Für diesen Zweck benutzt die Kommunistische Partei Hilfsorganisationen, die bestimmte Aufgaben auf einzelnen Interessengebieten erfüllen sollen, z. B. Friedensarbeit, Kulturarbeit und Frauenarbeit.
Eine der wichtigsten und wirksamsten Organisationen dieser Art ist seit Jahren die kommunistische Weltfriedensbewegung, die den aufrichtigen Wunsch aller Menschen nach einem dauerhaften Frieden für kommunistische Zwecke ausnutzt und deshalb auch zuerst als Träger des Kampfes gegen die atomare Rüstung außerhalb Deutschlands vorgeschoben worden ist. Schon 1950 hat der kommunistische „Weltfriedensrat" eine großangelegte Kampagne für das Verbot der damals nur in amerikanischen Händen befindlichen Atomwaffen begonnen. Etwa gleichzeitig sind in fast allen Ländern der freien Welt nationale kommunistische Friedenskomitees entstanden, die sich dieser ersten Atomkampagne anschlossen. In der Bundesrepublik handelte es sich um das „Westdeutsche Friedenskomitee", später „Friedenskomitee der Bundesrepublik Deutschland" genannt. Diese kommunistische Friedensbewegung bezweckte, die kommunistischen Aggressionsabsichten zu tarnen und die westliche Abwehrbereitschaft zu schwächen. In Wahrheit lehnt die kommunistische Ideologie den Pazifismus — man muß hier betonen: im eigenen Machtbereich — als reaktionär ab. Die kommunistische „Weltfriedensbewegung" führte mehrere große Unterschriftensammlungen durch, die sich für das absolute Verbot aller Atomwaffen einsetzten. So die Appelle von Stockholm am 19. März 1950, von Berlin am 26 Februar 1951 und von Wien am 19. Januar 1955. Der kommunistische „Weltfriedensrat" veranstaltet im nächsten Monat in Stockholm einen „Kongreß für Abrüstung und internationale Zusammenarbeit". Dem Vorbereitungsausschuß dieser Stockholmer kommunistischen Veranstaltung gehört bedauerlicherweise ein evangelischer Kirchenpräsident aus der Bundesrepublik an.
Ab 1950 haben die Kommunisten die Frage der deutschen Wiederbewaffnung zu einem Schwerpunkt ihrer Tätigkeit gemacht. Ausgerichtet auf die Linie der sowjetischen Außenpolitik und Propaganda sind auf allen Kongressen des Weltfriedensrats besondere Resolutionen gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik gefaßt worden. In diesem Sinne betätigte sich neben dem „Weltfriedensrat" die „Internationale kommunistische Wider-
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Bundesminister Dr. Schröder standskämpferbewegung" FIR. Die kommunistischen Hilfsorganisationen in der Bundesrepublik bildeten 1951 den sogenannten „Hauptausschuß für Volksbefragung". Dort wurden führende Funktionäre und zahlreiche Mitglieder der kommunistischen Hilfsorganisationen der Bundesrepublik zusammengefaßt. Aus der Sowjetzone wurde diese Organisation mit allen möglichen Mitteln unterstützt.
Meine Damen und Herren, ich habe bereits in der Bundestagsdebatte vom 24. April darauf hingewiesen, daß sich der Bundestag, dieses Hohe Haus schon vor fast genau sieben Jahren, nämlich am 26. April 1951 mit dieser kommunistischen Volksbefragungsaktion zu befassen gehabt hat. Ich habe damals vor allem den SPD-Abgeordneten Wehner zitiert, der 1951 die Ablehnung der KP-Aktion durch die SPD mit den Worten begründet hat: „Sehen Sie, eine Regierung ist doch verpflichtet, Leute, die Panik kaltblütig organisieren, in die Schranken zurückzuweisen."
Damals, meine Damen und Herren, lebte allerdings Dr. Schumacher noch.
Im Jahre 1954 hat der damalige 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die führenden Funktionäre des Hauptausschusses zu Gefängnisstrafen verurteilt.
