zwischen England und Deutschland bestehe volle Einigkeit darüber, daß die Freihandelszone als Ergänzung zum Gemeinsamen Markt der sechs Montanstaaten notwendig sei. Aber wir haben in mancher Beziehung die Vertragsklauseln damals etwas einseitiger gesehen. Wir haben geglaubt, die vielen Bestimmungen über Schutzvorrichtungen, die in den römischen Verträgen enthalten sind, seien auf Betreiben der französischen Wirtschaft hineingekommen und beträfen uns gar nicht. Ich habe mich inzwischen belehren lassen müssen, daß das leider nicht der Fall ist, daß es auch bei uns Industriezweige gibt, die der kommenden Entwicklung mit sehr großer Sorge entgegensehen und die durch die inzwischen erfolgten autonomen Zollsenkungen in nicht unerhebliche Schwierigkeiten geraten sind. Ich darf hier an die Zellstoffindustrie oder an die Textilindustrie erinnern; das sind die bekanntesten Industriezweige, die da betroffen sind. Diese Zweige also sehen der kommenden Entwicklung mit erheblicher Sorge entgegen und haben nun die Verträge daraufhin untersucht oder sogar durchgestöbert, was sie gegebenenfalls an Übergangs- oder Anpassungshilfen bekommen könnten. Sie stellen mit Bedauern fest, daß im Bundeshaushalt dafür eigentlich nichts vorgesehen ist. Ich fürchte also, wir müssen uns mit dem Gedanken befassen, was mit den eigenen Industriezweigen geschehen soll, die dem kommenden Anpassungsprozeß in ihrem derzeitigen Zustand nicht gewachsen sein werden.
    Die andere Frage, wie es dann weitergehen soll, wird uns die Bundesregierung beantworten. Natürlich gibt es verschiedene Lösungsmöglichkeiten, wenn man etwas elastisch denkt, Möglichkeiten für den Fall, daß ein Partner nicht in der Lage sein sollte, den ersten Schritt mitzumachen. Bei dem ersten Schritt, daß die bestehenden Zölle um 10 % gesenkt werden, kann es, daran möchte ich doch



    Margulies
    einmal erinnern, nicht bleiben. Von einer zweiten, sehr wichtigen Voraussetzung wird meistens in den Zeitungsberichten nichts gesagt, daß es nämlich in dem gleichen Zeitpunkt um eine Erhöhung der Kontingente geht, also der Kontingente, die außerhalb des Zollbereichs liegen, daß der erste Schritt zum Gemeinsamen Markt in der zehnprozentigen Zollsenkung am 1. Januar 1958 plus der Erhöhung der Kontingente besteht. Wenn also nur einer der Vertragspartner aus seiner wirtschaftlichen Situation heraus nicht in der Lage wäre, diesen ersten Schritt mitzumachen, müßte man natürlich überlegen, ob deswegen nun auch alle anderen auf der Stelle treten müssen oder ob man zu einer Übereinkunft kommen kann, die den Platz für dieses eine Land eben offenläßt, wobei darunter wohl mit verstanden werden muß, daß da die andern eben notwendigerweise diesem Lande helfen müßten, den Rückstand aufzuholen und sich also alsbald und baldmöglichst in diese Gemeinschaft einzuschließen. Das sind Möglichkeiten. Ich weiß nicht, ob wir sie erörtern müssen. Ich hoffe, daß die Bundesregierung sich darüber Gedanken gemacht hat. Wir werden es hier ja dann gleich hören.
    Mir liegt daran, meine Damen und Herren — damit darf ich meine Begründung der Großen Anfrage der Freien Demokratischen Partei abschließen —, festzustellen, ob auch heute noch die Meinung hier im Hause einheitlich so wie damals dahin gerichtet ist, nicht irgendeine kleine europäische Autarkie oder eine kleineuropäische Inzucht, wie wir das genannt haben, herzustellen, ob die Meinung nach wie vor dahin geht, daß das Ziel, das erreicht werden muß, und zwar auf allen Wegen, die uns offenstehen, die Wirtschaftseinheit des freien, des westlichen Europas ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesminister Professor Erhard.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Großen Anfrage Drucksache 371 nehme ich wie folgt Stellung.
    Die Frage 1 lautet:
    Wann und in welcher Weise gedenkt die Bundesregierung der Verpflichtung nachzukommen, gemäß Artikel 2a des Gesetzes zu den Verträgen vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft Bundestag und Bundesrat über die Entwicklungen im Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und im Rat der Europäischen Atomgemeinschaft laufend zu unterrichten?