Als nun 1957 die Diskussion über eine mögliche atomare Bewaffnung der Bundeswehr begann, war das für die Kommunisten der Anlaß, mit all ihren Tarn- und Hilfsorganisationen eine großangelegte Agitation zu beginnen. Sie lief wieder parallel zu sowjetischen Erklärungen. Auf der 33. Tagung des ZK der SED im Oktober 1957 forderte Grotewohl dazu auf, eine Volksbewegung gegen die Atomrüstung zu gründen. Er erklärte:
Von unaufschiebbarer Dringlichkeit ist die Entfaltung einer umfassenden Friedensbewegung, einer Volksbewegung gegen die atomare Aufrüstung. Dabei müssen die fortschrittlichen Arbeiter, alle Funktionäre und Organisationen der Arbeiterklasse in Westdeutschland die Initiative ergreifen. Und die Arbeiterklasse darf ein gebührendes und für den Erfolg entscheidendes Gewicht in dieser großen Kampfbewegung für die Sicherheit des Friedens einnehmen. Unsere Aufgabe besteht darin, diesen sich entfaltenden fortschrittlichen Kräften der Arbeiterklasse bei dieser Entwicklung zu helfen, sie zu kräftigen und zum Kampf zu befähigen.
Die gleichen Forderungen wurden auf der 34. Tagung des Zentralkomitees der SED am 27. Dezember 1957 erhoben.
Das Zentralkomitee der illegalen KPD rief am 18. Januar 1958 zu einer Volksbefragung gegen die atomare Aufrüstung auf. Am Vorabend der Bundestagsdebatte vom 23. Januar 1958 forderte Grotewohl zu einem Volksentscheid darüber auf, ob beide Teile Deutschlands einer atomwaffenfreien Zone angehören sollten. Max Reimann, der erste Sekretär des ZK der illegalen KPD erklärte am
24. .Januar 1958 über den „Freiheitssender 904", die illegale KP werde diesen Vorschlag unterstützen, die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik lasse sich nicht mehr allein durch parlamentarische Mittel verhindern.
Am 2. Februar hieß es im sogenannten Deutschlandsender:
Es ist zweifellos zu erwarten, daß die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften ... gegen die Atomtodpolitik ... in allen Städten und Dörfern Sturm laufen und einen Volksentscheid organisieren.
Auf der 35. Tagung des ZK der SED im Februar 1958 wurde erneut betont, daß die Organisationen der SBZ die „friedliebenden Kräfte" der Bundesrepublik dabei unterstützen müßten, eine Volksbefragung gegen die atomare Aufrüstung herbeizuführen.
Die Losung „Volksentscheid" nahm in der kommunistischen Propaganda an die Adresse der SPD und der Gewerkschaften einen immer größeren Raum ein.
In einem von der illegalen KP-Organisation in Düsseldorf herausgebrachten Flugblatt an die SPD wird bereits am 5. Februar 1958 eine örtlich begrenzte Volksbefragung angeregt. Von Ende Februar 1958 an griff die kommunistische Hetzaktion auf Industriebetriebe über. An verschiedenen Orten gab es kurze und wilde Streiks. Als Anstifter solcher Streiks konnten bei Henschel in Kassel, bei Büssing in Braunschweig und in einem Teilhafengebiet von Hamburg einwandfrei die dort tätigen illegalen KP-Betriebsgruppen festgestellt werden.
Wie wir wissen, meine Damen und Herren, ist vom Zentralkomitee der SED die grundsätzliche Weisung für die Führung dieser Kampagne ergangen, alle kommunistischen Hilfsorganisationen im Bundesgebiet hätten die Koordinierung der „Friedenskräfte" der Sowjetzone mit dem „Arbeitsausschuß Kampf dem Atomtod" der sozialdemokratischen Opposition sowie mit den von den kommunistischen Hilfsorganisationen gegründeten Aktionsgemeinschaften anzustreben. Neue derartige Aktionsgemeinschaften sollten auf Landes-, Kreis- und Ortsebene in der Bundesrepublik gebildet werden, damit — und das ist nun der politisch relevante Gesichtspunkt — „der Mann auf der Straße" nicht mehr zwischen den von der parlamentarischen Opposition und den von den kommunistischen Hilfsorganisationen gegründeten Ausschüssen unterscheiden könne.
Im Sinne dieser Weisung verstärkten seit Dezember 1957 alle kommunistischen Hilfsorganisationen ihre Agitation gegen eine atomare Bewaffnung der Bundesrepublik und bemühten sich, insbesondere Verbindungen zu den Sozialdemokraten, zu den Gewerkschaften aufzunehmen. Die von diesen Kräften
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eröffnete oder unterstützte Kampagne „Kampf dem Atomtod" sowie den Ende Februar 1958 veröffentlichten Appell von 44 Universitäts- und Hochschulprofessoren der Bundesrepublik an die Gewerkschaften versuchten die Kommunisten ihren Zielen nutzbar zu machen.
Die am 30. März 1958 vorgenommene Gründung der „Aktionsgemeinschaft gegen die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik" durch den „Fränkischen Kreis" ist in diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben. Andere kommunistische Hilfsorganisationen riefen im Laufe der Monate April und Mai ähnliche Ausschüsse ins Leben. Die soeben erwähnte „Aktionsgemeinschaft gegen die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik" wurde vom „Fränkischen Kreis" Ende März in Frankfurt gegründet. Der „Fränkische Kreis" ist eine von dem kommunistischen „Demokratischen Kulturbund Deutschlands" finanzierte und gesteuerte Nebenorganisation.
Nach außen hin zeichnet für diesen Kreis der Würzburger Universitätsprofessor Dr. Franz Paul Schneider, führendes Mitglied verschiedener kommunistischer Hilfsorganisationen, u. a. des „Weltfriedensrates". Um der Neugründung den Anschein politischer Neutralität und zugleich eine möglichst breite Grundlage zu geben, gewann man die Initiatorin des Appells der 44 Professoren an die Gewerkschaften, Professor Dr. Renate Riemeck, zur Mitarbeit. An der Gründungskonferenz nahmen 66 Personen teil. Die Hälfte davon wurden als Gewerkschaftsfunktionäre bezeichnet. Dem „Fränkischen Kreis" gelang es damit, seinen bisherigen Wirkungskreis — in Kreisen der Intelligenz — zu erweitern und auf die Arbeiterschaft auszudehnen, was ein alter Wunsch seiner kommunistischen Funktionäre war.
Die Mitgliederliste des „Zentralen Arbeitsausschusses", der von der Aktionsgemeinschaft gebildet wurde, zeigt, daß es dem „Fränkischen Kreis" gelungen ist, namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie ich annehme, irrezuführen. Die „Aktionsgemeinschaft" fungiert im übrigen als Träger des „Ständigen Kongresses gegen die Atomaufrüstung", der, wie es heißt, Intellektuelle, Betriebsräte, Bauern, Frauen und Jugendliche zu einer Tagung eingeladen hat, die am 14. und 15. dieses Monats in Gelsenkirchen stattfinden soll.
Wie weit die Verwirrung gediehen ist, zeigt, daß das führende Blatt der Sozialdemokraten, der „Vorwärts", in seiner Ausgabe von heute in einem Aufsatz, der überschrieben ist „Aufstand des Gewissens" und sich auf Seite 5 findet, harmlos auf diese Veranstaltung hinweist.
Entsprechend den kommunistischen Absichten, zahlreiche neue Aktionsgemeinschaften zu bilden, damit nicht mehr zwischen den Arbeitsausschüssen, die die Sozialdemokraten gegründet haben, und den kommunistischen Organisationen unterschieden werden könne, wurden ins Leben gerufen: am 20. April 1958 in Hannover ein „Komitee Volkskunstschaffender gegen den Atomtod", Ende April in Köln, Düsseldorf, Duisburg und anderen Orten „Arbeitsgemeinschaften gegen die atomare Aufrüstung" vom „Bund der Deutschen", am 27. April die „Arbeitsgemeinschaft Bayern-Kampf dem Atomtod" vom kommunistischen Landesfriedenskomitee Bayern.
Ebenso wie die kommunistischen Hilfsorganisationen sind auch die kommunistisch beeinflußten neutralistischen und nationalistischen Kreise in die Aktion eingeschaltet. So führt zum Beispiel der „Deutsche Klub 1954" eine „Antiatomkampagne". Er hat nach dem Anlaufen der Aktion „Kampf dem Atomtod" seine Bemühungen verstärkt. Als Geschäftsführer ist Karl Graf von Westfalen und als Hilfskräfte sind die ehemaligen Funktionäre Paul Neuhöfer vom „Bund der Deutschen" und Hans Blank von der Kommunistischen Partei tätig. Der „Deutsche Klub 1954" wendet sich vor allem an bestimmte bürgerliche und kirchliche Kreise.
Der unter sowjetzonalem Einfluß stehende und im wesentlichen auch von sowjetzonalen Stellen finanzierte „Bund für deutsche Einheit e. V.", der seinen Anhang hauptsächlich in nationalistischen Kreisen sieht, unterstützt seit April 1958 offen die Aktion „Kampf dem Atomtod".