    Angesichts der Tragweite, die der Tätigkeit der Organe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft für die Entwicklung der europäischen Wirtschaft und damit auch der Wirtschaft in der Bundesrepublik zukommt, und angesichts der Vielzahl der Aufgaben, welche den Organen von den Mitgliedstaaten übertragen worden sind, hält es die Bundesregierung für eine vordringliche Aufgabe, die gesetzgebenden Körperschaften der Bundesrepublik über die Tätigkeit dieser Organisationen und die von ihnen erreichten Ergebnisse zu unterrichten. Sie mißt daher der Unterrichtungspflicht, die in Artikel 2 des Zustimmungsgesetzes zu den Rom-Verträgen festgesetzt ist, besondere Bedeutung bei und ist selbstverständlich gewillt, dieser Verpflichtung zu entsprechen.
    Artikel 2 des Zustimmungsgesetzes sieht zunächst eine laufende Unterrichtung über die Entwicklung im Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und im Rat der Europäischen Atomgemeinschaft vor. Eine solche Unterrichtung dürfte nach Auffassung der Bundesregierung allerdings nur dann sinnvoll sein, wenn die Arbeit der beiden Gemeinschaften bereits zu gewissen Ergebnissen geführt hat und bestimmte Entwicklungstendenzen erkennen läßt. Da die verschiedenen Organe ihre Tätigkeit erst im Laufe der letzten Monate aufgenommen haben und der organisatorische Aufbau noch nicht abgeschlossen ist, hat die Bundesregierung bisher davon abgesehen, das Plenum des Bundestags und des Bundesrates schon jetzt mit einer eingehenden Unterrichtung zu befassen. Die Bundesregierung hat jedoch ihre Bereitschaft bekundet, vor den jeweils interessierten Ausschüssen zu berichten. Sie hat bereits wiederholt vor dem Sonderausschuß des Bundesrates für Angelegenheiten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Freihandelszone auf dessen Wunsch berichtet. Für eine Berichterstattung vor dem Wirtschaftsausschuß des Bundestags war ein Termin vereinbart, der jedoch wegen der heutigen Plenarsitzung verschoben worden ist.
    Artikel 2 des Zustimmungsgesetzes sieht weiterhin vor, daß Bundestag und Bundesrat vor der jeweiligen Beschlußfassung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft unterrichtet werden, „soweit durch den betreffenden Beschluß innerdeutsche Gesetze erforderlich werden oder in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar geltendes Recht geschaffen wird". Diese Unterrichtung ist in einigen Fällen bereits geschehen. Dabei hat es allerdings Schwierigkeiten bereitet, den gesetzgebenden Körperschaften die Entwürfe rechtzeitig vor der Beschlußfassung im Rat zuzuleiten. Der Rat mußte nämlich in der ersten Zeit einzelne Beschlüsse mit größter Beschleunigung fassen, um die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Organe der Gemeinschaften zu schaffen. Die Bundesregierung wird sich jedoch dafür einsetzen, daß künftig vor der Beschlußfassung im Rat den gesetzgebenden Körperschaften eine ausreichende Frist zur Verfügung steht, um etwaige schwerwiegende Bedenken gegen die jeweiligen Entwürfe der Bundesregierung noch so rechtzeitig zur Kenntnis bringen zu können, damit diese hei der Beschlußfassung im Rat berücksichtigt werden können. Sie hat daher den Rat über die ihr aus Artikel 2 des Zustimmungsgesetzes gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften der Bundesrepublik obliegende Verpflichtung unterrichtet.



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard Die Frage 2 lautet:
    Was hat die Bundesregierung unternommen zur Erfüllung der von ihr übernommenen Verpflichtung, alsbald nach Inkrafttreten des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Abkommen zu schließen, welche die harmonische Entwicklung des gesamten Handelsverkehrs gewährleisten?
    Ich antworte darauf wie folgt: Zusammen mit den übrigen Partnern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist die Bundesregierung anläßlich der Mai-Tagung des GATT mit den anderen Vertragspartnern des GATT in einen ,eingehenden Meinungsaustausch eingetreten. Dabei ist in Aussicht genommen, fortlaufende Beratungen über die gesamte künftige zoll- und handelspolitische Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft abzuhalten. Dieser Umstand ist von den GATT-Vertragspartnern mit großer Befriedigung aufgenommen worden.
    Darüber hinaus bemühen sich die EWG-Staaten um eine Aufklärung ihrer Handelspartner in aller Welt. Sie haben namentlich den lateinamerikanischen Ländern ihre Auffassung in mehreren Memoranden dargelegt und sich darin für den Bedarfsfall auch ausdrücklich zu gegenseitigen Konsultationen erboten.
    Die Frage 2 a:
    Welche Schritte hat die Bundesregierung zum Zustandekommen einer Europäischen Freihandelszone unternommen?
    Die Antwort lautet: Schon vor der Unterzeichnung des EWG-Vertrags am 25. März 1957 hatte die Bundesregierung ihren Einfluß im Kreise der sechs EWG-Staaten dahingehend geltend gemacht, daß Regierungsverhandlungen über die Errichtung einer Freihandelszone eingeleitet werden. Am 12. Februar 1957 gab der damalige Ministerpräsident Spaak im Namen der Regierungen der sechs EWG-Staaten vor dem OEEC-Rat eine Erklärung ab, in der die grundsätzliche Bereitwilligkeit der sechs EWG-Staaten zur aktiven Mitarbeit bei der Errichtung einer Europäischen Freihandelszone mitgeteilt wurde.
    In den auf Grund eines Beschlusses der OEEC eingerichteten Arbeitsgruppen haben die Vertreter der Bundesregierung wirksam mitgearbeitet. Als Bundesminister für Wirtschaft habe ich anläßlich internationaler Konferenzen, bei meinen Besuchen im Ausland, bei Besuchen ausländischer Regierungsmitglieder in der Bundesrepublik und bei anderen sich darbietenden Gelegenheiten betont, welche wirtschaftliche und politische Bedeutung die deutsche Öffentlichkeit der zu errichtenden Europäischen Freihandelszone beimißt.
    Bei den im Laufe der Verhandlungen aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten hat die Bundesregierung durch immer neue Vorschläge in den Verhandlungen versucht, Lösungen zu finden, die die Zustimmung der sechs EWG-Partner wie der übrigen elf OEEC-Mitglieder finden könnten. Die Vertreter der Bundesregierung haben, insbesondere auch in zweiseitigen Besprechungen, namentlich mit der französischen und der englischen Regierung, versucht, für die am meisten voneinander entfernten Standpunkte gegenseitiges Verständnis zu wekken und Vorschläge für deren Annäherung zu entwickeln. Auf diese Weise wurde die Bundesregierung in die Rolle eines Vermittlers versetzt, die sie nach bestem Vermögen und mit anerkannt gutem Erfolg erfüllt hat und weiter zu erfüllen bemüht bleibt.
    Die Frage 2 b:
    Welchen Stand haben die Verhandlungen zur Bildung dieser Freihandelszone erreicht?
    Die Antwort lautet: Die Verhandlungen, die seit dem Herbst des vergangenen Jahres in dem „Regierungsausschuß für die Errichtung einer Europäischen Freihandelszone" unter dem Vorsitz des englischen Ministers Maudling in Paris geführt werden, haben bislang noch nicht zur Redaktion eines Vertragstextes geführt. Eine solche Redaktion kann erst erfolgen, wenn einige wesentliche Grundsatzentscheidungen gefaßt sein werden. In dieser Hinsicht haben sich insofern Verzögerungen ergeben, als die sechs in der EWG zusammengeschlossenen Staaten eine gemeinsame Haltung einnehmen wollen, die aber noch nicht in allen Punkten erzielt werden konnte. In einem unter der Leitung des belgischen Botschafters beim Europäischen Wirtschaftsrat, Herrn Ockrent, stehenden Ausschuß der Sechs wurde eine wesentliche Arbeit zur Annäherung der Haltung der Gemeinschaftsländer erzielt. Eine Entscheidung hierüber mußte aber wegen der französischen Regierungskrise vom Frühjahr dieses Jahres hinausgeschoben werden, und auch die gegenwärtige Regierung brauchte einige Zeit, bevor sie sich dieser Frage widmen konnte. In einer Sitzung des Ministerrates der EWG am 23. und 24. Juli dieses Jahres wurden jedoch bedeutsame Fortschritte erzielt; so wurde von seiten der Sechs dem gleich darauf tagenden Maudling-Ausschuß ein Memorandum über die Vorschläge der Sechs betreffend die Regelung der landwirtschaftlichen Fragen überreicht, das im großen und ganzen eine nicht ungünstige Aufnahme erfahren hat. Bei dieser Tagung wurde außerdem eine Arbeitsgruppe erneut beauftragt, die mit der Beteiligung einer Reihe weniger entwickelter OEEC-Mitgliedsländer an der Freihandelszone verbundenen Probleme weiter zu untersuchen. In der schwierigen, sich aus den unterschiedlichen nationalen Zolltarifen ergebenden Problematik, wie z. B. Schutz gegen Verkehrsverlagerungen durch herkömmliche Ursprungsregeln, Harmonisierung