An der kommunistisch gesteuerten Atomtodkampagne beteiligen sich ferner die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ", das „Friedenskomitee der Bundesrepublik Deutschland" — Herausgeber des weit gestreuten Blaubuchs gegen die Atomrüstung in Westdeutschland —, die „Westdeutsche Frauenfriedensbewegung" und der eben erwähnte „Bund der Deutschen" . Hinzu kommt eine große Anzahl von Neugründungen — Komitees, Arbeitsgemeinschaften, Ausschüsse usw. — auf Bundes-, Landes- und Kreisebene.
Vor dem Hintergrund dieser kommunistisch gelenkten Großaktion gewinnt ein kleiner Einzelfall symptomatische Bedeutung. Die Gemeindevertretung in F. — ich begnüge mich mal mit dem Anfangsbuchstaben des Ortes — hat beschlossen, eine Volksbefragung gegen die atomare Aufrüstung unter allen Umständen durchzuführen, und zwar auch gegen anderslautende Weisung der Aufsichtsbehörde; ein Verhalten, das zeigt, wie sich die kommunistischen Aufstandsparolen auszuwirken beginnen. Es wurde festgestellt, daß der Anstoß zu diesem Vorgehen von einem örtlich bekannten Kommunisten ausgegangen ist.
Bemerkenswert ist ferner, daß, nachdem Max Reimann am 24. März 1958 im „Freiheitssender 904"
ausgerufen hatte: „Der nationale Notstand gebietet
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Bundesminister Dr. Schröder
den nationalen Widerstand", die Opposition im Bundestag — —
— Es tut mir leid, den Satz muß ich wiederholen, weil er leider wegen der Störungen nicht allgemein verständlich war.
Bemerkenswert ist ferner, daß, nachdem Max Reimann am 24. März 1958 im „Freiheitssender 904" ausgerufen hatte: „Der nationale Notstand gebietet den nationalen Widerstand", die Opposition am 25. März eine Regierung des nationalen Notstands forderte.
Wiederum einen Tag später, am 26. März, schrieb der SPD-Pressedienst: „Das . . . Ja zur atomaren Bewaffnung ... ist der nationale Notstand".
Meine Damen und Herren, ich möchte zusammenfassend folgendes feststellen:
1. Der Kommunismus hat seit langem seine Absicht erkennen lassen, durch Verbreitung von atomarer Massenangst das Ordnungsgefüge der Bundesrepublik zu erschüttern und den Freiheitswillen unserer Bevölkerung zu lähmen. Die von den Kommunisten erdachten Schlagworte und Parolen werden nicht dadurch ungefährlich, daß sie auch von legalen Gegnern der Bundesregierung verwendet werden.
Wer, meine Damen und Herren, ob bewußt oder unbewußt, gutgläubig oder bösgläubig, mit seinem Willen oder ohne seinen Willen in diese Kampagne verstrickt wird, spielt das Spiel unserer gemeinsamen Gegner.
Der Beifall, den die Volksbefragungskampagne im kommunistischen Machtbereich findet, muß doch ein Warnsignal für uns alle sein.
2. Die Bundesregierung wehrt sich entschieden dagegen, daß durch die Volksbefragungsaktion eine Demontage der Verfassung durch die Hintertür eingeleitet wird.
Der Versuch, diese Aktion dahin zu verharmlosen, daß es sich ja nur um statistische Feststellungen —das ist in Hamburg gesagt worden - oder gar um demoskopische Meinungsforschung handele, muß als Irreführung abgelehnt werden.
In der gefährdeten Lage, in der sich unser Vaterland befindet, gibt es kaum ein wichtigeres Gebiet als das der Stabilisierung der parlamentarischen Demokratie,
und zwar in der vom Grundgesetz geprägten repräsentativen Form.
Die Zerstörung der Autorität des gewählten Parlaments beschwört Entwicklungen herauf, denen wir unser junges Staatswesen unter keinen Umständen aussetzen dürfen.
Deshalb richte ich noch einmal an diejenigen Träger der Volksbefragungsaktion, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und sich mit uns für die Verteidigung der grundgesetzlichen Ordnung verantwortlich fühlen, mit allem Ernst den Appell, die Volksbefragungskampagne einzustellen.
Es gibt in unserem Rechtsstaat genügend verfassungsmäßige Mittel der politischen Willensbildung und der Durchsetzung des politischen Willens in den vorgeschriebenen parlamentarischen Bahnen. Die Volksbefragungsaktion gehört aber nicht dazu.
Hier gilt es, den Anfängen zu wehren. Ich bitte das Hohe Haus, die Bundesregierung bei ihrer Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung mit aller Kraft zu unterstützen.