der Außentarife, Erhebung von Ausgleichstaxen und dergleichen, kam der Regierungsausschuß insofern weiter, als nunmehr ein bestimmtes Verfahren für die weitere Prüfung akzeptiert wurde, dem auch die französische Regierung zustimmte. Auch der Verlauf und das Ergebnis der kürzlich in Venedig abgehaltenen Tagung des Ministerrates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft berechtigt dazu, den Abschluß eines Freihandelszonenvertrages zwischen den 17 OEEC-Mitgliedsländern mit größerer Zuversicht als bisher zu betrachten. Bei dieser Tagung hat man beschlossen, daß sich der institutionelle Aufbau der Freihandels-



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    zone an den der OEEC anlehnen sollte. So sind ein Rat auf Ministerebene und auf Ebene der Stellvertreter, ein oder mehrere Direktionskomitees und eventuell auch ein Gerichtshof vorgesehen. Zwischen den sechs EWG-Staaten konnte ferner Einvernehmen darüber erzielt werden, daß einer der Hauptforderungen der übrigen elf OEEC-Mitgliedsländer, und zwar der Forderung nach gleichzeitigem Inkrafttreten der Zoll- und Kontingentsmaßnahmen, entsprochen werden soll. Der Endtermin der Übergangszeit soll in der Freihandelszone an den Endtermin der EWG angeschlossen werden und darf diesen Termin urn nicht mehr als drei Jahre überschreiten. Für die Beschlußfassung im Ministerrat ist zunächst die Einstimmigkeit in Aussicht genommen. Es soll jedoch im Laufe der Übergangszeit geprüft werden, inwieweit auch Mehrheitsbeschlüsse gefaßt werden können. In diesem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, in welchem Verfahren die sechs Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft ihre einheitliche Haltung im Rat der Freihandelszone festlegen. Diese Frage wird noch geprüft und soll im Ministerrat der EWG am 7. Oktober dieses Jahres geklärt werden. Die Beschlüsse a.uf Grund der Beratungen der sechs EWG-Staaten werden dem Maudling-Ausschuß auf seiner nächsten Tagung vom 21. bis 30. Oktober dieses Jahres unterbreitet werden.
    Als derzeitiger Ratspräsident der EWG bin ich gebeten worden, Minister Maudling dahingehend zu unterrichten, daß die sechs EWG-Staaten bei der nächsten Tagung des OEEC-Regierungsausschusses zu einer Grundsatzdebatte zur Verfügung stehen. Ich habe mich in diesem Sinne bereits mit Herrn Minister Maudling in Verbindung gesetzt.
    Die Frage 2 c lautet:
    Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, falls es nicht gelingt, vor dem 31. Dezember 1958 einen Vertrag zur Bildung einer Freihandelszone abzuschließen?
    Ich antworte: Der Vertrag über die Europäische Freihandelszone wird zu Ende dieses Jahres mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen, geschweige denn ratifiziert sein. Es stellt sich damit die Frage, wie innerhalb des westlichen Europa die Tatsache aufgenommen wird, daß sich einige Mitgliedsländer der OEEC wechselseitig gewisse Handelserleichterungen einräumen, die sie den anderen Mitgliedsstaaten nicht gewähren. Diese Unterschiedlichkeit auszuschließen, ist im engeren wirtschaftlichen Bereich die Absicht der Freihandelszone. Die Bundesregierung ist daher lebhaft für ein provisorisches Abkommen eingetreten für den Fall, daß der Freihandelszonenvertrag nicht zum 1. Januar 1959 in Kraft treten könnte. Ein solches provisorisches Abkommen zur Senkung der Zölle um 10 % gegenüber allen OEEC-Mitgliedern — und vielleicht auch zur Ausweitung der Kontingente entsprechend dem EWG-Vertrag — stellt jedoch nur einen Vorgriff auf den endgültigen Freihandelszonenvertrag dar.
    Die Bundesregierung ist mit ganzer Kraft bestrebt, eine beschleunigte Verwirklichung des Freihandelszonenvertrags herbeizuführen, und ist fest überzeugt, daß dieser Vertrag zustande kommt. Sie sieht sich in diesem Optimismus durch das Ergebnis der vorerwähnten Tagung des Ministerrats der EWG in Venedig wie überhaupt durch die letzte Entwicklung der Verhandlungen zwischen den 17 OEEC-Mitgliedsländern bestärkt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)